Briefe an eine Freundin - Wilhelm von Humboldt - E-Book

Briefe an eine Freundin E-Book

Wilhelm von Humboldt

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Beschreibung

1788 lernte von Humboldt Caroline von Dacheröden kennen, die er dann 1791 heiratete. Mit ihrem überlieferten Briefwechsel, für den ein von beiden Eheleuten gepflegter Ton wechselseitiger Idealisierung bezeichnend ist, schufen Caroline und Wilhelm von Humboldt ein Orientierungsmuster des Geschlechterverhältnisses für das deutsche Bürgertum im 19. und noch im 20. Jahrhundert.

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Seitenzahl: 567

Veröffentlichungsjahr: 2012

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Briefe an eine Freundin

Wilhelm von Humboldt

Inhalt:

Wilhelm von Humboldt – Biografie und Bibliografie

Vorbericht von Charlotte Diede.

Wien, 3. November 1814.

Wien, den 18. Dezember 1814.

Burgörner, April 1822.

Burgörner, April 1822.

Burgörner, den 3. Mai 1822.

Burgörner, Ende Mai 1822.

Burgörner, 1822.

Burgörner, 1822.

Tegel, den 10. Juli 1822.

Burgörner, im Juli 1822.

Berlin, den 2. Dezember 1822.

Berlin, den 27. Dezember 1822.

Berlin, den 14. Februar 1823.

Berlin, den 14. März 1823.

Berlin, den 30. März 1823.

Berlin, den 12. April 1823.

Berlin, den 25. April 1823.

Tegel, den 15. Mai 1823.

Tegel, den 26. Mai 1823.

Ottmachau, den 12. Juli 1823.

Tegel, den 11. August 1823.

Den 10. September 1823.

Berlin, den 18. Oktober 1823.

Burgörner, den 29. November 1823.

Berlin, den 12. Januar 1824.

Berlin, den 12. März 1824.

Berlin, im April 1824.

Tegel, im Mai 1824.

Herrnstadt, den 9. Juli 1824.

Tegel, den 12. September 1824.

Burgörner, den 13. November 1824.

Berlin, den 31. Januar 1825.

Berlin, den 12. Februar 1825.

Berlin, den 8. März 1825.

Berlin, den 22. März 1825.

Tegel, den 1. Mai 1825.

Tegel, den 15. Mai 1825.

Tegel, den 16. Juli 1825.

Burgörner, den 18. August 1825.

Burgörner, den 6. September 1825.

Tegel, den 17. Oktober 1825.

Berlin, den 8. November 1825.

Berlin, den 25. Dezember 1825.

Berlin, den 14. Februar 1826.

Berlin, den 13. März 1826.

Ottmachau, den 10. April 1826.

Glogau, den 9. Mai 1826.

Berlin, Ende Mai 1826.

Tegel, den 10. September 1826.

Tegel, im Oktober 1826.

Berlin, den 8. November 1826.

Tegel, den 6. Dezember 1826.

Rudolstadt, den 2. Januar 1827.

Berlin, den 28. Januar 1827.

Tegel, den 18. März 1827.

Berlin, den 10. April 1827.

Berlin, den 2. Mai 1827.

Tegel, den 23. Mai 1827.

Tegel, den 12. Juni 1827.

Bad Gastein, den 5. August 1827.

Tegel, den 21. September 1827.

Tegel, den 8. Oktober 1827.

Tegel, den 26. Oktober 1827.

Im Dezember 1827.

Berlin, Januar 1828.

Berlin, den 21. März 1828.

Paris, den 23. April 1828.

London, den 20. Mai 1828.

London, Juni 1828.

Den 16. Juli.

Salzburg, den 14. August 1828.

Bad Gastein, den 14. September.

Tegel, den 16. Oktober 1828.

Berlin, den 16. November 1828.

Den 16. Dezember 1828.

Berlin, März 1829.

Berlin, den 31. März 1829.

Berlin, den 18. Mai 1829.

Tegel, den 12. Juni 1829.

Tegel, Juli 1829.

Bad Gastein, den 20. August 1829.

Regensburg, den 10. September 1829.

Tegel, den 30. September 1829.

Tegel, den 24. Dezember 1829.

Tegel, den 26. Januar 1830.

Tegel, den 14. April 1830.

Tegel, den 6. bis 9. Mai 1830.

Tegel, den 29. Mai 1830.

Tegel, den 7. September 1830.

Tegel, den 6. Oktober 1830.

Tegel, den 6. November 1830.

Tegel, den 4. Januar 1831.

Tegel, den 6. April 1831.

Tegel, den 6. Mai 1831.

Tegel, den 3. Juni 1831.

Oschersleben, den 3. Juli 1831.

Norderney, den 26. Juli 1831.

Tegel, den 1. Januar 1832.

Tegel, den 2. Februar 1832.

Tegel, den 7. März 1832.

Tegel, April 1832.

Tegel, den 5. Juni 1832.

Norderney, den 2. August 1832.

Tegel, den 3. September 1832.

Im November.

Tegel, Dezember 1832.

Tegel, den 9. Februar 1833.

Tegel, den 8. März 1833.

Tegel, den 7. April 1833.

Norderney, den 2. August 1833.

Tegel, den 6. Oktober 1833.

Tegel, den 16. Nov. bis 7. Dez. 1833.

Tegel, den 20. Dez. 1833 bis 7. Jan. 1834.

Tegel, den 12. Januar 1834.

Tegel, Februar 1834.

Tegel, den 14. März bis 4. April 1834

Tegel, den 15. April bis 8. Mai 1834.

Tegel, August und September 1834.

Tegel, November bis 3. Dezember 1834.

Tegel, Dezember 1834 bis 2. Januar 1835.

Januar 1835.

Tegel, Februar 1835.

Den 27. Februar.

Tegel, im März 1835.

Den 28. März.

Anmerkungen.

Briefe an eine Freundin, W. von Humboldt

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9

86450 Altenmünster

ISBN: 9783849638641

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Wilhelm von Humboldt – Biografie und Bibliografie

Einer der geistreichsten Gelehrten und bedeutendsten Staatsmänner Deutschlands, geb. 22. Juni 1767 in Potsdam, gest. 8. April 1835 in Tegel bei Berlin, erhielt nach dem frühzeitigen Tode seines Vaters, der im Siebenjährigen Kriege Major und Adjutant des Herzogs Ferdinand von Braunschweig, nachher königlicher Kammerherr gewesen war, mit seinem Bruder Alexander auf dem elterlichen Schloss Tegel und in Berlin eine treffliche Erziehung und studierte 1787–1788 in Frankfurt a. O., dann in Göttingen Rechts- und Staatswissenschaften sowie unter Heyne auch Altertumswissenschaft und auf Grund eigner Lektüre Kantsche Philosophie. 1789 reiste er mit seinem ehemaligen Lehrer Campe nach Paris und Versailles, wo er einigen Sitzungen der Nationalversammlung beiwohnte, und begab sich dann nach Weimar, wo er den Winter 1789–90 verbrachte. Hier lebte er in lebhaftem Verkehr mit dem Koadjutor v. Dalberg, dem späteren Fürsten-Primas, machte die Bekanntschaft von Karoline v. Dachröden, seiner späteren Gemahlin (s. unten, Literatur), und trat durch deren Vermittlung auch in Beziehungen zu Schiller. Im Sommer 1790 wurde er zu Berlin als Legationsrat und Assessor beim Kammergericht angestellt; doch gab er die neue Stellung im Frühling 1791 wieder auf und verlebte die folgenden Jahre auf seinen Gütern im Mansfeldischen und Thüringischen sowie in Erfurt, wo er sich im Geiste des mit ihm persönlich befreundeten F. A. Wolf mit Altertumsstudien beschäftigte. Auch schrieb er freisinnige »Ideen über Staatsverfassungen, durch die französische Revolution veranlasst« (»Berliner Monatsschrift«, 1792) und gleich nachher »Ideen zu einem Versuch, die Grenzen der Wirksamkeit eines Staates zu bestimmen«, die damals wegen Zensurschwierigkeiten bloß bruchstückweise in Zeitschriften erschienen (als Ganzes zuerst Bresl. 1851); als einzige Aufgabe des Staates betrachtet er hier, im Gegensatz zum Verfahren des aufgeklärten Despotismus, die Sicherung der persönlichen Freiheit. Seit 1794 lebte er in Jena in vertrautem Umgang mit Schiller und einem engen Kreis von gleichgesinnten Freunden in reger Geistestätigkeit. Ein schönes Denkmal dieser bis zu Schillers Tod dauernden Freundschaft bildet der später von H. veröffentlichte »Briefwechsel zwischen Schiller und W. v. H.« (Stuttg. 1830; 3. Ausg., besorgt von Leitzmann, 1899). Auch zu Goethe trat er in innige persönliche Beziehungen und erfreute ihn durch eine liebevolle Beurteilung des damals erschienenen Epos »Hermann und Dorothea«. Nach mehrfachen Reisen verweilte H. von 1797 bis 1799 mit seiner Familie in Paris, um dann einen längeren Aufenthalt in Spanien zu nehmen, wo er sich mit dem Studium des Baskischen beschäftigte und mit reicher wissenschaftlicher Ausbeute heimkehrte. 1801 nahm er auf den Wunsch der preußischen Regierung die Stelle eines Ministerresidenten in Rom an und blieb hier bis 1808, seit 1806 als bevollmächtigter Minister. Rom war für ihn ein geeignetes Feld zu seinen wissenschaftlichen Studien, die er hier, im lebendigen Verkehr mit Gelehrten und Künstlern, wie Thorwaldsen und Rauch, auch über philosophische, ästhetische, philologische und archäologische Gegenstände ausdehnte. 1809 mit der Leitung des preußischen Ministeriums des Kultus und des öffentlichen Unterrichts betraut, war er der eigentliche Gründer der Berliner Universität, die er nicht bloß mit tüchtigen Lehrern, sondern auch mit der umfassendsten Hör- und Lehrfreiheit auszustatten suchte 1810 ward er Geheimer Staatsminister, begleitete 1813–14 das königliche Hauptquartier, leitete im Sommer 1813 als preußischer Bevollmächtigter die Verhandlungen in Prag, die zum Anschluss Österreichs an die Alliierten führten, nahm vom 3. Febr. bis 15. März 1814 an dem erfolglosen Friedenskongress von Châtillon teil und war in Paris bei den Verhandlungen des ersten Pariser Friedens tätig. In Gemeinschaft mit dem Staatskanzler Hardenberg, der ihm aber völlig freie Hand ließ, lag ihm auf dem Wiener Kongress 1814–15 hauptsächlich die Behandlung der deutschen Frage ob; aber all sein Bemühen zur Erringung einer einheitlichen Verfassung und freier Institutionen für Deutschland scheiterte an den Gegenwirkungen namentlich der österreichischen Diplomatie. Nicht glücklicher war er bei den nach Napoleons zweitem Sturz 1815 eröffneten neuen Friedensunterhandlungen zu Paris, wo es ihm nicht gelang, die Abtretung des Elsass zu erreichen. Am 25. Nov. reiste H. von Paris ab, um als Mitglied der Territorialkommission zu Frankfurt a. M. die deutschen Gebietsverhandlungen ihrem Ende zuführen zu helfen. Als Ersatzmann des preußischen Bundestagsgesandten, des Grafen von der Goltz, war er bei der feierlichen Eröffnung des Bundestags 25. Nov. 1816 zugegen und trug viel zur Regelung von dessen Geschäftsordnung bei. Im Frühling 1817 ging er nach Berlin, ward hier unter die Mitglieder des neugebildeten Staatsrats aufgenommen sowie in den zur Entwerfung der verheißenen Verfassung niedergesetzten Ausschuss; berufen und zum Vorsitzenden der zur Beratung des Bülowschen Steuerverfassungs-Gesetzentwurfs niedergesetzten Kommission ernannt. Auch im Staatsrat tat er sich durch seine Freisinnigkeit hervor. 1817 wurde er als außerordentlicher Gesandter nach London und im Oktober 1818 nach Aachen geschickt. Nachdem durch die Kabinettsorder vom 11. Jan. 1819 das Ministerium des Innern eine neue Organisation erhalten hatte, übernahm er die Leitung der ständischen und Kommunalangelegenheiten mit einer Reihe andrer Verwaltungsgegenstände als eine eigne Branche mit Sitz und Stimme im Staatsministerium. Sein Drängen nach endlicher Durchführung des Verfassungswerks, sein Auftreten gegen die Karlsbader Beschlüsse, die er für »schändlich, unnational, ein denkendes Volk aufregend« erklärte, und seine Opposition gegen Hardenberg zogen ihm endlich die Ungnade des Königs zu und bewirkten 31. Dez. 1819 seinen Rücktritt ins Privatleben. Mit ihm traten Boyen und Beyme aus dem Ministerium; erst von 1830 an wurde er wieder zu den Sitzungen des Staatsrats berufen. Seit seinem Rücktritt lebte H. mit geringen Unterbrechungen durch Reisen nach Gastein und 1828 nach Paris und London auf Schloss Tegel, wo er eine auserlesene Sammlung von Meisterwerken der Skulptur besaß. Auf die Entwickelung des Kunstlebens in Preußen, namentlich auf die Organisation des Berliner Museums, hat er noch damals entscheidenden Einfluss ausgeübt. Zur Belohnung seiner Verdienste hatte er 1817 die schlesische Herrschaft Ottmachau erhalten. 1884 wurde ihm, wie seinem Bruder, vor der Universität in Berlin ein Denkmal (sitzende Marmorstatue von Paul Otto) errichtet.

Was Humboldts literarisch-kritische Arbeiten betrifft, so erschienen die frühesten in den »Ästhetischen Versuchen« (Braunschw. 1799, Bd. 1) gesammelt. Es sind Kritiken über Goethes »Hermann und Dorothea« und »Reineke Fuchs« sowie Schillers »Spaziergang«, von denen erstere auch separat (4. Aufl. mit Einleitung von Hettner, Braunschw. 1882) erschien. In das Gebiet der Ästhetik gehören ferner seine Rezension über Jacobis »Woldemar«, worin er sein philosophisches Ideal aufstellt, und die die Schellingsche Natur- und Identitätsphilosophie gleichsam antizipierenden Abhandlungen: »Über den Geschlechtsunterschied« und »Über männliche und weibliche Form«. Wichtige Beiträge zur Kenntnis der griechischen Sprache und Verskunst gibt. seine metrische Übersetzung des »Agamemnon« von Äschylos (Leipz. 1816, neue Ausg. 1857), der sich die Übertragung der zweiten olympischen Ode des Pindar, ferner des Simonidis und mehrerer Chöre aus den »Eumeniden« anschließt. Die gründlichsten und umfassendsten Studien wendete aber H. der vergleichenden Sprachforschung zu. Als Früchte seiner Forschungen über die baskische Sprache sind seine »Berichtigungen und Zusätze zu Adelungs Mithridates über die kantabrische oder baskische Sprache« (Berl. 1817) und die mustergültige »Prüfung der Untersuchungen über die Urbewohner Hispaniens vermittelst der vaskischen Sprache« (das. 1821) zu nennen. Seine erfolgreiche Beteiligung an den in Deutschland mit Eifer aufgenommenen altindischen Studien bewiesen seine größeren in der Berliner Akademie gelesenen Abhandlungen: »Über die unter dem Namen Bhagavad-Gita bekannte Episode des Maha Bharata« (Berl. 1826); »Über den Dualis« (das. 1828) und »Über die Verwandtschaft der Ortsadverbien mit dem Pronomen in einigen Sprachen« (das. 1830). Sein Hauptwerk aber auf diesem Gebiet: »Über die Kawisprache auf der Insel Java« (Berl. 1836–40, 3 Bde.), ward erst nach seinem Tode von Buschmann (s. d.) herausgegeben. Die Einleitung zu diesem Werk, die u. d. T.: »Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaues und ihren Einfluss auf die geistige Entwickelung des Menschengeschlechts« (Berl. 1836; 2. u. 3. Ausg. von Pott, mit einer Einleitung: »W. v. H. und die Sprachwissenschaft«, das. 1876 u. 1883) auch besonders erschien, machte in der Geschichte der neuern Sprachforschung Epoche (vgl. Schasler, »Die Elemente der philosophischen Sprachwissenschaft W. v. Humboldts«, Berl. 1847). Humboldts »Vocabulaire inédit de la langue taïtienne« wurde ebenfalls von Buschmann in dessen »Aperçu de la langue des îles Marquises et la langue taïtienne« (Berl. 1843) veröffentlicht. Eine neue Ausgabe von »Humboldts sprachphilosophischen Werken«, mit Kommentar, veranstaltete Steinthal (Berl. 1883). Seine die Sprachwissenschaft betreffende handschriftliche Sammlung ging an die königliche Bibliothek in Berlin über. Dass H. unter seinen tiefen Studien und diplomatischen Geschäften sich den edel menschlichen Zartsinn für Freundschaft und Liebe zu bewahren gewusst, beweisen die an Charlotte Diede (s. d.) gerichteten »Briefe an eine Freundin« (Leipz. 1847, 13. Aufl. 1898; vgl. Berdrow, »Frauenbilder aus der neuen deutschen Literaturgeschichte«, 2. Aufl., Stuttg. 1900). Seine »Gesammelten Werke« erschienen zuerst nach seinem Tode in 7 Bänden (Berl. 1841–52); eine große kritische Ausgabe der »Gesammelten Schriften« wird von der königlich preußischen Akademie der Wissenschaften (das. 1903 ff.) veranstaltet. Die Werke enthalten auch einen Teil der zahlreichen Gedichte Humboldts, unter denen besonders die Elegie »Rom« (1806) und die durch tiefe Sinnigkeit ausgezeichneten »Sonette« (separat, Berl. 1853) hervorzuheben sind. Eine neue Ausgabe seiner »Abhandlungen über Geschichte und Politik« erschien Berlin 1870. Das »Tagebuch W. v. Humboldts von seiner Reise nach Norddeutschland im J. 1796« (Weim. 1894) und »Sechs ungedruckte Aufsätze über das klassische Altertum« (Leipz. 1896) gab Leitzmann heraus. Sein Briefwechsel mit Goethe wurde herausgegeben von Bratranek (Leipz. 1876), seine Briefe an den Philologen Schweighäuser in französischer Übersetzung von Laquiante (Par. u. Nancy 1893), an F. G. Welcker von Haym (Berl. 1859), die Briefe an Chr. G. Körner von Jonas (»Ansichten über Ästhetik und Literatur«, das. 1879), die Briefe an J. R. Forster von demselben (das. 1889), die Briefe an F. H. Jacobi von Leitzmann (Halle 1892), die Briefe an G. H. L. Nicolovius von R. Haym (Berl. 1894); »Lichtstrahlen aus seinen Briefen« veröffentlichte Elise Maier (6. Aufl., Leipz. 1881). Vgl. Schlesier, Erinnerungen an W. v. H. (Stuttg. 1843–45, 2 Bde.); Haym, Wilh. v. H., Lebensbild und Charakteristik (Berl. 1856); Distel, Aus W. v. Humboldts letz'en Lebensjahren (Briefe, Leipz. 1884); Cherbuliez, Profils littéraires (Par. 1889); Gebhardt, W. v. H. als Staatsmann (Stuttg. 1896 bis 1899, 2 Bde.); Kittel, W. v. Humboldts geschichtliche Weltanschauung im Lich'e des klassischen Subjektivismus der Denker und Dichter von Königsberg, Jena und Weimar (Leipz. 1901); ferner: »Briefwechsel zwischen Karoline von H., Rahel und Varnhagen« (Weim. 1896) und »Neue Briefe von Karoline von H.« (Halle 1901, beide hrsg. von Leitzmann); A. Stauffer, Karoline von H. in ihren Briefen an Alexander von Rennenkampff (Berl. 1904).

Briefe an eine Freundin

Vorbericht von Charlotte Diede.

 Die Briefe, welche hier erscheinen, werden gewiß als eine willkommene Zugabe zu den gesammelten Werken Wilhelm von Humboldts empfangen werden. Oft ist der Wunsch ausgesprochen, daß, außer den gelehrten Schriften, die man allein und getrennt von denen wünschte, die nicht in dieses Fach gehören, noch mehr Ungedrucktes, besonders Briefe, erscheinen möchten. Die hier vorliegenden fallen in die Jahre von 1788 bis 1835. Jahre waren nötig, bis die Herausgeberin den Entschluss fassen und festhalten konnte, von dem, was ihr verborgenes Heiligtum war, etwas durch den Druck mitzuteilen. Endlich überzeugte sie sich, daß das nicht untergehen darf, was wesentlich zur Charakteristik eines wahrhaft großen Mannes gehört.

Was Wilhelm von Humboldt in bewegter, geschichtlich-wichtiger Zeit dem Staat war; was er voll hoher Humanität und edler Freisinnigkeit den Völkern, der Menschheit leistete; was er für Wissenschaft und Gelehrsamkeit erforschte, bewahrt die Geschichte und verzeichnet ihr Griffel auf unvergängliche Tafeln. Aber in dem unerschöpflichen Reichtum der Gedanken, der Tiefe der Empfindung, der Mannigfaltigkeit, Höhe und Reinheit der Ideen, worin der Verewigte lebte, waltete vor allem – wie der edle Bruder sich ausdrückt – »das herrliche Gemüt, die Seele voll Hochsinn und Adel«, die ihn belebte. Und wer kleidete seine Gesinnungen in eine so kraftvolle und würdige Sprache! Doch ist diese, wie schön sie auch war, nur die äußere Schale und Hülle des hohen Geistes. Die ihm inwohnende Seele war: ein ganz uneigennütziger, sich immer selbst verleugnender, starker, ganz selbstloser Wille; mit diesem verband sich der tiefe Sinn, der heilige Ernst, der der Wahrheit entstammt, die Macht der Überzeugung, die liebevollste Schonung, die Milde im Urteilen, und der unendliche Zauber der zartesten Empfindung, der alles umfaßte.

Alles das spricht sich hinreißend in diesen Briefen an eine Freundin aus, die nach dem Ableben derselben für den Druck hinterlassen worden. Außerdem, daß sie den Verfasser verklären, könnte in der Herausgabe noch ein anderer, höher belohnender Zweck erkannt werden: die Briefe wirkten sehr wohltätig einst bei jedem Empfange. Sie waren an eine vom Glück vergessene Freundin geschrieben, für sie gedacht und empfunden, dieser sollten sie segensvoll werden, und sie erreichten ihren Zweck. Sie können nur so auf die Leser wirken, für welche sie ausgewählt sind. Bleibt ja von großen Menschen ihr Geist, oder was aus ihm hervorging, fortwirkend der Nachwelt, wenn er gleich selbst die Welt verlassen hat.

Die Briefe sind nicht für jedermann, wie das kein Buch ist. Aber es sind, für die rechten Leser und Leserinnen, reiche mannigfache Gaben, die allerdings immer auf einen Gegenstand sich bezogen, wo sie voll Verehrung und Dankbarkeit empfangen wurden. Sie berührten das Außenleben nur, um einen Anknüpfungspunkt für Ideen daraus zu nehmen. Sie gingen hervor aus einem unerschöpflichen Quell inneren, geistigen Reichtums. Der eigene Stoff, der nie von außen genommen, nie ausgehen konnte, belebte alles.

Die Briefe sind nicht gelehrten oder wissenschaftlichen, noch weniger historisch-politischen, ja nicht einmal ästhetischen oder romantischen Inhalts. Auch wenn sie einmal bei äußeren Erscheinungen verweilen, kehren sie gleich wieder auf das innere Sein zurück, das allen Schein verschmäht. Sie kompromittieren niemand, sie enthalten kein Wort, das irgend jemand unangenehm sein könnte oder die Zensur fürchten dürfte. Sie zeigen, wie ein großer Mann Teilnahme und Freundschaft auszusprechen und zu beweisen, wie er verschiedene Empfindungen zu sondern und in reine Harmonie zu bringen, und wie er zu überzeugen weiß, oft selbst mit rührender Bescheidenheit. So verstand es höchst trostreich der Edle, wie das viele Briefe beweisen, über Leben und Schicksale zu erheben, um auf den Standpunkt zu geleiten, von dem aus er selbst das irdische Dasein betrachtete.

 So weit die Einleitung zum Vorbericht von befreundeter Hand. Das Weitere kann allein die Herausgeberin wahr und getreu hinzufügen, ja, sie allein darf  es.

Und wahr und treu will ich hinzusetzen, was als Erklärung nötig ist, doch erst an das Vorhergehende anreihen, was noch dahin gehört. Dieser Briefwechsel war seit einer langen Reihe von Jahren mein einziges, mein höchstes, ungekanntes Glück. Was ich an Teilnahme und Trost bei allem, was mich traf, an Rat und Ermutigung, an Erhebung und Erheiterung, endlich an Erkenntnis und Erleuchtung über höhere Wahrheiten bedurfte, ich nahm es aus diesem unerschöpflichen Schatz, der mir immer zugänglich und zur Seite war.

Ein solcher Briefwechsel, der durch nichts gestört und unterbrochen wurde, ist Umgang, der gegenseitig zu näherer Kenntnis des Charakters führt. Ein Geheimnis kann er nicht sein, die ganze Welt könnte den Inhalt wissen. Aber sie waren an mich geschrieben, so war es das Heiligtum meines Lebens; so bewahrte ich schweigend und verborgen, was nur für mich geschrieben war, mich entschädigte für große Entbehrungen, mich lohnte für viele Leiden, mir erschien wie mein zugewogenes Erdenglück, das mich ganz aussöhnte mit Schicksal und Verhängnis.

Wie viel aus einem solchen, das innere Leben vertrauungsvoll berührenden Briefe ausgeschaltet werden muß, wie nicht die Hälfte bleiben kann, auch vieles durch Mitteilung entweiht werden würde, darf kaum angedeutet werden. Zugleich ist anderes wieder in dem Schönen und selbst Lobenden so charakteristisch, spricht den inneren Gemütsreichtum und die Fülle des gütigsten, gerechtesten Herzens so hinreißend aus, daß es denen nicht entzogen werden darf, die jede Erinnerung der Art gewiß heilig verehren. Daß alle diese die hier erscheinenden Briefe wie eine zwiefache Stimme aus einer unsichtbaren Welt, wie ein doppeltes Vermächtnis ansehen, ist mein Wunsch. Zuerst die teuern Hinterbliebenen des Verfassers, dann die große Zahl seiner Verehrer und Freunde, in deren Herzen gewiß nie sein Bild erlöschen wird, da ihm die Stelle darin durch Liebe und Ehrfurcht geweiht ist. Demnächst sind sie ein Vermächtnis für den engen Kreis der Freunde der Herausgeberin, welche alle Papiere sorgfältig gesammelt, bewahrt, geordnet und treu-gewissenhaft ausgewählt hat. Jeder, der das Glück hatte, dem Vollendeten näher zu stehen und den er würdigte, ihm das Innere seiner hohen Seele aufzuschließen, wird ihn in den Briefen, in dem Gange seiner Ideen und den öfteren Selbstzeichnungen wiederfinden.

Manches bedarf, nur um nicht ganz unverständlich zu sein, einer Erklärung, wozu ich mich ungern entschließe. Welche Frau, geehrt und beglückt durch Wilhelm von Humboldts Teilnahme und Freundschaft, gewürdigt vieljähriger, vertrauungsvoller Briefe und im Besitz so vieler geistreicher Blätter, könnte den Mut haben, ihre Ansichten und ihr Geschreibe neben das zu stellen, was aus seiner Feder floß! Ihn allein reden zu lassen ist geziemend und natürlich. Die Briefe selbst sind es und sie allein, worauf es ankommt, und welche Tendenz der Briefwechsel haben sollte, geht klar daraus hervor.

Über den Beginn desselben möchte einige Nachricht dem einen und andern interessant sein. Kurz und einfach will ich sie geben.

Wir lernten uns in früher Jugend, im Jahre 1788 in Pyrmont kennen, wohin Herr von Humboldt, der in Göttingen studierte, von dort kam, und wohin ich, nur wenige Jahre jünger, meinen Vater begleitete, der alljährlich ein Bad besuchte. Wir wohnten in einem Hause, waren Tischnachbarn an der Wirtstafel und lebten in Gesellschaft meines Vaters drei glückliche Jugendtage von früh bis spät als unzertrennliche Spaziergänger in Pyrmonts Alleen und reizenden Tälern. Wir hatten uns so viel zu sagen! so viele Ansichten und Meinungen mitzuteilen! so viele Ideen auszutauschen! wir wurden nicht fertig. Wie leise diese oder jene Saite angeschlagen wurde, sie fand den tiefsten Anklang.

Es war die letzte Epoche einer schönen, blüten- und hoffnungsreichen, poetischen Zeit, worin ein Teil der Jugend ideal und begeistert lebte, während der andere, wie heute, im Realismus prosaisch fortschritt. Wir gehörten beide zu dem ersten. Und es herrschte damals noch die schöne Ruhe vor dem nahen Sturm, der bald furchtbar ausbrach.

Wenn die Jugend auch den klaren Begriff der Größe noch nicht hat, so ahnt und empfindet sie doch solche. Wilhelm von Humboldts Charakter war schon im Jüngling derselbe, wie er sich später und bis an das Ende seines Lebens aussprach. Schon 1788 lebte er in hohen und klaren Ideen, schon damals war die einzig heitere Ruhe über sein ganzes Wesen ausgegossen, die im Umgang höchst wohltätig ergriff und sich jeder Unterhaltung ebenso mitteilte. Jedes Wort war überzeugend und beleuchtete hell den Gegenstand, worüber er sprach.

Herr von Humboldt reiste nach drei Tagen ab. Wir blieben länger. Mir blieb die Erinnerung von drei glücklichen Jugendtagen, die ein gewöhnliches, alltägliches langes Leben an Gehalt aufwiegen. Das Andenken derselben hat mich durch mein ganzes Leben begleitet. Mein neuer junger Freund hatte auf mich einen tiefen, nie vorher gekannten, nie in mir erloschenen Eindruck gemacht, der gesondert von andern Empfindungen, in sich geheiligt, wie ein geheimnisvoller Faden durch alle folgenden Verhängnisse meines Lebens ungesehen lies, und fest in mir verborgen blieb, den ich immer gesegnet und als eine gütige Fügung der Vorsehung angesehen habe. Es knüpften sich an diese Erinnerungen, so wenig als an die drei Tage selbst, weder Wünsche, noch Hoffnungen, noch Unruhe. Ich fühlte mich unendlich bereichert im Innern und meine Seele war mehr noch als vorher aufs Ernste gerichtet. Manches, was wir besprochen hatten, beschäftigte mich noch lange, und »das Gefühl fürs Wahre, Gute und Schöne« wurde klarer und stärker in mir.

Wir sahen uns nicht wieder, auch hegte ich nicht die leiseste Hoffnung des Wiedersehens. Ich schloß die vorübergegangene schöne Erscheinung in das Allerheiligste und gab es nie heraus, sprach nie darüber und sicherte es so vor Entweihung durch fremde Berührung.

Ein Stammbuchblättchen, ein in jener Zeit mehr als jetzt gebräuchliches Erinnerungszeichen, blieb mir ein sehr teures Andenken durch mein ganzes Leben. Ich ahnte nicht, wie bedeutend es noch werden würde, als ein Dokument, das hierher gehört, da es beides charakterisiert, den jugendlichen Humboldt und unser jugendliches Verhältnis.

Bald nach dieser für mich in den späteren Folgen so wichtigen Bekanntschaft, im Frühjahr 1789, wurde ich verheiratet. Ich lebte in dieser kinderlosen Ehe nur fünf Jahre und trat in keine zweite.

Mich trafen ungewöhnliche und schmerzlich-verwickelte Schicksale, und durch rätselhafte, geheime, erst spät enthüllte Intriguen und Feindschaften blieb mein ganzes Leben ein Gewebe von Widerwärtigkeiten, die ich später gesegnet habe, da nichts anders sein durfte, als es war, sollte ich der segensvollen Teilnahme des edelsten Freundes teilhaftig werden.

In dieser Zeit begannen die großen Weltbegebenheiten und griffen mehr oder weniger in die Schicksale von Tausenden ein, die nichts damit zu tun hatten. Auch auf mich übten sie ihre Gewalt, indem sie mich eines Vermögens beraubten, das eben ausreichte, mir bei mäßigen Wünschen Unabhängigkeit zu sichern, wodurch mir viele Lebensbitterkeiten fern blieben, die ich später kennen lernte.

In der ereignisschweren Zeit 1806 wohnte ich als Fremde in Braunschweig. Eine Reihe von Jahren hatte ich dort unter der milden Regierung des alten, allgeliebten, verehrten Herzogs Karl Wilhelm Ferdinand gelebt. Es war nach der Schlacht bei Jena, wovon man so große Erwartungen hegte, als die Besitznahme deutscher Länder und die französische Herrschaft begann. Braunschweig traf der Schlag zuerst. Wie gewaltsam die Schritte auch waren, die geschahen, man sah sie als kriegerische Maßregeln an, aber nicht als Vorspiel dessen, was folgte. Man besorgte und befürchtete keine Fremdherrschaft.

Jetzt erging eine Aufforderung, die allgemeine Last freiwillig oder gezwungen mitzutragen. An mich erging aber keine Anforderung, gern und freiwillig gab ich einen großen Teil meines Vermögens. Es war mir gerade ein Kapital ausgezahlt, das vorerst auf Wechsel stand, worüber ich gleich disponieren konnte; gefährlich schien es durchaus nicht, die Obligationen wurden von den Landständen ausgestellt und garantiert, die Gelder von ihnen empfangen. Man hielt das für sehr sicher. Mich hatten schwere Privatleiden in der Zeit getroffen, so, im Schmerz befangen, handelte ich wohl nicht vorsichtig genug. Wie es bald mit diesen Papieren ging, ist bekannt genug und gehört nicht weiter hierher.

Bald kamen die wichtigen weltgeschichtlichen Jahre 1812, 13 und 14 heran. Wer, der sie erlebte, denkt nicht gern und mit Freuden der Begeisterung jener Zeit, in der man des eigenen Geschicks vergaß, wenn es nicht zu schwer war! Ich lebte in dieser Zeit im Braunschweigischen. Wer hatte mehr gelitten als der Herzog selbst, wie hing ihm sein Volk an mit deutscher Treue und Liebe! Auf eine den gütigen Fürsten hochehrende Art war er mit meinen Verlusten und meiner daraus hervorgegangenen Lage bekannt geworden. Er rechnete mir, als einer Fremden, mein früheres Darlehn höher an, als es solches verdiente. Freunde von mir standen ihm nahe und machten ihn genauer mit allem bekannt. Der höchst gütige Fürst bezeigte mir in zwei Briefen seine Teilnahme an meinen Verlusten und den Wunsch, meine Lage gründlich zu ändern. Man riet mir, das Wohlwollen gleich in Anspruch zu nehmen und um eine Pension zu bitten. Das vermochte ich nicht. Ich vertraute dem fürstlichen Wort: nach glücklich beendeter Sache die Sorge für mich selbst zu übernehmen. Dies Vertrauen hätte mich gewiß nicht getäuscht, wäre er nicht bei Waterloo gefallen. –

Mehrere einflußreiche Männer in hoher Stellung interessierten sich für meine Sache, um mir einigen Ersatz zu verschaffen, aber vergeblich. Meine großen Verluste blieben, wie hart und drückend sie waren, unersetzt.

Um diese Zeit sprachen die Zeitungen viel in großen, ehrenvollen Erwartungen von dem Minister von Humboldt, der im Hauptquartier des Königs von Preußen und dann als dessen Bevollmächtigter auf dem Kongreß in Wien war. Plötzlich kam mir der Gedanke, mich in die Erinnerung des nie Vergessenen zurückzurufen, mich offen und ohne Rückhalt gegen ihn über meine dermalige Lage auszusprechen und es ihm und seiner Einsicht anheim zu stellen, ob und was für mich zu tun sei. So schnell wie der Gedanke in mir aufstieg, wurde er ausgeführt. Alles Jugendvertrauen kehrte während des Schreibens zurück. Ich gab dem teuern Freund einen möglichst kurzen Überblick über viele verhängnisvolle Jahre, verweilte aber länger bei der Gegenwart, die mir den Mut gegeben hatte zu diesem Schritt. Das heilig bewahrte Stammbuchblättchen war eine sprechende Beglaubigung. Von diesem Brief habe ich damals für mich eine Abschrift bewahrt und diese jetzt wiedergefunden, und da er die folgenden veranlaßte und den Briefwechsel eröffnete, so gehört er, stückweise, hierher und ich teile das Nötige daraus mit.

Ich bekam auf der Stelle Antwort.

Jeder, der den Vollendeten kannte, wird seinen Brief, den treuen Ausdruck des edelsten Gemüts, nicht ohne gerührtes Interesse lesen.

 Ehe jedoch zu den wertvollen Briefen übergegangen wird, möchte es nötig sein zu sagen, wie die Veröffentlichung oder vielmehr der Entschluß dazu entstanden ist. Es möchte dies Pflicht sein in einer Zeit, worin so viele Briefe von vertrautem Inhalt erscheinen, die neben dem Interesse, das sie gewähren, notwendig verletzen müssen und gerechten Tadel verdienen, ohne die Wahrhaftigkeit zu beweisen.

Die Herausgabe dieser Briefe ist wie von einem unsichtbaren Willen geleitet entstanden. Ich bewahrte viele Jahre meine köstlichen, neidenswerten Briefschätze, schweigend, wie ein Heiligtum, und sah sie an wie eine unerschöpfliche Quelle höheren Lebens, woraus ich lange Jahre Mut und Kraft schöpfte und die Reife empfing, deren ich fähig war, und nur auf diese Art teilhaftig werden konnte. Eigentlich bedurfte ich für meinen Geist keine weitere Nahrung, für mein Nachdenken keinen reicheren Stoff, für meine Belehrung kein anderes Buch, für meine Seele kein helleres Licht. Dabei fand ich in allen Lagen den Trost und die Ermutigung, die mir gerade nötig waren. Höchst gütig ließ der edle Freund sich zu meiner Fassungskraft herab, so war er mir, worüber er auch reden mochte, immer verständlich, klar und überzeugend. Wenn wir auch in manchen Meinungen verschieden waren, so ging diese Verschiedenheit aus ganz verschiedenen Äußerlichkeiten des Lebens hervor. Immer aber blieb der Freund meiner Seele das leitende Prinzip meines geistigen Lebens; ich lebte von einem Brief bis zum andern mit ihm fort, und es bildete sich für mich, in einer mühe- und sorgenvollen Lage und bei untergrabener Gesundheit, ein reiches inneres Leben. Wenn ich mich immer mehr zurückzog, den Kreis meiner Freunde enger schloß, folgte ich nur meiner tiefsten Neigung; Vergnügen und Freude, und meine stille Verborgenheit war, ungekannt und ungeahnt von jedermann, höchst belebt und beseelt, ja beseligt, und war es allein durch diesen seelenvollen Briefwechsel, der nie wieder unterbrochen wurde, weder durch Reisen, noch durch Krankheiten, und bis in den Tod bestand. Dem mit mir übereinstimmenden Freunde war es eine besondere Befriedigung, daß ich so schweigend mein Heiligtum während eines halben Menschenalters bewahrte.

Die letzten Jahre meines Lebens gewährten mir wieder mehr Muße, so konnte ich mehr und tiefer in den Geist der Briefe, der in allen und jedem einzelnen weht, mich versenken und vertiefen, in diesen reichen, hocherleuchteten Geist, voll lauterer himmlischer Gesinnungen! Jahre habe ich mit diesen Briefen, und nur mit ihnen gelebt.

Oft vertieft in die Ideen des vollendeten Freundes und zugleich versenkt in Nachdenken über dies einzige Verhältnis und das, was dadurch für Zeit und Ewigkeit in mir gereift war, schien es mir nicht recht, daß so viel Wahres, Großes und Gutes mit mir untergehen sollte. Es war allerdings nur für mich geschrieben, für mich und meine Art zu empfinden berechnet, aber die überzeugenden Wahrheiten, so klar ausgesprochen, die sicheren Wege zu innerem Glück und Ruhe so unverkennbar, so klar und milde gezeigt, daß die Erkenntnis heilsam für jedes gutgeartete Gemüt sein muß.

Und das alles sollte mit mir untergehen? mit mir zernichtet werden? –

Das war vielleicht die erste innere Aufforderung, das Segensreiche so oder anders zu erhalten!

Ich fing an Auszüge zu machen, um solche im Manuskript Freunden zu hinterlassen, und erkannte bald, wie vergänglich solche Vermächtnisse sind und wie schnell verlesen. So stiegen nach und nach Gründe auf, so wertvolle Papiere durch den Druck zu erhalten. Ein großes Hindernis trat mir entgegen: der Widerwille an aller Öffentlichkeit. Was Freunden für mich hochehrend erschien, dünkte mir Entweihung. Ein zweites Hindernis war die Forderung einer strengen Durchsicht, selbst teilweise einer gänzlichen Umschreibung der gemachten Auszüge. Schwierigkeiten aller Art entstanden. So waren, wie schon gesagt, Jahre nötig, den Entschluß der Veröffentlichung zu reifen. Auch kann diese erst nach meinem Ableben stattfinden. Die Zeit, die das Unbedeutende bald erbleichen läßt, verklärt das Große und wird auch den hohen Wert der Gaben steigern, die ich denen hinterlasse, die sie verstehen, würdigen und gewiß mit Freuden empfangen.

Als heilige Pflicht erschien es mir nach dem gefaßten Entschluß, alle Auszüge selbst zu machen und eigenhändig zu schreiben. So sicherte ich Wahrheit und Treue auf einer Seite, indem ich auf der andern niemand verantwortlich machte. So kann ich aber nicht dafür einstehen, daß nicht Wiederholungen vorfallen. Ich bemerke dies im Vorbericht, um nicht später bei jedem einzelnen Fall daran zu erinnern. Ich bedarf gewiß Nachsicht und Verzeihung für solche Fehler, die ich begehen, ja nicht werde vermeiden können, da ich den Entschluß der Herausgabe zu spät gefaßt habe, und keine fremde Hilfe erbitten noch zulassen will. Man ist wohl so gütig, wenn bei aller Sorgfalt Wiederholungen der Art vorfallen, solche Stellen zu überschlagen. Der Verfasser ist es ja allein, der Interesse erregt und gewährt, und was er schreibt, entschädigt reichlich, wo mich Tadel trifft.

Von meinen Briefen ist, wie ich das gewünscht und erbeten hatte, nichts erhalten; nur von einzelnen habe ich Abschrift oder Fragmente bewahrt, um Ereignisse im Gedächtnis festzuhalten, die mir selbst nicht entschwinden sollten. Dies werde ich als Zusätze nachtragen, wo es nötig ist.

            *       *       *       *       *

 An den Freiherrn von Humboldt, K. Pr. Staats-Minister, auf dem Kongreß in Wien.

Nicht an Ew. Exzellenz, nicht an den Preußischen Staatsminister, – an den unvergessenen, unvergeßlichen Jugendfreund schreibe ich, dessen Bild ich eine lange Reihe von Jahren verehrend im Gemüt bewahrt, und gern und viel dabei verweilt habe, der nie wieder von dem jungen Mädchen hörte, das ihm einst begegnete, mit dem er drei fröhliche Jugendtage verlebte in jenen schönen Gefühlen, die uns spät in Erinnerung beseligen und erheben. Der Name, auf den die Welt jetzt mit großen Erwartungen blickt, der Platz, auf den Sie früh durch Geist und Namen gestellt waren, machte es mir nicht sehr schwer, von Ihnen zu hören und Sie mit meinen Gedanken zu begleiten. Ich erfreute mich an allem Großen und Schönen, was ich las oder hörte, nahm meinen Anteil von dem Wahren und Guten, suchte den Sinn wie früher zu verstehen, dem Geist zu folgen, wenn ich ihn nicht gleich faßte. Das alles läßt sich nur durch Worte andeuten, aber nicht sagen. Nur einmal Sie wiederzusehen, wäre es auch nur in der Ferne, war und blieb mir ein vergeblicher Wunsch. Durch Freunde, welche kürzlich einige Zeit in Berlin lebten, erfuhr ich ausführlicher, was ich schon wußte, daß Ew. Exzellenz mit einer höchst geistreichen und ebenso edlen Dame sehr glücklich vermählt und Vater sehr liebenswürdiger Kinder sind, welche reiche Hoffnungen geben.

Ich lege hier ein Blättchen ein, das Ihnen drei in Pyrmont verlebte Jugendtage zurückrufen wird. Ich habe das liebe Blättchen unter den kleinen Heiligtümern der Jugend sorgfältig vor allen andern bewahrt, als das einzige Pfand und Siegel der reinsten und zugleich der einzigen wahren Lebensfreude, die mir das Schicksal zugewogen. Dies Blättchen (das ich mir zurück erbitten darf) wird Ew. Exzellenz eine Bekanntschaft zurückrufen, welche die großen Bilder und Erscheinungen des Lebens längst verwischt und ausgelöscht haben werden. Im weiblichen Gemüte bleiben solche Eindrücke tiefer und sind unwandelbar, um so mehr, wenn es (welche Bedenklichkeit sollte ich finden, Ihnen nach 26 Jahren diesen Beweis von Verehrung zu geben?) wie bei mir, die ersten, ungekannten Regungen erster, erwachender Liebe waren, so geistiger Art, wie sie wohl bei der edleren Jugend immer sind. Für die weibliche Jugend und die Entwickelung des Charakters aber ist es gewiß von der höchsten Wichtigkeit, für welchen Gegenstand die ersten Gefühle erwachen. Auch knüpften sich, was selten ist, durchaus keine trüben oder schmerzlichen Gefühle daran, sondern sie wurden von großem Einfluß auf die Ausbildung meines Charakters und Gemüts.

Die Gefühle wandelte die Zeit. Das tief ins Gemüt gesenkte, teure Bild erbleichte nie mehr. An dies geliebte Bild, das höher und immer höher erschien, lehnte sich fort und fort mein Ideal von Männerwert und Hoheit. Hier ruhte ich aus, wenn ich unter dem schweren Leben am Erliegen war, hier ermutigte ich mich, wenn aller Mut sank, hier richtete ich mich auf im Glauben, wenn der Glaube an Menschen schwankte. Glauben Sie mir, ewig geliebter Freund! (Sie verzeihen dem Herzen diese Benennung) ich bin gereift unter großem, mannigfaltigem Schmerz, nicht entadelt, noch je durch unwürdige Empfindungen entweiht. Ew. Exzellenz sind, das erkenne ich im eigenen Busen, noch derselbe, der Sie waren, wie wir uns einst begegneten. Die Höhe des Lebens, der Glanz der äußeren Stellung mögen für viele Klippen sein – hohe Naturen erlangen Reife und Vollendung, gleich viel, ob im Sonnenstrahl des Glücks oder im Schatten schwerer Verhängnisse. Der Gehalt in unserer Brust, wie die Form unseres Geistes, beides ist gewiß ohne Wandel, beides ewig.

Wie es mir erging? was ich erlebte? das werden Sie jetzt fragen. Es ist eine lange Reihe von Jahren, von der die Rede sein muß, dennoch läßt sich viel auf ein Blatt bringen, aber das gibt kein Bild, wird Ihnen nicht genug sein. So will ich suchen, Ihnen im äußeren Leben das innere in seiner Tiefe und ernsten Entwickelung zu zeigen. Ob und wie ich mich bemühen werde um Kürze, wird es doch einige Blätter füllen, die Auswahl und Zusammenstellung kann nur schmerzlich sein, wenn man sich in Gegenden umsieht, die gleichsam mit unsern Tränen benetzt sind. Wenn ich daher mich nicht so kurz fassen kann, wie es Respekt für die Person und die Zeit des mit den wichtigsten Arbeiten beschäftigten Ministers gebietet, so vertrete mich bei diesem der Jugendfreund. Legen Ew. Exzellenz die Blätter zurück für eine Stunde, die den Erinnerungen gehört.

Die Zeit, bis wo wir uns kennen lernten, gehörte der ersten Jugend, und diese war harmlos im stillen, friedlichen Schatten eines gebildeten, sorgenlosen Familienlebens auf dem Lande hingeflossen. An teuern Eltern hatte ich nur Rechtschaffenheit und Güte und Beispiele vieler Tugenden gesehen. Ein mehr als ausreichendes Vermögen erlaubte ihnen in jener einfachen Zeit viele Annehmlichkeiten des Lebens, besonders auch des häuslichen Lebens; demgemäß war auch die Erziehung ihrer Kinder; sie war vor allem, wofür ich sehr dankbar bin, in sittlicher Hinsicht sehr sorgfältig. Mein Vater, in ziemlich freier, unabhängiger Lage, indem meine Mutter dem Hause mit seltener Einsicht und Würde vorstand, ließ sich in seinen Neigungen gehen, die ihn vor allem in die Vorzeit und die Studien der Vorzeit zogen. Er lebte nur im Klassischen, war nur umgeben mit klassischen Werken. Die neue Lektüre zog ihn nicht an, ja ließ ihn unbefriedigt. Damit in Übereinstimmung war auch sein Umgang. Aus den nicht immer gelehrten, aber immer ernsten Unterhaltungen, die ich still anhörte, nahm ich vielleicht früh, und früher als andere, den Grund meiner intellektuellen Bildung, und genoß auch früher, als es gewöhnlich ist, das Glück, bedeutenden Personen näher zu stehen, mit großer Güte behandelt und ihres Anteils gewürdigt zu werden. Auf diese Art wurde ich, meinen natürlichen Anlagen gemäß, früh zum Nachdenken geführt, und mehr durch Zuhören als durch Unterricht, mehr durch Nachdenken als durch Kenntnisse und Talente auf den Weg der Bildung geleitet. Die ernste Richtung, die so, schon als Kind möchte ich sagen, meine Seele nahm, schützte vor vielen jugendlichen Torheiten und Frivolitäten, nährte aber zugleich mehr, als es wenigstens zum Glück des Lebens gut ist, den Hang zum Idealen. Dabei bildete sich mehr und mehr, denn es war schon sehr früh, ja schon in der Kindheit entstanden, ein hohes, beseligendes Bild von Freundschaft in mir aus, das mir das größte, einzige Erdenglück erschien. Die erste Erzählung, die mir durch öfteres Lesen genau bekannt wurde und mich begeisterte, war die allerdings wunderschöne Gesinnung und Handlungsart Jonathans gegen den zurückstehenden David. Alle Beispiele aus alter und neuer Zeit sammelte ich – Richardsons Clarisse gab den vollen Ausschlag. Jeder Aufopferung fähig, glaubte ich, nur für dies Glück geboren zu sein, und verlangte nichts Höheres. In Pyrmont war nun diese Überzeugung bis zur Begeisterung gesteigert und wurde bald die tiefe und unendliche Quelle vielfacher, leidenvoller Verhängnisse und schmerzlicher Verwickelungen. Verzeihen Sie diese Einleitung, die ich nötig glaube, um das Folgende richtig zu beurteilen.

Nun gehe ich über zu der schmerz- und ereignisschweren Vergangenheit, und von da zu der drückenden und zerdrückenden Gegenwart, die mir eigentlich zu diesem Schritt den Mut gegeben hat. Es wird schon leichter werden, da während des Schreibens bis hierher nach und nach das seelenvolle Vertrauen zurückgekehrt ist, womit wir uns einst in den Pyrmonter Alleen besprachen und verstanden.«

       *       *       *       *       *

Darauf folgte eine möglichst kurz zusammengefaßte Übersicht der hauptsächlichsten Ereignisse meines Lebens, worunter die am meisten herausgehoben und beglaubigt wurden, die mich zum Schreiben ermutigt hatten: meine großen Verluste an den Staat. Daran knüpften sich Pläne für mein Fortkommen, denen aber überall meine zerstörte Gesundheit, ein Mangel und Erschöpftsein aller Lebenskräfte entgegentraten. Das alles gehört nicht hierher und ist nicht erforderlich als Kommentar oder Einleitung zu den nun folgenden wertvollen Briefen, welche dadurch entstanden. Der Schluß war dann ungefähr so: »Jetzt haben Sie die Umrisse meines Lebens in dem langen Zeitraum übersehen, geben Sie der treuen, immer schweigenden Teilnahme etwas zurück! Sie kennen das Herz der Frauen und wissen besser, als ich das sagen kann, wie teuer uns alles ist, was dem einst geliebten Manne angehört und ihn beglückt. Sagen Sie mir etwas von den teuern Ihrigen, geben Sie mir etwas ab von Ihrem Glück!

Jetzt schließe ich die vielen Blätter ohne Furcht. Ich lege meine Angelegenheiten an Ihr Herz, da sind sie gut aufgehoben, und es geschieht, was geschehen kann. Wie sehe ich einer Antwort entgegen, die ich gewiß empfange!«

H., den 18. Oktober 1814.

Wien, 3. November 1814.

Ich habe heute früh Ihren Brief vom 18. Oktober erhalten, und ich kann Ihnen nicht sagen, wie mich Ihr Andenken gerührt und gefreut hat. Ich hatte in unserm Zusammentreffen in Pyrmont immer eine wunderbare Fügung des Schicksals erkannt, denn Sie irren sehr, wenn Sie glauben, daß Sie in einer flüchtigen Jugenderscheinung an mir vorüber gegangen sind. Ich dachte sehr oft an Sie, erkundigte mich auch, aber immer fruchtlos, nach Ihnen, glaubte Sie verheiratet, dachte Sie mir mit Kindern und in einem Kreise, wo Sie mich längst vergessen hätten, und bewahrte nur in mir, was mir jene Jugendtage gelassen hatten. Jetzt erfuhr ich, daß Ihr Leben viel weniger einfach gewesen ist, als ich es mir dachte. Hätten Sie mir damals geschrieben, wie Sie am meisten litten, vielleicht hätten Ihnen meine Worte wohltun können. Glauben Sie mir, liebe Charlotte, Sie werden mir diese vertrauliche Benennung nicht übel deuten, da ja nur Sie und ich unsere Briefe lesen, der Mensch traut nie dem Menschen genug. So erfahre ich erst jetzt durch Sie, daß ich damals einen tieferen Eindruck auf Sie machte, als ich mir je eingebildet hätte. Die Zeilen, die man nach so langer Zeit von sich selbst wiedersieht, sprechen einen wie aus einer anderen Welt an. Ich habe das Glück, denn es ist wirklich nur ein Glück, daß ich mich keiner Empfindung schämen darf, die ich in jener Jugend hegte, und glauben Sie es mir, ich bin noch jetzt gleich einfach wie damals. Jedes Wort Ihres Briefes hat mich auf das Tiefste ergriffen, ich versetze mich ganz in Ihre Lage, und ich danke Ihnen recht aus innigem Herzen, daß Sie den Glauben an mich nicht verloren, und daß Sie mich wert hielten, sich mir, wie Sie es tun, zu erschließen. Schreiben Sie mir denn, wenn Sie es der Mühe wert halten es ferner zu tun, ohne Umschweife und mit dem Vertrauen, auf das ich vielleicht ein Recht erlangt hätte, wenn ich Sie wiedergesehen hätte. Sehr Unrecht haben Sie, wenn Sie sagen, daß gewisse Eindrücke im weiblichen Gemüt tiefer und länger haften. Ich könnte Ihnen das Gegenteil aus Ihrem eigenen Briefe beweisen. Gestehen Sie immer, es soll kein Vorwurf sein – 26 Jahre liegen hinter unserer kurzen Bekanntschaft, und wir sehen uns leider vermutlich nie wieder –, daß ich ziemlich aus Ihrem Gedächtnis verschwunden bin, wie ich Sie verließ. Sie haben sich wenigstens nicht an mein Versprechen erinnert, Sie wieder zu besuchen, das nicht gehalten zu haben mich oft sehr ernstlich geschmerzt hat. Ich könnte die Bank in der Allee noch bezeichnen, wo ich es machte; ich war im Begriff, zu Ihnen zu kommen, aber eine jugendliche Pedanterie, in der ich es für unmöglich hielt, eine Woche später nach Göttingen zurückzukehren, hielt mich davon ab. Es ist mir ein sicherer Beweis, daß wir einander im Leben nicht nahe kommen sollten, und das Einzige, was mir innig leid tut, ist, daß ich nicht bestimmt war, irgend dauernde Freude in Ihr Leben zu bringen. Trübe oder schmerzliche Empfindungen konnten sich, davon seien Sie sicher überzeugt, an den Umgang mit mir nicht knüpfen. Es trifft mich kein Vorwurf dieser Art. Ihr Schicksal hat mich so ergriffen, wie Sie es nach diesen Geständnissen sich denken können. Ich habe es auch auf mannigfaltige Weise heut überlegt. Ich bitte Sie aber, überlassen Sie sich für den Augenblick mir, folgen Sie blindlings meinem Rat und glauben Sie dem, der mehr Welterfahrenheit hat als Sie, und ebenso wie Sie weiß, was ein Gemüt in Ihrer Lage bedarf. Setzen Sie aber dabei alle kleinlichen Rücksichten beiseite, seien Sie wirklich vertrauend, seien Sie gut gegen mich, und erzeigen Sie mir den größten Gefallen, den Sie mir erzeigen können. Was Sie in Ihrer jetzigen Lage brauchen, Ihre Gesundheit und Ihr Herz, ist Ruhe. Die ängstliche Sorge, die große Anstrengung für Ihre Erhaltung, untergräbt beides. Sie waren, ich erinnere mich dessen noch sehr gut, gesund und stark, Sie waren es, so scheint es, später wieder geworden. Bleiben Sie ein Jahr nur ruhig und pflegen Ihre Gesundheit, so wird sie wiederkehren, trotz der Stürme, die Sie bestanden haben. Dies ist zugleich der beste Rat für Ihre übrigen Pläne. Glauben Sie mir, wer in dem Augenblick suchen muß, wo er braucht, findet schwer. Wenn man hingegen nur eine Zeit lang sorglos leben kann, finden sich die Lagen von selbst. Welcher Ihrer Pläne ausführbar sein kann, muß die Zeit erst lehren, ebenfalls was ich befördern kann. Ich halte es für Pflicht, Ihnen darüber ganz offen zu reden. O! Sie hätten sehr unrecht, es mir übel zu deuten. Die Briefe des Herzogs sind sehr gut und machen ihm Ehre, aber er kann, wie Sie aus den Briefen Ihrer Freunde sehen, vorerst nicht helfen. Diese Dinge müssen Sie also wenigstens der Zeit und dem Schicksal überlassen. Erlauben Sie mir das Verdienst, Ihnen diese Zeit zu verschaffen, gönnen Sie mir die Beruhigung zu wissen, daß Ihnen jetzt ein Jahr ungetrübt von kleinen äußeren Sorgen verstrichen ist. Ja, liebe Charlotte, ich bitte Sie inständig darum; verschmähen Sie mein Anerbieten nicht. Es wäre innerlich die falscheste Delikatesse von der Welt, und Sie können sicher sein, daß niemand je als ich und Sie darum wissen wird. Ich bin nicht reich, aber ich weiß sehr gut, was ich tue, und ich sehe aus Ihrem ganzen Brief und allen seinen Beilagen, daß Sie, was meinen Gefallen an Ihrem Leben und meine wahre Achtung für Sie vermehrt, sich an eine große Einfachheit von Bedürfnissen gewöhnt haben. Ich lege Ihnen hier eine Anweisung ein. Ich begreife, daß dies nur für Monate sein kann. Aber folgen Sie mir, schreiben Sie mir recht vertraulich, recht ordentlich, was Sie, eine Badekur eingerechnet, brauchen. Glauben Sie mir, daß ich nie mehr tue, als ich kann, geben Sie es mir zurück, wenn Ihre Lage und Ihr Schicksal sich ändert, aber begreifen Sie nur recht meinen Plan, der ganz einfach der ist, daß Sie ein Jahr vor sich haben, für das Sie nicht zu sorgen brauchen, und in dem Sie mit Freiheit und ohne Ängstlichkeit künftige Pläne bilden können. Ich fühle recht gut dasjenige, dem ich mich nach der Schilderung, die Sie mir von sich selbst machen, aussetze. Sie können alles ausschlagen, Sie können Anmaßung in mir finden, mir Vorwürfe machen. Ich muß aber doch auf meinem Vorschlag beharren, er ist der einzige Ihrer Lage angemessene. Glauben Sie ja nicht, liebe Charlotte, daß ich irgend etwas Ungeziemendes darin finde, selbst mit seiner Arbeit Verdienst zu suchen, Sie sollen ja auch nachher ganz frei sein. Nur bis Ihre Gesundheit wiederhergestellt ist, folgen Sie. Jetzt ist jede Arbeit Ihnen verderblich. Wenden Sie sich aber an andere, so glauben Sie mir, niemand antwortet Ihnen so anspruchslos, so uneigennützig; andere glauben Ihnen einen Gefallen zu tun; mir erzeigen Sie einen. – Jetzt breche ich davon ab und rede Ihnen von mir, weil Sie es wollen. Ich bin, wie man Ihnen gesagt hat, verheiratet, ich heiratete drei Jahre, nachdem ich Sie sah, und habe jetzt fünf Kinder; drei habe ich verloren. Ich heiratete bloß und nur aus innerer Neigung, und es ist vielleicht nie ein Mann in seiner Verbindung so glücklich gewesen. Nur seit den letzten zwei Jahren habe ich das Unglück, daß meine Frau kränkelt, und mich meine Geschäfte oft von ihr fern gehalten haben, wie es noch jetzt der Fall ist. Da Sie, wie Sie mir sagen, manchmal von mir hörten, so werden Sie wissen, daß ich einige Jahre hindurch Gesandter in Rom war. Ich nahm die Stelle nur des Landes wegen an, und hätte es, ohne die unglücklichen Ereignisse, nie verlassen. In diesen wurde es aber gewissermaßen zur Pflicht, zu dienen, und so bin ich nach und nach in verwickelte Verhältnisse gestoßen worden. Sie sind aber meiner Neigung wenig angemessen, und mir würde ein stilleres und einfacheres Leben mehr zusagen. Den Krieg hindurch war ich im Hauptquartier, dann in England, von da ging ich nach der Schweiz, meine Frau zu besuchen, die dort hingereist war. Jetzt bin ich hier auf dem Kongreß, und sie ist auf ihren Gütern, von denen sie nach Berlin gehen wird. Nach dem Kongreß besuche ich sie dort und gehe als Gesandter nach Paris, wohin sie mir später folgen wird. Mein ältester Sohn ist schon Offizier, ging mit 16 Jahren ins Feld, wurde verwundet, ist aber glücklich geheilt und nun wohlbehalten zurückgekommen. Außer ihm habe ich drei Mädchen und einen kleinen Jungen. Die beiden jüngsten der Mädchen sind eigentlich in Italien groß geworden und konnten keine Silbe deutsch, wie sie, die älteste im zehnten Jahre, nach Wien kamen. Ich wünschte, Sie sähen sie. Es sind zwei unendlich liebe Geschöpfe. Der kleine Junge ist erst fünf Jahre. Zwei Söhne hatte ich das Unglück in Rom zu verlieren, eine Tochter, mit der meine Frau, als sie eine Reise nach Paris machte, niederkam, ohne daß ich sie sah. So wissen Sie meine äußeren Schicksale. Von den inneren läßt sich nur reden, nicht schreiben.

Nun nehmen Sie noch einmal meinen herzlichen Dank. Ich weiß nicht, ob ich Sie je wiedersehen werde, und ich darf es kaum hoffen. Ich kann mir auch jetzt kein deutliches Bild von Ihnen machen. Allein wenn daher auch das, was ich von Ihnen in der Seele trage, eine Erscheinung der Vergangenheit ist, sogar eine, an die meine Einbildungskraft vieles, über die augenblickliche Dauer unseres Zusammenseins hinaus, legte, so glauben Sie gewiß, daß es nie eine flüchtige war und nie eine solche sein wird.

Ganz der Ihrige.                H.

Die Originalbriefe und das Erinnerungsblatt schicke ich zurück.

Wien, den 18. Dezember 1814.

Ihr Brief, liebe Charlotte, hat mir große Freude gemacht, und ich danke Ihnen recht herzlich dafür. Sie legen zu viel Wert auf das, was so natürlich war und nicht anders sein konnte. Ihr Andenken hat sich nie bei mir verloren, noch verlieren können, allein es fiel mir nicht ein, zu glauben, daß ich je wieder von Ihnen hören würde, noch weniger, daß Sie meiner auch nur irgend gedachten. Auf einmal rufen Sie mir mit Güte und mit dem ungezwungenen Geständnis, daß Sie, ohne die Umstände, die uns trennten, vielleicht mehr empfunden hätten, die Bilder der Vergangenheit und Jugend zurück. In der Rührung und in der Freude, die das in mir weckte, habe ich Ihnen geantwortet und werde ich Ihnen immer antworten. Erheben Sie mich also nicht deshalb, aber bleiben Sie mir gut, erhalten Sie mir Ihr Vertrauen; schreiben Sie mir so herzlich, so vertrauend als jetzt, lassen Sie sich ganz mit mir gehen, wie ich mit Ihnen, und glauben Sie nicht, daß mir Ihre Briefe je zu häufig kommen, je zu weitläufig sein könnten. Es gibt nichts Beglückenderes für einen Mann, als die unbedingte Ergebenheit eines weiblichen Gemüts. Ich bin weit entfernt, den mindesten Anspruch an Sie zu machen. Ich kann kein Recht dazu besitzen. Sie können nur ein schwankendes Bild von mir in der Seele tragen. Ich muß jetzt, von Geschäften, Sorgen, Zerstreuungen zerrissen, Verzicht darauf tun, Ihnen irgend etwas sein zu können. Aber Sie können mir, wenn Sie fortfahren mir zu schreiben, wie Sie tun, mir von Ihrem äußern und innern Leben zu erzählen, mit mir ohne Rückhalt so vertraulich umzugehen, wie es Ihren ersten Empfindungen für mich entsprochen hätte, eine Freude geben, die ich mit inniger und wahrer Dankbarkeit empfangen werde. Schreiben Sie mir also ja von Zeit zu Zeit. Sie schreiben natürlich und ausgezeichnet gut außerdem, und lassen Sie mich die Kinderei gestehen, schon Ihre Hand macht mir Freude, sie ist hübsch an sich, und ich erinnere mich ihrer von ehemals. Reden Sie mir aber vor allem von sich selbst. Ihr letzter Brief enthält kaum ein Wort über Ihre Gesundheit. Lassen Sie mich wissen, ob Ihre Kräfte, Ihr gesundes Aussehen, Ihre Heiterkeit zunehmen. Dann muß ich Sie um Eines bitten: Warten Sie nie eine Antwort ab, mir zu schreiben; seien Sie großmütig, rechnen Sie nicht um Briefe mit mir. Ich habe sehr wenig Zeit. Ich kann nur selten, nur abgerissen schreiben, geben Sie mir, und fordern Sie nicht von mir. Sie finden vielleicht in dieser Bitte mehr Freimütigkeit, als ich haben sollte. Aber ich leugne es nicht, daß ich eigennützig mit Ihnen bin, und Sie haben eine zu gute Meinung von mir, die ich gern zur Wahrheit herunterstimme.

Sie fragen mich, liebe Charlotte, ob Sie vorerst in Göttingen oder Braunschweig leben sollen, und wollen nichts ohne meinen Willen tun. Damit berühren Sie eine sonderbare Seite in mir. Ich habe es sehr gern, wenn man meiner Bestimmung folgt. Ich will also, daß Sie nach Göttingen gehen sollen, und nicht bloß aus Gefälligkeit für Sie, weil Sie es vorziehen, sondern weil es mir lieber ist. Sie werden dies sehr sonderbar finden und nicht erraten, was mich bestimmen mag. Auch kann ich es Ihnen kaum recht erklären; allein es ist doch nun so, wäre es auch nur, weil ich Sie von Göttingen aus sah, wie ich in Braunschweig war, Sie nicht kannte, und in Göttingen sehr oft an Sie dachte. Überhaupt liebe ich Göttingen, weil ich da in einer Zeit einsam lebte, in der die Einsamkeit bildend ist. Grüßen Sie in meiner Seele den Wall, und schreiben Sie mir, wenn Sie da sind, auch von den Menschen dort.

Nun leben Sie wohl, teure Frau, und werden mir nicht wieder fremd. Es ist ein wunderbares Verhältnis unter uns. Zwei Menschen, die sich vor langen Jahren drei Tage sahen und schwerlich wieder sehen werden! Aber es gibt in dieser Art der reinen und tiefen Freuden so wenige, daß ich mich schämen würde, geizig mit dem Geständnis zu sein, daß Ihr Bild von damals her, mit allen Gefühlen meiner Jugend, jener Zeit, und selbst eines schöneren und einfacheren Zustandes Deutschlands und der Welt, als der jetzige ist, innig in mir zusammenhängt. Ich habe überdies eine große Liebe für die Vergangenheit. Nur was sie gewährt, ist ewig und unveränderlich wie der Tod, und zugleich, wie das Leben, warm und beglückend. Mit diesen unwandelbaren Gesinnungen Ihr  H.

Burgörner, April 1822.

Es ist sehr lange, daß ich ohne Nachricht von Ihnen bin, es tut mir leid, ja es schmerzt mich, so ganz von Ihnen vergessen zu sein, während ich Ihrer oft gedachte. Schreiben Sie mir, liebe Charlotte, sobald Sie diese Zeilen empfangen haben, wie es Ihnen ergangen hat und ergeht? Es mahnte mich schon lange, Ihnen zu schreiben und um Nachricht zu bitten. Vielleicht bin ich selbst schuld an Ihrem Schweigen. Meine kurzen Briefe können Sie eingeschüchtert haben, Sie mochten besorgen, mir lästig zu werden. Adressieren Sie Ihren Brief nach Burgörner bei Eisleben; ich bin hier auf einem der Güter meiner Frau. Leben Sie wohl und antworten mir gleich.     H.

Burgörner, April 1822.

Ich lasse meinem kurzen Briefe, den ich Ihnen, liebe Charlotte, vor ein paar Tagen schrieb, einen zweiten folgen. Einmal, weil ich sehr mich nach Zeilen von Ihrer Hand sehne und es mir leid tut, daß ich so lange schwieg; dann auch, um noch einen andern Weg einzuschlagen, damit mein Brief sicher in Ihre Hände komme. Ich weiß Ihre Adresse nicht genau, ja ich weiß nicht einmal, ob Sie noch in Kassel sind. Das aber darf ich mit Zuversicht hoffen, daß Sie mich nicht vergessen haben. Ich vergesse Sie nie.   Ihr H.

Burgörner, den 3. Mai 1822.

Ich habe Ihre beiden lieben Briefe vom 24. und 26. April empfangen, und sage Ihnen, liebste Charlotte, auf der Stelle meinen herzlichsten Dank. Sie haben mich recht sehr dadurch erfreut und ganz meinen Erwartungen entsprochen. Nie könnte ich irre an Ihnen werden oder den Glauben an die Ausdauer und die Treue Ihrer Gesinnungen und Empfindungen verlieren. Das sagte ich Ihnen schon neulich, und es ist nur natürlich. Wenn uns jemand eine so lange Reihe von Jahren, ohne irgend ein Zeichen des Andenkens empfangen zu haben, die tiefen Empfindungen eines edlen und zarten Gemüts bewahrte, so wäre es wahrer und hoher Undank, daran ferner zu zweifeln. Es ist gewiß ein seltenes Glück für einen Mann, daß ihm ein weibliches Gemüt die ersten Empfindungen der jugendlichen Brust heilig und vertrauungsvoll bewahrt, und ich bin mir bewußt, daß ich dies Glück, so wie es ist, würdige und schätze. Aber ich sage ohne Stolz, der mir wahrlich nicht eigen ist, allein auch ohne eine kindische Bescheidenheit, es kann auch Ihnen durch mich vieles kommen, was Ihr Leben bereichert, erheitert und verschönert. Wenn das Schicksal so etwas für zwei Menschen aufbewahrt hat, muß man es nicht hinwelken lassen, sondern erhalten und in Vereinigung bringen mit allen äußeren und inneren Verhältnissen, da auf diese Harmonie allein alle Zartheit der Gefühle und alle Ruhe der Seele gegründet sein kann. Weil nun kein persönlicher Umgang unter uns stattfinden kann, so wollen wir einen brieflichen beginnen und feststellen. Ich schreibe zwar nicht gern und klage mich zum voraus an, Sie werden sehr oft Nachsicht, Geduld und Großmut zu üben haben, aber ich lese sehr gern Briefe, besonders die Ihrigen, nicht nur, weil ich gern lese, was Sie schreiben, sondern noch mehr, weil mich Ihr äußeres und noch mehr Ihr inneres Leben in der innersten Teilnahme interessiert. Sollte ich also einmal seltener schreiben, so lassen Sie sich das nicht hindern. Schreiben Sie mir immer den 15., so habe ich immer einen Tag, auf den ich mich freue. Wenn Sie mir in der Zwischenzeit schreiben, so ist das eine liebe Zugabe, die ich stets mit Dank empfangen werde.

Ihr Gartenleben und schon die Wahl desselben hat etwas, das mir ungemein gefällt. Es spricht Ihre Neigungen charakteristisch aus und vereint Einsamkeit und Annehmlichkeit. Die erste paßt zu Ihrem Charakter, Ihren Empfindungen und Ihrer Lage; die letzte erheitert und verschönert Ihr Leben. Es ist mir daher am liebsten, Sie so zu denken, zu denken, daß Sie nur selten in die Stadt kommen. Besuche, das fühle ich, können Sie nicht vermeiden, und es ist auch gut, in einigen Verbindungen zu bleiben, besonders da Sie mir sagen, daß diese Verbindungen meist bewährte alte Freunde sind.

Daß Sie am liebsten in Kassel leben, wo Ihre Jugend, wenn auch nicht immer schmerzlose, doch auch frohe und heitere Erinnerungen zurückließ, begreife ich ganz. Auch ist die Gegend schön, und eine größere Stadt bietet, wie Sie sehr richtig bemerken, vor allen anderen, Freiheit zu leben, wie es die Neigungen fordern, und daneben, ohne großen Aufwand, manche Genüsse, welche in kleinen Städten versagt sind. Ich billige also ganz Ihren Entschluß, dort ferner zu wohnen. Sorgen Sie aber vor allem in Ihrer ländlichen Wohnung für Ihre Gesundheit. Zu wenig sagen Sie mir darüber, und doch sind Ihre Ruhe, Ihre Gesundheit, Ihr Glück das, worauf es mir ankommt. In selbstsüchtigen Wünschen und Absichten habe ich mich Ihnen nicht wieder genähert, wenn ich auch einen Wunsch hege, den ich Ihnen nächstens aussprechen werde.

Ich schließe jetzt, ich bin seit vierzehn Tagen garnicht wohl, leide zwar nur an einem katarrhalischen Fieber, da ich aber in Jahren nicht krank war, ist es mir lästig. Mit den herzlichsten, unwandelbarsten Gesinnungen der Ihrige.   H.

Burgörner, Ende Mai 1822.