Camp Rainbow - Zwischen uns die Wolken - Alicia Zett - E-Book

Camp Rainbow - Zwischen uns die Wolken E-Book

Alicia Zett

0,0
9,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

Der emotionale 2. Band der Camp-Rainbow-Dilogie von Spiegel-Bestsellerautorin Alicia Zett

Wenn Malin eine Süßigkeit wäre, wäre sie After Eight - ihre Zwillingsschwester Lila hingegen ein süßes Marshmallow. Die beiden könnten nicht unterschiedlicher sein. Als ein verhängnisvoller Kuss dafür sorgt, dass Lilas Freundinnen ihr den Rücken zukehren, findet sie sich kurz darauf ausgerechnet mit Malin in Camp Rainbow wieder. Dem Ort, den sie lange Zeit verabscheute. Nie hätte sie damit gerechnet, dass sie sich dort zum ersten Mal verstanden und angekommen fühlen würde. Doch dann erfahren die Zwillinge, dass das Camp geschlossen werden soll. Schnell ist klar: Sie werden es gemeinsam retten - und ausgerechnet in Malins letztem Jahr in Camp Rainbow endlich wieder zusammenwachsen.

Eine Geschichte über zwei besondere Schwestern, Selbstfindung, queere Liebe und Neurodivergenz (ADHS & Autismus)

Erzählt aus zwei Perspektiven: Malin & ihre Zwillingsschwester Lila

Die Autorin auf Social Media: @aliciazett

Erstauflage exklusiv mit Charakterkarte (nur solange der Vorrat reicht)

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 496

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

CoverÜber dieses BuchÜber die AutorinTitelImpressumHinweisWidmungPlaylistSozialer StatusMädchen küssenDas Reiz-CaféDie Basic BitchesRabenvaterSummer BreakEiskaltes ErwachenZwillingsbandeLet it goEin Fehler?Ankunft in der HölleIch kenne dich nichtSilenceDas Stockbrot-EinmaleinsSchlaflosKletterstunde mit der KriegerinDas SicherheitsnetzNeustart»Queer & Friends«-AGZukunftsvisionenIn den SonnenaufgangKinonachtDo you want to build a snowman?Die perfekte HautroutineAbschiedsbriefeZu gut, um wahr zu sein?Heartbreak HighÜber Finnwale und StreuselkuchenSchreibworkshopFrom Now OnWir kämpfen für unser Camp!MeisterschwimmerinPure ÜberforderungIch fange an, dich zu verstehenErste MaleFeuer in der NachtEin Licht in der DunkelheitBunte HändeWettkampfzeitEine Frage des GeschlechtsFür die Liebe!Das TikTok-PhänomenPartytimeFrozenAbschiedEpilog – Anna und ElsaDanksagungINHALTSINFORMATION

Über dieses Buch

Der emotionale 2. Band der Camp-Rainbow-Dilogie von Spiegel-Bestsellerautorin Alicia Zett

Wenn Malin eine Süßigkeit wäre, wäre sie After Eight - ihre Zwillingsschwester Lila hingegen ein süßes Marshmallow. Die beiden könnten nicht unterschiedlicher sein. Als ein verhängnisvoller Kuss dafür sorgt, dass Lilas Freundinnen ihr den Rücken zukehren, findet sie sich kurz darauf ausgerechnet mit Malin in Camp Rainbow wieder. Dem Ort, den sie lange Zeit verabscheute. Nie hätte sie damit gerechnet, dass sie sich dort zum ersten Mal verstanden und angekommen fühlen würde. Doch dann erfahren die Zwillinge, dass das Camp geschlossen werden soll. Schnell ist klar: Sie werden es gemeinsam retten - und ausgerechnet in Malins letztem Jahr in Camp Rainbow endlich wieder zusammenwachsen.

Eine Geschichte über zwei besondere Schwestern, Selbstfindung, queere Liebe und Neurodivergenz (ADHS & Autismus)

Erzählt aus zwei Perspektiven: Malin & ihre Zwillingsschwester Lila

Die Autorin auf Social Media: @aliciazett

Erstauflage exklusiv mit Charakterkarte (nur solange der Vorrat reicht)

Über die Autorin

Alicia Zett wurde 1996 geboren, hat Film studiert, und wenn sie nicht gerade auf ihren Social Media Kanälen (aliciazett) über queere Bücher, Filme und Serien spricht, verbringt sie ihre Tage am liebsten mit langen Spaziergängen in der Natur, dem Erstellen von Buchplaylisten oder stundenlangen Gesprächen mit ihren Freund*innen. Alicia schreibt Bücher, die sie selbst in ihrer Jugend gebraucht hätte. Nun nutzt sie ihre Geschichten, um zu zeigen, dass Liebe in allen Formen und Farben existiert.

A L I C I AZ E T T

Zwischen uns die Wolken

Band 2

Vollständige E-Book-Ausgabe

des in der Bastei Lübbe AG erschienenen Werkes

Originalausgabe

Dieses Werk wurde vermittelt durch die Langenbuch & Weiß Literaturagentur.

Copyright © 2025 by

Bastei Lübbe AG, Schanzenstraße 6 – 20, 51063 Köln, Deutschland

Vervielfältigungen dieses Werkes für das Text- und Data-Mining bleiben vorbehalten.

Die Verwendung des Werkes oder Teilen davon zum Training künstlicher Intelligenz-Technologien oder -Systeme ist untersagt.

Textredaktion: Silvana Schmidt

Umschlaggestaltung & Illustrationen: Mi Ha, Guter Punkt, München | www.guter-punkt.de

eBook-Produktion: hanseatenSatz-bremen, Bremen

ISBN 978-3-7517-7440-6

one-verlag.de

luebbe.de

Liebe Leser*innen,

dieses Buch enthält potenziell triggernde Inhalte.

Dazu findet ihr hier genauere Angaben.

ACHTUNG: Diese enthalten Spoiler für das gesamte Buch.

Wir wünschen uns für euch alle das bestmögliche Leseerlebnis.

Euer Team vom ONE-Verlag

Für all die wundervollen Autist*innen und ADHSler*innen da draußen, die sich selbst nie in Geschichten wiedergefunden haben. Dieses Buch ist für euch.

Für Katharina.Danke für fünf gemeinsame Bücher.Für die ellenlangen Mails, die Motivations-Emojis und deine unermüdliche Hingabe für meine Geschichten.Ich werde unsere Zusammenarbeit nie vergessen.

PLAYLIST

Noise Cancelling Headphones – Sylvia Daley

Girl Friend – Hunter Daily

kissing for practice – Sarah Thompson

Gefangen – Luca Pfeiffer

Pretending – Orla Gartland

Hey, I’m Just like You – Tegan and Sara

Control – Zoe Wees

know that you’re not alone – Cat Burns

Breathe – Seb Wery

Not Like The Rest – GIRLBAND!

Brick by Boring Brick – Taylor Acorn

Girls Like Us – Zoe Wees

Fall in Love – 76th Street

From Now On – Hugh Jackman, The Greatest Showman Ensemble

The Lipstick Lounge – 76th Street

I Noticed Everything – Eva Westphal

Leichter – Luca Pfeiffer

emotional capacity – Sarah Thompson

C’est La Vie – Isabel Dumaa

I Can’t Lose You – Frozen: The Broadway Musical

The Girl – Rosemary Joaquin

Growing Season – 76th Street

Any Day Now – Trousdale

Die komplette Buchplaylist findet ihr auf Spotify unter:

»Camp Rainbow – Zwischen uns die Wolken«

SOZIALER STATUS

Lila, zehn Tage bis zum Kuss

Seiltänzerinnen haben mich schon immer fasziniert. Sie balancieren auf einem millimeterdünnen Drahtseil über dem Abgrund.

Genau so fühlt sich mein Leben an.

»Lila, kannst du das übernehmen? Ich schaffe es vor dem Training nicht mehr.« Marcels Worte reißen mich aus meinen Gedanken.

Ich blicke hoch, den Stift schon gezückt. »Klar.«

Marcel nickt, während ich das nächste To-do auf meine endlos lange Liste setze.

»Und hast du schon beim Catering angerufen? Frau Habsburger hat mich vorhin auf dem Flur danach gefragt.« Nika sieht mich an.

»Schon erledigt. Ich warte allerdings noch auf das finale Angebot. Vorher kann ich die Kalkulation nicht fertigstellen.«

Nika sieht besorgt aus, so als handle es sich um die Austragung der Oscars und nicht um die Einschulung der neuen Fünfer. »Aber die sollte schon letzte Woche fertig sein. Was machen wir denn jetzt?«

»Ich kümmere mich darum, kein Problem.«

»Danke!« Erleichtert strahlt Nika mich an und packt ihre Sachen zusammen. Kurz darauf verschwindet sie durch die Tür. Marcel bleibt zurück.

»Du kommst doch zum Summerbreak, oder?«, fragt er.

Ich lächle, breche den Blickkontakt aber ab, ehe er zu viel hineininterpretiert. »Wenn ich es einrichten kann.«

Nun lacht er. »Mehr kann ich wohl nicht erwarten. Also dann … Bis Samstag.«

Marcel umarmt mich einen Tick zu lange, seine Hand ist heiß und schwitzig, doch ich lasse es geschehen und blicke auf meine Hände, bis er zur Tür hinaus ist.

Erst dann sinke ich zurück auf den Stuhl. Betrachte die fein säuberlichen Notizen in meinem rosa Kalender. Kein einziger verschmierter Buchstabe, klare, gerade Linien.

Mein Blick verharrt auf der wundervollen Symmetrie meiner eigenen Worte, so als würden sie mich davor bewahren, zusammenzubrechen.

Atmen, Lila. Atmen.

»Hier versteckst du dich.«

Der Stift rutscht mir aus der Hand, doch ich fange mich schnell wieder. Rücken gerade, strahlendes Lächeln, drei Sekunden Augenkontakt, dann zur Seite schauen, dann wieder zurück in ihre Augen.

»Wir hatten noch eine Planungssitzung«, erkläre ich Romina und Ayleen, die in der Zwischenzeit in den Raum getreten sind. Romina setzt sich auf einen der Tische, während Ayleen sich ein Stück Kreide nimmt und Smileys an die Tafel kritzelt.

»Was gibt es denn jetzt noch zu planen? Wir haben Ferien!« Ayleen lacht und ergänzt ihr Meisterwerk, indem sie den Kaugummi aus ihrem Mund nimmt und mittig auf die Tafel klebt.

»Die Einschulung der neuen Fünfer, direkt nach den Ferien«, erkläre ich, obwohl sie das eigentlich bereits wissen. Interessieren tut es sie natürlich nicht.

Wie zur Bestätigung gähnt Romina ausgiebig und streicht sich den langen Pony aus den Augen.

»Lasst uns von hier verschwinden, es stinkt nach altem Mann. Herr Körner verbringt zu viele Stunden in diesem Raum.« Ayleen rümpft die Nase, Romina springt vom Tisch, und beide sehen mich abwartend an.

»Wo ist Vivi?«, traue ich mich zu fragen.

»Zu Hause. Hat uns hängen lassen.« Romina zuckt mit den Schultern, während meine Finger zu kribbeln beginnen.

»Also sind es nur wir drei. Lasst uns ins Olympia gehen, ich habe immer noch kein Outfit für den Summerbreak.«

»Ich gehe nachher noch schwimmen«, erinnere ich sie.

»Das kannst du doch mal ausfallen lassen.« Ayleen steckt sich einen neuen Kaugummi in den Mund.

»Echt jetzt, jeden Freitag dieselbe Ausrede.«

Ich verkneife mir einen Kommentar dazu, wie wichtig eine Trainingsroutine ist.

»Ich kann ja vielleicht später noch nachkommen.« Entschuldigendes Lächeln, Schultern leicht nach oben gezogen, gesenkter Blick.

»Na schön. Vivi wollte heute Abend auch vorbeischauen. Meine Eltern sind auf irgendeiner Gala, das Haus gehört also uns.« Ayleen grinst.

Ich stecke meinen Kalender in die Tasche und folge den beiden über den leeren Schulflur. In meinem Kopf stapeln sich die To-dos, die ich heute eigentlich noch erledigen sollte, aber das werde ich wohl auf morgen verschieben müssen.

»Bis später!«, trällert Romina und umarmt mich zu sanft. Sie hat sich schon wieder mit viel zu viel Marc Jacobs eingesprüht. Ich versuche, meinen Hustenreiz zu unterdrücken.

»Und bring Snacks mit, ich schaffe es heute nicht mehr, einkaufen zu gehen«, meint Ayleen und klopft mir auf die Schulter.

Ich nicke und lächle, bis Ayleen in das wartende Auto auf dem Schulparkplatz gestiegen ist und Romina ihren fliederfarbenen Roller gestartet hat.

Doch auch als sie bereits das Schulgelände verlassen haben, bleibt mein Rücken gerade, und meine Schultern bleiben angespannt. Der Griff um den Gurt meiner Tasche wird stärker, während ich mich beeile, das Schloss meines Fahrrads zu lösen.

Zehn Minuten später betrete ich die städtische Schwimmhalle, ziehe meine Jahreskarte durch das Lesegerät und tauche ein in den beruhigenden Chlorgeruch.

Doch erst als mein Körper in das kühle Wasser gleitet, löst sich die Anspannung in meinen Muskeln. Meine Finger entkrampfen sich, meine Schultern sacken nach unten. Es fühlt sich an, als würde mein Körper aufseufzen, während ich untertauche und das Wasser alles andere über mir ausblendet.

Wie paradox es doch ist, dass ich nur hier, unter Wasser, das Gefühl habe, frei atmen zu können.

Geschafft.

Ein weiterer Tag auf dem Drahtseil. Ein weiterer Tag hinter der Maske.

Während ich meine Bahnen ziehe, ist mein Kopf leise. Die wenigen anderen Schwimmenden kann ich ausblenden, weil ich mich nur auf meine Bahn fokussiere. Einatmen, drei lange Züge, während derer ich ausatme, wieder einatmen.

Meine Arme ziehen mühelos durch das Wasser, zerschneiden die Oberfläche, während ich kraulend eine Bahn nach der nächsten bewältige.

Schon als Kind liebte ich es, mich im Wasser fortzubewegen. Es fühlte sich an, als läge eine kühle Decke um meinen ganzen Körper, die sich nicht zu sanft, aber auch nicht zu fest um mich schmiegte. Im Wasser fühle ich mich wohler als an Land.

Nach vierzig Bahnen, also einem Kilometer, stoppe ich meine Uhr und überprüfe meine Zeit. Heute war ich fünf Sekunden langsamer als beim letzten Mal, aber darum geht es nicht. Ich trainiere nicht für irgendeinen Wettkampf, sondern nur für mich. Das Training gehört zu den wenigen Stunden in der Woche, in denen ich allein bin und abschalten kann. Montag, Mittwoch und Freitag, jeweils für eine Stunde. Mehr erlaubt mein Zeitplan nicht.

Ich verschnaufe kurz am Beckenrand, dehne meinen Nacken und die Schultermuskulatur, dann starte ich die zweite Einheit.

Fünfundzwanzig Minuten und einen weiteren Kilometer später ziehe ich mich aus dem Wasser und tapse über den feuchten Boden Richtung Duschen.

Mein schwarzer Badeanzug klebt kühl an meiner Haut, und als ich die Badekappe abziehe, kitzeln meine blonden Haare meine Schulter. Ich muss sie dringend wieder kürzer schneiden lassen.

Ich dusche, ziehe mir eine weite Mom Jeans und ein weiches rosa Top an, ehe ich meine Haare kämme und mein gerötetes Gesicht im Spiegel mustere.

Romina, Ayleen und Vivi verbringen unendlich viele Stunden damit, ihre Gesichter zu betrachten. Fehler zu überdecken und Makel zu übermalen, die gar keine sind.

Mein Finger streicht an meinem Wangenknochen entlang. Seit Vivi einmal gesagt hat, dass sie diesen Teil meines Gesichts besonders schön findet, kann ich nicht damit aufhören, ihn zu bewundern.

Neben mir schreit ein Kleinkind seine Mutter an, und das laute Geräusch sticht in meinem Ohr. So schnell wie möglich wende ich mich ab und verlasse die Halle.

MÄDCHEN KÜSSEN

Lila

»Lila, komm doch rein.«

»Hallo.« Ich trete an Vivis Schwester vorbei und verhalte mich dabei exakt so wie jedes Mal. Schuhe aus, rechts neben Vivis Vans. Jacke an den Haken ganz außen.

Valerie steht im Flur und beobachtet mich. »Vivi ist oben, du kennst den Weg ja.« Sie zwinkert mir zu, und ich versteife mich.

»Ich bringe ihr nur etwas vorbei, das sie in der Schule vergessen hat«, versuche ich, mich zu rechtfertigen, doch Lügen war noch nie meine Stärke. Seit knapp einem Jahr frage ich mich nun, ob sie von meinen Gefühlen für ihre Schwester weiß. Diese Ungewissheit frisst mich auf.

Als ich an Vivis Tür klopfe, geht mein Atem viel zu schnell, und ich versuche, meine Vorfreude zu verstecken. Das breite Lächeln will jedoch nicht von meinen Lippen weichen.

»Hi«, sage ich deshalb leicht atemlos, als sie mir gegenübersteht.

Innerhalb von einer Sekunde registriere ich, dass sie ihr schickes Schul-Outfit gegen eine graue Jogginghose und ein weites Shirt getauscht hat. Ihr blondes Haar, sonst immer perfekt gestylt, steckt in einem Messy Bun auf ihrem Kopf.

Wie wunderschön sie ist.

»Weißt du, du bist der einzige Mensch, der sich an die Benimmregeln in diesem Haus hält«, begrüßt sie mich. »Alle anderen platzen einfach rein, wie es ihnen passt, aber du klopfst jedes Mal.«

»Ist das gut?«, frage ich unsicher.

»Na klar!« Vivi strahlt und zieht mich in eine feste, lange Umarmung. »Hmm, du riechst nach Chlor.«

»Und du nach Lancôme«, erwidere ich lächelnd.

»Hab ich extra für dich aufgetragen.« Sie lacht an meinem Hals.

»Komm rein, ehe Valerie uns wieder belauscht.« Vivi blickt über meine Schulter nach unten ins Treppenhaus und zieht mich dann mit sich in ihr Zimmer. Ich atme ein letztes Mal ihr Parfüm ein, ehe sie sich entfernt und zurück zu ihrem Bett geht.

Die blinkende Switch und das zerwühlte Laken verraten mir, dass sie dort bis gerade eben gelegen haben muss.

Wenn Romina und Ayleen wüssten, dass sie das hier einem Shopping-Trip mit ihnen vorzieht …

»Wie schnell warst du heute?«, fragt Vivi und rutscht zur Seite, um mir Platz zu machen.

Ich krabble neben sie ins Bett. »Fünf Sekunden unter meiner Bestzeit.«

»Was dennoch eine Million Mal schneller ist als meine trostlosen Schwimmversuche.« Vivi grinst.

Einmal habe ich Vivi mit ins Hallenbad genommen. Es wurde jedoch schnell klar, dass sie sich im Wasser nicht besonders wohl fühlte. Obendrein schaute sie sich ständig panisch um, aus Angst, uns könnte jemand aus der Schule entdecken. Als wäre es so schlimm, seine Freizeit in einem Hallenbad zu verbringen und nicht in einer Mall oder auf Insta.

»Wenn mich jemand in diesem hässlichen Badeanzug sieht, verliere ich direkt meinen Status als Mode-Queen«, sagte sie mir mit besorgtem Blick auf den dunkelgrünen Einteiler. Ich hatte ihr erklärt, dass man darin viel schneller schwimmen könne als in ihrem Flatterbikini, aber das interessierte sie nicht.

Erst, als wir wieder zurück in ihrem Zimmer waren, schien die Anspannung von ihr abzufallen. Ich glaube, Vivi steht wie ich auf einem Drahtseil. Nur, dass ihres noch weitaus dünner ist als meins.

Wenn ich mit Vivi allein bin, dann ist alles zwischen uns leicht. Wir liegen nebeneinander in ihrem Bett, sie lehnt sich bei mir an, während ich ihren Kopf kraule, und jede einzelne dieser Berührungen sorgt für ein Prickeln auf meiner Haut. Mit Romina und Ayleen würde ich so niemals kuscheln und Vivi auch nicht.

Was mich verunsichert, ist ihr Verhalten abseits dieses Zimmers. Wenn sie auf Distanz geht, auf cool tut und über Dinge lacht, die alles andere als lustig sind.

Wenn ich neben ihr im Bett liege und wir einander alles erzählen, dann überlege ich jedes Mal, ob sie auch auf diese Art für mich empfindet. Ob ich mich einfach trauen und es ihr sagen soll. Aber sobald ich ihr auf dem Schulflur begegne, kehren die Zweifel zurück.

Sie empfindet auf keinen Fall dasselbe. Wir sind nur befreundet.

Aber würden beste Freundinnen einander so lange in die Augen schauen, wie wir es gerade tun? Bei jedem anderen Menschen wäre mir so viel Augenkontakt unangenehm, aber bei Vivi kann ich nicht genug davon kriegen.

Ich schlucke und benetze meine Lippen mit Spucke.

»Ich glaube, Marcel hat vorhin mit mir geflirtet«, sage ich. Vielleicht, um sie eifersüchtig zu machen, vielleicht, um ihre Reaktion zu analysieren.

Vivi blinzelt einmal, lässt sich sonst aber nichts anmerken.

»Was genau meinst du denn mit flirten?«

»Keine Ahnung, er hat mich gefragt, ob ich zum Summerbreak komme.«

Jetzt lacht sie. »Er hat dich gefragt, ob du zu deiner eigenen Geburtstagsparty kommst?«

»Es ist nicht nur meine Geburtstagsparty, es ist unsere Sommerparty.«

»Und die Feier, bei der du um Mitternacht achtzehn wirst. Das weiß doch jeder.«

»Ich glaube nicht, dass Marcel das weiß. Er konnte sich anfangs doch nicht mal meinen Namen merken.«

»Wohl wahr.« Wieder lacht sie. »Typen sind einfach lost.« Vivi schmiegt sich wieder an mich, und meine Haut kribbelt. Ein abfälliger Kommentar über das männliche Geschlecht ist noch lange kein Liebesgeständnis, aber es ist ein Anfang. Vor allem, weil sie so etwas in Gegenwart von Romina und Ayleen nie sagen würde.

»Ich freue mich jedenfalls sehr auf Mallorca mit dir. Zwei Wochen ohne all das Drama.« Sie seufzt und zückt ihr Handy, um sich noch einmal die Bilder anzusehen, die Ayleen in die Gruppe gestellt hat.

»Das hier wird einfach unser Zimmer, kannst du das glauben? Das Bett sieht aus wie aus einer anderen Welt.«

Ich betrachte die weichen weißen Laken, das riesige Gestell und die fluffigen Kissen und stelle mir vor, dort neben ihr zu liegen. Hitze schießt mir in die Wangen, und schon wieder male ich mir aus, wie es sein könnte, wenn ich ihr meine Gefühle gestehen und sie diese erwidern würde. Was dann alles möglich wäre …

Doch sofort holt mich die Realität ein. Nein, niemals würde sie offen meine Hand halten oder mich küssen. Das zwischen uns hat keinen Namen, und für Vivi ist es okay so. Nur mich zerreißt es jeden Tag aufs Neue.

Bereits nächste Woche geht unser Flug nach Mallorca. Wie jedes Jahr übernachten wir in einem der Hotels von Ayleens Familie. Dieses Mal wird es eine riesige Suite mit eigenem Pool und Saunabereich sein. Wenn wir zu viert im Urlaub sind, verhalten sich auch Romina und Ayleen anders. In diesen zwei Wochen denke ich jedes Mal, dass wir richtig gute Freundinnen sein könnten, aber dann kommen wir zurück, und mir fällt wieder ein, wie wichtig es ihnen ist, cool zu sein und dazuzugehören.

»Du bist so still heute. Was ist los?«, fragt Vivi und reißt mich damit aus meinen Gedanken. »Falls es daran liegt, dass Marcel zur Party kommt, lass mich gleich klarstellen, dass ich ihn ausladen wollte. Aber es ist nun mal das Haus von Ayleens Eltern, deshalb …« Sie sieht mich entschuldigend an.

Es ist einfacher, sie in dem Glauben zu lassen, dass ich wegen Marcel so nachdenklich bin. Denn was wäre die Alternative? Ihr zu sagen, dass ich seit Monaten darüber nachdenke, ihr meine Gefühle zu gestehen? Ihr davon zu erzählen, dass ich jeden Moment mit ihr aufsauge wie eine Süchtige?

»Ist schon okay. Ich bin bloß müde von dem langen Tag. Und was Marcel angeht: Ich glaube, ich bin endlich über ihn hinweg.«

Die Untertreibung des Jahrhunderts. Marcel und ich waren in der Elften für ein paar Wochen ein »Paar«, wenn man das so bezeichnen kann. Es war meine »Hoffentlich bin ich doch nicht zu hundert Prozent lesbisch und kann eine normale heterosexuelle Beziehung mit einem cis Mann führen«-Phase. Hat leider nicht geklappt. Aber seitdem versucht er immer wieder, mich zurückzugewinnen. Es ist lästig, aber auch mein Alibi. Solange es Marcel gibt, stellt niemand blöde Fragen. Jungs wie er sind mein Sicherheitsnetz.

»Gut zu wissen. Du bist ohnehin viel zu gut für ihn.«

Wie meint sie das jetzt schon wieder?

Unsere Handys vibrieren gleichzeitig und zeigen neue Nachrichten in der Basic Bitches-Gruppe an.

Romina hat ein Bild von Ayleen geschickt, die mit zwei riesigen Tüten in die Kamera grinst. Darunter hat sie geschrieben:

Romina:Ihr verpasst hier was! Noch habt ihr die Chance, uns Gesellschaft zu leisten.

Ayleen:Wir haben so heiße Outfits für die Party gefunden, das glaubt ihr nicht.

Vivi sieht mich an. »Willst du zu ihnen?«, fragt sie.

Nein, am liebsten würde ich ihr Bett nicht mehr verlassen. Irgendeinen trashigen Liebesfilm auf Netflix schauen, Pizza essen und erst morgen Früh nach Hause fahren. Ich liebe unsere kleinen Sleepover-Partys, wie sie sie nennt.

Romina:Na los, Lila. Es ist dein 18. Geburtstag! Da musst du heiß aussehen!

Ayleen: Also, das tust du sowieso schon, aber ein bisschen mehr schadet nie.

Romina:@Vivi, wenn du kommst, beraten wir dich natürlich auch gerne.

»Bis ich fertig gemacht bin, haben die Geschäfte fast schon zu«, meint Vivi und zupft an ihrer Jogginghose.

Ich kann wieder einmal nicht deuten, ob das ihre Art ist, mir zu sagen, dass sie lieber Zeit mit mir allein verbringt, oder ob es ihr wirklich zu kurzfristig ist.

»Dann schreib ihnen doch, dass wir morgen nochmal gehen können. Oder am Montag, da ist die Stadt nicht so voll.«

»Gute Idee.« Vivi beginnt lächelnd etwas zu tippen, und kurz darauf vibriert mein Handy.

Vivi 🖤:bin für heute raus, wollen wir einfach montag gehen? aber schickt schon mal pics von euren outfits!!

Romina und Ayleen schicken weinende Emojis, dicht gefolgt von jeder Menge Umkleide-Selfies.

Vivi betrachtet die Bilder. »Jetzt habe ich FOMO. Ayleens Hose ist der Hammer!«

»Wir hätten auch hingehen können.«

»Ich weiß, aber Montag habe ich mein Gehalt auf dem Konto, vorher wäre es eh schwierig.«

Ich nicke verstehend, denn anders als Romina und Ayleen hat Vivi keine reichen Eltern. Damit das in der Schule nicht auffällt, schiebt sie Extraschichten in einem Nagelsalon und kellnert in den Ferien. Allen anderen sagt sie immer, ihre Eltern wollen sie so auf das wahre Leben vorbereiten und würden sie deshalb zu diesen Nebenjobs zwingen. Nur ich weiß, dass ihre Eltern beide in der Pflege arbeiten und trotz Extraschichten jeden Monat aufs Neue bangen, die teuren Münchner Mieten stemmen zu können.

»Und wie nutzen wir den freien Abend jetzt?«, frage ich.

»Wann musst du denn zu Hause sein?«, will Vivi wissen, und sofort winke ich ab.

»Das ist egal, Malins Freundin kam heute an, es wird sich also sowieso alles um sie drehen.«

»Die beiden sind immer noch zusammen?«, fragt Vivi überrascht.

»Ja, wieso?«

Vivi weicht meinem Blick aus, und ich verkrampfe mich. Das hier ist gefährliches Terrain. Ich erwähne Malin und Nora so gut wie nie, weil wir dann meinen Gefühlen für Vivi viel zu nahekämen. Und weil Romina und Ayleen sich bereits mehrmals abfällig gegenüber Malin geäußert haben …

»Keine Ahnung, war deine Schwester früher nicht diejenige, die alle paar Wochen in jemand Neues verknallt war?«

Ich zucke mit den Schultern. »Dinge können sich ändern. Sie sind jedenfalls nach wie vor sehr verliebt und knutschen praktisch ununterbrochen rum.«

Vivi verzieht das Gesicht.

»Das klingt ganz nach Valerie. Als sie mit Leander zusammen war, konnte sie auch nicht genug von ihm bekommen. Wobei ich mich schon frage, ob es besser ist …« Nachdenklich blickt sie an die Zimmerdecke.

»Was jetzt genau?«

»Na, ein Mädchen zu küssen. Ich stelle es mir weniger stoppelig vor.« Sie lacht unsicher, und in mir spannt sich alles an. Ist das der Moment, in dem ich ihr endlich die Wahrheit sagen werde? Wie gern würde ich sie davon überzeugen, dass Mädchen viel weichere Lippen haben. Nicht dass ich Erfahrung auf diesem Gebiet hätte, aber so stelle ich es mir vor.

Doch statt etwas zu sagen, bin ich wie erstarrt, und so zieht der Moment ungenutzt an mir vorbei.

Drei Stunden später schläft Vivi neben mir, während vor uns auf dem iPad der Abspann der letzten Folge Bridgerton läuft.

Ich sollte nach Hause gehen. Keine weitere Sekunde kann ich hier neben ihr liegen.

Ich frage mich, ob es besser ist … ein Mädchen zu küssen.

Im hereinfallenden Mondlicht starre ich Vivis Lippen an.

Das hier darf nicht sein. Es soll endlich aufhören. Mein Hals zieht sich zu, meine Augen brennen, meine Finger verkrampfen sich um das Bettlaken.

Hör auf, so an sie zu denken. Hör auf, sie so anzuschauen. Hör auf. Hör auf. Hör auf.

DAS REIZ-CAFÉ

Lila, eine Woche bis zum Kuss

»Dieses Top schreit nach dir!« Romina tänzelt vor der Umkleide auf und ab, während Ayleen bereits fünf weitere Teile über ihren Armen stapelt.

Ich blicke an mir herab und betrachte das silbern glitzernde Oberteil, das knapp über meinem Bauchnabel endet und in dem ich mich fühle wie ein in Alufolie gewickeltes Stück Zitronenkuchen. Die Pailletten kratzen und scheuern auf meiner Haut, sobald ich mich bewege, aber ich überspiele mein Unbehagen und lächle den beiden entgegen.

»Ich finde es auch ganz toll.«

Vivi, die bis gerade eben in der Kabine neben mir verschwunden war, tritt heraus. Sie trägt ein dunkelrotes, enganliegendes Seidenkleid, das eher zu einer Abendgala passen würde und sicherlich weit über ihrem Budget liegt.

»Oh mein Gott!« Ayleen bekommt Schnappatmung, und Romina zückt sofort ihr Handy, um Fotos zu schießen.

»Du siehst aus wie eine blonde Anne Hathaway«, meint Ayleen und fordert Vivi auf, sich zu drehen.

»Ja, oder? Mein Arsch sieht zum Anbeißen aus.«

Vivi begutachtet sich selbst im Spiegel. Nur kurz fällt ihr Blick auf mich, und schnell verschränke ich die Arme vor dem weiten Ausschnitt.

»Aber ich werde Lila an ihrem großen Tag sicher nicht die Show stehlen. Habt ihr noch etwas weniger Auffälliges für mich?«, fragt sie.

Sofort reicht Romina ihr ein kurzes schwarzes Kleid, und Ayleen präsentiert einen beigefarbenen Jumpsuit von Yves Saint Laurent. Beides sieht unsagbar teuer aus.

Während ich zurück in die Kabine gehe, lese ich die Preise auf den Schildern und muss hart schlucken. Ich bekomme ganz gut Taschengeld und verdiene mir durch Nachhilfe etwas dazu, aber diese Kleider hier würden alle meine Ersparnisse sprengen. Genau deshalb wollte ich nicht mit Romina und Ayleen shoppen gehen.

Am Ende kaufe ich nur ein dünnes Seidenband, mit dem ich mir die Haare zurückbinden kann. Es kostet dennoch mehr als ein Drei-Gänge-Menü in meinem Lieblingsrestaurant.

»Es hat einfach nicht klick gemacht, versteht ihr? Ich fühl’s heute nicht«, sagt Vivi, und ich speichere mir diesen perfekten Satz ab, damit ich mich das nächste Mal auch so elegant aus der Affäre ziehen kann.

Romina nickt verstehend. »Das kenn ich. Du kannst dir auch immer was von mir leihen, das weißt du ja.«

Dankbar lächelt Vivi Romina an und hakt sich bei ihr unter.

»Wir sollten eh mal wieder eine Kleidertauschparty veranstalten, das war so lustig beim letzten Mal.« Ayleen verstaut das neue Paar Schuhe in ihrer Umhängetasche.

Das muss man den beiden lassen: Sie sind alles andere als geizig. Sie teilen gerne, ihnen mangelt es nur an Verständnis dafür, dass andere nicht jede Woche neue Klamotten kaufen können.

»Und wo wollen wir jetzt hin?«, fragt Vivi.

»Ich hab Hunger«, verkündet Romina. »Wollen wir dieses neue Café auf der Theatinerstraße ausprobieren? Mein TikTok ist voll davon.«

»Meins auch«, sagt Ayleen, und damit ist es beschlossene Sache.

Wir lassen uns an einem kleinen Tisch draußen vor dem Café nieder, und ich blinzle in die grelle Nachmittagssonne und bereue es bereits, meine Sonnenbrille zu Hause gelassen zu haben.

Shopping-Tage sind für mich immer besonders anstrengend. All die verschiedenen Geräusche und Gerüche, das grelle Licht in den Shopping-Centern, die schlechte Luft in den Läden und die vielen Menschen. Am liebsten würde ich meine Noise-Cancelling-Kopfhörer aufsetzen, doch als ich sie das letzte Mal aufgezogen habe, hat Ayleen die ganze Zeit geschrien, weil sie dachte, ich würde sie nicht mehr hören. Also lasse ich das lieber und versuche einfach, nicht unangenehm aufzufallen und die Jungs auf der anderen Straßenseite zu ignorieren, die laut Musik über eine Box laufen lassen, genau wie den beißenden Rauchgeruch vom Tisch neben uns – ohne Erfolg.

»Was soll ich uns bestellen?«, fragt Ayleen, und schon bin ich überfordert. Auf der Karte stehen viel zu viele Optionen. Ich blättere vor und zurück, spüre die Blicke der anderen auf mir und merke, wie ich anfange zu schwitzen. Ich will nicht zu lange brauchen, will ihnen keine Last sein.

Doch was, wenn mir mein Essen nicht schmeckt und ich es dennoch herunterwürgen muss? Was, wenn es unappetitlich aussieht oder eine seltsame Konsistenz hat?

Verzweifelt überfliege ich immer wieder die viel zu lange Liste an Möglichkeiten. Bis ich ganz unten etwas erkenne, das halbwegs sicher klingt.

»Ich nehme ein stilles Wasser und eine Zimtschnecke, danke.«

»Langweilig wie immer«, Ayleen grinst und nimmt dann die Bestellwünsche der anderen auf.

Erleichtert lasse ich mich nach hinten in den Stuhl sinken, immerhin ist die Bestellung nun geschafft, doch das harte Metall des Stuhls rammt sich in meinen Rücken, weshalb ich mich sofort wieder gerade hinsetze.

Reiß dich zusammen. Verhalte dich normal!

Vivi und Romina fachsimpeln über ihre liebste Art, Kaffee zu trinken, doch ich kann ihnen kaum zuhören. Die Jungs mit der Musikbox sind immer noch nicht weitergezogen.

»Ich muss mal kurz auf die Toilette«, entschuldige ich mich und erhebe mich so langsam es geht.

Drinnen huscht mein Blick durch den kleinen Raum. Ich entdecke Ayleen, die an der Theke steht und gerade unsere Bestellung aufgibt.

Ein großes WC-Schild weist mir den Weg, und ich gehe schnellen Schrittes den Gang hinunter, ziehe die Holztür auf und verriegele sie hinter mir.

Einatmen, ausatmen. Blut pocht in meinen Ohren. Ich kneife die Augen zusammen, spanne alle Gesichtsmuskeln an und wedle ein paar Sekunden lang mit den Händen durch die Luft. Gespreizte Finger, aufgerissener Mund.

Es dauert fünf Sekunden, ehe ich die Hände herunternehmen und mein Gesicht wieder entspannen kann. Der Druck in meinem Kopf ist nun kaum noch spürbar. An seine Stelle ist ein überwältigendes Schamgefühl getreten.

Ich bin so ein Freak. Was stimmt denn nicht mit mir?

Aber ich kann auch nicht damit aufhören.

Ob etwas mit den Synapsen in meinem Gehirn falschläuft?

Draußen hämmert jemand gegen die Tür.

»Hallo?«

»Besetzt!«, rufe ich, während das Adrenalin in meinen Ohren pocht, und beeile mich, mir die Hände zu waschen.

Als ich das Klo verlasse und zurück zu den anderen gehe, fühle ich mich dennoch besser. Vor allem, als ich sehe, dass die Jungsgruppe endlich weitergezogen ist und die Leute am Tisch hinter uns aufgehört haben zu rauchen. Außerdem wartet ein vertrautes Glas Wasser auf mich am Tisch.

Ich setze mich, achte darauf, die Lehne nicht zu berühren, und lächle in die Runde. Tanz auf dem Drahtseil, Lila. Du kannst das. Niemand weiß, was gerade auf der Toilette passiert ist.

»Und, bist du schon aufgeregt wegen Samstag?«, fragt Vivi.

Immer, wenn sie das Wort direkt an mich richtet, schlägt mein Herz schneller.

»Schon. Ich glaube, so viele Menschen waren noch nie auf meinem Geburtstag.«

»Meine Eltern haben zugestimmt, dass ich einen DJ engagieren darf. Ihr müsst mir nur bei der Auswahl helfen, die sind nämlich alle gleich heiß.« Romina zückt ihr Handy und zeigt uns drei Bilder von Männern, die in meinen Augen alle durchschnittlich hübsch sind. Kurze braune Haare, Tattoos, blonde Locken, Tattoos, schwarze wellige Haare, Tattoos. Sie sind austauschbar.

»Wer von ihnen macht denn die beste Musik?«, frage ich.

Die drei sehen mich an wie Autos.

»Hallo? Darum geht es nicht. Wir wollen einen DJ, der hot ist! Auflegen können die bestimmt alle gut«, meint Ayleen und schnappt sich Rominas Handy. »Ich glaube, den hier habe ich schon mal gesehen. Spielt der nicht öfter im Palais?« Sie zeigt auf den Schwarzhaarigen.

»Stimmt, ich erinnere mich. Das war der, der sein Shirt in die Menge geworfen hat.« Romina grinst. »Weißt du noch, dass du es unbedingt fangen wolltest, Viv?«

Vivi lacht. »Ja und? Der Typ hat richtig geil gerochen.«

Unter dem Tisch scharre ich mit den Füßen und überlege, was ich sagen könnte, um nicht aufzufallen.

»Seine Haare sehen auf jeden Fall toll aus«, bringe ich hoffentlich überzeugend hervor.

»Na dann ist die Wahl hiermit klar. Ich schreib ihm gleich mal bei Insta«, meint Romina, und während sie tippt, widmen wir anderen uns unseren süßen Teilchen.

»Lila, ist das nicht deine Schwester?« Ayleen tippt mich an die Schulter, und ich zucke zusammen.

»Wo?«, fragt Vivi.

»Dahinten vor diesem Skaterladen.« Ayleen zeigt die Straße hinunter, und ich erkenne Malins rosa Strähnen. Sie blickt in das Schaufenster des Skate-Shops. Neben ihr steht Nora.

Ich wappne mich für das, was jetzt kommen wird. Denn Ayleen und Romina lassen keine Möglichkeit aus, sich über Malin lustig zu machen. Als wir Kinder waren, machte ich mit, weil ich dachte, es sei eine Art Spiel. Etwas, was normale Kinder eben untereinander machen. Aber mittlerweile ist auch mir klar, dass ihr Verhalten grenzwertig ist.

Malin nimmt Noras Hand, und die beiden schlendern in unsere Richtung.

Bitte dreh um, flehe ich sie in Gedanken an.

»Hey, Malin!«, schreit Ayleen, und alle im Café blicken zu uns. Am liebsten würde ich im Boden versinken.

»Maaaaliiiiin!«, ruft sie erneut, und dieses Mal hört meine Schwester sie und sieht zu uns.

Nora mustert unsere Gruppe mit zusammengezogenen Augenbrauen. Ich habe es bisher vermieden, ein richtiges Gespräch mit ihr zu führen, weil es dann leichter ist, sich über sie aufzuregen. Deshalb weiß ich nicht viel über sie, nur dass sie Malin sehr sehr glücklich macht. Und dieser Fakt stört mich.

Malin verdreht die Augen, kommt aber auf unseren Tisch zu. Natürlich, sie ist immer offen für eine Konfrontation. Sie würde nie vor einem unangenehmen Gespräch davonlaufen.

»Was gibt’s?«, fragt sie, als sie und Nora knapp einen Meter vor uns zum Stehen kommen.

Ich registriere die verschränkten Hände der beiden, und als ich zu Vivi sehe, entdecke ich, dass auch sie auf ihre Hände gestarrt hat. Mein Mund wird trocken.

»Ich habe mich nur gefragt, wie du deinen Geburtstag feiern wirst.« Ayleen grinst höhnisch.

»Was geht dich das an?«

»Eigentlich hätten wir dich auch eingeladen, weißt du? Aber die Gästeliste war leider schon voll.«

»Wovon sprichst du?« Malin wirkt genervt, bleibt aber ruhig. Ob das an Noras Daumen liegt, der sanft über ihre Handfläche streicht?

»Von der Summerbreak-Party. Sicher hast du davon gehört. Sie findet bei mir zu Hause statt. Meine Eltern haben extra einen Catering-Service bestellt.«

»Wie schön für euch. Habt ihr denn auch an vegane Optionen gedacht?«

Ayleen sieht aus, als hätte man sie mit Gurkenwasser übergossen. »Natürlich. Bei uns kommt jeder auf seine Kosten.« Sie lächelt süßlich.

»Dann schaue ich vielleicht doch mal vorbei.« Ich traue meinen Ohren kaum und sehe Malin an. Stumm frage ich sie: Ist das dein Ernst? Sie reagiert nur mit einem Lächeln.

»Tut mir leid, aber das geht nicht«, sagt Ayleen nun.

»Ja«, pflichtet ihr Romina bei. »Wir haben leider keine freien Plätze mehr.«

»Außerdem haben wir keine Lust auf die Political-Correctness-Polizei.« Ayleen funkelt Malin an, und ich weiß genau, wie sehr sie das hier genießt. Sie will, dass Malin reagiert, dass sie sich auf den Streit einlässt. Früher hätte sie das getan, doch heute flüstert Nora ihr etwas ins Ohr, und die beiden wenden sich ab und gehen.

»Deine Schwester ist so langweilig geworden, seit sie mit dieser Lesbe zusammen ist«, beschwert Romina sich.

Ich stochere in meiner Zimtschnecke herum.

»Jetzt lasst sie doch. So nervt sie uns auf der Party nicht«, meint Vivi, und damit scheint das Thema vom Tisch zu sein.

Ich aber blicke Malin und Nora hinterher und bohre mir den Daumennagel in das weiche Fingerbett des Mittelfingers.

Als wir uns eine Stunde später voneinander verabschieden und ich in die Tram nach Hause steige, blicke ich aus dem Bahnfenster und beobachte, wie München an mir vorbeizieht. Die geräuschreduzierenden Kopfhörer schirmen mich von der Umgebung ab, und meine aktuelle Lieblingsplaylist sorgt dafür, dass ich immer ruhiger werde. Dennoch geht mir die Begegnung mit Malin nicht aus dem Kopf.

Ihre Zwillingsschwester zu sein, ist Fluch und Segen zugleich. Weil ich sie nie loswerde, egal, wie sehr ich es versuche. In der Schule klappt es mittlerweile ganz gut. Alle akzeptieren mich als Schulsprecherin und bringen mich kaum mit Malin in Verbindung, die vor allem durch Unterrichtsstörungen und ihre queeren Statement-Shirts auffällt.

Aber manchmal geht sie zu weit, und dann kommen die Leute doch zu mir und fragen: Und ihr seid echt Zwillinge? Was ist bei ihr denn falsch gelaufen? Wir sind wie zwei Boomerangs, die ständig in unterschiedliche Richtungen fliegen, nur um immer wieder am Ausgangspunkt aufeinanderzuknallen.

Malin ist lauter als ich, das war sie schon als Baby. Und sie redet mehr. Viel mehr. Diskutieren trifft es eher. Wenn es darum ging, neue Regeln auszuhandeln, dann war sie immer diejenige, die in die Schlacht mit unseren Eltern gezogen ist. Einer der wenigen Vorteile, die es mit sich bringt, sie als Zwilling zu haben.

Malin ist außerdem bi und hat keine Angst, das zu zeigen. Im Gegenteil, ihr Zimmer besteht quasi aus Regenbögen und queerfeministischen Plakaten.

Natürlich ist nichts falsch daran, sich seiner Sexualität sicher und stolz darauf zu sein. Aber wir können nun mal nicht alle mit einem bisexual and still not into you-Shirt in der Schule auftauchen. Für manche von uns ist es nicht so einfach. 

DIE BASIC BITCHES

Lila, neun Stunden bis zum Kuss

Mein Handy vibriert. Es liegt auf der rosa-weiß gepunkteten Bettwäsche und wirft Falten auf dem sonst perfekt gebügelten Stoff. Ich streiche ihn glatt, nachdem ich es in die Hand genommen habe, und zupfe auch das einzelne Katzenhaar von der Matratze, das sich irgendwie hierhin verirrt hat. Obwohl Peanut nicht in mein Zimmer darf. Bestimmt hat Malin ihn wieder reingelassen, weil er so sehr an der Tür gekratzt hat.

Die Wut verpufft, als ich die Nachricht auf meinem Display lese. Es ist keine in unserem Gruppenchat, nein, sie hat mir privat geschrieben. Flattern in der Brust. Fast fühlt es sich an wie Schluckauf.

Vivi 🖤:bleibt es bei acht uhr heute? freue mich auf dich!

Es ist nur eine einfache Nachricht. Und doch grinse ich vor mich hin, während ich die wenigen Worte immer und immer wieder lese. Sie freut sich auf mich. Auf mich. Nicht auf uns. Dann hätte sie das in den Gruppenchat geschrieben. Einen Chat, dessen Name sich über die Jahre hinweg immer wieder geändert hat. Mittlerweile sind wir bei Basic Bitches angelangt. Ayleens Einfall, natürlich.

Als ich Vivi, Romina und Ayleen in der fünften Klasse kennenlernte, nannten wir die Gruppe BFFFFS 4ever. Ein F für jede von uns. Absolut beknackter Name, aber wir waren elf. Es folgten Vacation Sisters, nachdem wir in der sechsten Klasse zum ersten Mal gemeinsam in den Sommerferien in den Urlaub flogen, Pretty Peaches, nachdem Rominas Po von einem Spanier im Urlaub mit einem Pfirsich verglichen wurde, VARL klang stark und hart wie ein cooler Club und setzte sich aus unseren Anfangsbuchstaben zusammen. Es war der einzige Name, den ich je aussuchen durfte. Aber Basic Bitches hat sich am längsten gehalten. Vermutlich, weil es am besten beschreibt, was wir alle sind.

Es gibt keine Pause, die ich ohne sie verbringe, während Malin in der Schule keine richtigen Freund*innen hat, was ihr nichts auszumachen scheint. Sie hat keine Angst, in der Masse unterzugehen, weil sie dafür viel zu präsent ist.

Ich hingegen würde sofort unter der Oberfläche verschwinden, wenn ich die drei verlieren würde. Sie geben mir eine Richtung vor. Einen roten Faden, an dem ich mich entlanghangeln kann, was extrem wichtig ist, wenn man stets mit einem Bein über dem Abgrund baumelt. Der Schulalltag mit meinen drei Freundinnen ist mein Drahtseil. Hier oben kenne ich mich aus. Was jedoch passieren würde, wenn ich auch nur einmal daneben trete … Das will ich mir nicht ausmalen. Malin hat keine Ahnung davon, wie anstrengend das ist. Immer angespannt zu sein. Nie mit beiden Beinen auf dem Boden stehen zu können. Ich bin Lila. Ich tanze durch die Lüfte. Weil das Leben dort unten mich sofort verschlingen würde.

Vivi, Romina und Ayleen machen es mir also leicht. Mit ihnen kann ich über den neuen Mathelehrer lästern oder über die ekligen Jungs aus unserem Jahrgang, die heimlich hinter der Sporthalle rauchen und die Romina und Ayleen trotzdem alle flachlegen wollen. Ich muss mich nicht fragen, zu wem ich mich in der Kantine setze und mit wem ich mir auf der nächsten Klassenfahrt ein Zimmer teile.

Natürlich habe ich in den letzten Jahren Dinge bemerkt, die mir nicht gefallen. Etwa, wie herablassend Ayleen über die Bediensteten in ihrem Elternhaus spricht, oder dass Romina zwar haufenweise gay romance liest, aber seit Hendriks Coming-out ständig über seinen Klamottenstil lästert.

Malin macht immer wieder deutlich, dass sie nicht verstehen kann, wieso ich mit den dreien befreundet bin. Ich kann ihr nicht erklären, wie viel Sicherheit mir diese Freundschaft gibt. Außerdem will ich die Nähe zu Vivi auf keinen Fall verlieren.

Vivi, die zu jeder Party eingeladen wird, die mit ihren wallenden blonden Haaren durch die Schulflure spaziert, als gehörten sie ihr.

Malin kennt Vivi nicht. Niemand kennt sie so, wie ich das tue. Niemandem sonst vertraut sie an, wie unsicher sie ist, wie viele Probleme sie mit ihren Eltern hat und wie oft sie sich mit ihrer Schwester streitet. Wie unangenehm die Besuche bei ihrem Onkel sind, weil er sie immer viel zu lange umarmt, und wie sie es generell hasst, wenn Menschen sie nur auf ihren hübschen Körper und die großen Brüste reduzieren.

Ich habe das noch nie getan. Es sind all die anderen Dinge an ihr, die mich verzaubern. Und genau das wird mein Herz irgendwann noch zerstören. Denn Vivi ist hetero, und ich werde ihr oder den anderen niemals verraten können, dass ich auf Frauen stehe. Vivi ist meine beste Freundin. Das setze ich dafür doch nicht aufs Spiel.

Lila: Acht klingt perfekt. Ich freue mich auch auf euch!😊

Das dich habe ich im letzten Moment noch in euch umgeändert. So ist es sicherer.

Währenddessen sind unzählige Nachrichten in der Basic Bitches-Gruppe eingegangen. Romina und Ayleen beratschlagen, wie sie am besten an härteren Alkohol für die Party kommen. Essen und Softgetränke sponsern Rominas Eltern, aber alles andere müssen wir irgendwie so besorgen.

Bisher hat uns hier immer Ayleens Bruder ausgeholfen, aber der ist mit seinen Kumpels nach Ibiza geflogen.

Romina:Meine Eltern haben für später nur Bier und ein paar Flaschen Sekt bestellt, das reicht kaum für ein Drittel von uns. Wie siehts bei dir aus, Lila?

Mist, ich hatte gehofft, sie fragen mich nicht. Seit ich einmal etwas aus Mamas und Holgers Spirituosenschrank eingesteckt habe, fühle ich mich schrecklich. Bemerkt hat Mama zwar nichts, aber sie hat tagelang die Wohnung nach dieser besonderen Sektflasche abgesucht. Konnte ich doch nicht wissen, dass die ein Geschenk sein sollte.

Stehlen war noch nie mein Ding. Das ist Ayleens Spezialgebiet. Was irgendwie lustig ist, schließlich gehört ihren Eltern eine ganze Hotelkette.

Ayleen:LILAAAAAAA, wo steckst du schon wieder?

Romina:Ich wette, sie lernt. Immer mit der Nase zwischen den Buchseiten.

Ayleen:Laaaaangweilig. Wir haben Ferien!

Vivi 🖤:bei mir gibts leider auch nichts zu holen. ihr wisst doch, wie streng meine eltern beim thema alkohol sind. mein vater hat seinen vorrat doch tatsächlich mit einem vorhängeschloss versehen!

Romina:Hättest halt nicht so viel rausnehmen dürfen. Ich hab dir gesagt, dass das auffällt.

Ayleen:Ich könnte versuchen, ihn zu knacken.

Vivi 🖤:nee, lasst mal. hab keinen bock auf stress.

Ich puste mir eine lose Strähne aus dem Gesicht, und als sie nicht verschwindet, schiebe ich sie hartnäckig hinter mein Ohr. In Gedanken gehe ich alle möglichen Optionen durch. Natürlich könnten wir auch einfach noch mehr Wein und Sekt besorgen. Aber Wein schmeckt keinem von uns, und Sekt verursacht bei Romina Sodbrennen. Bier ist was für Männer. Findet zumindest Ayleen. Nein, sie steht auf bunte Cocktails mit Wumms, wie sie es so schön bezeichnet.

Romina:@Lila? Hallo? Ignorierst du uns? Wir sehen, dass du mitliest, Süße :*

Oh shit.

Lila:Ich lass mir was einfallen.

Romina:Das wollte ich hören :D

Ayleen:Du bist meine Rettung, danke!

Vivi 🖤:auf dich ist eben immer verlass <3

Und dieses einzelne Herz reicht aus. Es ist genug, um alles andere zu vergessen. Ich lechze danach. Will von ihr gemocht werden. Ich weiß selbst, wie ungesund das ist. Ich weiß, dass mir all das nicht guttut.

Aber was wäre die Alternative?

Mit Malin zu Hause zu sitzen und zu lesen?

Dann kann ich meinen Posten als Schulsprecherin sofort vergessen. Ich wurde gewählt, weil ich präsent bin. Erst war ich Unter-, dann Mittelstufensprecherin. Nun bin ich das Aushängeschild der gesamten Schule. Das darf ich nicht verlieren.

Und was den Alkohol angeht: Holger ist Bestatter. Auf den Beerdigungsfeiern gibt es immer gut was zu trinken, und er bringt viel davon mit nach Hause. Nur noch dieses eine Mal, sage ich mir, als ich an den Glasschrank im Wohnzimmer schleiche und zwei Flaschen herausnehme.

Auf dem Weg zurück nach oben umklammere ich die Flaschen mit den Händen. Nur noch drei Stufen, dann bin ich in Sicherheit.

»Was machst du da?« Malin tritt aus ihrem Zimmer und bleibt oben am Treppenabsatz stehen. Ich zucke so heftig zusammen, dass ich fast die Flaschen fallen gelassen hätte. Bitte nicht jetzt!

»Was geht dich das an?«, blaffe ich, weil ich will, dass sie verschwindet. Sonst interessiert sie mein Leben doch auch nicht, wieso kann sie mich nicht einfach in Ruhe lassen?

Malins Blick ruht auf den Flaschen in meinen Händen.

»Gehören die Holger?«, fragt sie.

»Willst du zu ihm rennen und mich wieder verpetzen?«

»Das habe ich doch gar nicht, Mama hat gemerkt, dass etwas fehlt. Vielleicht solltest du beim nächsten Mal weniger auffällig sein.«

»Vielen Dank für den Tipp.« Ich drücke mich an ihr vorbei und erreiche endlich meine Zimmertür.

»Ich dachte immer, du hasst Gin.« Das ist keine Frage.

Ich erstarre mit dem Ellenbogen auf der Türklinke.

»Tja, Dinge ändern sich. Du kennst mich nicht.«

Ich schlage die Tür hinter mir zu und lasse mich von innen dagegen fallen. Mein Herz rast, meine Augen brennen.

Tanz auf dem Drahtseil. Tanz weiter.

Ich schließe die Augen, beruhige meine Atmung. Dann durchquere ich mein Zimmer, lege die Flaschen vorsichtig auf meiner Bettdecke ab und schüttle die angespannten Handgelenke aus. Draußen im Flur höre ich nichts mehr. Malin ist verschwunden.

Stimmt ja, auch sie feiert heute in ihren Geburtstag hinein. Basti, Flo und Nora warten sicher schon am Bahnhof auf sie. Gut, dass ich nach dem Abendessen abhauen kann. Wie sie und Nora immerzu kichern und sich küssen. Und sich nicht einmal am Esstisch loslassen können, sondern sich ständig irgendwo berühren müssen. Es ist lästig, es ist …

Ich schüttle mich, um Vivis lächelndes Gesicht aus meinen Gedanken zu vertreiben, lege stattdessen mein Handy auf seinen dafür vorgesehenen Platz auf meinem Schreibtisch und widme mich der Deutschhausarbeit, die wir bis zum Ende der Ferien fertig haben sollen.

Zwei Stunden später räume ich den Kugelschreiber wieder in den Stiftehalter und suche das Bett nach weiteren Katzenhaaren ab, ehe ich meinen Schreibtischstuhl zurück unter den Tisch schiebe. Ordnung hilft. Sie beruhigt das Flattern in meiner Brust.

Ob ich noch einmal saugen soll, ehe ich nach unten zum Abendessen gehe? Die paar Minuten habe ich noch. Außerdem dauert es so länger, bis ich Malin und Nora wiedersehe.

Ich hole den Staubsauger, setze meine Kopfhörer auf, weil mir das Sauggeräusch zu laut ist, und beginne, den Boden in perfekten Bahnen abzufahren.

Früher kam Malin oft ungefragt rein und machte sich lustig darüber, wie aufgeräumt es in meinem Zimmer ist.

»Wieso sieht es bei dir immer aus wie in einem Hotel?«, wollte sie wissen, ehe ich sie rausgeworfen habe.

Ich beende die Saugeinheit und betrachte zufrieden den glänzenden Boden. In meinem Kopf wird es ruhiger. Nur noch zwei Stunden, dann werde ich mit Vivi und vielen anderen in meinen Geburtstag hineinfeiern. Achtzehn. Es sollte sich bedeutend anfühlen, doch alles, was diese Zahl mit sich bringt, macht mir Angst. Ich habe gelernt, in der Schule auf dem Drahtseil zu tanzen. Alles, was danach kommt, ist unbekanntes Terrain.

Aber bis dahin dauert es noch ein Jahr. Ich sollte mich lieber auf den bevorstehenden Mallorca-Urlaub konzentrieren. Doch wenn ich an Vivi, Romina, Ayleen und mich in dieser Luxussuite denke, schnürt sich mir die Kehle zu.

Die Luft hier oben auf meinem Seil wird immer dünner, und ich weiß nicht, wie lange ich diese Performance noch fortführen kann.

RABENVATER

Malin, sechs Stunden bis zum Kuss

»Die Nudeln schmecken köstlich«, verkündet Basti und streut noch etwas Basilikum über seine Sauce.

»Sie waren etwas zu lange im Wasser und sind leicht versalzen, aber sonst schmecken sie gut.«

»Danke, Lila. Vielleicht kochst du beim nächsten Mal die Nudeln und zeigst mir, wie es richtig geht?« Holger lächelt amüsiert, es ist unmöglich, ihn gegen sich aufzubringen.

Lila wirkt verdutzt. »Aber du hast doch gefragt, wie es uns schmeckt.«

Flo neben mir greift nach dem Apfelsaft, und Nora wechselt schnell das Thema und erzählt zum wiederholten Mal von dem Spiel der deutschen Nationalelf, das sie und Flo in München besucht haben.

»Lena Oberdorf weiß nun, dass ich existiere. Jetzt kann ich in Frieden sterben.«

»Dass du immer so dramatisch sein musst.« Basti lacht, und Flo streckt ihm die Zunge raus.

»Sagt ausgerechnet der Musicaldarsteller.«

Ich streiche über Noras weiche Hand, die sie mit meiner verschränkt hat, und versuche, dem Gespräch zu folgen, kann mich jedoch nicht gut darauf konzentrieren. Immer wieder zücke ich mein Handy und starre auf den Chat mit Papa. Er hat nach wie vor nicht geschrieben, dabei sollte er längst im Zug sitzen.

»Alles okay, Schatz?«, fragt Mama.

»Papa hat sich immer noch nicht gemeldet«, sage ich, und sofort legt sich Sorge in ihren Blick.

»Er hat sicher nur keinen Empfang im ICE.« Ich will ihn nicht verteidigen, aber ich kann nicht anders.

»Wäre ja nicht das erste Mal, dass er es vergisst«, kommt es kühl von Lila.

Wie kann sie so ruhig bleiben? Macht es ihr denn gar nichts aus, dass unser Vater sich nicht einmal zu unserem Geburtstag blicken lässt? Aber noch hat er nicht abgesagt. Vielleicht kommt er ja doch.

Wir essen weiter, und ich versuche, zu genießen, dass hier am Esstisch alle meine Herzensmenschen versammelt sind – gut, Lila ist auch dabei, aber das nehme ich in Kauf.

»Ehe ihr aufsteht, würde ich gerne noch eine Sache ansprechen«, sagt Holger, als Basti und Nora sich bereits halb erhoben hatten, um ihre Teller in die Spüle zu stellen.

Holger tauscht einen Blick mit Mama, und sofort ploppen in meinem Kopf mögliche Optionen für den weiteren Gesprächsverlauf auf:

Er und Mama wollen heiraten. Das wäre fein für mich, solange ich kein Kleid tragen oder Blumenmädchen spielen muss.Mama ist schwanger. Sehr unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Ein kleines Baby in unserem Haus. Lila würde den Geräuschpegel hassen. Ich … Irgendwie stelle ich mir den Gedanken schön vor, ein Geschwisterkind zu haben, das mich nicht hasst.Er ist schwer krank. Ich mustere ihn genau und versuche etwaige Anzeichen dafür zu finden. Bitte lass es das nicht sein!Mama ist schwer krank. Genauso unvorstellbar. Nein, diese zwei Optionen streiche ich sofort wieder aus meinem Kopf!Bleibt also nur noch:Sie wollen mit uns auswandern. Holger spricht schon länger davon, wie sehr er das Meer vermisst. Ist es nun also so weit?

»Ich ziehe auf keinen Fall aus München weg!«, verkünde ich lautstark und klammere mich an der Serviette fest, so als könnte sie mich in dieser Stadt festhalten.

Alle am Tisch sehen mich verwirrt an, und wieder einmal wird mir klar, dass mein Kopf anders funktioniert.

»Niemand zieht irgendwohin«, sagt Holger beschwichtigend. »Nein, es geht um die fehlenden Flaschen im Wohnzimmerschrank. Letztes Mal dachte ich noch, ich hätte die Sektflasche selbst getrunken und es anschließend vergessen, aber nun fehlen zwei Flaschen Gin, und glaubt mir, ich hätte es gemerkt, wenn ich die intus hätte.«

Lila rutscht unruhig auf ihrem Stuhl hin und her und ist auf einmal ganz blass um die Nase.

»Ihr wisst, dass wir in diesem Haus nicht viele Regeln haben, aber harter Alkohol? Ich bin schwer enttäuscht«, sagt Mama und mustert mich so lange, bis ich ihrem Blick ausweichen muss.

»Ihr wisst, dass ihr uns immer alles fragen könnt. Ihr werdet heute Nacht achtzehn. Sekt und Wein dürft ihr bereits seit zwei Jahren in Maßen trinken, aber härterer Alkohol war immer tabu, und wir dachten eigentlich, ihr würdet euch an diese Regel halten.«

Ich starre auf die Serviette in meinen Händen. Es wäre so leicht, Lila auffliegen zu lassen. Nora, Flo und Basti wissen, dass ich den Alkohol nicht genommen habe, sie würden für mich bürgen.

Aber als mein Blick Lilas kreuzt, sehe ich die Angst in ihren Augen. Natürlich. Sie ist Miss Perfect. Sie bricht keine Regeln, und sie klaut erst recht keinen Alkohol.

»Also, habt ihr zwei uns etwas zu sagen?« Mamas Blick wandert zwischen Lila und mir hin und her.

Ich presse die Lippen aufeinander und schüttle den Kopf.

»Na schön. Da ihr in wenigen Stunden ohnehin volljährig seid, werde ich nicht anfangen, eure Zimmer zu durchsuchen, aber ich möchte, dass ihr versteht, dass euer Verhalten Konsequenzen hat. Wenn der Gin nicht wiederauftauchen sollte, macht es euch sicher nichts aus, morgen die Garage aufzuräumen.«

»Aber das ist unser Geburtstag!«, protestiere ich.

»Keine Sorge, ich backe euch trotzdem eure Geburtstagstorten. Vorher dürft ihr Holger und mir nur beweisen, dass ihr mit achtzehn Verantwortung für euer Handeln übernehmt.«

Ich stöhne auf. In der zugemüllten Halle kann man kaum einen Schritt gehen, so viel hat sich in den letzten Jahren darin angesammelt.

Lila sieht flehend zu Mama. »Dafür brauchen wir doch mindestens einen Monat.«

»Na dann solltet ihr euch besser ranhalten.«

»Das war hart«, meint Nora, als wir kurz darauf in meinem Zimmer stehen.

»Selbst ich hatte Angst vor deiner Mum«, meint Flo.

»Übertreibt sie nicht etwas? Ich meine, du wirst in vier Stunden achtzehn. Dann könntest du dir überall Gin kaufen«, merkt Basti an.

»Das dachte ich mir auch. Hast du die Flaschen denn genommen?«, fragt Nora.

»Nein«, sage ich sofort und senke dann meine Stimme. »Aber ich wollte Lila auch nicht verpfeifen.«

»Sie hat die Flaschen gestohlen?«, fragt Basti überrascht.

»Wieso deckst du sie dann?«, will Flo wissen.

Müde lasse ich mich auf mein Bett fallen.

»Es ist kompliziert, okay?« So ganz verstehe ich es ja selbst nicht. Ich hätte Mama und Holger einfach die Wahrheit sagen können. Aber Lila sah so verängstigt aus. Ich glaube nicht, dass sie den Alkohol für sich wollte. Sicher haben ihre bescheuerten Freundinnen sie dazu angestiftet. Das macht es nicht besser, aber … letzten Sommer habe ich mir geschworen, mich wieder mit ihr zu vertragen. Ihr wieder näherzukommen. Und das ist meine Art, es zu versuchen.

»Ich kann dir mit der Garage helfen«, bietet Nora an. »Mit meiner Pfadfinder*innen-Gruppe habe ich schon so einige Mammutaufgaben bewältigt. Eine Aufräumaktion ist da ein Klacks.«

»Auf uns kannst du natürlich auch zählen«, sagt Flo und stupst Basti an, der gequält das Gesicht verzieht.

»Wenn es sein muss«, bringt er schließlich hervor.

»Danke, Leute. Ihr habt was gut bei mir«, verspreche ich.

»Okay, dann beginnt jetzt die Geburtstagsverschönerungs-Aktion«, meint Flo und klatscht in die Hände.

»Die was?«, frage ich verwirrt.

»Du hast doch nicht etwa gedacht, wir kommen mit leeren Händen? Du wirst in vier Stunden achtzehn, dafür dekorieren wir jetzt dein Zimmer!«, erklärt Basti und zieht zwei Jutebeutel hervor, aus denen Lichterketten und bunte Wimpel blicken.

»Gib uns zehn Minuten«, sagt Flo und schiebt mich aus meinem Zimmer.

»Und was soll ich so lange im Flur machen?«, frage ich verwirrt. »Ich könnte euch auch ganz einfach helfen.«

»Kommt nicht in Frage«, sagt Basti.

»Lass uns mal machen. Das ist doch der Sinn einer Überraschung.« Flo zwinkert mir zu.

»Du kannst ja bei Lila klopfen und sie fragen, ob du die zehn Minuten bei ihr im Zimmer chillen kannst«, schlägt Nora vor.

»Jaaa genau. Ich warte dann mal hier.«

Ich sehe noch Flos breites Grinsen und Nora, die mir eine Kusshand zuwirft, dann verschließen sie die Tür vor mir, und ich bleibe allein im Flur zurück.

Na schön. Zehn Minuten werde ich wohl aushalten. Geduld war jedoch noch nie meine Stärke, weshalb ich alle paar Sekunden die Zeit auf meinem Handy überprüfe.

Ich könnte auch einfach auf Instagram scrollen, aber in meinem Feed gibt es kaum etwas Neues, also wende ich mich den Bilderrahmen im Flur zu. Da ich tagtäglich an ihnen vorbeilaufe, nehme ich sie schon gar nicht mehr richtig wahr, doch jetzt habe ich gezwungenermaßen Zeit, also betrachte ich die Fotos genauer.

Mama hat Lilas und meine ersten Lebensjahre festgehalten, angefangen bei unserer Geburt, bei der wir zwei identische Strampler tragen, auf die eine Biene gestickt ist. Wir waren schon süß, das muss ich zugeben. Bei den frühen Bildern kann ich nicht sagen, wer wer ist. Die winzigen Gesichter, die zwischen den Stofflagen hervorblicken, sehen komplett gleich aus.

Erst an unserem dritten Geburtstag fing Mama an, unsere Namen unter die Bilder zu schreiben, weswegen ich weiß, dass ich es war, die die Geburtstagskerzen auspusten durfte. Auf dem nächsten Bild ist Papa zu sehen, der mich auf seinen Schultern trägt und breit in die Kamera lächelt. Lilas kleine Hand hält er in seiner. Das Bild muss Mama gemacht haben, denn sie ist nicht zu sehen.

Wie kann es sein, dass er auf diesem Bild so breit in die Kamera strahlt und uns dann nicht einmal an unserem achtzehnten Geburtstag besuchen kommt? Wie kann sich ein Mensch so sehr verändern?

Schnell wende ich mich dem nächsten Bild zu, weil es zu sehr schmerzt, mich und meinen Vater zusammen zu sehen.

Das nächste Bild zeigt Lila und mich mit unseren Großeltern. Ich habe meine Haare mit Spaghettieis beschmiert, während sie ganz vorsichtig einen Löffel in ihren Eisbecher tunkt.

An meinen Opa kann ich mich kaum noch erinnern, aber bei Oma habe ich viele Nachmittage verbracht. Sie ist nun schon eine Weile tot, doch ich vermisse sie und ihre weise Sicht auf die Dinge sehr.

Die Bildergalerie geht weiter und zeigt Lila und mich bei unserer Einschulung. Meine Schultüte zieren meine liebsten Superheld*innen: Spiderman, Thor und Black Widow, während Lila ihre mit Meerjungfrauen beklebt hat. Mama hat unsere Haare zu zwei Zöpfen geflochten, und ich sehe deutlich, dass wir uns beide zu einem Lächeln zwingen müssen. Ob wir uns kurz vor diesem Foto bereits gestritten haben?

Papa ist nur noch auf einem weiteren Foto zu sehen. Mama hat die alten Pärchenbilder mit ihm abgehängt, aber sie wollte uns nicht unserer Erinnerungen an ihn berauben. Deshalb ist er auf dem Foto von unserem Mallorca-Urlaub, in dem wir zehn wurden. Ein Jahr später trennten sie sich.

Auf dem Bild sehen wir aus wie eine Bilderbuchfamilie: Vater, Mutter und ihre Zwillinge in identischen Bikinis am Strand.

Wie mein Leben wohl verlaufen wäre, wenn sie sich nie getrennt hätten? Es ist schön, wie glücklich Mama mit Holger ist, und auch ich mag ihn, aber ich frage mich, wie mein Verhältnis zu Papa wäre, wenn er immer noch hier mit uns in diesem Haus leben würde. Ob wir dann noch gemeinsam in den Himmel sehen würden? Oder hätte er sich dennoch distanziert? Wäre ihm sein Job wichtiger gewesen?

Holger gibt mir nie das Gefühl, zu viel zu sein. Bei ihm und Mama fühle ich mich wohl.

Und trotzdem … Ich berühre den verstaubten Rahmen und streiche über Papas Gesicht. Wenn es ginge, würde ich gerne in der Zeit zurückreisen und diesen Urlaub noch einmal erleben. Jeden Moment mit Papa aufsaugen.

Wie er sich wohl fühlt, wenn er alte Bilder betrachtet? Ob er Lila und mich genauso sehr vermisst? Wenn er morgen vorbeikommt, würde ich ihn das gerne fragen. Ich sollte dringend mit ihm sprechen, ihm sagen, wie sehr er mir fehlt.

»Malin, wir sind fertig.« Flo hat die Tür geöffnet und sieht mich an. Ob sie an meinem Gesicht ablesen kann, was in mir vorgeht?

Ihr Blick wandert zu den Bildern an der Wand. Zu dem perfekten Familienfoto.

»Möchtest du dein Zimmer sehen?«, fragt sie sanft, und ich nicke.

Papa kann warten. Jetzt feiere ich mit meinen Freund*innen.

Als ich das Zimmer hinter Flo betrete, explodieren vor mir die Farben.

Eine bunte Lichterkette wurde über mein Bett gespannt, davor liegt eine weiche Decke auf dem Boden, daneben weitere kleine Kissen in allen Regenbogenfarben. Auf der Decke liegen Plastikteller mit farblich passendem Besteck. Eine elektronisch betriebene Discokugel dreht sich auf meinem Nachttisch und wirft winzige Lichtpunkte an die Decke.

Flo hat meine Bluetooth-Box eingeschaltet, und ich höre unsere Playlist, die sie darüber laufen lässt.