BücherLiebe - Christine Knödler - E-Book

BücherLiebe E-Book

Christine Knödler

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Beschreibung

Eine Spielwiese und Schatzkiste für Bücherfreunde – das ist "BücherLiebe". Hier wird das Lesen in all seinen Facetten auf liebevolle, kreative und unterhaltsame Art und Weise zelebriert. Es geht um Lieblingsbücher, Lieblingsfiguren und Lieblingssätze – Hauptsache, Liebe! Die einen sehen das Lesen als Hobby, die anderen haben den Traum, es zum Beruf zu machen. Vielen liegt das Schreiben eigener Geschichten oder das Schreiben über Bücher am Herzen. Und immer gilt: Mitmachen! Denn Bücher, Lesen, Literatur können Leben verändern. Lesen macht stark, beflügelt, befreit. Also: Wer nicht liest, ist selber schuld! 

  • Abwechslungsreiche Mischung aus Infos, Tipps, Porträts, Interviews und Mitmachseiten
  • Feiert das Lesen 
  • Wunderschön und modern gestaltet

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2024

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Das Buch

Ihr mögt Bücher? Die „BücherLiebe“ werdet ihr lieben! Denn sie ist eine Spielwiese und Schatzkiste, die das Lesen in all seinen Facetten feiert. Kreativ, unterhaltsam, auch nachdenklich, stellt sie Fragen und gibt vielerlei Anregungen. Lesen ist euer Hobby? Ihr träumt davon, es zum Beruf zu machen? Ihr wollt selbst schreiben und möglichst viele Bücher entdecken? Dann seid ihr genau richtig: Büchermachen, Selbermachen, Mitmachen, Lieblingsbücher, Lieblingsfiguren, Lieblingssätze – all das ist in der „BücherLiebe“ drin. Hauptsache, Liebe!

Die Autorin

© Bernhard Hagemann

Christine Knödler, geboren 1967, studierte Theaterwissenschaft, deutsche und französische Literaturwissenschaften und Kunstgeschichte in München und Paris. Als Herausgeberin, Autorin, Journalistin und Kritikerin ediert und schreibt sie für verschiedene Verlage und Zeitungen (u. a. für die Süddeutsche Zeitung). Sie konzipiert und moderiert Debattenreihen und Lesungen, leitet Workshops, kuratiert internationale Illustrationsausstellungen und ist Mitglied renommierter Jurys. Seit 2020 hostet sie freigeistern! Der Podcast für Kinder- und Jugendliteratur. Zusammen mit ihrem Sohn Benjamin Knödler hat sie die Porträtbände Young Rebels. 25 Jugendliche, die die Welt verändern (2020) und Whistleblower Rebels. 20 Menschen, die für die Wahrheit kämpfen (2024) geschrieben. Einen Beitrag ihrer Tochter Magdalena findet ihr in der BücherLiebe.

Der Verlag

Du liebst Geschichten? Wir bei Thienemann auch!Wir wählen unsere Geschichten sorgfältig aus, überarbeiten sie gründlich mit Autor:innen und Übersetzer:innen, gestalten sie gemeinsam mit Illustrator:innen und produzieren sie als Bücher in bester Qualität für euch.

Deshalb sind alle Inhalte dieses E-Books urheberrechtlich geschützt. Du als Käufer erwirbst eine Lizenz für den persönlichen Gebrauch auf deinen Lesegeräten. Unsere E-Books haben eine nicht direkt sichtbare technische Markierung, die die Bestellnummer enthält (digitales Wasserzeichen). Im Falle einer illegalen Verwendung kann diese zurückverfolgt werden.

Mehr über unsere Bücher und Autoren auf:www.thienemann.de

Thienemann auf Instagram:https://www.instagram.com/thienemann_booklove

Thienemann auf Tiktok:https://www.tiktok.com/@thienemannverlage

Viel Spaß beim Lesen!

Christine Knödler

BücherLiebe

Lesen Bloggen Selberschreiben

Thienemann

Für euch

C. K.

Schönste Erste Sätze

Es war in der Zeit zwischen Neujahr und dem Dreikönigstag.

Otfried Preußler: Krabat

Jetzt will ich von meinem Bruder erzählen.

Astrid Lindgren: Die Brüder Löwenherz

An einem Sommerabend schlief ich ein und wünschte mir, dass die Welt beim Aufwachen eine andere wäre.

Benjamin Alire Sáenz: Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums

Es war einmal ein Mann, der hatte drei Namen.

Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Der Hinterhof vom Penny-Markt ist mehr als ein Hinterhof.

Sarah Jäger: Nach vorn nach Süden

Es fiel Regen in jener Nacht, ein feiner, wispernder Regen.

Cornelia Funke: Tintenherz

Dem Axolotl ist ein Bein abgefallen – was bedeutet das?

Josefine Sonneson: Stolpertage

Euch kann ich’s ja ruhig sagen: Die Sache mit Emil kam mir selber unerwartet.

Erich Kästner: Emil und die Detektive

Hier kommt nun Eduard Bär die Treppe herunter, rumpel-di-pumpel, auf dem Hinterkopf, hinter Christopher Robin.

A. A. Milne: Pu der Bär

Alles hat seinen Preis.

Julya Rabinowich: Der Geruch von Ruß und Rosen

In alten, alten Zeiten, als die Menschen noch in ganz anderen Sprachen redeten, gab es in den warmen Ländern schon große und prächtige Städte.

Michael Ende: Momo

Schönste Letzte Sätze

Während sie auf die Häuser zuschritten, fing es zu schneien an, leicht und in feinen Flocken, wie Mehl, das aus einem großen Sieb auf sie niederfiel.

Otfried Preußler: Krabat

Ja, Jonathan, ich sehe das Licht! Ich sehe das Licht!

Astrid Lindgren: Die Brüder Löwenherz

Wie hatte ich mich jemals dafür schämen können, dass ich Dante Quintana liebte?

Benjamin Alire Sáenz: Aristoteles und Dante entdecken die Geheimnisse des Universums

Drei Abbiegungen sind für einen Tiefbegabten echt ein Klacks.

Andreas Steinhöfel: Rico, Oskar und der Diebstahlstein

Ich gehe noch einmal zum Strand, schreibe »Entenarsch« in den Sand und sehe zu, wie der Name im Meer verschwindet.

Sarah Jäger: Nach vorn nach Süden

Aber das ist sicher eine fantasievolle Übertreibung.

Cornelia Funke: Tintenherz

Durch das Licht rieselt ein Staubregen.

Josefine Sonneson: Stolpertage

»Hurra!«“, rief Pony Hütchen und ritt auf ihrem Stuhl ins Schlafzimmer.

Erich Kästner: Emil und die Detektive

Aber wohin sie auch gehen und was ihnen auf dem Weg dorthin auch passieren mag: An jenem verzauberten Ort ganz in der Mitte des Waldes wird ein kleiner Junge sein, und sein Bär wird bei ihm sein, und die beiden werden spielen.

A. A. Milne: Pu der Bär

Ich gehe.

Julya Rabinowich: Der Geruch von Ruß und Rosen

Sie (Kassiopeia, Anm. d. Autorin) zog ihren Kopf und ihre vier Glieder ein und auf ihrem Rücken, für niemanden mehr sichtbar als für den, der diese Geschichte gelesen hat, erschienen langsam die Buchstaben: ENDE

Michael Ende: Momo

Lesen ist … Eine Art Vor-Wort

Jede Geschichte hat einen Anfang, auch die Geschichte zu diesem Buch. Bei der Internationalen Kinderbuchmesse in Bologna 2023 sprach mich die Programmleiterin der Thienemann Verlage an, ob ich mir vorstellen könne, ein Buch übers Lesen zu machen. Ein Buch über Bücher. Ein Buch über BücherLiebe.

Und ob ich konnte. Ich wollte!

Von Büchern zu schwärmen? Über eigene Lese-Erfahrungen, über die eigene Liebe zum Lesen zu schreiben? Davon zu erzählen, wie Geschichten ein Leben verändern können, was für ein Vergnügen dieses Lesen ist, weil es Geschichten über Geschichten über Geschichten bereithält? Nichts leichter als das. Dachte ich.

Und das stimmt auch. Denn mit der eigenen Begeisterung anzustecken ist doch ein Kinderspiel. Oder?

Ich begann, Sätze zu sammeln:

• Bücher können wie Freunde sein – manchmal begleiten sie ein Leben lang.

• Lesen ist wie Reisen: Mit Geschichten erweitern wir unseren Horizont.

• Mit Büchern können wir die Welt entdecken und uns selbst.

• Wer Bücher hat, braucht keine Flügel, um zu fliegen.

• Bücher machen klüger.

• Bücher sind Schatzkisten, denn sie erweitern unseren Erfahrungsschatz und unseren Wortschatz.

• Bücher sind Mutproben und Ermutigung.

• Lesen ist ein Abenteuer und macht Spaß.

• Beim Lesen fühlen wir viel: Wir fühlen mit und entdecken unsere eigenen Gefühle und die von anderen.

• Lesen ist Sprache und Sprache ist Denken und Denken ist Veränderung. Darum hilft Lesen uns, unser Leben in die Hand zu nehmen, und vielleicht ja die Welt insgesamt mitzugestalten.

Oder wie Pippi Langstrumpf gesagt hat:

»Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt.«

Das alles stimmt. Es hat nur einen Haken: Wer selbst gerne liest, weiß das schon. Wer nicht gerne liest, weil Lesen vielleicht schwerfällt, weil man es nie richtig gelernt hat oder einfach nicht die richtigen Bücher gefunden hat, kann mit Fug und Recht sagen: Das kann ja jede und jeder behaupten! Denn das stimmt eben auch. Die gesammelten Sätze sind zunächst einmal nur das, was Sätze sind: eine Ansammlung von Buchstaben und Wörtern. Ob ihr, die ihr die BücherLiebe jetzt in Händen haltet, sie mit Leben und Sinn erfüllt, steht auf einem anderen Blatt. Übrigens ist das auch noch ein Satz, der auf meine Liste gesammelter Sätze gehört:

• Beim Lesen füllen wir Buchstaben und Wörter mit Leben und mit Sinn.

Trotzdem. Es hilft nichts. Man muss es selbst ausprobieren. Man muss selbst lesen und seine eigenen Erfahrungen damit machen, um das zu erleben, was ich gerade versucht habe zu beschreiben: nämlich wie sehr Bücher beflügeln, beglücken, bereichern, berühren, bewegen können.

Darum habe ich für die BücherLiebe noch mehr Sätze gesammelt:

• Schönste erste Sätze und schönste letzte Sätze aus Büchern

• Schönste Sätze von anderen Menschen: über Bücher, das Lesen, das Schreiben

Ihr erfahrt, seit wann und warum Menschen lesen. Ihr lernt die Berufe kennen, die es braucht, damit Bücher entstehen.

Für die BücherLiebe habe ich mit vielen Menschen gesprochen, mit Autor*innen, einer Lektorin, einer Buchgestalterin, mit Kolleg:innen und Freund:innen – mit Menschen, die das Lesen lieben, mit Menschen, denen es schwerfällt. Und wie sollte man dann Bücher lieben?

Ihr findet Porträts, Selbstporträts, Interviews, Statements.

Ihr findet leere Seiten, die nur darauf warten, von euch mit eigenen Ideen, Worten, Sätzen gefüllt zu werden.

Ihr findet Tipps zum selbst Schreiben, Bloggen und was ihr sonst noch selbst machen könnt: Worte entdecken, zum Beispiel, um sich dann, wer weiß, in die Sprache, ins Lesen, in Bücher zu verlieben.

Und so ist die BücherLiebe leicht und schwer, ernst und unterhaltsam. Es gibt darin gute Seiten, schlechte Seiten und die vielen Seiten dazwischen.

BücherLiebe ist wie ein Gespräch. Es ist eine vielseitige Liebeserklärung – es ist auch ein Freundschaftsbuch geworden und möge euch nun seinerseits beflügeln, beglücken, bereichern, berühren, bewegen.

Lasst euch überraschen – ich mache jedenfalls die Tür zur BücherLiebe weit auf: herzlich willkommen!

Wie schön, dass ihr da seid!

Christine Knödler, Frühjahr 2024

Teil 1 Lesen

Warum lesen Menschen? Eine Liebeserklärung x

Kürzlich war es wieder so weit: Da hatte ich Nächte durchlesen, die noch verbleibenden Seiten des Buches schmolzen dahin. Das Ende stand bevor. Natürlich wollte ich wissen, wie die Geschichte ausgeht – aber verabschieden wollte ich mich nicht. Ich hatte Wochen mit den Figuren verbracht, hatte mitgefühlt, mitgefiebert, mitgelitten, mitgelacht, mitgedacht. Das Haus mit den knarzenden Treppenstufen kam mir vertraut vor, ich hatte den Geruch der blühenden Tulpen in der Nase und konnte sogar die Hausgeister hören. Für mich war es ein Ort der Zuflucht und der Sehnsucht geworden, ein Ort der Verunsicherung, auch der Störung, sogar der Verstörung. Trotz oder gerade wegen all dem hatte ich mich jeden Tag darauf gefreut, abends endlich weiterlesen zu können. Ich wollte mich nicht trennen.

»In Geschichten geben wir dem Leben einen Sinn.«1

Cornelia Funke, Autorin

Denn so ist das mit Büchern: Sie nehmen uns mit in eine andere Welt. Sie erzählen von Menschen und deren Erfahrungen, sie stellen Fragen, auch die, was richtig und was falsch ist und was vielleicht besser sein könnte. Manche dieser Geschichten begleiten uns ein Leben lang. Sie sind immer für uns da. Und mit Büchern zu leben, sie zu lesen, ist etwas vom Schönsten auf der Welt. So geht es mir zumindest. Und ihr kennt das vielleicht ja auch: dass ihr in einer Geschichte versinkt und die Wirklichkeit drum herum vergesst.

Warum das so ist? Vielleicht, weil man in Worten wohnen kann. Weil ein Wort das andere gibt und wir beim Lesen Erfahrungen machen – zwar aus zweiter Hand, aber wir machen sie doch. Dann kann Lesen ermutigen und selbst Mutprobe sein. Es kann an Grenzen führen, Grenzen überwinden und den Blick auf die Welt verändern.

Ich erinnere mich jedenfalls noch gut daran, wie ich als Kind den Über-Mut der Hundedame Jenny kaum fassen konnte. In Higgelti Piggelti Pop! Oder: Es muss im Leben mehr als alles geben macht sie sich aus ihrem kissengepolsterten, satten Leben auf, um das zu sammeln, worauf es ankommt: Erfahrungen. Sie bricht auf, obwohl sie alles hat. Sie will mehr. Sie traut sich was. Als Kind war das für mich unvorstellbar und vermutlich bin ich erst einmal vor allem eins: erschrocken. Viel später habe ich festgestellt, wie sehr Jenny mein Leben beeinflusst hat. Das Buch hat den Grundstein dafür gelegt, dass ein Satz mich fortan begleitet hat:

»Es muss im Leben mehr als alles geben.«

Genauso geliebt habe ich die Geschichten der philosophierenden Schweine Piggeldy und Frederick. Piggeldy hat den Kopf voller Fragen – der ältere Bruder Frederick beantwortet sie, so gut er kann. Und jedes Mal sagt er zum Auftakt:

»Nichts leichter als das.«

Es war und ist ein Satz wie ein Sicherheitsgurt. Es war ein Aufatmen in wenigen Worten. In vier Worten, um genau zu sein. Auch diesen Satz habe ich mir immer wieder hergeholt und hergesagt, wenn etwas eben nicht leicht war. Er hat geholfen. So wie der Satz

»Ich kann alles – im Geheimen«

von Lotta aus der Krachmacherstraße.

Unvergessen ist auch die Geschichte des Katerjungen, der lästiges Zähneputzen umgeht, lieber auf dem Klo in Heftchen blättert und seine überbesorgte, dauerflötende Mutter nach allen Regeln der Kunst hintergeht: Kein Kuss für Mutter.

Dass Higgelti Piggelti Pop! von Maurice Sendak ist, Kein Kuss für Mutter von Tomi Ungerer, Lotta aus der Krachmacherstraße von Astrid Lindgren, von weltberühmten Künstler:innen also, wusste ich damals nicht und es war mir auch vollkommen egal. Aber die Worte und Bilder, den Schauder, den Witz, den Ernst, das Unverfrorene, Ungeahnte, das Scheitern und die Möglichkeiten eines Lebens, das ausgekostet wird, koste es, was es wolle, habe ich intuitiv mit Haut und Haaren verschlungen.

Und heute? Heute ist Higgelti Piggelti Pop! gründlich zerlesen. Der Buchumschlag ist verloren gegangen, vergilbte Klebestreifen halten die Seiten notdürftig zusammen. Echte Liebe, echte BücherLiebe eben. Lotta aus der Krachmacherstraße wurde zu einem der Lieblingsbücher meiner Kinder. Kein Kuss für Mutter hat, nach mir, sie begeistert. Sie halten mir das Buch bei Bedarf bis heute unter die Nase. Sie haben genauso wie ich die Erfahrung gemacht, dass zwischen Buchdeckeln keine gepflegte Langeweile herrscht, sondern Abenteuer und Entdeckung warten. Dass im Alltag das Glück auf der Straße liegen kann – wir müssen nur genau hinschauen. Und dass Lesen immer auch mit uns und unserem Leben zu tun hat. Genau darauf kommt es an.

Denn wer liest, lernt etwas über sich und die Welt. So gesehen hilft Lesen uns zu leben. Wer liest, hat eine Verabredung mit sich selbst. Es braucht dazu nicht mehr als ein Buch, ein Sofa, ein Bett, einen Sessel, einen Stuhl auf dem Balkon oder am Küchentisch, ein Kissen unterm Fenster, eine Decke im Garten oder ein Badetuch am Strand – und Zeit.

Vielleicht habt ihr ja auch einen Lieblings-Lese-Ort, so wie viele Autor:innen einen Lieblings-Schreib-Ort haben. Oft ist es das Café an der nächsten Ecke.

Und dann geht’s los. Dann tauchen wir ein in die jeweilige Geschichte oder heben mit ihr ab. Wir lassen uns ein auf den Inhalt. Expert:innen bezeichnen diesen Zustand als »Deep Reading«. Das hat mit Intensität, Neugierde, Offenheit und Hingabe zu tun.

Wenn wir uns einlassen, lernen wir einander kennen. Das gilt für Menschen und für Bücher.

Wenn wir uns vertraut machen, dann ist es so, als würden wir mit jeder neuen Geschichte, mit jeder neuen Figur in Beziehung treten – fast so, als würden wir wirklichen Menschen begegnen.

»Meine Erfahrung ist: Wenn man sich in den poetischen Kosmos reinbegeben will und für sich etwas rausholen möchte und dem auch Zeit und Raum gibt, dann wird man auch was kriegen. Wenn man sagt: Weiß ich nicht, kann ich nicht, hab keinen Bock, interessiert mich nicht, dann kommt auch nichts.«2

Arne Rautenberg, Dichter

Wir malen uns aus, wo und wie die Figuren leben. Wie sie aussehen, wie ihre Stimmen klingen, ihr Gelächter, ihr Geschrei, ob sie laut oder leise sind, schnell oder langsam, wie sie sich bewegen, wie die Zimmer aussehen, wie es dort riecht – all das entsteht beim Lesen in unseren Köpfen. Lesen spricht alle Sinne an und beflügelt unsere Fantasie und Kreativität. Denn so gut Autor:innen das alles beschreiben – es bleibt immer noch Platz für unsere ganz eigenen Vorstellungen. Für unsere eigenen Gedanken und Gefühle.

Dass ihr euch über die Fantasie in andere Welten verabschieden könnt, wann immer ihr das braucht, dass sich jederzeit eine Tür öffnen kann in andere Räume, könnt ihr übrigens in Die unendliche Geschichte von Michael Ende nachlesen. Er hat sich den Tausend-Türen-Tempel ausgedacht. Falls ihr ihn noch nicht kennt, lohnt sich ein Besuch: Lesend könnt ihr hinreisen und Tür um Tür öffnen.

Darum können verschiedene Menschen ganz Unterschiedliches über ein und dasselbe Buch sagen: Sie bestimmen, was sie besonders anspricht, besonders betrifft. Darum haben Leser:innen Lieblingsbücher. Darum lesen manche bestimmte Bücher immer und immer wieder. Darum kann am Ende eines Buches der Abschied tatsächlich schwerfallen. Darum stimmt es, dass Bücher zu Lebensbegleitern werden können.

Das geht natürlich erst, wenn wir die Technik des Lesens beherrschen, wenn wir lesen können. Und das können nicht alle Menschen. Den einen fällt Lesen leicht, den anderen schwer, für manche ist es eine Qual. Unter biologischen Gesichtspunkten ist Lesen eine eher unnatürliche Handlung: Es ist ein erlerntes kulturelles Handwerk, es ist Hirnarbeit, und nicht jedes Hirn funktioniert gleich.

Erinnert ihr euch noch daran, wie ihr lesen gelernt habt?

Wie all die Menschen vor euch musstet auch ihr erst mal die Buchstaben lernen, von A bis Z. Mit dem Finger habt ihr euch vermutlich Zeile für Zeile entlanggehangelt, bis aus den willkürlichen und unverständlichen Strichen, Punkten, Linien und Abständen auf einer Seite einzelne Wörter, schließlich Sätze, zuletzt ganze Texte, ganze Geschichten wurden.

Und dann geht’s erst richtig los. Denn Lesen bedeutet nicht nur, aus einzelnen Buchstaben Wörter und aus einzelnen Wörtern Sätze bilden zu können. Lesen bedeutet, Zusammenhänge zu erkennen und den Sinn dessen, was da steht, zu verstehen. Das ist eine Glanzleistung. Ich finde, wir dürfen uns an dieser Stelle alle mal kräftig auf die Schulter klopfen.

Und: Wir sollten den Menschen respektvoll begegnen, die das nicht können. Denn das sucht sich niemand aus. Dafür ist Lesen viel zu wichtig. Nicht umsonst gilt es als eine der Grundkompetenzen für ein erfolgreiches, selbstbestimmtes Leben.

Man muss nur einmal kurz innehalten und überlegen, was kompliziert oder nicht möglich ist, wenn man nicht oder nur unter großen Schwierigkeiten lesen kann. Der Alltag ist viel anstrengender. Alles dauert viel länger. Betroffene können sich schlechter orientieren, weil etwa Straßenschilder, Stadt- und Fahrpläne, Hinweise und Ankündigungen unverständlich bleiben. Wer einen Antrag ausfüllen muss, wer ein Konto eröffnen möchte, wer ein Ticket für was auch immer lösen will, ist auf Hilfe angewiesen. Das Sonderangebot im Supermarkt? Informationen auf Plakaten, in der Zeitung oder im Internet? Was nützen sie, wenn sie unlesbar sind, also unverständlich bleiben?

Sich unter diesen Bedingungen zurechtzufinden ist mühsam. Menschen, die nicht oder nur eingeschränkt lesen und schreiben können, haben weniger Zugang zu Informationen, zu Literatur, Theater, Kunst, Politik. Sie können weniger am gesellschaftlichen und kulturellen Leben teilnehmen.

Sich eine Meinung zu bilden, ist dann eine nahezu unlösbare Aufgabe. Die eigene Meinung zu vertreten, sich zu Wort zu melden, mithin zur Sprache zu kommen, ist fast ein Ding der Unmöglichkeit.

Und darum geht es schließlich auch, wenn wir lesen und schreiben lernen. Es geht darum, das eigene Leben in die Hand zu nehmen, sich bei Bedarf einzumischen, die Zukunft zu gestalten – die eigene im Kleinen und womöglich die gesellschaftliche im Großen.

»Sich gegenseitig Geschichten zu erzählen, ist wahrscheinlich die älteste Kunst- und Kommunikationsform der Menschheit: Wir wollen, dass unser Gegenüber an unserem Erlebnis teilnimmt.

Wenn ich vorlese, tauche ich in die Geschichten ein, ich spiele sie buchstäblich durch, ich erlebe sie gemeinsam mit dem Publikum – seien es zahlende Erwachsene im Literaturhaus oder die lümmelnden Kinder auf dem Sofa.

Das Vorlesen ist für mich das beglückendste Lesen!«3

Wiebke Puls, Schauspielerin

Wenn Menschen nicht lesen und schreiben können, hat das viele und sehr unterschiedliche Gründe. Menschen, deren Muttersprache nicht Deutsch ist, müssen beim Lesen- und Schreibenlernen sehr viel höhere Hürden nehmen. Menschen mit Behinderung haben wiederum andere Voraussetzungen, aus denen sich spezielle Schwierigkeiten ergeben können. Und nach wie vor spielen in Deutschland Milieu und soziale Herkunft eine große Rolle, wenn es darum geht, lesen und schreiben zu lernen.

Die Vorlesestudien der »Stiftung Lesen« belegen, dass Kinder, denen regelmäßig vorgelesen wird, leichter lesen lernen. Kinder aus sogenannten bildungsfernen Familien, denen nicht oder selten vorgelesen wird, werden selten zu Leser:innen. Sie sind im Erwachsenenalter von geringer Literalität, das heißt von geringer Lese- und Schreibfähigkeit, bedroht und geben das meistens an ihre Kinder weiter, wenn sie selbst Eltern werden.

Die Abkürzung PISA steht für den weltweit wichtigsten Schulvergleichs-Test, das »Programme for International Student Assessment«. Dabei werden die Kompetenzen von 15-Jährigen beim Lesen, in Mathematik und Naturwissenschaften erfasst. Seit 2000 werden die Studien von der »Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung« (OECD) koordiniert und in Deutschland vom »Zentrum für internationale Bildungsvergleichsstudien« (ZIB) geleitet. Die Ergebnisse der aktuellsten Studie wurden am 5. Dezember 20234 präsentiert. Demnach haben deutsche Schüler:innen im internationalen Leistungsvergleich das bisher schlechteste Ergebnis erzielt – deutlich schlechter als noch 2018.

Doch wer in der Schule nicht richtig lesen und schreiben gelernt hat, wird das im Erwachsenenalter kaum nachholen. Das hat enorme Auswirkungen auf das persönliche Leben und auf die Gesellschaft.

• In Deutschland können 25 % der Kinder am Ende ihrer Grund-schulzeit nicht gut genug lesen, um eine weiterführende Schule zu besuchen. Tendenz seit Jahren steigend.

• 7,5 Millionen Menschen zwischen 18 und 64 Jahren können zwar einzelne Sätze lesen und schreiben, haben aber Probleme, zusammenhängende Texte zu verstehen.

• Die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte LEO-Studie der Universität Hamburg zeigt: In Deutschland leben fast doppelt so viele Menschen mit Lese- und Rechtschreib-schwierigkeiten als bisher angenommen.

Denn mangelnde Lese- und Schreibkompetenz erschwert den Zugang zu Bildung und verhindert, eigene Möglichkeiten auszuschöpfen. Die Chancen auf einen guten Schulabschluss, auf eine Berufsausbildung oder ein Studium sinken. Menschen, die nicht oder wenig lesen können, üben später oft schlecht bezahlte Berufe aus. Sie gehören meistens zu den sozial schlechter Gestellten einer Gesellschaft. Die meisten sind und bleiben von Armut betroffen.

Eine Studie der McKinsey Stiftung hat herausgefunden, dass von 100 Arbeiterkindern 27 später eine Universität besuchen. Von 100 Akademikerkindern studieren 79.

»Das liegt nicht daran, dass Arbeiterkinder dümmer sind, es ist auch kein Naturgesetz«, sagt der Autor und Journalist Christian Baron. »Es ist so, weil diese Gesellschaft es so will. Wenn man es anders haben wollte, gäbe es Möglichkeiten, ein anderes Bildungssystem aufzubauen.«5

Was auch immer die Ursachen dafür sind, dass Menschen nicht oder nur mit großen Schwierigkeiten lesen können – sicher ist: Es hat nichts mit Bequemlichkeit oder fehlender Intelligenz zu tun.