Cherringham - Das Geheimnis von Mogdon Manor - Matthew Costello - E-Book

Cherringham - Das Geheimnis von Mogdon Manor E-Book

Matthew Costello

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Beschreibung


Digitale Romanserie. Folge 2.

Der Eigentümer des herrschaftlichen Mogdon Manor stirbt bei einem mysteriösen Feuer. Ein tragischer Unfall? Jack und Sarah bezweifeln das ...

Als mögliche Erben kommen die drei erwachsenen Kinder des Opfers in Frage. Hat einer von ihnen das Feuer gelegt, um frühzeitig an sein Erbe zu kommen?

»Cherringham - Landluft kann tödlich sein« ist eine Cosy Crime Serie in der Tradition des klassischen englischen Krimis für Fans von Miss Marple und Sherlock Holmes!

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.

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Seitenzahl: 137

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Inhalt

Cover

Cherringham – Landluft kann tödlich sein – Die Serie

Über die Autoren

Die Hauptfiguren

Das Geheimnis von Mogdon Manor

Impressum

1. Der Dachboden

2. Asche zu Asche

3. Ein tragischer Unfall

4. Feuer und Rauch

5. Das alte Herrenhaus

6. Das Dachzimmer

7. Ein Ausflug in die Stadt

8. Ein trautes Paar

9. Nichts und wieder nichts

10. Sachwerte

11. Eine Frage der Elektrik

12. Nacht über Cherringham

13. Verborgene Schätze

14. Blindekuh

15. Zwei und zwei

16. Wozu hat man Freunde?

17. Wo ein Wille ist …

18. Wer weiß was?

19. Besuch aus Bombay

In der nächsten Folge

Cherringham – Landluft kann tödlich sein – Die Serie

»Cherringham – Landluft kann tödlich sein« ist eine Cosy Crime Serie, die in dem vermeintlich beschaulichen Städtchen Cherringham spielt. Jeden Monat erscheint sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch ein spannender und in sich abgeschlossener Fall mit dem Ermittlerduo Jack und Sarah.

Über die Autoren

Matthew Costello ist Autor erfolgreicher Romane wie Vacation (2011), Home (2014) und Beneath Still Waters (1989), der sogar verfilmt wurde. Er schrieb für verschiedene Fernsehsender wie die BBC und hat dutzende Computer- und Videospiele gestaltet, von denen The 7th Guest, Doom 3, Rage und Pirates of the Caribbean besonders erfolgreich waren. Er lebt in den USA.

Neil Richards hat als Produzent und Autor für Film und Fernsehen gearbeitet sowie Drehbücher für die BBC, Disney und andere Sender verfasst, für die er bereits mehrfach für den BAFTA nominiert wurde. Für mehr als zwanzig Videospiele hat der Brite Drehbuch und Erzählung geschrieben, u.a. The Da Vinci Code und, gemeinsam mit Douglas Adams, Starship Titanic. Darüber hinaus berät er weltweit zum Thema Storytelling.

Bereits seit den späten 90er Jahren schreibt er zusammen mit Matt Costello Texte, bislang allerdings nur fürs Fernsehen. Cherringham ist die erste Krimiserie des Autorenteams in Buchform.

Die Hauptfiguren

Jack Brennan ist pensioniert und frisch verwitwet. Er hat jahrelang für die New Yorker Mordkommission gearbeitet. Alles, was er nun will, ist Ruhe, und da scheint ihm ein Hausboot im beschaulichen Cherringham in den englischen Cotswolds als Alterswohnsitz gerade richtig. Doch etwas fehlt ihm: das Lösen von Kriminalfällen. Etwas, das er einfach nicht sein lassen kann.

Sarah Edwards ist eine 38-jährige Webdesignerin und führte ein perfektes Leben in London samt Ehemann und zwei Kindern. Dann entschied sich ihr Mann für eine andere. Mit den Kindern im Schlepptau versucht sie nun in ihrer Heimatstadt Cherringham ein neues Leben aufzubauen. Das Kleinstadtleben ist ihr allerdings viel zu langweilig. Doch dann lernt sie Jack kennen …

Matthew CostelloNeil Richards

CHERRINGHAM

LANDLUFT KANN TÖDLICH SEIN

Das Geheimnis von Mogdon Manor

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

beTHRILLED

Digitale Neuausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Copyright © 2014/2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Dr. Arno Hoven

Lektorat/Projektmanagement: Sarah Pelekies

Titelillustration: © shutterstock: Buslik | xpixel | Shelli Jensen

Titelgestaltung: Jeannine Schmelzer

eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-5262-7

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

1. Der Dachboden

Victor Hamblyn saß in seinem Lehnsessel; die eine knorrige Hand umklammerte das klauenförmige Ende einer Armlehne, und in der – recht zittrigen – anderen hielt er ein Kristallglas mit Sherry.

Es war egal, dass der Inhalt des Glases recht winzig zu sein schien. Victor hatte in diesem zugigen Haus – seinem trauten Heim – an verschiedenen Stellen noch Vorräte versteckt.

Wenn er sich doch nur erinnern könnte, wo.

In diesem Moment steckte die allzeit muntere Hope, Victors überaus duldsame Haushälterin und Krankenschwester, ihren Kopf zur Tür herein. »Ich bin dann weg, Mr. Hamblyn. Bis morgen früh in alter Frische!«

Ihre Schritte hallten auf den alten Steinfliesen in der Diele. Dann hörte Victor, wie die schwere Vordertür ins Schloss fiel.

Nun war er allein. Vermutlich würde irgendwann die Zeit kommen, in der er jemanden benötigte, der ihn ins Bett brachte. Erstaunlicherweise war eine solche Hilfe trotz seiner einundneunzig Jahre noch nicht notwendig, und er würde sein Bestes geben, um diesen ultimativen Verlust seiner Würde möglichst lange hinauszuzögern. Er trank einen Schluck Sherry.

Der Likörwein war gut. Nicht überragend, aber dieser Tage konnte Victor sich nichts leisten, das auch nur annähernd von überragender Qualität war. Doch wie er schon in jungen Jahren zu sagen pflegte, wenn er billigen Gin mit Tonic im Raj Club hinunterschluckte: Trinkbar ist das auch.

Natürlich war damals alles trinkbar, ausgenommen Wasser, denn das konnte einen im buchstäblichen Sinne des Wortes töten. Wasser und jede Form von ungekochter Nahrung.

Ob sich diese Dinge in Indien wohl inzwischen geändert hatten?

Manchmal fragte er sich, wie es heute dort sein mochte. Indien, das Land seiner Jugend, galt mittlerweile als aufstrebende Wirtschaftsmacht, während sich das nicht mehr so großartige Großbritannien leidlich durchwurstelte.

Noch ein Schluck, und das Glas Sherry war zur Hälfte ausgetrunken. Ein bescheidenes Vergnügen … Ja, genau das war ein Sherry. Das und die eigenen Erinnerungen.

Die alte Standuhr in der Diele schlug. Sie ging immer noch, obwohl sie dazu neigte, jeden Tag einige Minuten zu verlieren. Aber den tiefen, dröhnenden Klang hatte sie beibehalten! Auch der gehörte zu den schlichten Freuden.

Nach einem letzten Schluck stellte Victor das Glas mit zittriger Hand ab. Er saß in dem Lehnsessel recht hoch und wurde von zusätzlichen Kissen im Rücken gestützt, die ihm das Aufstehen erleichterten.

Nun drückte er beide Hände auf die Armlehnen und …

Geschafft!

Dann machte Victor Hamblyn sich langsam auf den Weg zur Treppe.

Es war Jahre her, seit er die große Treppe zuletzt erklommen hatte.

Ohne die hässliche Vorrichtung, auf deren Anschaffung Hope bestanden hatte, würde es ihm inzwischen schwerfallen, nach oben zu kommen.

»Dafür sollen mal schön Ihre Kinder bezahlen, Mr. Hamblyn«, hatte sie geschimpft. »Es ist eine Schande, dass Sie sich so abmühen müssen!«

Und bald darauf, nach dem unvermeidlichen Gemeckere, war die Vorrichtung installiert worden.

Hope war es gar nicht recht gewesen, ihn diese Tätigkeit allein bewältigen zu lassen. Doch nachdem er ihr vorgeführt hatte, dass er sehr wohl auf den Sitz steigen und den Gurt anlegen konnte, der ihn während der Fahrt nach oben sicherte, war sie einverstanden gewesen, ihn vor dem Zubettgehen zu verlassen.

Nun, da er fest angeschnallt war, drückte er den Knopf, und mit einem lauten Surren setzte sich der Treppenlift in Bewegung.

Ich könnte die Treppe gewiss zu Fuß schaffen, dachte er. An einem guten Tag – oder einem guten Abend.

Die Sache war nur, dass er nie wusste, ob er einen guten Tag oder Abend hatte. Der dämliche Treppenlift war wenigstens verlässlich.

Während der Fahrt nach oben hatte Victor eine gute Sicht auf die Familienporträts, deren Rahmen stellenweise abblätterten und von einer dicken Staubschicht belegt waren. Die Farben waren im Laufe der Zeit dunkler geworden, in der die Hamblyn-Generationen aus einer wirtschaftlich rosigeren Epoche beständig Neues gefunden hatten, auf das sie tadelnd herabblicken konnten.

Der Treppenlift hielt an und drehte sich etwas zur Seite, sodass Victor den Gurt lösen und vom Sitz hinuntergleiten konnte. Gleichzeitig schaltete er eine Lampe im Flur an. Er benutzte eigentlich nur noch dieses eine Licht anstelle der helleren Deckenbeleuchtung, um seine ohnedies schon horrende Stromrechnung nicht noch weiter in die Höhe zu treiben. Und wie an den meisten Abenden wurde der Gedanke, kurz ins Bad zu gehen und dann unter die Bettdecke zu schlüpfen, mit jedem Schritt reizvoller.

Er schlief bei brennendem Licht. Aus unerfindlichen Gründen hielt ihn die Helligkeit nicht wach, auch wenn er keine Schlafmaske trug.

Der sanfte gelbe Schein seiner Nachttischlampe verlieh dem düsteren Schlafzimmer beinahe etwas Heimeliges, und das ungeachtet des abgewetzten Teppichs, der vergilbten Lehnenschoner auf dem eher unbequemen Sessel und der bis zur Decke reichenden Fenster, durch die man den dunklen Weg draußen überblicken konnte. Er führte von der Dorfstraße zum Kreisel gleich vor dem Haus und war jetzt schon von Herbstlaub bedeckt.

Ja, auch die Garten- und Grundstückspflege hatte auf ein Minimum reduziert werden müssen. Victor konnte es sich nicht leisten, die Gartenfirma häufiger als einmal pro Monat kommen zu lassen.

Was soll’s, dachte er. Ich gehe ja sowieso nie raus.

Dann fiel ihm etwas Witziges ein. Er konnte schon immer Leute zum Lachen bringen, sogar sich selbst.

Und er dachte: … solange die Blätter nicht hier reinwehen!

Hierüber musste er schmunzeln, und dann merkte er, wie er langsam einschlief.

Der sanfte Übergang in den Schlummer, ähnlich einem Hinabgleiten auf einem samtigen Hügel, wurde leider jäh unterbrochen.

Schuld daran war ein seltsamer Geruch. Victor schnaufte, als könnte das den Gestank vertreiben. Stattdessen machte es ihn noch stärker, und Victor riss die Augen auf, als ihm plötzlich bewusst wurde, was er roch.

Feuer. Etwas brannte.

Nun rappelte er sich mühsam in eine sitzende Stellung auf, um sich im Schlafzimmer umzusehen.

Hier war nichts. Kein Feuer. Aber irgendwo in diesem riesigen Haus brannte es.

Victor griff nach dem klobigen Handy mit der extragroßen Tastatur, das immer neben seinem Bett lag.

Er drückte einen Knopf – so wie er es schon zuvor getan hatte, bei den anderen Malen.

Eine Stimme meldete sich, und Victor sagte: »Hier ist Victor Hamblyn aus Cherringham, Mogdon Manor, und -«

»Ja, Mr. Hamblyn, wir sehen, dass Sie es sind. Gibt es ein Problem?«

»Ja! Ein Feuer!«

»Wir sind unterwegs. Können Sie aus dem Haus kommen?«

Victor nickte. Es war ihm in diesem Moment nicht bewusst, dass man seine Kopfbewegung am anderen Ende der Verbindung nicht hören konnte.

Er dachte nicht einmal an die Worte, die gesprochen wurden, denn plötzlich beherrschte ihn ein einziger Gedanke.

Er ließ das Telefon auf die Decken fallen, woraufhin die Stimme der Vermittlung nur noch gedämpft zu hören war, und kämpfte sich aus dem Bett. Ohne seine Hausschuhe überzuziehen, machte er sich auf den Weg in den Flur.

Vor seinem Zimmer wirbelten kleine Rauchfahnen durch die Luft. Victor wandte den Kopf nach links und rechts, um zu sehen, wo der Qualm herkam, doch es war nicht zu erkennen. Der schwärzliche Rauch schien überall zu sein, wie ein Fluss, der ihm bis zu den Knöcheln und von dort höher und höher stieg.

Vom oberen Treppenabsatz aus konnte er einen Wasserfall aus Qualm sehen, der zur Diele hinabquoll.

Doch anstatt die Stufen hinunterzusteigen und zur Tür zu gehen, durch die er sich in Sicherheit bringen könnte, drehte sich Victor, so schnell er konnte, um und eilte zu einer Tür auf halbem Wege den Flur hinunter. Er zog einen Schlüssel aus der Tasche seines Morgenmantels und schloss die Tür auf. Drinnen tastete er nach dem Lichtschalter.

»Gott … verdammt!«

Seine trägen Finger brauchten einen Moment, bis sie den Schalter erwischten. Im selben Moment tauchte eine einfache Holztreppe vor ihm auf, die zu einer Dachkammer führte. Stufen! Victor war schon so lange keine Treppen mehr gestiegen. Jetzt musste er nach oben in das Zimmer, und das schnell.

Aber war das überhaupt möglich?

Er umklammerte das dünne Holzgeländer, stellte einen nackten Fuß auf die unterste Stufe und begann sich mühsam hinaufzuschleppen. Wie ein greiser Bergsteiger auf dem Mount Everest stellte er einen Fuß vor den anderen und spürte dabei, wie mit jedem qualvollen Schritt seine Atmung flacher wurde. Bald schmerzten seine Beinmuskeln, die eine solche Belastung nicht mehr gewohnt waren.

Doch er ging weiter, sogar als er jemanden hörte – weit weg und verzerrt -, der nach ihm rief.

»Dad!« Dann wieder: »Dad!«

Victor ignorierte das Rufen und stieg weiter. Es waren nur noch wenige Stufen zu gehen, danach kam eine weitere Tür und hinter der ein zweiter Lichtschalter, der ertastet werden musste. Er würde gleich da sein. Inzwischen waren mehr Geräusche von unten zu hören: Sirenen. Die Feuerwehr war eingetroffen.

Victor stand an der Tür. Obwohl ihm vom Aufstieg schwindlig war, gelang es ihm, den Knauf zu drehen und den Raum zu betreten. Blind klopfte er die Wand rechts von sich ab und erwischte tatsächlich den Lichtschalter.

Als er in das Zimmer ging, stach ein Holzsplitter in seinen rechten Fuß, doch Victor beachtete es nicht.

Hier oben wurden die Geräusche von unten zu einem schwachen Murmeln. Er blickte sich um – vergaß für einen Moment, wohin er sehen musste, denn er war verwirrt. Es war ewig her, seit er hier oben gewesen war.

Wo war es? Das grelle Licht blendete Victor und warf lange Schatten.

»Wo?«, fragte er laut und versetzte sich mit seiner Verzweiflung selbst in Angst und Schrecken.

Die Schatten bekamen eine gräuliche Tönung, und Victor wurde bewusst, dass er hustete. Dann schien eine Ecke des großen Dachbodenraums im Nebel zu verschwinden, der, wie Victor rasch begriff, gar kein Nebel war. Der Rauch war ihm hierher gefolgt.

Er stieg neben ihm auf, schlängelte sich weiter in das Zimmer hinein und kroch seine Beine hinauf, während Victor immer wieder hustete.

Die Feuerwehrleute müssten eigentlich schon im ersten Stock sein und in Victors Schlafzimmer nach ihm suchen. Wie lange würde es dauern, bis sie hier oben waren?

Unter seinem ständigen Husten krümmte Victor sich, presste sich seine faltige Hand auf den Mund. Er sank auf die Knie, und dann, als ganze Teile des Raumes verschwanden, war für Victor nichts anderes mehr da als Nebel.

2. Asche zu Asche

Sarah blickte hinüber zu Hope Brown, deren gesamte Aufmerksamkeit dem jungen Vikar der St. James Church galt. Der Geistliche sah gerade ein weiteres Mal auf seine Armbanduhr. Sarah fröstelte, und sie bereute es, ihren Wintermantel zu Hause gelassen zu haben. Allerdings hatte sie ja auch nicht vorgehabt, heute Nachmittag zu einer Beerdigung zu gehen.

Nur wenige Leute waren um den Sarg versammelt, der nahe einem offenen Grab im äußersten Winkel des alten Friedhofs stand. Genau genommen waren es, außer den unmittelbaren Angehörigen, nur die wenigen Frauen, die regelmäßig in die Kirche gingen und wahrscheinlich keine Veranstaltung der St. James Church versäumten. Hartgesotten, diese Frauen, dachte Sarah. Denn obgleich die alte Kirche in der Dorfmitte stand, schienen die Herbstwinde sie stets zielsicher zu treffen; und die große alte Eibe daneben raschelte unaufhörlich.

»Um Gottes willen«, murmelte der Mann neben Sarah. Sie kannte ihn von früher: Es war Dominic, einer von Victor Hamblyns Söhnen. Er war in den frühen Fünfzigern und hatte im Ort seit Langem den Ruf, mit Geld nur so um sich zu schmeißen.

Auf der Höhe des Wirtschaftsaufschwungs war der Champagner bei ihm in Strömen geflossen, und Dominic hatte Fünfzigpfundscheine wie Konfetti verstreut. Aus seinem leicht orangenen Teint folgerte Sarah, dass er sich neuerdings eher um seine künstliche Sonnenbräune kümmerte.

Neben ihm stand seine Frau Vanessa, Miteigentümerin von Coole Solutions, dem vermeintlich trendigen, auf jeden Fall aber teuersten Laden für Innenausstattung im Dorf. Sie hatte weit aufgerissene Augen – so als ob sie explodieren würde, sollte sie noch eine Minute länger hierbleiben müssen.

Ihnen gegenüber auf der anderen Seite des Grabes stand Susan Hamblyn in einem strengen grauen Kostüm, wie es nur verkniffene Buchhalterinnen tragen konnten. Während des kurzen Trauergottesdienstes hatte Sarah staunend beobachtet, wie Susan auf ihr Handy eintippte. Sicher hatte sie E-Mails geschrieben.

Und direkt neben Sarah stand das letzte Mitglied der eigentlichen Trauergemeinde: ihre Freundin Hope. Sarah stellte Blickkontakt zu ihr her, und Hope verdrehte die Augen, was wohl so viel hieß wie: Siehst du, was ich alles ertragen muss?

Sarah hatte sich kurzfristig bereit erklärt, Hope zum Begräbnis des alten Mannes zu begleiten, der von ihr gepflegt worden war.

Dreimal täglich hatte Hope nach Victor gesehen und den alten Mann mit der Zeit lieb gewonnen.

»Er war schon wunderlich, komisch irgendwie, weißt du?«, hatte sie Sarah erzählt. »Aber er hatte auch was richtig Liebes an sich.«

Was seine Sprösslinge und deren rare Besuche anbelangte, wusste Hope nichts Nettes zu berichten.

Und Sarah kannte Hope gut genug, um zu wissen, dass sie ungern über Leute urteilte. Ihr Schweigen allerdings sprach Bände.

Eine weitere Windböe wirbelte totes Laub zwischen den verwitterten Grabsteinen auf. Alle warteten jetzt auf Sprössling Nummer drei.

Hope drückte kurz Sarahs linke Hand. »Danke, dass du mitgekommen bist, Sarah«, flüsterte sie. »Ich hätte nicht gedacht, dass wir so lange warten müssen.«

»Ist schon gut«, antwortete Sarah. Wenigstens spielte das Wetter halbwegs mit: Zwar drohten die grauen Wolken mit Regen, doch bisher war es trocken geblieben.

Schließlich schüttelte Reverend Hewitt den Kopf. »Ich fürchte, ähm, dass wir wirklich nicht länger warten können. Ich habe noch eine Trauung in East Charlton, also … sollten wir anfangen, nicht?«

Der Vikar, dessen dicke schwarze Brille glänzend zu seinem windzerzausten dunklen Haar passte, fällte diese Entscheidung mit demselben reduzierten Elan, mit dem Sarah ihn hatte predigen hören.