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Sexy Feuerwehrmann trifft auf kühle Wissenschaftlerin ...
Immer wieder trifft Livia, Kuratorin eines Museums, auf den heißen wie arroganten Feuerwehrmann Marc Delgado. Bereits beim ersten Kennenlernen war sie sich sicher, dass daraus nichts werden kann. Doch je öfter sie sich wiedersehen, desto stärker wird die Anziehung zwischen den beiden. Bald können sie ihre gegenseitige Faszination für den anderen nicht mehr verbergen, aber kann eine Beziehung zwischen ihnen überhaupt funktionieren?
Die Burning-Souls-Reihe von Olivia Schwarz - Romane voll prickelnder Leidenschaft:
Band 1: Burning Souls - Wie Feuer und Rauch
Band 2: Burning Souls - Wie Pech und Schwefel
Band 3: Burning Souls - Wie Glut und Asche
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Seitenzahl: 296
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Über dieses Buch
Titel
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Impressum
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Immer wieder trifft Livia, Kuratorin eines Museums, auf den heißen wie arroganten Feuerwehrmann Marc Delgado. Bereits beim ersten Kennenlernen war sie sich sicher, dass daraus nichts werden kann. Doch je öfter sie sich wiedersehen, desto stärker wird die Anziehung zwischen den beiden. Bald können sie ihre gegenseitige Faszination für den anderen nicht mehr verbergen, aber kann eine Beziehung zwischen ihnen überhaupt funktionieren?
OLIVIA SCHWARZ
Burning Souls
WIE FEUER UND RAUCH
Ein Stöhnen. Ein Seufzen. Schweres Atmen. Gefolgt von einer flehenden Aufforderung, die in einem befreienden Aufschrei unterging. Das Kopfteil eines eisernen Bettgestells schlug rhythmisch gegen die Wand, als die Leidenschaft ihren Höhepunkt erreichte.
Livia ächzte frustriert auf. Sie lag in ihrem Bett und starrte an die Decke über ihr. Bereits seit zwei Stunden versuchte sie zu schlafen, doch die neu eingezogene Nachbarin machte ihr mit ihrem äußerst aktiven Liebesleben einen Strich durch die Rechnung. Ein weiteres, lang gezogenes Aufstöhnen war von der anderen Seite der Wand zu hören und Livia zog sich genervt das Kissen über den Kopf. Wie sollte sie bei dem wichtigen Meeting morgen topfit und kompetent wirken, wenn sie dank des unersättlichen Pärchens nebenan nicht zum Schlafen kam?
Hoffnungsvoll zog Livia eine Viertelstunde später den Kopf wieder unter dem Kissen hervor und lauschte in die Dunkelheit. Vielleicht hatten die beiden ihr Schäferstündchen ja endlich beendet. Und die Hoffnung schien sich zu bewahrheiten: Kein Liebesgeflüster war mehr zu hören. Livia atmete erleichtert aus, rollte sich auf die Seite und kuschelte sich tiefer in die Decke, um endlich einzuschlafen. Da ging in der Nachbarwohnung mit einem Quietschen die Balkontür auf und jemand trat auf den Balkon, der neben ihrem Schlafzimmerfenster lag. Im selben Moment erklangen schon vergnügtes Gekicher sowie der Knall eines Korkens, der gegen eine Metallverkleidung prallte. Ein Augenblick lang Stille, ehe ein sinnliches »Mhm, das fühlt sich großartig an« folgte. Die Stimme der Frau klang sexy, verschlafen. Obwohl sie in dieser Nacht bestimmt noch kein Auge zugetan hatte. Genauso wie sie. Livias Frustration wuchs. Wütend erhob sie sich und ging ins Badezimmer, um die nie verwendeten Ohropax zu suchen, die sie bei ihrem letzten Langstreckenflug erhalten hatte. Kurze Zeit später hatte sie sie gefunden und ließ sich mit einem erleichterten Seufzer wieder ins Bett fallen. Endlich Ruhe …
***
Am nächsten Morgen erwachte Livia bereits schlecht gelaunt. Daran änderte weder eine kalte Dusche noch die obligatorische Tasse des teuren, bolivianischen Kaffees, den sie sich als Luxus gönnte, etwas. Der fehlende Schlaf war dadurch nicht aufzuwiegen. Sie nahm eine Tablette gegen die sich bereits ankündigenden Kopfschmerzen, bevor sie nach dem Skript griff, das die Präsentation beinhaltete, die sie in drei Stunden halten würde. Es ging dabei um die kommende Dauerausstellung sowie einige kleinere Projekte des Museums. Neben den obersten Vorstandsmitgliedern des Instituts würden auch Politiker aus Seattle an der Konferenz teilnehmen. Als die Wörter und Zahlen vor ihren Augen verschwammen und es trotz der Tablette dumpf in ihrem Kopf pochte, hob Livia den Blick von den Unterlagen und legte sie zurück in ihre lederne Aktentasche. Mit einer Hand massierte sie ihre rechte Schläfe, mit der anderen nahm sie erst ihre Lesebrille ab, bevor sie nach ihrer Kaffeetasse griff und einen großen Schluck nahm.
Sie war eine Perfektionistin. Was Livia nicht als schlechte Eigenschaft empfand, sondern als eine ihrer Stärken. Nie würde es ihr in den Sinn kommen, solche wichtigen Meetings wie das heutige spontan auf sich zukommen zu lassen. Stattdessen hatte sie tagelang an der schriftlichen Ausarbeitung gesessen sowie Besucherzahlen und Statistiken analysiert und ausgewertet, um ein möglichst genaues Ergebnis zu erhalten, das sie mit dem des letzten Jahres vergleichen konnte. Sie war gut, nein perfekt, vorbereitet. Bis auf die Tatsache, dass sie nicht fit war. Und daran waren ganz allein die neue Nachbarin und deren Sexleben schuld.
Livia wusch ihre leere Tasse aus und gab sie dann in den Geschirrspüler. Die neue Mieterin war im letzten Monat eingezogen. Sie hatten sich einige Male im Lift getroffen, jedoch nie mehr als ein paar Worte gewechselt. Die junge Blondine namens Milly, die gerade aus Kalifornien hierher übergesiedelt war, schien nett zu sein. Spontan und extrovertiert. Kein Wunder also, dass sie sofort Bekanntschaften in Seattle geschlossen hatte. Livia hoffte nur, dass sich Millys sexuelle Aktivitäten von nun an nicht jede Nacht so lange hinzogen. Sonst würde Livia die Ohropax wohl als ständigen Begleiter in ihrem Bett haben. Wenn es schon sonst leer war.
Sie griff nach ihrer Aktentasche, legte sich ihren Trenchcoat über den Arm und ging zur Tür. Als sie im Flur an dem großen Spiegel vorbeikam, hielt sie jedoch noch einen Moment inne, um ihre Erscheinung zu betrachten. Das lange, schwarze Haar zu einem strengen Zopf gebunden und dezent geschminkt sah sie genau wie die moderne Geschäftsfrau aus, die sie auch war. Dieses Bild wurde von dem marineblauen Kostüm, das aus einem schmal geschnittenen Kleid sowie der dazu passenden Jacke bestand, den schwarzen High Heels und der Aktentasche mit den eingravierten Initialen, die ein Geschenk zu ihrem Abschluss gewesen war, unterstützt. Zufrieden nickte Livia ihrem Spiegelbild zu, ehe sie ihre Wohnung verließ. Als sie dabei war, ihre Tür zu verschließen, öffnete sich die ihrer Nachbarin. Livia hob unwillkürlich den Blick. Jedoch trat nicht wie erwartet Milly, sondern ein Mann auf den Flur. Anscheinend derjenige, der ihre Nachbarin die ganze Nacht wach gehalten hatte. Livia musterte ihn. Er war das vollkommene Gegenteil der Männer, mit denen sie sich umgab. Die trugen Geschäftsanzüge und verbrachten ihre Wochenenden auf dem Golfplatz oder im Country Club. Dieser hier schien körperlich viel zu arbeiten, denn sein ausgeprägter Bizeps zeichnete sich deutlich unter dem schwarzen T-Shirt ab, das er zur abgewetzten Jeans trug. Ihr Blick blieb an den Tätowierungen auf seinen Armen hängen. Da drehte der Typ sich plötzlich zu ihr und Livia gelang es gerade noch, ihre heimliche Musterung zu beenden und sich wieder ihrem Türschloss zu zuwenden. Verlegen stocherte sie mit ihrem Schlüssel darin herum.
»Alles in Ordnung? Klemmt etwas?«, erklang eine raue Stimme.
Livia sperrte rasch ab und drehte sich zu ihm um. »Danke, alles bestens.« Ihr Tonfall war geschäftsmäßig. Sie warf einen flüchtigen Blick auf sein Gesicht. Braunes, kurzes Haar, ebenso dunkle Augen, Dreitagebart und ein verschmitztes Lächeln.
Er schloss nun ebenfalls die Tür, sperrte jedoch nicht ab. Livia vermutete, dass er keinen Schlüssel besaß. Ob Milly überhaupt wusste, dass ihr Lover sich aus dem Staub machte? Livia ging die wenigen Schritte bis zum Aufzug und drückte auf den Knopf. Der Mann folgte ihr und schweigend warteten sie gemeinsam. Livia wurde von Sekunde zu Sekunde unruhiger. Wenn sie nicht aufpasste, würde sie noch zu spät kommen.
***
Während er auf den Aufzug wartete, musterte Marc die Frau neben sich. Belustigt stellte er fest, dass sie immer nervöser wurde. Lag das an ihm oder an dem nicht eintreffenden Lift? Sein Blick glitt über ihre gertenschlanke Gestalt. Angefangen bei den hochhackigen Schuhen, über die von feinen Strümpfen bedeckten, langen Beine, die elegante Kleidung, bis hin zu ihrem Gesicht, das außergewöhnlich schön war. Ihr langes, zusammengebundenes Haar ließ sie streng wirken und auch der verkniffene Zug um ihren Mund erweckte den Eindruck, dass sie momentan nicht besonders gut gelaunt war. Marc grinste. Hübsch, aber frostig wie ein Eiszapfen.
Nachdem sie einige Zeit schweigend gewartet hatten, trat die Frau nach vorn und drückte ungeduldig erneut den Knopf.
»Sind Sie immer so … angespannt?« Marc lehnte sich lässig an die Wand gegenüber dem Aufzug.
Die Frau gab keine Antwort, sondern strich über ihr faltenloses Kleid, als wollte sie es noch weiter glätten, und starrte auf die Anzeige des Lifts.
»Ich kenne eine sehr gute Methode, um das zu ändern«, fuhr er unbeeindruckt fort und lächelte, als sie sich nun doch zu ihm umdrehte. Sie hatte versucht, seine Konversationsversuche zu ignorieren, jetzt aber schien sie eine Antwort nicht zurückhalten zu können.
»Dann muss Milly ja jetzt die Ruhe in Person sein«, erwiderte sie genervt.
»Milly ist also ihr Name.« Marc strich sich übers stoppelige Kinn und nickte dann. »Sehr verspielt. Passt zu ihr.« Er konzentrierte sich wieder auf das Wesentliche und zwinkerte der verkniffenen Frau zu. »Fragen Sie sie doch einfach mal nach meinem Können.«
Die Frau schnaubte nur, wandte sich dann wieder ab und starrte stur auf die metallene Aufzugstür. Marc hatte jedoch genug vom Warten. Er trat zur Tür des Treppenhauses und öffnete sie. Dann meinte er: »Auf diesem Weg sind Sie auf jeden Fall schneller unten. Sie scheinen es ja mächtig eilig zu haben.«
Die fremde Schöne zog missgelaunt die Augenbrauen hoch und antwortete dann ablehnend: »Nein, danke. Ich habe nicht vor, fünfzehn Stockwerke hinunterzulaufen. Nicht in diesen Schuhen.«
Marcs Blick fiel abermals auf ihre Beine. »Wie Sie meinen.« Dann ließ er ohne ein Wort des Abschieds die Tür hinter sich zufallen.
***
Gott sei Dank. Livia schüttelte den Kopf über den unverschämten Kerl und wandte sich um. In dem Moment kam der Aufzug mit einem leisen Signal in der Etage an und sie trat in die Kabine. Eilig drückte sie den Knopf für die Eingangshalle und die Türen schlossen sich vor ihr. Wenn der morgendliche Verkehr in Seattles Innenstadt nicht stärker als üblich war, würde sie es mit dem Taxi noch rechtzeitig schaffen. Die Kopfschmerzen setzten Livia immer noch zu und sie schloss für einen kurzen Moment die Augen. Sie hasste solche außerplanmäßigen Ereignisse. Ebenso wie gut gelaunte, umwerfend aussehende, mit ihrer Potenz protzende Besserwisser am Morgen. Doch sie hatte sich zu früh gefreut. Als der Lift in der Lobby hielt und sich die Türen öffneten, fiel ihr Blick auf den attraktiven Typen, der diesmal an der Rezeption lehnte und sich angeregt mit dem Portier unterhielt. Livia verließ mit eiligen Schritten die Kabine und ging in Richtung Ausgang. Im Vorbeigehen begrüßte sie den Portier mit einem freundlichen Lächeln, würdigte den Fremden aber keines Blickes. Nicht, dass er noch auf die Idee käme, …
»Warten Sie.«
… sie abermals anzusprechen. Livia ignorierte ihn und ging weiter. Der Verkehr war – wie immer zu dieser Uhrzeit – ein einziges Stop-and-go. Hupen, das Geräusch der laufenden Motoren und der eine oder andere Fluch übertönten das Gezwitscher der Vögel. Der Frühling war gerade erst angebrochen und die ersten warmen Sonnenstrahlen fielen auf die Straßen und Gehwege. Livia freute sich auf diese Jahreszeit. Der Winter hatte dieses Mal einfach zu lange gedauert. Sie trat an die Bordsteinkante, um nach einem Taxi Ausschau zu halten, als Millys Lover neben ihr auftauchte.
»Tun Sie einmal das, was man Ihnen sagt?«, wollte er wissen und schenkte ihr wieder sein charismatisches Lächeln.
War das seine Masche, um Frauen zu verführen? Livia würde nicht darauf hereinfallen. Erstens hatte sie keine Zeit, um sich noch weiter zu unterhalten und zweitens war sie nicht interessiert. Sie mochte kultivierte Männer. Bankiers oder Immobilienmakler, mit denen man sich über Kunst und dergleichen unterhalten konnte. Ihre Freundin Arden nannte solche Typen Langeweiler und Snobs, doch Livia ignorierte ihre Sticheleien. Gut, ihre letzten beiden Exfreunde waren nicht unbedingt die Spontanität in Person gewesen. Auch hatten sie den Humor ihrer zwei besten Freundinnen nicht ganz verstanden, weshalb sie nicht viel gemeinsam unternommen hatten. Stattdessen hatten ihre Exfreunde oft nächtelang gearbeitet, aber Livia hatte beide Männer geschätzt. Was vielleicht daran lag, dass sie nicht so leidenschaftlich wie Jenna oder so extrovertiert wie Arden war. Der Kerl neben ihr war also garantiert nicht ihr Typ, auch wenn er gut aussah. Arden hätte diese Chance garantiert genutzt, sie jedoch ließ die Gelegenheit für einen Flirt verstreichen. Wohin sollte es auch führen? One-Night-Stands waren nichts für sie.
»Nein«, antwortete Livia kurz angebunden und winkte nach dem Taxi, das gerade auf die Straße einbog. Das gelbe Cab hielt jedoch nicht, sondern fuhr weiter. »Verdammt«, murmelte sie verdrossen und warf einen Blick auf die schmale Silberuhr an ihrem Handgelenk. Jetzt musste sie sich wirklich beeilen, wenn sie nicht zu spät kommen wollte. Da durchdrang ein gellender Pfiff die Geräuschkulisse und ließ Livia zusammenzucken. Sie warf einen irritierten Blick auf den Urheber des Pfiffs neben sich, als auch schon ein Taxi vor ihnen stehen blieb. Der Fremde öffnete die hintere Tür und hielt sie ihr einladend auf. Livia stieg eilig ein und nannte dem Fahrer die Adresse.
»Nichts zu danken«, meinte der Kerl auf dem Gehsteig und schlug die Tür zu, damit das Auto losfahren konnte. Livia warf einen Blick aus dem Fenster und schenkte ihm nun doch ein dankbares Lächeln.
***
Marc sah dem Taxi hinterher, das sich gerade in die morgendliche Rushhour einreihte. Normalerweise konnte er sich vor erwartungsvollen Blicken und eindeutigen Angeboten nicht retten. Dass er eine Frau getroffen hatte, deren Verhalten das genaue Gegenteil war, störte ihn nicht. Es war herrlich erfrischend. Marc fand es weitaus spannender, der Jäger zu sein anstatt der Gejagte. Dieser Instinkt war wohl schon seit Jahrtausenden in den männlichen Genen verankert. Nur zu schade, dass er der unnahbaren Fremden wohl in einer großen Stadt wie Seattle nicht noch einmal zufällig über den Weg laufen würde. Er musste nun ebenfalls los; seine Schicht begann in einer knappen Viertelstunde. Dennoch blieb er noch einen Moment lang stehen und lachte. Was für ein unterhaltsamer Montagmorgen.
Gerade rechtzeitig traf Livia beim Burke Museum of Natural History and Culture ein, das an das Universitätsviertel grenzte. Eilig bezahlte sie den Taxifahrer, ehe sie die wenigen, steinernen Stufen zum Eingang hochlief. Im Inneren des Gebäudes grüßte sie auf ihrem Weg zum Aufzug zwei Angestellte und die Dame, die an der Kasse arbeitete. Dieser Fahrstuhl machte glücklicherweise keine Probleme und so befand sich Livia nur Augenblicke später in jenem Bereich des Museums, der nicht der Öffentlichkeit zugänglich war. Hier waren die zahlreichen Büros, Labors und Konferenzräume untergebracht. An diesem Ort traf man Entscheidungen, vollzog Transfers, diskutierte über Neuanschaffungen oder forschte im eigenen Tätigkeitsbereich nach neuen Erkenntnissen. Livia hatte ihre Stellung im Burke Museum of Natural History and Culture sofort nach dem Abschluss ihres Anthropologie-Studiums erhalten. Bereits in den Jahren zuvor hatte sie jeweils über die Sommerferien Volontariate in verschiedenen Museen der Stadt absolviert und daher genau gewusst, wo sie nach Abschluss ihres Studiums arbeiten wollte. Nebenbei hatte sie ihr Wissen noch durch akademische Seminare im Bereich der Museologie und der Ethnologie erweitert, sodass sie mittlerweile dort angekommen war, wo sie schon lange hingewollt hatte: Seit drei Jahren war sie eine der Kuratorinnen des Museums.
Livia hatte keine Zeit mehr, in ihr Büro zu gehen. Dass sie überhaupt noch rechtzeitig zum Meeting kam, verdankte sie gerade demjenigen, der die Ursache für ihre Verspätung war. Hätte sie nämlich gut geschlafen, wäre sie am Morgen leichter und vor allem besser gelaunt aus dem Bett gekommen. Bevor sie nun den Meetingraum betrat, atmete Livia noch einmal tief durch. Sie setzte ein freundliches Lächeln auf, warf einen Kontrollblick auf ihre Kleidung und trat ein. Wie befürchtet waren bereits alle Teilnehmer versammelt. Livia hätte gerne noch Zeit gehabt, um ihre Notizen zu ordnen und die Anwesenden angemessen zu begrüßen, doch pünktlich um halb zehn räusperte sich Ted Liverman, der Direktor des Museums, und alle Gespräche an den U-förmig aneinandergereihten Tischen verstummten. Es folgten ein paar einleitende Worte sowie die allgemeine Vorstellung mehrerer Anwesender, die zum ersten Mal an der Konferenz teilnahmen, bevor Livias Vorgesetzter William Hafferty nach vorn trat. Er eröffnete mit seinem Vortrag den ersten Punkt in der Sitzungsordnung. Während er kurz etwas zum Museum und dessen Schwerpunkten sagte, ließ Livia ihren Blick über die Zuhörer schweifen. Mehr als die Hälfte waren ihr bekannt; mit manchen hatte sie bereits zusammengearbeitet. Sie entdeckte unter den Besuchern aber auch einige neue Gesichter, darunter den neu gewählten Stadtrat für Kultur. Mit ihm wollte sie unbedingt sprechen, denn sie war sehr interessiert daran, zu erfahren, wie er sich für die Museen der Stadt engagieren wollte. Mit seinem Vorgänger hatte das Burke einige Probleme gehabt.
»Nun wird Ihnen meine bezaubernde Kollegin Dr. Livia Reed die Zahlen des letzten Jahres erläutern sowie Ausblicke auf die kommenden Projekte geben.«
Applaus kam auf und Livia griff nach ihren Unterlagen. Dann trat sie mit einem strahlenden Lächeln an das Rednerpult. »Vielen Dank, William.« Ein Blick auf die Leinwand sagte ihr, dass die passende Folie bereits eingeblendet worden war. Sie setzte ihre Brille auf und begann ihren Vortrag.
»Hervorragende Präsentation, Dr. Reed«, gratulierte ihr der Museumdirektor einige Zeit später und reichte ihr ein Glas Champagner zum Anstoßen.
»Vielen Dank.« Sie nippte vorsichtig an dem Glas, während sie in Gedanken bereits bei den Dingen war, die sie heute Nachmittag noch erledigen wollte. Es war mittlerweile vierzehn Uhr. Sie würde die Mittagspause ausfallen lassen und stattdessen lieber mit Australien telefonieren. Wie angekündigt sollte neben der kommenden Dauerausstellung über Wölfe auch eine kürzere über die Aborigines stattfinden. Die Leihgaben aus dem Naturhistorischen Museum in Sydney waren aus diesem Grund äußerst wichtig.
»Dr. Reed?«
Livia blinzelte und erkannte den neuen Stadtrat vor sich.
»Wir wurden uns noch nicht vorgestellt: Mein Name ist Eric Porter.« Der Dunkelhaarige im Designeranzug schenkte ihr ein charmantes Lächeln.
Livia ergriff die angebotene Hand und schüttelte sie. »Schön, Sie kennenzulernen, Mr. Porter und Gratulation zum Wahlsieg.«
»Vielen Dank.« Er lachte. »Das habe ich wohl vor allem den Wählerinnen zu verdanken. Ich hoffe, das schmälert meinen Sieg nicht.«
Damit hatte er wahrscheinlich recht. Eric Porter sah umwerfend gut aus und wirkte sehr charmant. Livia hatte allerdings für ihn gestimmt, weil ihr seine Wahlkampagne positiv aufgefallen war.
»Ihre Präsentation war sehr aufschlussreich für mich. Sie arbeiten für die ethnologische Abteilung, nicht wahr?«
Livia nickte.
»Dann war das Thema Ihres Vortrags nicht Ihr Spezialgebiet?«
»Das kann man so nicht sagen«, entgegnete sie mit einem leichten Lächeln. »Als Kuratorin ist es meine Aufgabe, Ausstellungen zu planen. Ich bin dafür verantwortlich, dass die Ausstellungsstücke angeworben werden beziehungsweise auch rechtzeitig hier eintreffen. Danach passe ich darauf auf, dass mit den Stücken sorgfältig umgegangen wird. Die Statistiken, die ich in meiner Präsentation erwähnt habe, gehören ebenfalls zu meiner Arbeit. Ich muss gestehen, dass es einige Zeit gedauert hat, die Werte dafür zu analysieren.«
»So würde es mir bestimmt auch gehen«, antwortete Eric Porter. Sein Lachen war ansteckend. Livia war sich schon jetzt sicher, den richtigen Kandidaten für den Posten gewählt zu haben.
***
Gegen siebzehn Uhr verließ Livia schließlich das Museum. Die Heimfahrt mit dem Taxi dauerte fast eine Dreiviertelstunde statt der üblichen fünfzehn Minuten. Während sie den größten Teil der Zeit im Stau stand, blickte Livia gedankenversunken aus dem Fenster. Der Tag war erfolgreich gewesen. Liverman hatte bei der privaten Nachbesprechung am Nachmittag viel Lob verteilt. Livia liebte ihre Arbeit, daher bedeutete ihr diese Anerkennung besonders viel. Es zeigte ihr, dass sie sich auf dem richtigen Weg befand.
Endlich waren sie im Stadtteil Bellevue angelangt und kurz darauf hielt das Cab vor ihrem Wohnkomplex. Livia bezahlte und stieg aus. Erschöpft fuhr sie mit dem Aufzug in das fünfzehnte Stockwerk. Während sie ihre Eingangstür aufsperrte, dachte sie kurz an die morgendliche Episode auf dem Flur. Wenn sie Glück hatte, würde ihr ein neuerliches Aufeinandertreffen mit diesem selbstgefälligen Kerl erspart bleiben. Außer Milly konnte nicht genug von ihm bekommen. Livia seufzte und schlüpfte in ihrer Wohnung als Erstes aus ihren High Heels. Jackett und Strumpfhose folgten sogleich. Dann tappte sie in die Küche und holte sich eine kalte Dose Coke aus dem Kühlschrank. Sie würde sich heute einen schönen Abend machen und früh ins Bett gehen, um den fehlenden Schlaf nachzuholen, nahm sie sich vor. Als Livia ins Badezimmer gehen wollte, sah sie jedoch das Blinken des Anrufbeantworters. Sie hielt auf ihrem Weg inne und drückte den Knopf.
Ardens Stimme erklang im stillen Raum: »Livvy, ich weiß, du hattest einen harten Tag, daher wollte ich dich nur an unser Treffen um acht erinnern. Wie immer im Charlys. Bis später. Du weißt ja, absagen gilt nicht.«
Livia hatte die Verabredung vollkommen vergessen. Dabei stand es natürlich in ihrem Kalender, wie sie jetzt feststellte. Livia seufzte schwer. So gern sie auch mit Arden und Jenna zusammen war, war sie heute Abend nicht in der Stimmung für Cocktails und Plaudereien. Doch wie gesagt, eine Absage stand nicht zur Debatte, und so wurde das Schaumbad gegen die Dusche und das Kleid gegen Jeans und Pulli getauscht. Wenig später war sie auch schon wieder unterwegs.
»Und der Kerl hat natürlich geglaubt, ich stünde ihm als seine persönliche Köchin zur Verfügung.« Arden lachte und unterbrach dann plötzlich ihre Ausführung. »Du bist ja so still. Alles in Ordnung?«
Livia sog an ihrem Strohhalm. »Alles bestens. Ich bin nur total ausgelaugt. Der Tag war hart und ich hab in der Nacht nicht viel Schlaf bekommen.«
»Wie heißt er?«, wollte Arden sofort wissen und griff nach ihrem Drink.
Livia verdrehte die Augen. »Keine Ahnung, aber er hat meine neue Nachbarin ganz schön gefordert.«
Jenna und Arden wechselten einen Blick, ehe Letzere entgegnete: »Und ich dachte schon, du hast endlich mal wieder jemanden kennengelernt. Nachbarn beim Sex zu belauschen ist keine Lösung.«
»Ich hab sie doch gar nicht belauscht. Die haben bestimmt das ganze Stockwerk wach gehalten. Außerdem bin ich momentan im Museum sehr beschäftigt«, verteidigte sich Livia.
»Warum schaltest du nicht mal einen Gang zurück und hast einfach Spaß?«, wollte nun auch Jenna wissen.
Ehe Livia noch etwas erwidern konnte, fügte Arden hinzu: »Damit meinen wir keinen dieser spießigen Anzugträger, die ihr Smartphone auch noch mit ins Bett nehmen. Die sind ja noch unflexibler als du.«
Livia errötete. Es kam schon mal vor, dass sie ihre E-Mails noch im Bett checkte, aber das würde sie den beiden bestimmt nicht gestehen. Arden war zwar im Moment auch solo, doch sie hatte zumindest Dates. »Ich bin nicht unflexibel!«, wehrte Livia ab. »Ich plane nur gerne vor.«
»Dann geb ich dir mal was zu planen: Josh hat einen wirklich gut aussehenden Kumpel. Er ist Single, Feuerwehrmann und spielt weder Golf noch besitzt er einen Anzug. Triff dich doch mit ihm am Freitag.«
»Arden …« Livia mochte es nicht, verkuppelt zu werden. Ihre Freundin hatte es bereits mehrmals versucht und immer hatte es in einem Desaster geendet. Doch sie wusste, dass Arden auch diesmal nicht locker lassen würde. Also gab sie seufzend nach: »Okay.«
Arden warf einen triumphierenden Blick zu Jenna und griff dann sofort nach ihrem Handy, um ihren Bruder anzurufen. Kurze Zeit später war die Sache abgemacht: »Freitag, acht Uhr im Chez Gerard.«
»Du sagtest doch, er besitze keinen Anzug.« Nun lächelte auch Livia.
»Hmm, da hab ich mich wohl getäuscht.«
Freitagabend, acht Uhr. Livia nestelte an ihrem trägerlosen, nachtblauen Oberteil, während der Maître des französischen Nobelrestaurants Chez Gerard in seinem Terminkalender ihre Reservierung nachschlug. Sie warf einen prüfenden Blick quer durch den elegant eingerichteten Raum. Mehrere Männer saßen allein an ihren Tischen. Ob ihr Blind Date einer von ihnen war?
»Folgen Sie mir bitte, Mademoiselle.« Der Restaurantmanager hatte bereits einen Kellner herbeigerufen, der sie zu ihrem Tisch bringen sollte.
Sie bedankte sich bei dem Maître und folgte der Bedienung. Sie steuerten jedoch auf keinen der Tische zu, die Livia bereits gemustert hatte, sondern auf einen leeren im hinteren Teil des Restaurants. Der Kellner rückte ihr den Stuhl zurecht und Livia setzte sich. Dann reichte er ihr die Weinkarte und ließ sie allein.
Livia sah ihm hinterher. Mit dem Bestellen wollte sie warten, bis ihr ominöser Begleiter eingetroffen war. Er musste schließlich jeden Moment hier sein. Als zehn Minuten später jedoch noch niemand aufgetaucht war, schlug sie resolut die Weinkarte auf. Ein Glas würde ihre angespannten Nerven bestimmt beruhigen.
Livia verließ die Toilettenkabine und wusch sich die Hände. Dabei betrachtete sie das Gesicht, das ihr aus dem Spiegel entgegensah. Sie war verärgert. Nein, das war noch milde ausgedrückt: Sie war richtig wütend. In der Gemütsverfassung war mit ihr nicht zu spaßen. Was fiel diesem Idioten ein, sie zu versetzen? Mittlerweile war es bereits Viertel nach neun und noch immer war ihr Blind Date nicht erschienen. Sie überlegte ernsthaft, Arden anzurufen, ließ es dann aber bleiben. Sie würde dieser Farce ein Ende machen und einfach nach Hause gehen. In der Zeit, die sie hier mit Warten vergeudet hatte, hätte sie einiges an Arbeit erledigen können.
Als sie zu ihrem Tisch zurückkehrte, war dieser wie erwartet noch immer leer. Sie schnaubte ungehalten, als sie sich auf ihrem Stuhl niederließ und leerte das zweite Glas des teuren, französischen Weißweins mit einem Schluck. Der Oberkellner trat an ihre Seite und schenkte ihr ein bedauerndes Lächeln. Wahrscheinlich hatte ohnehin jeder hier mitbekommen, dass man sie versetzt hatte.
»Darf ich ihnen noch ein Glas Chardonnay bringen, Mademoiselle?«
Livia schüttelte entschieden den Kopf. Sie wollte einfach nur nach Hause. »Die Rechnung, bitte.«
Der Mann nickte und verschwand diskret. Livia zog derweil ihr Portemonnaie aus der Clutch und wartete ungeduldig auf seine Rückkehr. Doch als der Oberkellner kurz darauf zurückkam, war er nicht allein. Ihm folgte ein Mann, der ihr bei genauerem Hinsehen äußerst bekannt vorkam.
Livia erstarrte mitten in der Bewegung. Was machte der denn hier?! Die beiden blieben vor ihrem Tisch stehen und der Oberkellner lächelte ihr zu. »Madame, Ihr Gast ist eingetroffen.«
Ihr Blick glitt bestürzt von ihm zum One-Night-Stand ihrer Nachbarin. Sie war verblüfft, fühlte sich in die Ecke gedrängt. Durchaus ein Grund, den letzten Rest ihrer mühsam aufrechterhaltenen Beherrschung zu verlieren. Der Kellner zog sich taktvoll zurück und Livia fand ihre Sprache wieder. »Was tun Sie denn hier!?«
»Sie sind Livia Reed?« Er grinste und musterte sie interessiert. »So schnell und unerwartet sieht man sich also wieder.«
»Doktor Livia Reed«, verbesserte sie ihn schroff und erhob sich. Sie würde Arden umbringen. »Und Ihnen, Mr –«
»Marc Delgado«, half er ihr weiter und sein Grinsen wurde breiter, als er sie in ihrer Fassungslosigkeit beobachtete.
»… Ihnen, Mr Delgado, wünsche ich einen schönen Abend.« Sie warf energisch einen Geldschein auf den Tisch und wollte verschwinden.
Doch der Typ hinderte sie daran, indem er sich ihr ganz einfach in den Weg stellte. »Wo wollen Sie denn hin? Lassen Sie uns doch ein Glas Wein trinken und uns besser kennenlernen. Deshalb sind wir schließlich hier.«
»Nachdem ich eineinhalb Stunden mit Warten verbracht habe und es sich nicht gelohnt hat, gehe ich jetzt nach Hause«, zischte sie erbost. Glaubte er wirklich, sie würde das alles einfach so hinnehmen?
»Tut mir leid, mein geliehener Anzug ist zu spät eingetroffen.« Er schien sich über sie lustig zu machen, was sie nur noch mehr verärgerte. Wie hatte ihre beste Freundin jemals glauben können, dass sie mit einem solchen Frauenhelden ausgehen würde?
»Wissen Sie was, Sie Casanova, Sie können den Abend doch mit Milly oder sonst wem verbringen. Es gibt bestimmt Dutzende Frauen, die auf Typen wie Sie stehen. Ich jedenfalls nicht.«
»Typen wie mich?« Marc schien dieser Schlagabtausch zu gefallen.
»Typen wie Sie«, wiederholte Livia giftig. »Gut aussehend, überheblich, unzuverlässig. Glauben, Sie sind Gottes Geschenk an die Frauen. Tzz. Gute Nacht.« Sie drängte sich an ihm vorbei und verließ das Restaurant. Erst als sie draußen an der frischen Luft war, wurde ihr bewusst, wie peinlich sie sich benommen hatte. Wahrscheinlich hatte das ganze Restaurant ihre Auseinandersetzung mitgehört. Sie straffte ihre Schultern. Egal. Dieser Abend war ohnehin der enttäuschendste ihres Lebens gewesen.
***
Marc ließ sich an dem leeren Tisch nieder und der Kellner trat an seine Seite. »Darf ich Ihnen etwas bringen?«
»Ein Bier, bitte.« Er scherte sich nicht darum, dass er sich hier in einem Nobellokal befand. Der Kellner nickte höflich und verschwand wieder.
Dr. Livia Reed. Nicht zu glauben, dass sein Blind Date jene Frau war, die er Anfang der Woche getroffen hatte. Und bei der er nun beide Male keinen guten Eindruck hinterlassen hatte. Gut, es war nicht die feine englische Art gewesen, sie so lange warten zu lassen, doch erst hatte seine Schicht länger als geplant gedauert und dann hatte er wirklich noch den Anzug seines Kumpels abholen müssen. Vielleicht hätte er Josh nach ihrer Handynummer fragen sollen, um ihr Bescheid zu sagen, aber daran hatte er nicht gedacht. Die Frauen, mit denen er sich sonst traf, drückten bei seiner Unpünktlichkeit in der Regel ein Auge zu. Aber sie war anders. Und wie! Zugeknöpft, stur. Aber temperamentvoll. Diesmal war sie alles andere als unterkühlt gewesen. Er grinste. Jetzt hatte er es wohl endgültig vermasselt. Marc nahm einen Schluck aus der Bierflasche; das Glas blieb unberührt daneben stehen. Der Abend war gerade erst angebrochen. Vielleicht hatte ja jemand anderes mehr Freude an seiner Gesellschaft.
***
»Joshs Kumpel war derjenige, der deine Nachbarin so auf Trab gehalten hat?« Arden konnte es nicht fassen.
Jenna fand die Sache ebenfalls ziemlich lustig. »Na, das nenn ich mal einen Wink des Schicksals! Immerhin weißt du ja jetzt schon, dass er großes Durchhaltevermögen besitzt.«
Livia ging nicht auf ihr Zwinkern ein. »Glaubt ihr wirklich, ich treffe mich noch mal mit ihm, nachdem er mich erstens mehr als eine Stunde hat warten lassen und zweitens ein Macho erster Klasse ist? Bestimmt nicht.« Livia schüttelte energisch den Kopf und griff nach ihrer Kaffeetasse. Ihre Freundinnen hatten es sich nicht nehmen lassen und sie in ihrer Mittagspause ins Kreuzverhör genommen. Natürlich waren sie über den Verlauf des Abends enttäuscht gewesen, aber was hatten sie denn erwartet?
»Du hättest nicht einfach so abhauen dürfen«, warf Arden ein. »Vielleicht wäre der Abend noch ganz nett geworden.«
Livia warf ihrer Freundin einen genervten Blick zu. »Damit er denkt, er kann sich alles erlauben? Nie im Leben. Außerdem war er mir schon bei unserer ersten Begegnung unsympathisch.«
»Ach ja, die Flurbekanntschaft …« Jenna grinste. Wohl oder übel hatte Livia ihren Freundinnen von ihrem Aufeinandertreffen am Montagmorgen berichten müssen. Natürlich fanden die beiden, dass sie zu kühl und forsch reagiert hatte, aber das war nun mal ihre Art. Außerdem wäre sie nicht so unfreundlich gewesen, wenn sie ausgeschlafen gewesen wäre. Insgeheim gab sie ja zu, dass er gut aussah, aber was nützte ein attraktives Äußeres, wenn er sowohl unzuverlässig als auch hinter jedem Rock her war?
»Lasst uns dieses Thema abhaken«, bat Livia schließlich und fügte mit einem strengen Blick auf Arden hinzu: »Und wehe, du fängst noch einmal mit dem Thema Blind Date an. Verstanden?«
»Verstanden«, gab ihre Freundin klein bei und seufzte. »Dann hab ich mal eine Neuigkeit für euch: Steven, mein Steuerberater, hat mich auf einen Spontantrip nach Las Vegas eingeladen.« Sie strahlte.
»Das ist ja großartig!« Jenna grinste und fragte sie gleich über die Details ihrer Liaison mit dem Steuerberater aus. Livia hörte nur zu, während sie daran dachte, wie unterschiedlich sie doch waren. Während sie für ihre Arbeit lebte, bestand Arden aus purer Lebenslust. Sie führte ein kleines Unternehmen, das momentan hervorragend lief, und hatte, wie es schien, einen neuen Verehrer. Livia wusste jedoch, dass dies nicht von Dauer sein würde: Arden wechselte ihre Liebhaber wie Unterwäsche. Sie wollte ihren Spaß und nahm ihn sich auch. Würde sie nicht perfekt mit Marc Delgado zusammenpassen?
Jenna hingegen war seit Jugendzeiten mit Ian liiert. Livia und Arden war er nicht gut genug für ihre Freundin, doch Jenna schien glücklich zu sein. Livia hatte den Mann während der vergangenen acht Jahre nur einige Male getroffen, doch soweit sie wusste, arbeitete er immer mal wieder als KFZ-Mechaniker. Seine früheren Tätigkeiten waren nicht immer legal gewesen, was ihm schon Ärger mit der Polizei eingebracht hatte. Im Gegensatz zu Livias Liebesleben wurde Jennas jedoch äußerst selten zur Sprache gebracht. Vielleicht weil Arden wusste, wie Jenna auf jegliche Vorbehalte gegenüber Ian reagierte: Sie blockte ab. Für Jenna war er die große Liebe, von seinen Fehlern wollte sie nichts hören.
Livia warf einen Blick auf ihre schmale Armbanduhr. Dann griff sie erneut nach dem Kaffeebecher und leerte ihn. »Mädels, ich muss los.« Sie erhob sich und umarmte ihre Freundinnen.
»Bis morgen Abend. Und vergiss nicht: Zu viel Arbeit ist ungesund!« Arden zwinkerte ihr zu, während Jenna winkte. »Bye.«
»Bye.« Livia wandte sich ab und ging zielstrebig die zwei Blocks entlang, die sie von ihrer Arbeitsstelle trennten. Zu arbeiten hatte noch nie jemandem geschadet. Außerdem wusste sie ebenso gut wie ihre Freundinnen, dass sie gar nichts anderes hatte. Doch im Gegensatz zu Jenna und Arden machte ihr das nicht so viel aus.
***
Es war erst Mitte April und noch ziemlich kühl an der Westküste, doch Marc fühlte in diesem Moment nichts als reine Hitze. Zusammen mit seiner Einheit befand er sich im Industriegebiet Seattles. Dort war eines der zahlreichen Lagerhäuser, in dem verschiedenste Lacke aufbewahrt wurden, in Brand geraten. Während Kollegen versuchten, das Feuer so weit einzudämmen, dass es nicht auf die nahe liegenden Hallen übergriff, bereiteten sie sich darauf vor, in das brennende Gebäude zu gehen. Wie immer bei einem Einsatz konzentrierte er sich vollkommen auf die Aufgabe, die vor ihm lag. Die Leiter der hier versammelten Feuerwehrwachen standen um den Bauplan des Gebäudes und studierten ihn eingehend. Bevor auch nur einer das Haus betrat, musste man alle Einzelheiten über die Beschaffenheit des Ortes und das Feuer wissen. Nur so konnte man es gezielt bekämpfen, ohne dass es böse Überraschungen gab.
In der Nähe war das Bersten von Glasfenstern zu hören, die der enormen Temperatur nicht mehr standhielten. Marc schloss seinen Hitzeschutzanzug und griff nach der Atemmaske. Zu guter Letzt zog er die Handschuhe an und gab seinen Kollegen ein Zeichen. Alle waren bereit. Keine Nervosität war zu bemerken, zu oft hatten sie sich schon in einer Situation wie dieser befunden. Das Wichtigste war, alle Männer heil aus dem Gebäude zu bekommen. Die Firefighter schulterten die Behälter, die das Löschmittel enthielten, und machten sich startklar. Der Chief trat zu ihnen und erläuterte ihnen die Vorgehensweise. Marcs Einheit ging als Erste hinein. Ihnen folgten noch zwei weitere, die sich den unteren Teil des riesigen Gebäudes vornahmen. Seine Einheit stieg in der Zwischenzeit zielstrebig nach oben. Feuer schlug ihnen entgegen, doch sie setzten ihren Weg fort. Der Rauch war im Obergeschoss so dicht, dass es schwerfiel, etwas zu sehen. Einer der Männer gab ein Handzeichen und deutete auf eines der vielen Glutnester. Es gab mehrere Möglichkeiten, um Brände zu bekämpfen. Bei Feuern wie diesem hier, das die Brandklasse B hatte, griff man auf den antikatalytischen Löscheffekt zurück. Dabei wurde FM-200 verwendet, das das Feuer dank seiner chemischen Zusammensetzung ersticken konnte.
Der Kampf gegen die Flammen dauerte Stunden. Während außerhalb das Übergreifen verhindert werden konnte, war man im Inneren des Gebäudes mit der Eindämmung der einzelnen Brandherde beschäftigt. Immer wieder wurden die Feuerwehrmänner ausgewechselt, da das Risiko einer Verletzung durch Erschöpfung zunahm. Doch letztendlich konnte am späten Nachmittag Entwarnung gegeben werden. Das Feuer war gelöscht.
Ausgelaugt ließ sich Marc zwei Stunden später auf einem Hocker in seinem Stamm-Pub nieder. Wenige Augenblicke später stand bereits eine eisgekühlte Bierflasche vor ihm, aus der er einige gierige Schlucke nahm. Obwohl er im Departement ausgiebig kalt geduscht hatte, war sein Körper noch immer erhitzt von den Temperaturen, die in dem Lagerhaus geherrscht hatten. Er nahm einen weiteren Schluck und wandte sich dann an seine Freunde, mit denen er sich hier jeden Montag traf.
»Da hat ja jemand ganz schön Durst. Wart ihr bei dem Feuer im Industriegebiet?«, wollte Oliver wissen. »Ich habe im Radio davon gehört.«