Captain Future 08: Im Zeitstrom verschollen - Edmond Hamilton - E-Book

Captain Future 08: Im Zeitstrom verschollen E-Book

Edmond Hamilton

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Beschreibung

Als ein junger Abenteurer auf seiner Schatzsuche einen Hilferuf wahrnimmt, ist er wild entschlossen zu helfen. Doch der Hilferuf kommt wohl viele Millionen Jahre aus der Vergangenheit. Eine Zeitmaschine muss her, und wer, wenn nicht Captain Future, könnte eine solche bauen? Gemeinsam mit dem jungen Abenteurer machen sich Curtis Newton und seine Futuremen auf den Weg in die Vergangenheit, und es wird allerhöchste Zeit, denn die Existenz eines Planeten mitsamt seiner Bevölkerung steht auf dem Spiel. Ob Captain Future das traurige Ende einer Zivilisation verhindern kann?

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Edmond Hamilton

CAPTAIN FUTURE 8 – Im Zeitstrom verschollen

Vorlage für die Übersetzung war der Erstdruck

»The Lost World of Time«

in CAPTAIN FUTURE MAGAZINE (Herbst 1941)

© 1941 Edmond Hamilton

Den Anhang übersetzte Andreas Stöcker

1. eBook-Ausgabe 2020

Neuausgabe

© 2020 Golkonda Verlag in Europa Verlage GmbH, München

Published in Arrangement with Huntington National Bank

as trustee of the Estate of Edmond Hamilton

Dieses Werk wurde vermittelt durch die

Literarische Agentur Thomas Schlück GmbH, 30827 Garbsen

Lektorat: Melanie Wylutzki

Korrektorat: Anne-Marie Wachs

Gestaltung: s.BENeš [www.benswerk.wordpress.com]

unter Verwendung eines Motivs von George Rozen

Innenillustrationen: H. W. Wesso

E-Book-Erstellung: Hardy Kettlitz

ePub-ISBN: 978-3-946503-65-1

Das eBook einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.

Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Der Nutzer verpflichtet sich, die Urheberrechte anzuerkennen und einzuhalten.

Alle Rechte vorbehalten.

www.golkonda-verlag.de

Inhalt

Titel

Impressum

Inhalt

Vorbemerkung

IM ZEITSTROM VERSCHOLLEN

1. Kapitel: Der rätselhafte Asteroid

2. Kapitel: Die Zitadelle der Wissenschaft

3. Kapitel: Hilferuf aus der Vergangenheit

4. Kapitel: Der zweite Mond

5. Kapitel: Die Futuremen in der Vergangenheit

6. Kapitel: Unerwartete Gesellschaft

7. Kapitel: Die Sternenanbeter

8. Kapitel: Planeten aus der Vergangenheit

9. Kapitel: Auf den Spuren des unbekannten Raumschiffs

10. Kapitel: Der Zauberer vom Mars

11. Kapitel: Die Flucht

12. Kapitel: Tod einer Welt

13. Kapitel: Zikals Spion

14. Kapitel: Tod unterm Yugra-Mond

15. Kapitel: Die Katastrophe

16. Kapitel: Schiffbrüchig in der Kinderstube des Sonnensystems

17. Kapitel: Die Geburt eines neuen Sonnensystems

18. Kapitel: Darwins Irrtum

19. Kapitel: Ein Anschlag auf eine ganze Welt

20. Kapitel: Kosmische Zerstörung

21. Kapitel: Das Ende eines Planeten

VORBEMERKUNG ZUM ANHANG

The Worlds of Tomorrow

The Futuremen

Under Observation

The Future of Captain Future

Vorbemerkung

Wie auch schon die bereits erschienenen Bände derCAPTAIN FUTURE-Reihe hat es sich der vorliegende achte Roman der Neuausgabe um Curtis Newton zum Ziel gesetzt, Edmond Hamilton als Klassiker der Science Fiction ernst zu nehmen. Alle Texte werden vollständig und mit größtmöglicher Werktreue ins Deutsche übertragen. Im Original auftretende Holprigkeiten und Widersprüche, die nicht selten den Entstehungsbedingungen der Texte geschuldet sind, werden übernommen. Allerdings bemüht sich die Übersetzung auch, die Eleganz, das gezielt eingesetzte Pathos und die unterschwellige Ironie der Sprache zu erhalten. Edmond Hamilton war einer der Begründer dessen, was wir heute als »Space Opera«, als große Weltraumoper kennen. Er hat diese Form der abenteuerlichen SF nicht nur mitbegründet, er hat sie auch zu einem ersten Höhepunkt geführt. Dem möchten wir in jeglicher Hinsicht gerecht werden.

Die Redaktion

IM ZEITSTROM VERSCHOLLEN

1. Kapitel: Der rätselhafte Asteroid

Der Asteroid kreiste dunkel und einsam auf seiner vorgezeichneten Bahn durch den Weltraum, eine winzige, in sich versunkene Welt aus Rätselhaftigkeit und Stille. Er gehörte zu jenen zahllosen Asteroiden, Meteoritenschwärmen und Ansammlungen interplanetaren Abfalls, die ein großes Band zwischen der Umlaufbahn des Mars und des Jupiter bildeten. Es war eine stickige, kleine Welt mit einem dünnen Luftschleier, die von einem dichten Dschungel aus niedrigen, farnwedelartigen Bäumen und Sträuchern bedeckt wurde.

Mehrbeinige Asteroidenratten flitzten im Dschungel hin und her und Vögel durchpflügten wie Flammen die Luft, wobei sie phosphoreszierende Bahnen zwischen den Farnwedel-Bäumen zogen. Gelegentlich strich eine sanfte Brise durch sie hindurch und erzeugte ein ledrig klingendes, reibendes Geräusch. Darauf folgte dann wieder die lange, dumpfe Stille einer unbewohnten Welt …

Aber in dieser Nacht erklang etwas ungewohnt Fremdartiges am meteoritenerhellten Himmel: das hohe, leiernde Sirren eines Raketenantriebs.

Das Sirren wurde lauter, und vom Himmel senkte sich ein ramponiertes Kalber-Raumschiff, dessen Heckdüsen Flammenzungen ausstießen, während es auf einer steinigen Lichtung im Dschungel landete. Eine zweite rostige Kalber folgte ihm. Die Türen der beiden Raumschiffe öffneten sich und Männer stiegen aus, ihre Stimmen hallten dünn durch die Nacht der Miniaturwelt. Die Raub- und Kriechtiere des Dschungels huschten davon und die Flammenvögel flatterten erschrocken auf. Es handelte sich um elf einfach gekleidete Männer mit harten Gesichtern. Unter ihnen waren rothäutige Marsianer, ein großer, sehniger Saturnier mit blauer Haut, ein spitzköpfiger Neptunier, ein braun gebrannter, eifriger junger Erdling und zwei kompakt gebaute, grünhäutige Jovianer. Sie alle waren auf Meteoriten spezialisierte Erzschürfer, die unzählige Asteroiden und Meteoritenschwärme nach wertvollen Metallen abgesucht hatten. Ihre Fröhlichkeit bezeugte, dass ihre Expedition bisher von Erfolg gekrönt gewesen war.

»Das hier ist er – der Asteroid 221«, stellte der stämmige Jovianer fest, der den Trupp anführte. »Soweit ich weiß, ist er noch nie nach Metallen abgesucht worden. Es könnte sein, dass wir hier große Titanium- oder Tellurium-Adern finden.«

»Wir haben inzwischen genug Geld für ein einjähriges Saufgelage auf dem Planeten unserer Wahl angehäuft«, kicherte der hochgewachsene leichenblasse Saturnier. »So viel Glück hatten wir noch nie.«

»Entzündet ein kleines Atomfeuer und haltet es am Laufen«, befahl der jovianische Captain. »Wir schlafen heute Nacht unter freiem Himmel. Ich habe genug von der stickigen Bordluft.«

Die Männer holten den flachen, scheibenartigen Apparat heraus und setzten ihn auf den Felsen in der Nähe des Schiffs in Gang. Er produzierte eine stetige Flammenzunge atomaren Feuers, die die zunehmende Kälte der Nacht zurückdrängte.

Das warme Licht erhellte flackernd die grotesken Farnwedel-Bäume, die die Lichtung umgaben, schimmerte auf den ramponierten Rümpfen der beiden Kalber-Schiffe und trieb die verstört schimpfenden Flammenvögel tiefer in den Dschungel. Während das Feuer brannte, flackerte es heiter auf den Gesichtern der zusammengewürfelten Gruppe von Abenteurern, die mit starkem venusianischen Wein jovianische Brotfladen und kleine Stücke zerschnittenen saturnischen Fleischs herunterspülten.

»Nicht schlecht für deinen ersten Ausflug ins All, stimmt’s, Mel«, wandte sich der Neptunier an den braun gebrannten, aufgeregten Erdling neben sich. »Dein Anteil an den Edelmetallen im Schiff sind ein kleines Vermögen wert.«

Brad Melton nickte.

»Mir geht’s nicht so sehr um das Geld, als vielmehr um das Abenteuer. Mein ganzes Leben lang wollte ich Raumfahrer werden. Ich hatte Angst, niemals von der Erde herunterzukommen, niemals einen anderen Planeten zu betreten.«

Sobald er sein Mahl verputzt hatte, sah sich Melton ein wenig auf der Lichtung um. Neugierig starrte er in den dunklen, schweigenden Dschungel, betrachtete die Flammenvögel und den unglaublichen, von funkelnden Meteoriten übersäten Himmel. Dann fiel ihm etwas an dem schwarzen Felsen auf, auf dem er stand, und er kniete sich hin, um ihn genauer zu untersuchen.

»Seht euch diesen Felsen hier an!«, rief er. »Jemand hat etwas in ihn hineingeritzt. Das hier muss die Ruine einer Mauer oder eines Gebäudes sein, vielleicht einer ganzen Stadt!«

»Sicher, Kleiner, Ruinen und seltsame Metalladern finden sich auf vielen dieser kleinen Asteroiden«, erwiderte der Jovianer beiläufig und wandte sich an den alten Marsianer, den Planetologen und Edelmetallprüfer ihres Trüppchens. »Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass dieser Asteroid einst bewohnt war, stimmt’s?«

»Ja, schon«, antwortete der Marsianer, »aber das muss sehr lange her sein. Es sind nie nennenswerte Artefakte gefunden worden.«

Brad Melton stocherte weiter neugierig in dem zerbröckelten Gestein am Rand der Lichtung herum.

Kurze Zeit später rief er aufgeregt zu ihnen herüber.

»He, ich habe etwas Merkwürdiges entdeckt. Es hat sich angefühlt, als wäre ich in eine Art unsichtbaren Lichtstrahl getreten. Und in den Moment war mir so, als würde eine Stimme zu mir sprechen.«

Aber der Jovianer lachte nur verächtlich.

»Ach Melton, du bildest dir ständig komische Sachen ein, seit wir in diesen kleinen Welten unterwegs sind. Ein paar von ihnen sind schon ziemlich eigenartig – denk nur an den Planeten, den sie Circe nennen. Ich werde nie vergessen, wie wir einen Abstecher dorthin gemacht haben und die Crew eines Frachters fanden, der dort abgestürzt war. Es war nichts Zivilisiertes mehr an ihnen. Die chemischen Stoffe in der Luft dieses verfluchten kleinen Planeten hatten die Besatzung in Bestien verwandelt, schlimmer als alles, was ich je zuvor gesehen habe …«

Dann fuhr er fort, mit seiner tiefen Stimme die ganze Geschichte zu erzählen, während das zusammengewürfelte Grüppchen, das sich um das lodernde Atomfeuer versammelt hatte, gespannt lauschte. Der junge Erdling jedoch war zu beschäftigt, um zuzuhören. Stattdessen wanderte er suchend hin und her, um eine bestimmte Stelle wiederzufinden. Plötzlich blieb er stehen. Die anderen hatten nicht bemerkt, wie seltsam sich Brad Melton in den dunklen Ecken verhielt. Hätten sie ihm mehr Aufmerksamkeit geschenkt, hätten sie den eigenartigen, aufmerksamen Ausdruck in seinem Gesicht gesehen. Lange Zeit stand er nur reglos da und lauschte angestrengt.

»Also ließen wir die armen Teufel auf Circe zurück und meldeten sie als tot, als wir zum Mars zurückkehrten«, beendete der jovianische Captain seine Geschichte. »Tot wären sie wahrscheinlich besser dran gewesen. Als Leben konnte man das wahrlich nicht bezeichnen.«

Eine kurze Stille trat ein und der grauhäutige Neptunier schüttelte sich.

»Eine schöne Gutenachtgeschichte«, brummte er. »Diese kleinen Welten jagen mir einen Schauer über den Rücken.«

Sie hoben die Blicke, als Melton wieder zu ihnen ans Feuer trat. Das gebräunte Gesicht des jungen Manns war aschfahl und er wirkte sehr aufgeregt. Er setzte sich und starrte in die Flamme des Atomfeuers, seine langen Finger schlossen und öffneten sich unentwegt, seine blauen Augen waren weit aufgerissen und er hatte einen seltsamen Ausdruck in den Augen. Er schien mit sich selbst im inneren Widerstreit zu liegen wegen etwas, was ihn fürchterlich aufwühlte.

Der Rest der Crew wandte den Blick ab und unterhielt sich weiter, sie berichteten einander von ähnlichen Erlebnissen, die sich auf verschiedenen weit entfernten Welten und Monden abgespielt hatten. Von Abenteuern auf dem küstenlosen Neptunmeer, Exkursionen in die lichtlosen Höhlen des Uranus, Minenarbeiten auf der Sonnenseite des Merkur und gefahrvollen Expeditionen zwischen den scharf gezackten Planetoiden der Saturnringe.

Abrupt wandte sich Brad Melton an den alten marsianischen Wissenschaftler.

»Nilga, Sie kennen sich in den Wissenschaften aus – ich habe eine Frage. Ist es je einer lebenden Person gelungen, herauszufinden, wie man zwischen verschiedenen Zeitebenen hin und her wechselt?«

Der Marsianer drehte sich um und starrte ihn überrascht an.

»Sprichst du vom Zeitreisen? Wie kommst du darauf, Melton?«

»Hab mich nur so gefragt«, erwiderte der junge Mann ausweichend. Er wirkte ängstlich und angespannt, als er noch einmal nachhakte: »Hat denn je jemand dieses Geheimnis ergründet?«

Der alte rothäutige Marsianer schüttelte den Kopf.

»Nein, wieso? Bisher ist niemandem gelungen, durch die Zeit zu reisen, auch wenn sich in den letzten Jahrhunderten viele Wissenschaftler mit diesem Thema auseinandergesetzt haben. Du musst wissen, Melton, dass die Wissenschaftler unseres Systems seit Langem wissen, dass die Möglichkeit, durch die Zeit zu reisen, theoretisch besteht. Zeit ist nichts weiter als eine vierte Dimension des Existierenden – Länge, Breite, Dichte und Dauer. Theoretisch sollte es möglich sein, sich entlang der Zeitachse zu bewegen, aber bisher war niemand dazu imstande. Niemand außer …«

»›Niemand außer …?‹«, erkundigte sich Melton eifrig. »Soll das heißen, dass es doch jemanden gibt?«

»Nun ja, es gibt Personen, die behaupten, dass Captain Future das Geheimnis des Zeitreisens gelüftet hat – aber das sind vielleicht nur Märchen. Man erzählt sich so viele Geschichten über Captain Future, dass es nur natürlich ist, wenn die Wahrheit hier und dort etwas gedehnt wird.«

»Captain Future?«, wiederholte der junge Erdling mit ehrfürchtig glänzenden Augen. »Natürlich. Warum habe ich nicht gleich an ihn gedacht? Wenn es jemandem gelungen ist, dahinterzukommen, dann Captain Future.«

»Das bezweifle ich«, sagte der alte Marsianer skeptisch. »Oh, ich weiß, Future und seine merkwürdigen Kameraden, die Futuremen, haben schon unzählige wissenschaftliche Wunder vollbracht – aber Zeitreisen? Nein, nicht einmal Captain Future ist dazu in der Lage.«

»Aber er wäre immerhin dazu in der Lage«, widersprach der Brad Melton. »Vielleicht haben sie das Rätsel gelöst, ohne das System davon zu unterrichten.«

»Möglich wäre es schon«, sagte der alte Wissenschaftler. »Wir kennen nicht einmal die Hälfte der rätselhaften Dinge, die er in seinem Labor auf dem Erdmond vollbracht hat. Aber in der Tat – die Fähigkeit des Zeitreisens würde wahrscheinlich sogar Captain Future in Staunen versetzen.«

Der jovianische Captain warf seine Rial-Zigarette fort und gähnte.

»Ich leg mich aufs Ohr, Jungs. Morgen wird früh aufgestanden und mit der Schürferei losgelegt.«

Schon bald hatten fast alle ihren Schlafplatz rund um den Atomofen herum gefunden. Eingewickelt in ihre Decken aus Synthetikwolle gaben sie sich dem sorglosen Schlummer interplanetarer Abenteurer hin, die keinen Gedanken an das Morgen verschwenden.

Brad Melton bildete die Ausnahme. Er saß da und starrte in das Atomfeuer, die Augen weit aufgerissen, das Gesicht angespannt vor Konzentration. Sein innerer Kampf schien ganz plötzlich zu einem Höhepunkt zu gelangen. Mit nervöser Entschlossenheit sprang er auf die Füße.

»Ich werde es tun!«, flüsterte er. »Vielleicht bin ich verrückt. Ich sollte das Ganze einfach ignorieren, aber das kann ich nicht. Diese weit entfernt klingende, flehentliche Stimme … das Leben all dieser von der Auslöschung bedrohten Menschen – ich muss es tun!«

Mit leisen, schnellen Schritten ging er zu einem der beiden Raumschiffe und bereitete es klammheimlich auf die Abreise vor.

Die schlafenden Meteoritenschürfer wurden von einem abrupten stakkatoartigen Brummen geweckt. Verwundert richteten sie sich auf und rieben sich den Schlaf aus den Augen. Die Flammenzunge einer Antriebsdüse schraubte sich in den Himmel – eins der Schiffe war fort.

»Was im Namen aller jovianischen Teufel!«, fluchte ihr Kapitän aufgebracht. »Wer ist mit unserem Schiff abgehauen?«

»Der junge Melton«, lautete die Antwort. »Er muss den Verstand verloren haben.«

»Er hat sich mit unseren Schätzen davongemacht!«

»Falls das stimmt, ist mir mein Riecher für die menschliche Natur abhandengekommen«, dröhnte der Jovianer. »Nein, er hat die Beute nicht mitgenommen. Seht ihr?«

Die kleinen, schweren Säcke mit Tantalum, Tellurium und anderen Edelmetallen lagen auf dem Boden. An einem von ihnen war eine Nachricht befestigt.

Ich lasse die Hälfte meines Anteils hier, um das Schiff zu bezahlen. Wenn ihr diesen Hilferuf gehört hättet, hättet ihr euch ebenfalls dazu entschieden, ihm zu folgen. Ich fliege zu dem einzigen Mann im Universum, der dieser Sache gewachsen ist.

»Er muss wirklich völlig von Sinnen sein, sich einfach so aus dem Staub zu machen!«, rief der Jovianer.

»Er hat sich gestern Abend sehr seltsam verhalten«, bemerkte der alte Marsianer. »Er redete über Stimmen, die er gehört haben wollte, und von Zeitreisen.«

Voller Unbehagen schweiften die Blicke der Männer durch den dunklen, schweigenden Dschungel.

»Irgendwas an diesem Ort hat ihn aus der Umlaufbahn geworfen«, brummte der Neptunier abergläubisch. »Das hier ist einer dieser verfluchten Asteroiden, über die du gesprochen hast.«

»Lasst uns hier verschwinden, bevor wir ebenfalls anfangen, Stimmen zu hören und durchzudrehen!«, rief der Saturnier aufgebracht.

Die anderen stimmten ihm lautstark zu. Sie alle waren Männer, die sich nicht leicht ins Bockshorn jagen ließen, doch sie spürten, dass etwas Fremdartiges und möglicherweise Bedrohliches über diesem stillen, einsamen Planetoiden hing; etwas, das die Macht hatte, ihnen den Verstand zu rauben.

»Na schön, wir fliegen weiter«, grummelte der Jovianer. »Ich habe hier ohnehin keine Anzeichen für wertvolle Metalle entdeckt. Beladet das Schiff, Jungs, wir müssen jetzt alles in einem einzigen verstauen. Ich bezweifle, dass wir den jungen Melton je wieder zu Gesicht bekommen.« Er schüttelte den Kopf. »Wie dem auch sei, ich wüsste wirklich zu gern, was genau es war, das ihm auf dieser verdammten kleinen Welt derartig die Sicherung hat durchbrennen lassen.«

2. Kapitel: Die Zitadelle der Wissenschaft

Die Erde wölbte sich wie eine riesige grüne Scheibe vor dem Himmel und füllte ihn halb aus. Sie warf einen wunderlichen zartgrünen Schimmer auf die wilde zerklüftete Oberfläche des Mondes.

Primitiv, feindselig und unbeschreiblich unwirtlich erstreckte sich die Mondlandschaft. Es gab weder Sauerstoff noch Geräusche, weder Wind noch Wasser. Nichts als die immer gleichen unveränderlichen Ebenen aus kargem Gestein, die sich bis zu den gewaltigen Gebirgen zogen, deren mächtige Zacken dem Himmel drohend ihre entblößten Fangzähne entgegenstreckten. Riesige Krater, die von gigantischen, kreisförmigen Ringen umgeben waren, glotzten blinden Augen gleich in den Himmel.

Auf dem Kraterboden des Tycho jedoch gab es eine Stelle, an der sich Leben regte. Drei sehr verschiedenartige Wesen waren dort eifrig beschäftigt. Einer von ihnen, ein hochgewachsener junger Erdling in leichtem Raumanzug und Helm, hielt einen Metallschläger in der Hand und drehte sich zu einem seiner beiden Kameraden herum.

»Du dachtest, dass ich den letzten Ball nicht kriegen würde, was?«, spottete er. »Wenn das das Beste ist, das du zu bieten hast, dann bist du erledigt.«

Sein Raumanzug war mit einem Kurzwellen-Funkgerät ausgestattet, durch das seine Begleiter ihn hören konnten. Abwartend schwang er den Metallschläger hoch über der Schulter.

»Komm schon!«, forderte er seinen Kontrahenten heraus. »Diesmal schlage ich den Ball bis zur Kraterwand.«

Curtis Newton, der junge Raumfahrer von der Erde, der im ganzen System als Captain Future bekannt war, grinste abwartend in sich hinein. Er war eine auffällige Erscheinung – hochgewachsen, langgliedrig und breitschultrig, selbst in seinem Raumanzug. Durch den transparenten Glasithelm leuchtete sein zerzauster roter Haarschopf, außerdem waren das gebräunte, gut aussehende Gesicht und die neugierigen grauen Augen zu erkennen.

Er spielte mit seinen beiden Kameraden Steinschlagball, ein Spiel, das sich in allen neun Welten des Systems großer Beliebtheit erfreute, auch wenn der Tycho wahrscheinlich der seltsamste Ort war, an dem es je gespielt worden war. Für Curt war daran allerdings nichts seltsam, denn der Mond war sein Zuhause. Neben ihm auf dem Kraterboden befand sich das große Glasitfenster, unter dem die höhlenartigen Kammern lagen, in denen sich seine komfortablen Wohnräume und die wundersamen wissenschaftlichen Laboratorien der Futuremen befanden.

»Komm schon, Grag!«, rief er herausfordernd. »Nun wirf schon!«

Grags Finger lagen auf dem Kontrollhebel der Steinball-Schleuder. Er bereitete den nächsten Schuss vor.

»Dieser hier wird dir den Rest geben, Chef«, dröhnte er. »Los geht’s!«

Grag gab ein äußerst fremdartiges Bild ab, als er sich bereit machte, den Ball abzufeuern, denn er war kein Mensch. Er war ein Roboter aus Metall. Sein massiver Metallkörper war über zwei Meter groß, und seine gewaltigen, daran gelöteten Arme und Beine waren mit einer Kraft ausgestattet, die im ganzen System ihresgleichen suchte. Sein gewölbter Metallschädel drehte sich auf einem Halsgelenk, und in seinem Gesicht glommen fotoelektrische Augen.

Grag warf den Ball nicht selbst. Er löste den Mechanismus aus und der Steinball flog von selbst in Captain Futures Richtung, wobei er von einem winzigen Raketenantrieb angetrieben wurde, der ihm einen besonders flinken Flug ermöglichte.

Doch der Ball raste nicht direkt auf Captain Future zu. Mithilfe eines Steuerungssystems konnte er vom Werfer so gelenkt werden, dass er jeden gewünschten Kurs einschlug. Die einzige Regel besagte, dass der Ball die Fläche des Schlägers kreuzen musste. Wie ein Korken sauste er in einer spiralförmigen Flugbahn auf Curt zu und vollzog dabei verwirrende Rückwärtsspiralen, berührte fast den Boden und flitzte dann flink wie ein Lichtblitz über die Schlagfläche.

Peng!

Curts scharfe Augen hatten sich nicht verrechnet. Sein Schläger erwischte den Steinball und schleuderte ihn weit hinaus in die sauerstofflose Leere. Mit einem triumphierenden Lachen fing Curt an, die kreisförmige Bahn hinunterzurennen. Er schaffte sechs Runden, ehe der Fänger den Ball wieder einfing und ihn zu Grag brachte.

»Weitere sechs Punkte für mich«, sagte Curt. »Otho und ich haben jetzt Gleichstand. Und du bist weit abgeschlagen, Grag.«

Der Fänger trat zu ihnen.

»Lass mich werfen, Grag«, schlug er vor. »Ich werde Curt einen Ball entgegenschmettern, den er mit bloßem Auge nicht mal kommen sieht.«

»Nein, ich übernehme das Werfen«, dröhnte Grag wütend. »Du gehst zurück auf deinen Platz, Otho.«

Otho, der Fänger, trug zwar das gleiche Raumanzugsmodell wie Curt, gab aber trotzdem eine ganz andere Figur als dieser ab, weil er, ebenso wie Grag, kein echter Mensch war. Er war ein künstlicher Mensch, ein Androide. Obwohl er eine menschliche Gestalt hatte, war er aus künstlichem Fleisch erschaffen worden. Sein Kopf war kahl, die Haut weiß, er hatte weder Augenbrauen noch Wimpern. Seine schlitzartigen grünen Augen funkelten wagemutig und voll teuflischer Arglist. Otho war das behändeste und flinkste Wesen im ganzen System. Beim Steinball brachte er es sogar als Fänger zuwege, den Läufer einzuholen. Außerdem hatte er großes Talent dafür, sich in Schwierigkeiten zu bringen.

»Bei deinen Würfen hat er bald eine Million Punkte gegen uns gesammelt!«, beschwerte sich Otho.

»Pass du auf, dass du den Ball fängst, mein Gummifreund«, befahl Grag majestätisch. »Sieh dir meinen nächsten Wurf an.«

Er stellte das Steuerungssystem neu ein und setzte den Wurfmechanismus in Gang. Der Ball sauste nach rechts und flog dann in weitem Winkel über die Scheibe. Curts Schläger traf ihn mit erbarmungsloser Härte. Als der Ball hoch in die Luft geschleudert wurde, rannte Curt erneut den Pfad am Kraterboden entlang. Aber dieses Mal schaffte es Otho, ihn hereinzulegen. Der Androide machte einen unfassbar hohen Sprung von über zwölf Metern und schnappte sich den blitzschnellen Ball.

»Damit bist du raus, Chef!«, dröhnte Grag triumphierend. »Jetzt bin ich mit dem Schlagen an der Reihe!«

»Grandioser Sprung, Otho!«, lobte Curt. »Ich hätte nicht gedacht, dass du so hoch springen kannst.«

»Das war noch gar nichts«, erwiderte Otho in einem Ton müder Verachtung. »Sieh mir einfach dabei zu, wie ich Grag mit meinen nächsten Würfen in null Komma nichts erledige.«

Curt grinste, während er die Position des Fängers einnahm. Ein Steinballspiel mit den beiden Futuremen bestand größtenteils aus hitzigen Debatten, sagte er zu sich selbst, dennoch musste er sich irgendwie beschäftigen, um der Langeweile zu entgehen.

Seit Wochen wurde er jeden Tag rastloser. Wenn er sich in der Vergangenheit so gefühlt hatte, dann war er für einen kleinen Ausflug in die Komet gestiegen, um die bisher unbekannten Eiswüsten am Südpol des Pluto zu erkunden oder um seine Freunde, die geheimnisvollen Meister des Denkens, auf dem Neptunmond zu besuchen. Oder er begab sich auf eine andere nur halbwegs sinnvolle Reise. Er kannte die neun Welten des Systems, die einunddreißig Monde und unzähligen Asteroiden so gut, dass es nur wenig gab, was ihn noch interessierte.

Er wollte etwas Neues. Das Alte und Bekannte langweilte ihn zunehmend, sein abenteuerlustiges Wesen verzehrte sich danach, das Universum jenseits der bekannten Grenzen zu erkunden, neue und unerforschte Welten zu entdecken. Andere Männer hätten eine Expedition zu einem der weiter entfernten Planeten wahrscheinlich hochfaszinierend gefunden, aber Curt erforschte diese Welten, seit er ein kleiner Junge war. Die Erde hingegen hatte er erst kennengelernt, als er schon fast erwachsen war.

Die Sage von Curts Geburt und seiner Kindheit gehörte zu den wundersamsten Begebenheiten in der Geschichte des Systems. Vor einer Generation waren seine Eltern auf den Mond geflohen, um ihre wissenschaftlichen Entdeckungen vor einem skrupellosen Mann namens Victor Corvo zu schützen. Simon Wright – früher ein Mensch aus Fleisch und Blut, inzwischen ein Gehirn, das in einem Kasten lebt – hatte sie begleitet. Zusammen mit Curts Eltern hatte er sich eine Kombination aus einem Zuhause und einem Laboratorium unter dem Tycho gebaut, und zu dritt hatten sie mit ihren Experimenten Grag, den Roboter, und Otho, den Androiden, erschaffen. An diesem Ort hatte Corvo kurz nach Curt Newtons Geburt dessen Eltern ermordet und war dafür vom Gehirn, dem Roboter und dem Androiden getötet worden.

Die drei nicht-menschlichen Wesen mit ihren übermenschlichen Fähigkeiten hatten sich von klein auf um den jungen Curtis gekümmert und waren auch für seine Erziehung verantwortlich gewesen. Die außergewöhnlichen Umstände, unter denen er aufgewachsen ist, hatten ihn nicht nur zum vielseitig begabtesten Raumfahrer des Systems werden lassen, sondern auch zum größten Wissenschaftler der neun Welten. Seit geraumer Zeit setzte Curt seine beachtlichen Fähigkeiten ein, um die Bösewichte des Systems zu bekämpfen. Sein Kreuzzug gegen die Verbrechen hatte ihm den Namen Captain Future eingebracht.

Doch jetzt schien Captain Futures Kreuzzug gegen das Böse endlich sein Ziel erreicht zu haben. Mit seinem heldenhaften Kampf gegen Ul Quorn, den Marsmagier, hatte er den letzten bedeutenden Gesetzesbrecher zur Strecke gebracht. An kleineren Delikten, die die Planetenpolizei auch ohne ihn in den Griff bekam, hatte er kein Interesse, und die untätigen Wochen hatten ihn rastlos gemacht. Den größten Teil der vergangenen Monate hatte er mit wissenschaftlichen Experimenten verbracht, die er so sehr liebte, doch selbst diese hatten ihn schließlich gelangweilt. Sein abenteuerlustiges Wesen verzehrte sich in dem Drang, Neues zu entdecken.

»Zum Teufel, mein Problem ist, dass ich es nicht genießen kann, wenn die Welt mal in Ordnung ist«, sagte er ungeduldig zu sich selbst, in dem Versuch, das bedrückende Gefühl loszuwerden.

Otho hatte sich große Mühe mit der Einstellung der Wurfbahn des Steinballs gegeben und machte sich bereit, den Auslöser zu drücken.

»Sei auf der Hut, Grag«, warnte er seinen Kameraden. »Jetzt kommt mein spezieller geschlängelter und gedrehter doppelter Rückwärtssalto-Wurf.«

»Hau rein«, entgegnete der riesige Roboter. »Ich werde schon damit fertig.«

Otho löste den Mechanismus aus. Der Ball schoss in einer verwirrend unberechenbaren Flugbahn vorwärts, doch Grag erwischte ihn trotzdem mit seinem Schläger, und er sauste zischend davon. Der Roboter rannte den Kraterpfad entlang, seine Metallgliedmaßen schepperten. Otho setzte zu einem weiteren übermenschlichen Sprung an und holte sich den Ball.

»Du bist raus!«, krähte er und machte einen Satz nach vorn, um sich den Schläger zu schnappen.

»Warte mal kurz!«, rief Curt Newton. »Lass mich mal einen Blick auf deinen Gleichgewichtsregler werfen, Otho.«

Otho wollte ihm widersprechen, aber Curt schnappte sich ihn und untersuchte den Kasten, der an seinem Gürtel befestigt war – es handelte sich um den Regler, dessen Kraftfeld die Schwerkraft in jeder Welt gleich einstellte.

»Genau, wie ich es mir gedacht hatte«, sagte Curt mit vernichtender Stimme. »Du hast den Regler so eingestellt, dass du nicht mehr als fünf Kilo wiegst. Kein Wunder, dass du plötzlich so hoch springen kannst.«

»Foul!«, brüllte Grag wütend. »Wenn ich dich in die Finger kriege, du verdammter Gummilappen! Mit dir wische ich den Mond sauber!«

»Ach, das war doch nur ein kleiner Streich«, erwiderte Otho kleinlaut. »Er sollte euch zum Lachen bringen. Nimm lieber wieder den Schläger in die Hand und hör auf zu heulen.«

Aber Grag war immer noch wütend, als er wieder nach dem Schläger griff und sich Otho zuwandte. Der Androide warf den Ball noch einmal. Grag, der nun wirklich aufgebracht war, erwischte ihn mit der ganzen Kraft, die seine gewaltigen Metallarme hergaben. Ein lauter Knall folgte und der Steinball flog nach oben. Diesmal kam er nicht wieder herunter.

»Bei allen Teufeln des Weltraums, Grag hat den Ball aus der Mondumlaufbahn geschlagen!«, rief Otho erschrocken aus.

Curt lachte. Die niedrige Schwerkraft des Mondes hatte es nicht geschafft, den Ball, in seiner Umlaufbahn zu halten.

»Damit hat Grag gewonnen«, sagte Curt. »Er könnte jetzt tausend Mal den Kraterbodenpfad entlanglaufen, wenn er das wollte, aber ich gestehe ihm den Sieg auch so zu.«

»Ich hole noch einen Ball, und dann werden wir ja sehen, wer das nächste Spiel gewinnt«, rief Otho zornig.

Der Androide ging auf die Treppe zu, die durch das Mondgestein zu der Luftschleuse führte, durch die man die Wohnstätte der Futuremen betrat. Doch dann blieb er unvermittelt stehen.

»Da kommt Simon, er scheint es eilig zu haben.«

Eine erstaunliche Gestalt war aus der Luftschleuse gekommen. Es handelte sich um den dritten Futureman, Simon Wright.

Simon war einst ein brillanter, alternder Wissenschaftler von der Erde gewesen. Als er schwer erkrankte und sein Tod kurz bevorstand, hatte Curts Vater sein Gehirn chirurgisch entfernt und es in einen speziellen Serumkasten gelegt.

Dieser Kasten bestand aus durchsichtigem Metall und enthielt das Serum und die Pumpen und Flüssigkeiten, die das Gehirn am Leben erhielten. In die Vorderseite waren auf beweglichen Fühlern Linsenaugen aus Glas eingelassen, außerdem befand sich dort die Öffnung für seinen Sprechapparat. Das Gehirn konnte magnetische Strahlen aussenden, die seine Hände ersetzen konnten. Mit ihnen war es imstande, Werkzeuge und Instrumente zu halten, und außerdem ermöglichten es ihm die Traktorstrahlen, flink durch den Raum zu gleiten.

Das Gehirn gab nur selten Gefühle preis. Sein eisiger, körperloser Intellekt hatte sich der Wissenschaft verschrieben und war unempfänglich für Störungen aller Art. Aber in diesem Moment, als seine fremdartige Gestalt auf den blitzenden Traktorstrahlen in die Richtung der Futuremen glitt, hatte seine Stimme einen scharfen und dringlichen Beiklang.

»Junge, der automatische Aura-Alarm ist gerade angesprungen!«, rief er Curt Newton zu. »Ein Schiff nähert sich dem Mond.«

Captain Futures Gesicht wurde hart.

»Der Besucher führt sicher nichts Gutes im Schilde«, fügte das Gehirn mit seiner Reibeisenstimme hinzu. »Nur ein Feind würde versuchen, hier einzudringen. Jeder im System weiß, dass der Mond eine verbotene Zone für Unbefugte ist.«

»Wir warten ab und schauen, wer die Besucher sind«, erwiderte Curt ruhig. »Sucht Deckung hinter den Felsen dort, und lasst euch nicht blicken, bis ich den Befehl gebe.«

Blitzschnell, mit der Effizienz, die charakteristisch war für die erstklassige Zusammenarbeit der Futuremen in Zeiten der Not, verschwanden die vier hinter einer Ansammlung hoch aufragender, zerklüfteter Felsen. Dort wartete Curt zusammen mit seinen Kameraden, wobei er die Protonenpistole an seinem Gürtel vorsichtshalber lockerte.

Es dauerte nicht lang und sie erhaschten die aufblitzende Flamme eines Düsenantriebs im sternenübersäten Himmel. Ein Schiff schoss hinunter in den Tycho direkt auf sie zu und entzündete dabei die Bremsraketen.

»Das ist ein Kalber-Kreuzer, er fasst eine Besatzung von fünf Mann«, brummte Otho. »Da können nicht viele drin sein. Falls das hier ein Angriff ist, ist er ziemlich seltsam.«

»Soll ich die versteckte Protonenkanone aktivieren und das Schiff in die Luft jagen?«, fragte Grag.

»Noch nicht«, erwiderte Curt, der das herabsinkende Raumschiff neugierig beäugte.

Es landete ziemlich unsanft neben dem Glasitfenster ihres Zuhauses. Die Schleuse öffnete sich und ein Mann in einem Raumanzug kletterte heraus. Es handelte sich um einen jungen Erdling, dessen schmales gebräuntes Gesicht unsicher und besorgt wirkte. Sein zweifelnder Blick wanderte zu der Glasitkuppel.

»Der wirkt eher ängstlich als irgendetwas anderes«, brummte Grag, »aber das könnte auch eine Falle sein. Vielleicht warten weitere Angreifer im Schiff.«

»Das werde ich gleich sehen«, sagte Curt.

3. Kapitel: Hilferuf aus der Vergangenheit

Future zog ein flaches, scheibenartiges Instrument aus seinem Gürtel und legte den Schalter um. Sofort wurde seine Gestalt immer durchsichtiger. Dies war eins der mächtigsten Hilfsmittel des Zauberers der Wissenschaften. Das kleine Instrument machte ihn für einige Minuten unsichtbar, indem es seinen Körper mit einem Kraftfeld umgab, das die Lichtstrahlen brach.

Unsichtbar und in Dunkelheit gehüllt, ging Curt lautlos an dem jungen Erdling vorbei und betrat dessen Schiff. Langes Training ermöglichte es ihm, sich beim Gehen vollständig auf sein Gehör zu verlassen. Im Inneren des Schiffs lauschte er konzentriert. Es war niemand dort.

Also kehrte zu dem Neuankömmling zurück. Nachdem er einige Sekunden vor ihm gestanden hatte, verlor das Kraftfeld seine Wirkung und er wurde wieder sichtbar. Zuerst war er nur eine verschwommene Gestalt, doch dann hatte er sich binnen Sekunden vollständig materialisiert. Mit einem kurzen Aufschrei vor Schreck machte der junge Erdling einen Satz nach hinten, als Curt plötzlich vor ihm auftauchte. Noch mehr erschrak er, als Grag, Otho und Simon aus ihrem Versteck hervorkamen. Mit ehrfürchtig aufgerissenen Augen starrte er Captain Future und das seltsame Trio an.

»Wer sind Sie, und was haben Sie hier zu suchen?«, wollte Curt von ihm wissen. »Erklären Sie sich! Sie wissen bestimmt, dass es niemandem gestattet ist, hier ohne Genehmigung zu landen.«

»Ich weiß!«, rief der junge Mann schnell aus. »Aber ich musste herkommen und Sie um Hilfe bitten. Ich heiße Brad Melton.«

»Wenn Sie mich um Hilfe bitten wollen, warum haben Sie dann keine Nachricht an den Präsidenten geschickt?«

»Dieser Kerl ist doch garantiert ein Spion«, zischte Otho drohend.

»Niemand hätte mir meine Geschichte geglaubt«, erwiderte Melton. »Ich weiß ja nicht einmal, ob Sie mir glauben werden, doch ich muss es wenigstens versuchen. Captain Future, ich bitte nicht um Hilfe für mich selbst. Ich bringe eine Nachricht von einem Volk, das unbedingt Unterstützung braucht. Eine ganze Rasse, die sich zwischen einer furchtbaren Tragödie und völliger Zerstörung entscheiden muss.«

Ungläubig verengte Curt Newton die Augen zu schmalen Schlitzen.

»Wovon reden Sie? Wo lebt dieses Volk, von dem Sie sprechen?«

Melton schluckte. »Sie leben einhundert Millionen Jahre in der Vergangenheit.«

Captain Future musterte den jungen Erdling skeptisch.

»Sie können nicht erwarten, dass ich Ihnen das ohne handfesten Beweis abnehme. Wie sollte ein Volk, das einhundert Millionen Jahre in der Vergangenheit lebt, mit Ihnen Kontakt aufnehmen?«

Meltons Blick flackerte.

»Ich weiß auch nicht, wie das möglich war«, gab er zu.

»Sie wissen es nicht?«, explodierte Otho. »Feinde des Pluto, ist das ein verdammter Scherz? Wenn dem so ist …«

»Warte, Otho«, gebot Curt ihm Einhalt. Seine grauen Augen glitten zu dem aufwühlten Gesicht des jungen Erdlings. »Unten im Mondlaboratorium können wir ruhiger über alles reden. Folgen Sie mir, Melton.« Der hochgewachsene Curt führte sie zu den in das Mondgestein eingelassenen Stufen. Das Gehirn glitt neben ihm her und Brad Melton folgte ihnen, rechts und links von dem jungen Erdling gingen der scheppernde Roboter und der geschmeidige Androide. Sie stiegen durch die Luftschleuse in das große Hauptlabor hinunter, das sich unter dem Kuppelfenster im Kraterboden befand.

Melton sah sich verblüfft um. Ihm war klar, dass er sich glücklich schätzen konnte, einer der wenigen Außenstehenden zu sein, die das legendäre Mondlaboratorium der Futuremen betreten durften.

Die große, helle, aus dem Felsen gehauene Kammer rief aus gutem Grund Verblüffung hervor. Es handelte sich um das am besten ausgestattete Labor des ganzen Interplanetaren Systems. Große Generatoren, Transformatoren, Atomwandler, Sprachgeneratoren und Öfen standen an den Wänden. Plumpe, massive Elektronenteleskope wölbten sich groß und glänzend in der Kammer. Bei den übrigen Ausrüstungsgegenständen wusste Melton nicht, worum es sich handelte. Aber das war nicht ungewöhnlich, schließlich entwickelten die Futuremen ständig neue wissenschaftliche Instrumente, die kein anderer Wissenschaftler je zu Gesicht bekommen hatte.