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Wie kommen zwei wertvolle Smaragde in den Bauch eines ermordeten ehemailgen Raketenforschers der NASA, der sich zudem zwei Telefonnummern auf die Fußsohle gekritzelt hat? CIA, FBI und die Drogenabwehr werden alarmiert. Der neue Chef der amerikanischen Drogenabwehr, George Simon, war dabei, sich mit seinem deutschen Freund, Hauptkommissar Bramme, über den Koka-Anbau in Kolumbien vor Ort zu informieren. Bei einem Abstecher nach Houston/Texas wird ihm die Aufklärung des Mordes übertragen. Die zwei Telefonnummern führen Simon und Bramme auf die Cayman Islands und nach Trinidad und bringen sie auf die Spur eines riesigen Drogenkartells. In den kolumbianischen Bergen werden Simon und Bramme samt Gefoge von Guerillas überfallen, Simon wird verletzt. Auf der Flucht erreichen Sie eine Ansiedlung von Smaragdschürfern. Ein Pilot, der dort Edelsteine abholt, nimmt sie mit nach Venezuela. Simons Zustand verschlechtert sich so dramatisch, dass ihn der Pilot unterwegs bei einem Indiostamm absetzt. Bramme setzt in Venezuela seine Recherchen fort. Mehrfach muss er um sein Leben fürchten. Als Simon wieder auftaucht, bringen sie die Drogenbarone zur Strecke. Den Killer der Bande erledigt Bramme mit einem sehr einfachen, aber umso wirkungsvolleren Trick.
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Seitenzahl: 182
Veröffentlichungsjahr: 2016
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Caribbean Dreams
Hermann Mezger
Copyright: © 2013 Hermann Mezger
published by: epubli GmbH, Berlin
www.epubli.de
ISBN 978-3-7375-9248-2
Die Handlung dieses Buches ist frei erfunden. Jede Ähnlichkeit mit tatsächlichen Ereignissen, Personen, lebend oder verstorben, Firmen und Institutionen wäre rein zufällig.Das Buch einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne die schriftliche Zustimmung des Verfassers unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmung und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronische Systeme.
Covergestaltung: hank-mediengestaltung.de unter Verwendung folgender Fotos:
yellow/123RF Stock Foto (Strand) und Benetti,
Via Michele Coppino, 104 – I 55049 Viareggio/Italien (Yacht)
Dünne, wässrige Vorhänge aus Dunst und Abgasen hingen an diesem Morgen über dem Hafen von Houston, Texas. Ein paar Fischerboote und Containerschiffe waren hier und da durch das wabernde Grau auszumachen, kamen näher, verschwanden wieder und gaben der Szenerie einen gespenstischen Anstrich. Eine kalte Brise von der See her passte vorzüglich zu dem ungemütlichen Ereignis, das sich hier abspielte.
Selbst Sheriff Bud Stevenson, genannt Buddy, der sonst immer mit einem Taschentuch umherlief, um den Schweiß auf seinem ferkelroten Gesicht abzuwischen, fröstelte zu dieser frühen Stunde. Er mochte es gar nicht, wenn man ihn unausgeschlafen aus dem Bett holte. Entsprechend mürrisch war seine Laune. Nebenbei bemerkt war er nicht mehr der Jüngste, doch das wollte er weder hören noch zugeben.
Durch den leichten Nebel wirkten die Männer der Hafenwacht, der Hilfssheriff und die paar Seeleute, die am Kai um eine am Boden liegende Leiche herumstanden, wie Gestalten aus einem Gruselfilm. Bud Stevenson schob ein paar Männer zur Seite, schlurfte auf den Toten zu und beugte sich über ihn.
„Wer hat den Mann gefunden?“, fragte er in die Runde.
„Ich!“, meldete sich einer der herumstehenden Seemänner zu Wort und trat pflichtbewusst einen Schritt näher.
„Wo war das?“, fragte Stevenson, ohne die Leiche aus den Augen zu lassen. In den vielen Jahren, die er diesem Beruf nachging, hatte er schon manche Leiche gesehen, doch noch immer regte sich hinter der bulligen Gestalt und dem griesgrämigen Gesicht ein mitfühlendes Herz.
„Mitten in der Galvestone Bay, Sir.“
„Hatte er Papiere bei sich?“
„Nein!“, antwortete der Hilfssheriff. „Man hat nichts bei ihm gefunden. Weder Ausweis, noch Geld, noch Armbanduhr.“
„Also Raubmord!“, konstatierte Stevenson und zog ein Diktiergerät aus der Tasche.
„Unbekannter Toter, Alter: etwa fünfzig Jahre, Tod: durch zwei aufgesetzte Pistolenschüsse, Tatmotiv: Raubmord“, sprach er in das Aufnahmegerät.
„Man hat den Mann nicht nur erschossen, sondern ihm auch noch den Schädel eingeschlagen. Wenn man die Leiche umdreht, kann man die Verletzung an seinem Hinterkopf sehen. Soll ich…?“, fragte der Hilfssheriff.
„Untersteh dich!“, polterte der Sheriff, „ich habe noch nicht gefrühstückt. Veranlasse, dass die Leiche sofort in die Gerichtsmedizin kommt. Die sollen ein brauchbares Foto von dem Toten machen. Den Obduktionsbericht erwarte ich natürlich wie immer vorgestern. Dann ruf bitte das FBI an. Das ist zwar unnötig wie ein Kropf und sie werden auch nichts anderes feststellen als wir, aber bei einem unbekannten Toten ist das nun mal Vorschrift. Und Vorschrift ist Vorschrift.“
Stevenson wandte sich zum Gehen, doch der Hilfssheriff zupfte ihn am Ärmel und hielt ihn zurück.
„Haben Sie seine Hände gesehen, Sir? Den Händen nach hat der Mann nicht viel gearbeitet.“
„Es soll ja auch Menschen geben, die mit dem Kopf arbeiten“, belehrte ihn Stevenson.
„Aber doch nicht in Houston, Sir!“, sagte der Hilfssheriff mit einem ironischen Unterton, und damit noch nicht genug, fügte er sogleich hinzu: „Auch sein Anzug sieht nicht so aus, als ob er von der Stange wäre.“
Stevenson schnaubte ob dieser wichtigtuerischen Feststellungen, schob die Hände noch tiefer in die Tasche und wandte sich an die Anwesenden.
„Ihr kommt alle heute Nachmittag in mein Büro in der Red Bluff Road. Verstanden?“
„Ich auch?“, rief ein Angestellter der Hafenwacht, der abseits gestanden hatte und nun wenig begeistert dreinschaute.
„Ich habeallegesagt!“
„Können Sie denn das Protokoll nicht gleich hier aufnehmen?“, fragte einer der Seemänner, der anscheinend ebenfalls nicht scharf auf die Vorladung war.
Stevenson stampfte gereizt mit dem Fuß auf den Boden.
„Nein! Wenn Sie erlauben, frühstücke ich erst mal. Ich habe einen Bärenhunger!“
Im Büro der Amerikanischen Drogenabwehr DEA herrschte eine ausgelassene Stimmung. Hinter einem mit Bildschirmen über und über bestückten Schreibtisch, zwischen leeren Cola-Flaschen und zahlreichen Telefonapparaten, vor einer an die Wand gepinnten Landkarte und unter einem summenden Deckenventilator saß George Simon, der Chef dieser Behörde. Er machte den Eindruck eines gutmütigen Bären, doch wer ihn näher kannte, der bescheinigte ihm gerne einen außergewöhnlich hohen IQ-Faktor und trotz seiner Körperfülle eine erstaunliche Beweglichkeit. Seine Augen blitzten vital in dem speckigen, rosa Gesicht. Die übergewichtige Figur kaschierte er mit einem weiten T-Shirt.
Ihm gegenüber, lachend und jugendlichen Elan versprühend, fläzte sich Hauptkommissar Holger Bramme in einen bequemen Stuhl. Seine Erscheinung hätte zu der Simons nicht gegensätzlicher sein können. Gekonnt lässig frisiertes, blondes Haar, meerblaue Augen, ein athletischer Körper und ein selbstbewusstes Auftreten drückten aus, dass er von Erfolgen verwöhnt und von den Frauen bewundert wurde.
Die freundschaftliche Atmosphäre zwischen den beiden Männern war offensichtlich und wie sie so einander anlachten, wirkten sie wie übermütige Schuljungen.
„Schön, dass du gekommen bist, Holger!“, freute sich Simon.
Bramme winkte grinsend ab.
„Ich kann doch deine Einladung nicht ausschlagen! Und wenn es darum geht, der Drogenmafia das Handwerk zu legen, muss ich unbedingt dabei sein!“
„Diesmal geht es aber nicht nur um die Nachschubwege, sondern auch um die Anbaugebiete“, erklärte Simon, stellte eine Schale mit Erdnüssen auf einen wackeligen Stapel Akten und machte Bramme mit einer einladenden Handbewegung darauf aufmerksam. „Wir werden in Kolumbien mit einer Spezialeinheit der Armee in die Berge gehen, um uns dort einen Überblick über die Anbaumethoden zu verschaffen.“
„Und was versprichst du dir von dieser Bildungsreise?“
„Man kann nur bekämpfen, was man auch kennt.“ Simon griff beherzt nach den Erdnüssen, schnippte eine davon in die Luft, um sie dann mit dem Mund aufzufangen. „Ich möchte mitreden können, wenn es darum geht, Maßnahmen gegen die Drogenbarone zu beschließen.“
„Verstehe!“ Bramme rieb sich unternehmungslustig die Hände und schnalzte erwartungsvoll mit der Zunge. „Wann geht die Reise los?“
George Simon musste angesichts dieser Ungeduld lachen. Und wenn er das tat, war sein ganzer, massiger Körper im Einsatz. Sein Lachen war so unbeschwert und herzlich, dass Bramme unwillkürlich mitlachen musste.
„Nach deinen letzten Abenteuern in Zentralasien und den unerfreulichen Begegnungen mit den dortigen Drogenbossen, müsste dein Eifer eigentlich erlahmt sein. Lässt dich dieses Milieu denn nicht mehr los, oder hat dir unser guter, alter Freund Massud noch nicht gereicht?“
Bramme grinste und schloss für einen Moment die Augen. Im Zeitraffertempo erinnerte er sich an die halsbrecherischen und lebensgefährlichen Ereignisse seines letzten Einsatzes.
„Massud hat mir zwar den Appetit nicht verdorben, aber im Grunde führen wir doch einen Kampf gegen Windmühlen. Zieht man einen dieser Verbrecher aus dem Verkehr, erscheinen zwei neue auf der Bildfläche. Trotzdem dürfen wir die Hände nicht in den Schoß legen. Wann also geht es los?“
„Gleich morgen früh. Allerdings müssen wir noch einen Umweg über Houston machen.“
„Warum das denn?“
„Da kam gestern ein Anruf vom FBI. In Houston hat man einen Mann tot aus dem Wasser gefischt, der zwei sehr wertvolle Smaragde im Bauch hatte.“
Bramme hätte sich beinahe verschluckt.
„Smaragde? Im Bauch? Na, klasse! Aber was haben wir denn mit Smaragden zu tun?“
„Die schönsten und wertvollsten Smaragde kommen aus Kolumbien. Das FBI vermutet eine Verbindung zur Drogenszene. Jeder der beiden Steine, die man bei dem Mann gefunden hat, ist ein Vermögen wert.“
Die Schale mit den Erdnüssen war in der Zwischenzeit fast leer, auf dem Fußboden hingegen wimmelte es von all den Nüssen, die nicht im Munde des Amerikaners gelandet waren.
„Es könnte sich doch auch um einen Schmuggler handeln“, gab Bramme zu bedenken.
„Natürlich! Alles Mögliche ist denkbar, aber deshalb dürfen wir doch den vermuteten Zusammenhang nicht ausschließen.“
„Wir fliegen also morgen nach Houston und treffen uns dort mit den Leuten vom FBI?“
„Ganz genau, wir fliegen nach Houston. Ob wir uns dort mit den Beamten des FBI oder dem CIA treffen, ist aber noch nicht klar.“
Simon trank eine Cola-Flasche aus und entsorgte sie in einem überquellenden Papierkorb.
„Nun mach´ s aber nicht so spannend! Was steckt denn noch hinter der Sache?“
Bramme mochte die bedächtige Art Simons, doch gerade in diesem Moment war die Neugierde, die ihn bei jedem neuen Fall überkam, nicht zu bändigen.
„Der Tote hat sich zwei Namen und Telefonnummern auf die Fußsohle gekritzelt. Erst wenn feststeht, wem diese gehören, entscheidet sich, mit wem wir in Houston sprechen werden.“
Mit einem Stoßseufzer ließ Bramme sich im Stuhl zurückfallen und schüttelte verständnislos den Kopf.
„Die Sache wird ja immer mysteriöser! Weißt du denn wenigstens, wo wir uns treffen?“
„Natürlich weiß ich das! Sheriff Bud Stevenson stellt uns sein Büro in der Red Bluff Road zur Verfügung.“
Auch im Büro des Sheriffs Bud Stevenson hing ein Ventilator an der Decke, der ununterbrochen surrte. Es war ein sonniger, heißer Tag und eigentlich viel zu schade, um ihn in einem muffigen Büro zu verbringen. Brammes Neugierde und die Leidenschaft für seine Arbeit verdrängten aber solche Nachteile. In dieser Hinsicht war er stets sehr großzügig.
Ein Berg von Zetteln stapelte sich auf dem Schreibtisch des Sheriffs. Cola-Flaschen und bis zum Rand gefüllte Aschenbecher rundeten das Bild ab. Um den Schreibtisch herum saßen sechs Personen in abgewetzten Stühlen. Vor jedem lag ein Foto des Ermordeten, und über der Szenerie lag eine interessante Mischung aus Geschäftigkeit und Spannung.
Der Sheriff tupfte sich noch einmal den Schweiß von der Stirn, dann stand er auf und stellte sich als Bud Stevenson vor.
„Darf ich die Herren miteinander bekannt machen? Mister Simon aus Washington ist Chef der Amerikanischen Drogenabwehr, Mister Bramme aus Germany ist ein sehr erfolgreicher Drogenfahnder, ihnen gegenüber sitzen Mister Sokrates vom CIA und Mister Hall vom FBI. Meinen Hilfssheriff und mich kennen Sie ja bereits.“
Hall und Sokrates sahen aus, als ob sie direkt von der Universität kämen: Jung, gepflegt, bebrillt, smart, Durchschnittsgesichter. Bramme musterte sie, und er erinnerte sich mit einem Lächeln daran, welchen Ehrgeiz, welche Ambitionen und welche Träume er selbst in diesem Alter hatte.
„Wir haben es also mit dem FBI und der CIA zu tun?“, stellte Simon stirnrunzelnd fest.
„Ja“, antwortete Stevenson knapp und rückte einen Stoß Papiere vor sich zurecht. „Wir haben nämlich in der Zwischenzeit herausgefunden, wer der Tote ist.“
„Wer ist es denn?“, platzte es aus Bramme heraus, bevor Simon fragen konnte.
„Der Mann heißt Robert Bakov und war viele Jahre lang hier im Lyndon-B.-Johnson-Space-Center beschäftigt.“
„Na und?“, fragte Simon.
„Der Mann war dort in leitender Position tätig“, ergänzte Sokrates. „Man hat ihm den Spitznamen Einstein verpasst, weil er angeblich jedes noch so knifflige Problem lösen konnte.“
„Glauben Sie, dass sein Tod etwas mit Spionage zu tun hat?“ Simon versuchte, einen Anhaltspunkt zu finden.
„Ich halte nichts von Spekulationen. Aber nach all dem, was wir bisher wissen, handelt es sich um einen sehr ungewöhnlichen Fall.“
Simon nickte und es hatte den Anschein, als wolle er die nächste Frage überdenken, doch Bramme kam ihm zuvor.
„Was wissen Sie denn alles?“
Hall klärte ihn umfassend auf.
„Mister Bakov stammt aus Bulgarien, ist aber amerikanischer Staatsbürger. Vor einigen Jahren hat er sich an der Börse verspekuliert. Er hat Kredite aufgenommen, um ins Aktiengeschäft einzusteigen. So wie es aussieht, hat er auf das falsche Pferd gesetzt. Über Nacht war er hoch verschuldet und musste sein Haus verkaufen. Als ihm dann auch noch die Frau weglief, fing er zu saufen an.“
Hall hielt inne und räusperte sich, als sei dies ein zu privates Thema für einen runden Tisch, doch Sokrates nahm ihm das Wort ab und fuhr ungerührt fort:
„Natürlich hat sich das auch auf seinen Beruf ausgewirkt und nach zwei Verwarnungen hat man ihn rausgeschmissen. Der Mann hat zuletzt von der Fürsorge gelebt.“
Simon ließ sich mit einem Seufzer in seinem Stuhl zurückfallen und sah kopfschüttelnd in die Runde. Dabei fing er Brammes betretenen Blick auf.
„Das ist ja geradezu tragisch“, würgte der Deutsche hervor.
„Wir fragen uns nun, wie ein solcher Mann zu den zwei Smaragden kommt, von denen jeder einzelne ein Vermögen wert ist“, warf Hall ein und erntete dafür ein zustimmendes Murmeln.
„Haben Sie eine Vermutung?“, wollte Bramme wissen und lehnte sich ein wenig vor.
„Von Vermutungen halte ich überhaupt nichts!“, war die barsche Antwort.
Es kostete Bramme einige Überwindung, nicht zu explodieren, stattdessen griff er rasch nach dem vor ihm stehenden Wasserglas und hielt so seine Zunge im Zaum.
„Weiß man denn schon, wer hinter den Telefonnummern steckt, die sich Mister Bakov auf seine Fußsohlen gekritzelt hat?“, auch Simons Ton nahm an Schärfe zu.
„Ja“, sagte Sokrates unbeeindruckt und rückte seine Brille zurecht, „eine gehört einem Mister Wilford auf den Cayman Islands, die andere einem Mister Socha auf Trinidad.“
„Und wie soll es nun Ihrer Meinung nach weitergehen?“ Simon wollte Nägel mit Köpfen machen.
„Spionage scheidet unserer Meinung nach aus. Wir haben deshalb kein Interesse an diesem Fall“, stellte Sokrates fest.
„Ich auch nicht!“, bestätigte Stevenson und fuhr mit dem Taschentuch über sein Gesicht.
„Und unsere Ermittlungen beschränken sich ausschließlich auf die Vereinigten Staaten von Amerika“, fügte Hall hinzu.
„So geht das nicht, meine Herren!“ Simon platzte der Kragen und er sprach aus, was auch Bramme dachte. Doch außer einem betretenen Schweigen folgte nichts.
„Darf ich Ihnen einen Vorschlag machen?“, war von Bramme schließlich zu hören. „Mister Simon und ich unterhalten uns mal mit den Herren Socha und Wilford. Sollte sich herausstellen, dass die Drogenmafia mit dem Mord nichts zu tun hat, geben wir den Fall wieder ab.“
Stevenson grunzte zufrieden, was Bramme als Zustimmung deutete.
„Einverstanden!“, kam es von Hall. „Ich schaue mich in der Zwischenzeit mal etwas in Houston um.“
„Danke, Mister Bramme, danke meine Herren!“, sagte Sokrates erleichtert, stand auf und verabschiedete sich eilig. Er hatte wohl Angst, irgendjemand könnte es sich noch einmal anders überlegen. Auch Hall erhob sich. Er und Simon tauschten noch Visitenkarten aus.
„Wir bleiben in Verbindung!“, versicherte Simon halbherzig.
„Aber ja!“
„Meine Herren, ich begleite Sie hinaus“, sagte der Hilfssheriff und verließ mit Hall und Sokrates das Büro.
Simon und Bramme setzten sich wieder. Beide steckten gerade das Foto des toten Bakov ein, als ein junger Mann ziemlich ungestüm zur Tür hereinkam.
„Oh, Mister Hoofnagel!“, rief ihm der Sheriff entgegen, „Sie habe ich ja total vergessen!“
Gary Hoofnagel war schätzungsweise Ende Zwanzig, hatte einen blonden Bürstenhaarschnitt, Sommersprossen und abstehende Ohren. Er trug eine Aktentasche unter dem Arm und schnappte nach Luft.
„Das darf doch nicht wahr sein!“, fauchte Hoofnagel.
Stevenson beugte sich vertrauensvoll zu Simon hinüber und klärte ihn auf: „Mister Hoofnagel ist Versicherungsvertreter...“
Doch der junge Mann protestierte sofort lautstark.
„...aber Sheriff! Ich bin doch kein Versicherungsvertreter! Das sollten Sie so langsam wissen. Ich bin vereidigter Sachverständiger der OPEN SEA INSURANCE COMPANY, kurz OSI genannt.“
Stevenson rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl herum, wischte mal wieder sein Gesicht ab und setzte eine reuige Miene auf.
„Entschuldigung! Sie sehen ja selbst, dass bei mir heute mal wieder der Teufel los ist.“
Und an seine beiden Besucher gewandt sagte er: „Mister Hoofnagel ist im Moment mit der Kollision zweier Schiffe der HOWIE-SHIPPING-COMPANY befasst, die in der letzten Woche in der Galvestone-Bay aneinandergeraten sind.“
Hoofnagel nickte.
„Das Unglück hat fünf Todesopfer und acht zum Teil Schwerverletzte gefordert. Auch der Sachschaden ist beträchtlich: Eine Schaluppe gesunken, ein Frachtschiff erheblich beschädigt. Eine vorsichtige Schätzung dieser Havarie beläuft sich auf sechzig Millionen Dollar!“
Simon pfiff beeindruckt durch die Zähne.
„Bei solchen Beträgen schrillen bei jeder Versicherung automatisch die Alarmglocken.“
„Ja“, meinte Stevenson, „da muss man natürlich mit allen Tricks arbeiten, um die berechtigten Ansprüche der Kunden abzuwehren. Ein Heer von Spezialisten und Anwälten verdient damit sein täglich Brot. Ich wundere mich nur, dass man Sie alleine auf diesen Fall angesetzt hat.“
Hoofnagel richtete sich angriffslustig auf und reckte das Kinn.
„Ich habe immerhin Schiffbau studiert und mein Examen mit Auszeichnung bestanden. Man sagt mir übrigens nach, dass ich ein Wadenbeißer sei, und dass ich mich in jeden Fall mit all meiner Kraft hineinknie.“
„Und was wollten Sie heute von mir?“
„Wie, das wissen Sie nicht mehr? Ich brauche unbedingt einen Beamten, der mir den Zugang zu der Reparaturwerft verschafft. Ich muss den Havaristen mit dem hochtrabenden Namen CARIBBEAN DREAMS begutachten. Die Leute der Howie-Shipping-Company verwehren mir seit Tagen den Zutritt.“
„Hat das nicht Zeit bis morgen? Sie sehen doch, dass ich Besuch habe. Mister Bramme kommt extra aus Deutschland um hier einen Fall aufzuklären“, flunkerte Stevenson.
Schlagartig änderte sich Hoofnagels Gebaren. Er strahlte Bramme richtiggehend an und schien seine Aufgabe plötzlich total vergessen zu haben.
„Oh wie schön! Aus Deutschland! Meine Vorfahren kommen auch aus Deutschland. Wie lange sind Sie denn in Houston, meine Herren? Ich würde mich gerne etwas mit Ihnen unterhalten.“
„Wir fliegen morgen früh wieder “, entgegnete Simon.
„Also haben Sie nur heute Abend Zeit? Darf ich Ihnen unsere Stadt zeigen und Sie zum Essen einladen?“
„Es genügt schon, wenn Sie uns ein gutes Lokal empfehlen.“
Hoofnagel schien darüber nachzudenken.
„Wo wohnen Sie denn?“
„Im Four Seasons.“
„Gut! Ich hole Sie dort um sieben Uhr ab, einverstanden?“
Ohne eine Antwort abzuwarten wandte er sich an den Sheriff:„Ich komme morgen wieder vorbei, Sheriff!“
So ungestüm wie er gekommen war, verließ Gary Hoofnagel das Büro.
„Diese Versicherungsleute sind wie Zecken,“ klagte Stevenson als die Luft rein war.
„Er hat doch selbst zugegeben, dass er ein Wadenbeißer ist“, sagte Bramme lapidar und wiederholte damit nur Hoofnagels Worte.
Am Abend warteten Simon und Bramme in der Lobby auf Gary Hoofnagel. Bramme war von der schmucken Halle tief beeindruckt und ließ es sich nicht nehmen, ein paar Fotos zu schießen. Als er diese Simon unter die Nase halten wollte, zeigte der jedoch kein Interesse und brummte nur. Es war Bramme schon vorher aufgefallen, dass seinem Freund etwas über die Leber gelaufen sein musste.
„Bist du sauer, weil wir jetzt auch noch auf die Cayman Islands und nach Trinidad müssen?“, fragte er vorsichtig und steckte die Kamera weg.
„Keineswegs. Ich wollte da schon immer mal hin.“
„Was hast du dann?“
Bramme kannte seinen Freund als lebensfrohen Menschen. Dieses bockige Verhalten passte gar nicht zu Simon.
„Ich musste unseren Besuch in Kolumbien verschieben und die Flugpläne umkrempeln. Dabei habe ich mir so meine Gedanken gemacht: Man steht morgens in dem festen Glauben auf, einen geordneten Tagesablauf vor sich zu haben, und dann wird alles in einer Sekunde über den Haufen geworfen.“
„Du kennst doch das Sprichwort: Je sorgfältiger der Mensch plant, desto härter trifft ihn der Schlag!“
„Ich bin ja flexibel genug, um das einzusehen, aber ich frage mich, ob es sich in diesem Fall nicht um ein böses Omen handelt. Vielleicht steht unsere Reise unter keinem guten Stern?!“
„Jetzt hör´ aber auf! Ich kenne diese Seite gar nicht an dir. Du bist doch kein Hasenfuß!“
Simon schluckte und Bramme versuchte, ihn in die Realität zurückzuholen.
„Gab es denn bei der Änderung der Reisepläne Probleme?“, fragte er deshalb.
„Nein. Der Commandante in Bogota ist zwar nicht begeistert, weil seine Truppe abmarschbereit in den Startlöchern steht, aber er muss es nehmen wie es kommt. Und unser Flugzeug fliegt, wann wir wollen.“
Bramme wollte etwas erwidern, aber zum Glück erblickte er Gary Hoofnagel, der unter der Tür stand und gekommen war, um sie abzuholen.
Bramme gefiel das Lokal, in das er und Simon geführt wurden, auf Anhieb. Es war gut besucht, duftete nach deftigem, scharfem Essen, nach Holz und Rotwein und war schummrig beleuchtet. Sie setzten sich an einen runden Tisch in einer Ecke, und noch bevor ihnen die Speisekarte gereicht wurde, stellte der Ober eine Karaffe Wasser und Gläser vor sie hin. Mit knurrendem Magen widmeten Bramme und seine Begleiter fortan ihre ganze Aufmerksamkeit der Menükarte.
„Hier gibt es die besten Enchiladas in ganz Texas“, beteuerte Hoofnagel und schnalzte genießerisch mit der Zunge.
„Dann nichts wie her damit! Ich habe einen Riesenhunger!“, sagte Simon und legte die Karte beiseite.
„Mein Freund lebt nach der Devise: Essen macht Spaß, viel Essen macht viel Spaß“, erklärte Bramme und schlug Simon freundschaftlich auf die Schulter, woraufhin beide lachten.
Hoofnagel jedoch lächelte nur milde.
„Bei uns sagt man: Wie man isst, so wiegt man.“
Bevor noch einer darauf antworten konnte, winkte Hoofnagel den Ober herbei und bestellte für jeden eine Spezialitäten-Platte, dazu eine Flasche Sauvignon Blanc. Dann lockerte er die Krawatte und fuhr unbekümmert fort.
„Meine Schwester Amelie wird sich nachher noch zu uns gesellen. Sie besucht einen Abendkurs.“
„Ist sie auch in der Versicherungsbranche tätig?“
„Nein, sie ist Kindergärtnerin.“
Simon räusperte sich und schlug beim Weitersprechen einen geschäftsmäßigen Ton an.
„Es tut mit Leid, dass wir Sie heute von Ihrer Arbeit abgehalten haben.“
Hoofnagel winkte ab.
„Das ist halb so schlimm. Die Howie-Shipping-Company und das havarierte Schiff laufen mir schließlich nicht davon.“
„Da muss es ja ordentlich gekracht haben“, meinte Bramme, „Sie sagten heute Nachmittag, man wolle Sie nicht zu dem beschädigten Schiff lassen?“
„Ja, ich habe schon mehrmals versucht, den Schaden aufzunehmen, aber jedes Mal werde ich abgewimmelt.“ Hoofnagels Gesicht verfinsterte sich angesichts dieser Tatsache. Niederlagen konnte er überhaupt nicht leiden.
„Warum regen Sie sich da auf? Lehnen Sie doch einfach die Regulierung des Schadens ab“, riet ihm Bramme.
„Das ist nicht so einfach. Die Firma ist einer unserer besten Kunden. Ich kann nicht riskieren, dass sie sämtliche Versicherungspolicen bei uns kündigt. Gerade jetzt nicht!“
„Was wollen Sie damit sagen?“, fragte Bramme argwöhnisch.
„Die Gesellschaft hat erst vor kurzem den Besitzer gewechselt. Und neue Besen kehren bekanntlich gut.“
„Kennen Sie die neuen Eigentümer?“
„Nein, noch nicht. Ich weiß nur, dass sie in der Karibik zu Hause sind.“