Ein Held zum Verlieben - Jenny Pergelt - E-Book

Ein Held zum Verlieben E-Book

Jenny Pergelt

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Beschreibung

Jenny Behnisch, die Leiterin der gleichnamigen Klinik, kann einfach nicht mehr. Sie weiß, dass nur einer berufen ist, die Klinik in Zukunft mit seinem umfassenden, exzellenten Wissen zu lenken: Dr. Daniel Norden! So kommt eine neue große Herausforderung auf den sympathischen, begnadeten Mediziner zu. Das Gute an dieser neuen Entwicklung: Dr. Nordens eigene, bestens etablierte Praxis kann ab sofort Sohn Dr. Danny Norden in Eigenregie weiterführen. Die Familie Norden startet in eine neue Epoche! Es war nicht leicht, mit dem Rettungswagen durch den dichten Feierabendverkehr zu fahren. An den meisten Kreuzungen der Münchner Innenstadt stauten sich die Autos in endlos langen Schlangen, die ein Durchkommen fast unmöglich machten. Selbst Blaulicht und lautstarke Sirenen halfen da kaum weiter. Markus Never, der als Feuerwehrmann eigentlich hinter das Lenkrad eines schwergewichtigen Löschfahrzeugs gehörte, schien das allerdings nichts ausmachen. Ruhig und routiniert, als ginge es nicht um Leben und Tod, wich er geschickt anderen Fahrzeugen aus, schlängelte sich durch enge Rettungsgassen oder gab Gas und beschleunigte, wenn es möglich war. So fuhr er Meter um Meter weiter, ohne jede Spur von Stress oder Anspannung. Der Beifahrersitz neben ihm war leer. Rettungssanitäter Jens Wiener kämpfte im Inneren des Wagens um das Leben ihres Patienten. Ein schwerer Schlaganfall, wie der erfahrene Sanitäter vermutete. Jens hatte deshalb entschieden, den Mann schnellstmöglich in die Klinik zu bringen. Seit zwei Wochen fuhr Oberbrandmeister Markus Never nun schon den Rettungswagen. Halbzeit: Noch zwei weitere Wochen, und er würde wieder seinen Dienst bei der Berufsfeuerwehr verrichten. Normalerweise löschte Markus nämlich Brände oder half bei der Bergung von Unfallopfern. Nicht selten mussten er und seine Kollegen dann auch medizinische Notfallmaßnahmen bis zum Eintreffen der Rettungsärzte und Sanitäter übernehmen. Große Probleme bereitete ihnen das nicht. Schließlich hatten alle Feuerwehrleute auch eine zusätzliche Ausbildung zum Rettungssanitäter absolviert. Doch bei den meisten lag das schon etliche Jahre zurück. Hin und wieder die Kenntnisse aufzufrischen, das war deshalb unerlässlich. Und wo war das besser möglich als auf einem Rettungswagen? Markus drosselte das Tempo, als er die Einfahrt zur Behnisch-Klinik nahm.

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Chefarzt Dr. Norden – 1166 –

Ein Held zum Verlieben

Doch taugt er auch als Vater?

Jenny Pergelt

Es war nicht leicht, mit dem Rettungswagen durch den dichten Feierabendverkehr zu fahren. An den meisten Kreuzungen der Münchner Innenstadt stauten sich die Autos in endlos langen Schlangen, die ein Durchkommen fast unmöglich machten. Selbst Blaulicht und lautstarke Sirenen halfen da kaum weiter. Markus Never, der als Feuerwehrmann eigentlich hinter das Lenkrad eines schwergewichtigen Löschfahrzeugs gehörte, schien das allerdings nichts ausmachen.

Ruhig und routiniert, als ginge es nicht um Leben und Tod, wich er geschickt anderen Fahrzeugen aus, schlängelte sich durch enge Rettungsgassen oder gab Gas und beschleunigte, wenn es möglich war. So fuhr er Meter um Meter weiter, ohne jede Spur von Stress oder Anspannung.

Der Beifahrersitz neben ihm war leer. Rettungssanitäter Jens Wiener kämpfte im Inneren des Wagens um das Leben ihres Patienten. Ein schwerer Schlaganfall, wie der erfahrene Sanitäter vermutete. Jens hatte deshalb entschieden, den Mann schnellstmöglich in die Klinik zu bringen.

Seit zwei Wochen fuhr Oberbrandmeister Markus Never nun schon den Rettungswagen. Halbzeit: Noch zwei weitere Wochen, und er würde wieder seinen Dienst bei der Berufsfeuerwehr verrichten. Normalerweise löschte Markus nämlich Brände oder half bei der Bergung von Unfallopfern. Nicht selten mussten er und seine Kollegen dann auch medizinische Notfallmaßnahmen bis zum Eintreffen der Rettungsärzte und Sanitäter übernehmen. Große Probleme bereitete ihnen das nicht. Schließlich hatten alle Feuerwehrleute auch eine zusätzliche Ausbildung zum Rettungssanitäter absolviert. Doch bei den meisten lag das schon etliche Jahre zurück. Hin und wieder die Kenntnisse aufzufrischen, das war deshalb unerlässlich. Und wo war das besser möglich als auf einem Rettungswagen?

Markus drosselte das Tempo, als er die Einfahrt zur Behnisch-Klinik nahm. Die Zentrale hatte ihr Kommen bereits angekündigt. Deshalb wunderte er sich nicht, Dr. Berger, den leitenden Notfallmediziner, und zwei Schwestern dort zu sehen. Kaum hatte Markus angehalten, eilte Erik Berger zum Heck des Rettungswagens und riss die Türen auf.

»In den Schockraum mit ihm«, entschied er nach einem kurzen Blick auf den bewusstlosen Patienten.

Der Schockraum der Aufnahme war mit allen nötigen medizinischen Geräten ausgestattet, um schwere Notfälle zu versorgen und sie zu stabilisieren, damit sie in den OP oder auf die Intensivstation gebracht werden konnten.

Dem Patienten ging es zunehmend schlechter, sodass sie den Weg bis zum Schockraum im Laufschritt zurücklegten. Hier wurde er sofort an die Überwachungsgeräte angeschlossen.

»65 Prozent Sauerstoffsättigung«, las Schwester Anna vom Oximeter ab.

»Intubation«, ordnete Erik Berger an. Nur Sekunden später führte er mit routinierten Handgriffen einen Schlauch in die Luftröhre des Mannes ein und schloss ihn an das Beatmungsgerät an.

Dr. Daniel Norden, der Chefarzt der Behnisch-Klinik, kam dazu. »Die Intensivstation weiß Bescheid«, informierte er. »Wenn er halbwegs stabil ist, kann er gleich hoch.«

Für die Männer vom Rettungsdienst war ihre Arbeit hier beendet. Das war ihre letzte Fahrt gewesen, und für sie begann nun der Feierabend. Als sie einen kurzen Abschiedsgruß in den Raum warfen, sagte Erik Berger: »He, wenn Sie noch ein bisschen Zeit haben, genehmigen Sie sich doch einen Kaffee in der Cafeteria. Und schlagen Sie unbedingt bei den Zimtschnecken zu. Die sind heute besonders gut. Ich lade Sie ein.«

Anna warf ihrer Kollegin Inga Lundmann einen bezeichnenden Blick zu, während sie eine Infusion anschloss.

»Nun lassen Sie mal gut sein, Herr Berger«, erwiderte Jens Wiener grinsend. »Sie müssen uns nicht jedes Mal einladen, wenn wir hier auftauchen. Sie werden sowieso auf ewig in unserer Schuld stehen.«

»Toll, dass Sie darauf auch noch rumreiten müssen«, grummelte Berger, ohne von seiner Arbeit aufzusehen. »Und nun verschwinden Sie endlich, damit ich hier in Ruhe weitermachen kann. Und was meine Schulden betrifft: Dies war meine letzte Einladung. Jetzt ist Schluss!«

»Ja, ja, das haben Sie beim letzten Mal auch schon gesagt«, lachte Jens beim Hinausgehen. Auf dem Flur fragte er Markus: »Wollen wir den Zimtschnecken eine Chance geben? Du weißt, wie toll die schmecken.«

»Klar, aber wir bezahlen unsere Rechnung selbst. Berger muss mit diesem Blödsinn endlich aufhören.«

»Wird er schon. Keine Sorge. Du bist zu selten in der Notaufnahme, um ihn so gut zu kennen wie ich. In spätestens ein oder zwei Wochen ist er wieder der alte Stinkstiefel.« Jens Wiener überlegte kurz und sagte dann lächelnd: »Eigentlich ist er das jetzt schon. Er kann nur nicht den Gedanken ertragen, jemandem etwas schuldig zu sein.«

»So ein Blödsinn! Wir hatten damals doch nur unsere Arbeit gemacht.«

Das sah Dr. Daniel Norden auch so. Vor einiger Zeit hatten die Männer von der Rettungswache und der Feuerwehr in einer dramatischen Aktion Erik Berger aus den Trümmern eines eingestürzten Hauses geborgen. Stundenlang hatte er dort schwerverletzt ausharren müssen, bis er endlich befreit werden konnte.

Zwei Monate waren seitdem vergangen, und Erik Berger hatte sich erstaunlich schnell von seinen Verletzungen erholt. Seit wenigen Wochen arbeitete er sogar wieder in seiner geliebten Aufnahme. Vorerst nur für einige Stunden am Tag, doch schon bald würde ihn niemand mehr davon abhalten können, sich wieder voll einzubringen. Ja, körperlich hatte er sich gut erholt, aber dass das traumatische Erlebnis noch immer an ihm nagte, blieb Daniel Norden nicht verborgen.

Nachdem Daniel zusammen mit Erik Berger den Patienten auf der ITS abgeliefert hatte, bat er seinen Notfallmediziner für ein kurzes Gespräch in sein Büro. Sofort wurde Erik misstrauisch. Es bedeutete selten etwas Gutes, wenn sein Chef ihn sprechen wollte.

Daniel konnte sich ein amüsiertes Lächeln nicht verkneifen, als er sah, wie Berger sofort in Abwehrhaltung ging. »Entspannen Sie sich, Herr Kollege. Ich möchte mich einfach nur mit Ihnen unterhalten. Ein ganz normales Mitarbeitergespräch, das schon längst mal wieder fällig ist und für das es keinen besonderen Anlass gibt. Ich bin mir sicher, dass Frau Baumann uns einen guten Kaffee macht und ein paar von ihren Schokoladenkeksen spendiert.«

Berger brummelte irgendetwas Unverständliches, fügte sich aber in sein Schicksal und folgte Daniel in dessen Büro. Daniel war sich nicht sicher, ob er das seiner Autorität als Chefarzt zu verdanken hatte oder der Aussicht auf Kaffee und Kekse.

Daniel Norden hatte seinem Mitarbeiter nicht zu viel versprochen. Nur wenig später hatten die beiden Männer ihren heißen Kaffee vor sich stehen und einen Teller mit Keksen, die verführerisch nach dunkler Schokolade dufteten.

»Wie geht es Ihnen eigentlich, Herr Berger?«, kam Daniel gleich zum Punkt. »Konnten Sie sich gut eingewöhnen? Gibt es Probleme?«

»Sagen Sie es mir«, knurrte Berger. »Haben Sie den Eindruck, ich habe in meiner Arbeit nachgelassen und bin nicht fit genug für meinen Job?«

»Nein, überhaupt nicht«, entgegnete Daniel ruhig. »Ihr Unfall hat nichts daran ändern können, dass Sie noch immer der beste Notfallmediziner sind, den ich kenne. In der nächsten Woche endet offiziell Ihre Wiedereingliederung, und Sie werden dann wieder in Vollzeit arbeiten. Falls Sie sich dem gewachsen fühlen. Falls nicht, können wir auch …«

»Natürlich fühle ich mich dem gewachsen«, unterbrach ihn Berger beleidigt. »Mir geht es ausgezeichnet. Meine Verletzungen sind vollständig verheilt und bereiten mir keine Schwierigkeiten.«

»Und wie sieht es mit den Verletzungen aus, die für uns nicht sichtbar sind?«, fragte Daniel behutsam nach. Es war das erste Mal, dass er diese Frage so direkt stellte. Er wusste, dass das seinem Mitarbeiter nicht gefiel. Erik Berger sprach nie über persönliche Dinge oder seine Gefühle.

»Sie jetzt auch noch, Chef? Reicht es denn nicht, dass mich Ihre Frau deswegen ständig nervt?«

»Wir machen uns halt Sorgen und möchten …«

»Brauchen Sie nicht! Mir geht es super! Ich habe einen gesunden Appetit, schlafe ohne Albträume und stehe nicht vor einem Nervenzusammenbruch. Es sei denn, Sie oder Ihre Frau bringen mich dazu!« Erik war aufgesprungen und hatte sich vor Daniels Schreibtisch aufgebaut. »Warum interessieren sich bloß alle so für mein Befinden? Habe ich Ihnen jemals Anlass gegeben, meine geistige Gesundheit infrage zu stellen?«

Daniel zog die Augenbrauen hoch. »Vor oder nach Ihrem Unfall?«

»Ha, ha, sehr witzig, Chef.«

»Herr Berger, seien Sie nicht so empfindlich und setzen Sie sich wieder. Sie haben doch noch nicht mal Ihren Kaffee ausgetrunken.«

Für ein paar Sekunden schien Erik Berger ernsthaft darüber nachzudenken, aus dem Chefarztbüro zu stürmen. Daniel war froh, dass er sich schließlich dagegen entschied und wieder auf seinem Stuhl Platz nahm.

»Aber nur, um Frau Baumann nicht zu beleidigen«, knurrte er leise und bediente sich an den Schokokeksen. Kauend wollte er dann wissen: »Meine Frage vorhin meinte ich übrigens ernst. Wie kommen Sie nur darauf, dass ich noch unter den Auswirkungen der Explosion leide?«

Daniel war froh, dass sich Erik Berger auf diese Unterhaltung einlassen wollte. »Nun, zum einen liegt es einfach auf der Hand. Immerhin waren Sie in einem kalten, finsteren Loch eingesperrt gewesen und mussten nicht nur furchtbare Schmerzen erdulden, sondern auch die Einsamkeit und die Ungewissheit, ob Sie es lebend wieder hinausschaffen würden.«

Berger zuckte gleichgültig die Schultern und griff erneut bei den Keksen zu, für die er eine heimliche Leidenschaft entwickelt hatte. »Hab’ ich überstanden, und die Erinnerungen daran machen mir nichts aus«, behauptete er leichthin. »Und was gibt’s noch?«

Da Erik anscheinend bester Stimmung war, sprach Daniel aus, was ihn seit einer Weile beschäftigte: »Wenn alles wieder in ­Ordnung ist und Sie den Vorfall nüchtern und abgeklärt betrachten können, wundert es mich, dass Sie meinen, irgendwelche Schulden abtragen zu müssen.«

»Keine Ahnung, was Sie damit meinen«, gab Erik halbherzig zurück.

»Natürlich wissen Sie das. Sobald Ihnen jemand über den Weg läuft, der an Ihrer Rettung beteiligt war, laden Sie ihn zu Kaffee und Kuchen in die Cafeteria ein. Bitte kommen Sie gar nicht erst auf die Idee, das abzustreiten. Ich habe es vorhin selbst erlebt.«

Erik schloss den Mund wieder, den er bereits mit einem Widerspruch auf seinen Lippen geöffnet hatte, und Daniel fuhr fort: »Sie wissen doch, dass damals alle nur ihre Arbeit gemacht haben. Es besteht also kein Grund zu lebenslanger Dankbarkeit. Stellen Sie sich nur vor, alle Patienten, denen Sie im Laufe der Jahre das Leben gerettet haben, würden sich so benehmen wie Sie! Mal davon abgesehen, dass die Arbeit in der Notaufnahme vor lauter Dankesbekundungen zum Erliegen käme, würden Sie das Ganze auch als unsinnig abtun.«

»Das ist doch wohl etwas ganz anderes«, protestierte Berger schwach.

»Nein, ist es nicht, und das wissen Sie auch. Also hören Sie endlich damit auf.«

»Und wenn nicht, was wollen Sie dann machen? Sie können mir ja schlecht verbieten, ein paar Freunde zum Kaffee einzuladen.«

Daniel hätte beinahe laut aufgelacht. Normalerweise legte Erik Berger großen Wert darauf festzustellen, dass er für Freundschaften absolut nichts übrighatte.

»Was ist denn?«, fragte Erik, als Daniel dazu nichts sagte, sondern sich nur schmunzelnd in seinem Stuhl zurücklehnte. »Warum sehen Sie mich so komisch an? Darf ich keine Freunde haben?«

Er schien keine Antwort zu erwarten, denn ehe Daniel etwas sagen konnte, stand Erik auf. Er schnappte sich den Teller mit den restlichen Schokokeksen und sagte: »Ich muss wieder in die Aufnahme. Ich kann schließlich nicht den ganzen Tag hier rumsitzen und Kaffee trinken.« Und schon war er verschwunden.

*

Markus Never und Jens Wiener hatten in der Cafeteria der Behnisch-Klinik neben ihrem wohlverdienten Feierabend auch die ofenwarmen Zimtschnecken genossen und gingen nun zum Rettungswagen zurück.

»Hast du auf der Wache Bescheid gesagt, dass wir später kommen? Wäre blöd, wenn man einen Suchtrupp nach uns losschicken würde.«

»Natürlich hab’ ich das gemacht«, erwiderte Jens leicht gekränkt. »Ich vergesse nie etwas!«

Markus grinste, als er den Wagen aufschloss und ein Paar Herrenschuhe entdeckte, die dort ganz offensichtlich nicht hingehörten. Er hob sie hoch und fragte belustigt: »Du vergisst nie etwas? Und was ist mit diesen Schuhen? Wenn ich mich nicht sehr irre, gehören sie unserem letzten Patienten.«

Jens Wiener stöhnte genervt auf. »Kann ja mal passieren bei der ganzen Hektik. Gib schon her, ich bring’ sie in die Aufnahme.«

In diesem Moment klingelte sein Handy.

»Geh ran. Ich übernehme die Schuhe für dich.« Markus ließ seinem Freund keine Zeit, darauf zu reagieren, sondern machte sich mit den Schuhen in der Hand auf den Weg in die Aufnahme. Er hörte noch, wie Jens ihm ein Dankeschön hinterherrief, und bekam dafür prompt ein schlechtes Gewissen. So selbstlos und uneigennützig, wie es schien, war sein Angebot nicht. In Wahrheit fand er es sogar ausgesprochen gut, dass er noch einmal in die Notaufnahme gehen konnte. Schwester Inga hatte heute nämlich Spätdienst. Und für Schwester Inga hatte Markus eine große Schwäche. Ihr jetzt die Schuhe des Patienten zu bringen, war eine wunderbare Gelegenheit, sie noch einmal wiederzusehen. Außerdem … Wer konnte schon wissen, was vielleicht passieren würde? Womöglich hatte er ja diesmal Glück, und sie würde sich endlich mit ihm verabreden? Oft genug gefragt hatte er sie ja schon. Doch bisher hatte sie ihn immer abgewiesen.

Markus hatte die Dreißig bereits überschritten und sehnte sich nach dem, was viele seiner Kollegen und Freunde längst besaßen: eine liebevolle Ehefrau und eine Handvoll Kinder. Leider sah es nicht so aus, als würde sich sein Wunsch bald erfüllen. Nicht, dass es ihn an Angeboten mangeln würde. Markus war ein ausgesprochen gutaussehender Mann mit markanten Gesichtszügen, blonden Haaren, ausdrucksstarken blauen Augen und einem charmanten Lächeln, bei dem die meisten Frauen dahinschmolzen. Doch die eine, auf die es ihn ankam und die ihn bis in seine Träume verfolgte, gehörte leider nicht dazu. Schwester Inga aus der Notaufnahme der Behnisch-Klinik interessierte sich weder für ihn noch für sein umwerfendes Lächeln. Sie ignorierte ihn oder bedachte ihn mit einem kühlen, abschätzenden Blick, sodass er sich wie ein kleiner Schuljunge fühlte, der etwas ausgefressen hatte. So wie jetzt.

»Sind das etwa die Schuhe von dem letzten Patienten?«, fragte Inga streng.

»Äh, ja …«, stammelte Markus. »Wir hatten sie im Rettungswagen vergessen.«