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Folge 48 der britischen ErfolgsserieAls der weltberühmte Zauberer Ludovico Visconti tot auf seinem Landsitz Compton Manor aufgefunden wird, scheint zunächst nichts verdächtig. Offenbar starb der alte Mann an einem Herzinfarkt. Seine langjährige Assistentin wird jedoch misstrauisch und bittet Jack und Sarah, Nachforschungen anzustellen. Aber in der Welt der Magie ist vieles anders, als es auf den ersten Blick scheint - und Zaubertricks können tödlich sein ...
Über die Serie: "Cherringham - Landluft kann tödlich sein" ist unsere erfolgreichste Cosy-Crime-Serie. Jede Folge ist unabhängig lesbar und geeignet, in die Welt von Cherringham einzusteigen. Cherringham ist ein beschauliches Dorf in den englischen Cotswolds. Doch mysteriöse Vorfälle, eigenartige Verbrechen und ungeklärte Morde halten die Bewohner auf Trab. Zum Glück bekommt die örtliche Polizei tatkräftige Unterstützung von Sarah und Jack. Die alleinerziehende Mutter und der ehemalige Cop aus New York lösen jeden noch so verzwickten Fall. Und geraten das ein oder andere Mal selbst in die Schusslinie ...
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Seitenzahl: 159
Veröffentlichungsjahr: 2025
Cover
Grußwort des Verlags
Über diese Folge
Cherringham – Landluft kann tödlich sein – Die Serie
Die Hauptfiguren
Titel
1. Eben noch da …
2. Jetzt gut aufgepasst
3. Um diskrete Nachforschungen wird gebeten
4. Der Schauplatz des … ja, was genau?
5. Unerwartete Gäste
6. Ein Verdächtiger taucht auf
7. Begehrte Karten
8. Der Abend ist noch nicht ganz vorbei
9. Ein tödliches Geheimnis?
10. Wo ein (letzter) Wille ist …
11. … ist auch ein Weg
12. Aber schnell!
13. Nur einen Anruf entfernt
14. Eine höchst überraschende Falle
15. Das Kaninchen wird aus dem Hut gezaubert
16. Abrakadabra!
17. Echte Magie
Über die Autoren
Impressum
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Als der weltberühmte Zauberer Ludovico Visconti tot auf seinem Landsitz Compton Manor aufgefunden wird, scheint zunächst nichts verdächtig. Offenbar starb der alte Mann an einem Herzinfarkt. Seine langjährige Assistentin wird jedoch misstrauisch und bittet Jack und Sarah, Nachforschungen anzustellen. Aber in der Welt der Magie ist vieles anders, als es auf den ersten Blick scheint – und Zaubertricks können tödlich sein …
»Cherringham – Landluft kann tödlich sein« ist eine Cosy-Crime-Serie, die in dem vermeintlich beschaulichen Städtchen Cherringham spielt. Regelmäßig erscheinen sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch spannende und in sich abgeschlossene Fälle wie auch Romane mit dem Ermittlerduo Jack und Sarah.
Jack Brennan hat jahrelang für die New Yorker Mordkommission gearbeitet – und fast genauso lange von einem Leben in den englischen Cotswolds geträumt. Mit einem Hausboot im beschaulichen Cherringham ist für ihn ein langgehegter Traum in Erfüllung gegangen. Doch etwas fehlt ihm. Etwas, das er einfach nicht sein lassen kann: das Lösen von Kriminalfällen.
Sarah Edwards ist Webdesignerin. Nachdem ihr perfektes bürgerliches Leben in sich zusammengefallen ist, kehrt sie mit ihren Kindern im Schlepptau in ihre Heimatstadt Cherringham zurück, um dort neu anzufangen. Das Kleinstadtleben ist ihr allerdings oft zu langweilig. Gut, dass sie in Jack einen Freund gefunden hat, mit dem sie auch in der vermeintlichen Idylle echte Abenteuer erleben kann!
Matthew CostelloNeil Richards
CHERRINGHAM
LANDLUFT KANN TÖDLICH SEIN
Der letzte Zaubertrick
Aus dem Englischen von Sabine Schilasky
Ludovico Visconti stellte sein Portweinglas auf einen kleinen Tisch, der einzig dem Zweck diente, solch ein zartes Glas zu tragen, und schaute sich in seinem Wohnzimmer um.
Nicht zum ersten Mal erinnerte er sich daran, wie es hier ausgesehen hatte, als er Compton Manor vor zehn Jahren gekauft hatte: die freigelegten, völlig geschwärzten Deckenbalken, der überwältigende Gestank, der von Löschwasser komplett ruinierte Fußboden.
Es war sogar erwogen worden – dem übereifrigen Makler zufolge –, das Haus abzureißen. Und, dachte Visconti, vermutlich irgendeine moderne Monstrosität an seine Stelle zu setzen.
Aber natürlich war er dann auf der Bildfläche erschienen. Er hatte sein Bestes getan, seine Identität zu vertuschen, denn immerhin war er ein bekannter Star. Um nicht zu sagen – und er wagte es kaum zu denken –, der bekannteste Magier der Welt. Bekam ein Verkäufer diese Information, schoss der Preis für jede ausgebrannte Ruine ohne Frage in die Höhe.
Und selbstverständlich hatte der Makler – ein verschlagen wirkender Kerl namens Cauldwell – trotz strikter Anweisungen verraten, wer sich für die Immobilie interessierte.
Am Ende zahlte Visconti Millionen.
Andererseits mangelte es mir zu der Zeit auch nicht an Millionen, dachte er lächelnd.
Und welche Wunder er an diesem Wrack von einem Herrenhaus gewirkt hatte!
Es handelte sich keineswegs um einen klassischen Wiederaufbau. Nein, er hatte Compton Manor so gestaltet, dass jeder es beim Betreten sofort als das Heim eines Magiers erkannte.
Ein Gebäude so prachtvoll und verblüffend wie seine klügsten Illusionen und mit Geheimnissen, die niemals enthüllt würden … niemandem.
Er liebte es.
Und ein Verkauf war kein Thema für ihn. Dies war sein Zuhause – sein letztes. Ein Ort nicht nur für ihn, sondern auch für seine beachtliche Sammlung aus einem den Wundern gewidmeten Leben. Einem Leben der Auftritte.
Und ganz der Illusion verschrieben.
Von seinem tiefen Ledersessel aus blickte er zu der Wand, an der nicht nur gerahmte Plakate seiner Vorstellungen hingen, sondern auch einige unbezahlbare Original-Ankündigungen der größten Illusionisten aller Zeiten. Houdini! Yarrow! Harry Blackstone!
Sie alle leisteten ihm bei seinem abendlichen Portwein Gesellschaft. Herren, die seine Liebe zu dem, was sie alle taten, vollkommen verstehen würden.
Magie.
Für sie und für ihn war kein Wort so wahr wie dieses.
Er wandte sich zur Wand neben ihm. Seine persönliche Memorabilia-Sammlung, die er gern seine Trophäenwand nannte.
Schwarz-Weiß-Fotos, auf denen sein Leben der Magie festgehalten war.
Plaudernd mit der Queen, nachdem er der Haupt-Act bei der Royal Variety Performance gewesen war.
Im Weißen Haus – wo er Bill Clinton die Hand schüttelte.
Sehr viele Fotos mit Filmstars aus den langen, anstrengenden Jahren in Las Vegas.
Dann waren da die Regale mit Preisen. Seine Emmys. Sein Bafta für die beste Unterhaltungsshow.
Und schließlich, an hervorgehobener Stelle, der Magic-Circle-Preis für sein Lebenswerk.
Was für kostbare Erinnerungen!
Er nahm ein Taschentuch hervor und tupfte sich die Augen, bevor er den letzten Schluck Portwein trank und das leere Glas auf den Tisch stellte.
Genug davon. Zeit fürs Bett.
Ludovico stand aus dem Sessel auf. Trotz seines Alters war er noch sehr beweglich. Die vielen Jahre, in denen sich zu verdrehen wesentlich für seine dramatischsten Nummern gewesen war, hatten ihn in Form gehalten – obgleich seine Knie sich beschwerten, wenn er seine regelmäßigen Übungen vor dem Schlafengehen machte.
Er blickte sich ein letztes Mal in dem großen, so vertrauten und so tröstlichen Wohnzimmer um.
Dann schaltete er die Tischleuchten aus und schritt über den dicken Teppich nach draußen in die große Diele. Er schloss die Tür hinter sich.
Das Treppengeländer sah wie aus gedrechseltem Mahagoni aus, allerdings drehten und bogen sich die Spindeln wie der Handlauf, wenn man ihnen zu folgen versuchte.
Doch Ludovico ließ ohnehin so gut wie nie jemanden nach oben.
Bei Gelegenheiten, zu denen er unbedingt einladen musste – beispielsweise einen Kollegen, der ebenfalls auf den großen Bühnen der Welt aufgetreten war –, wurde jedem Gast schnell klar, dass dieser Handlauf ein unmögliches, raffiniertes Rätsel war.
Man konnte eine Menge Zeit damit verbringen, enträtseln zu wollen, wo ein Abschnitt gewundenes Holz endete und der nächste anfing, ohne je die Antwort zu entdecken.
Ludovico ging die Treppe hinauf, vorbei an klassischen Gemälden, auf denen die Fähigkeiten (und der Aberglaube) dargestellt waren, die Zauberern zugeschrieben wurden.
Doch ganz oben erschrak er – und wäre beinahe gefallen!
Von einem massiven Schrank im Flur kam ein schwarzer Schatten angeflogen und landete zu Ludovicos Füßen wie ein spukender Geist.
Seine Katze Midnight versteckte sich gern in irgendwelchen Winkeln des Hauses, um überraschend hervorzuschießen – warum auch immer.
Und Ludovico liebte es!
Könnte er ein passenderes Haustier besitzen?
Midnight schaute auf, als Ludovico sich bückte: Ein Streicheln über den pechschwarzen Kopf des Tiers, dem der kleine weiße Kreis um ein Auge ein wahrhaft dramatisches Aussehen verlieh.
»Braves Kätzchen«, sagte er. Die Katze stimmte mit einem einzelnen Maunzen zu, ehe sie davonhuschte – anscheinend war ihr Werk für heute Abend getan.
Doch wie Ludovico bald feststellen sollte, war dem nicht so.
Er ging den Flur entlang, in dem hier und da Wandtische mit seltsamen, verwirrenden Statuen standen, und dann rechts einen anderen Korridor hinunter, der von seinem Schlafzimmer wegführte.
Zu seinem abendlichen Ritual zählten Dinge, die er gern tat, jedoch auch einige, die er tun musste. Wie jemand, der nach seinen teuren Sprösslingen sieht, dachte er, um sicher zu sein, dass sie friedlich träumen.
Er kam an seiner Bibliothek vorbei, in der sich unersetzliche Bände über die Geschichte und die Praxis des Zauberns im Laufe der Jahrhunderte befanden – einschließlich des ältesten Werks übers Zaubern, des passend betitelten Hocus Pocus aus dem Jahr 1635.
Dann erreichte er die schlichte Eichentür, von der jeder annähme, sie würde in ein Gästezimmer führen.
Ludovico griff nach dem Knauf. An dieser Stelle musste er immer lächeln, täte es ein simples Drehen doch nie und nimmer, um die Tür zu öffnen.
Bei dem Knauf handelte es sich um ein raffiniertes Schloss, das Ludovico eigens in Brügge hatte fertigen lassen. Der Schlosser hatte sich eindeutig gewundert, warum er solch eine Vorrichtung überhaupt wollte.
Eine Drehung nach links, eine nach rechts, und wenn sie einrastete, noch eine nach rechts.
Noch einmal vor und zurück, bis die versteckten Zuhaltungen im Schloss aufsprangen.
Und Visconti sein Lieblingszimmer in seinem perfekten, ungewöhnlichen Heim betreten konnte.
Ein Spiegelkabinett.
Beim Öffnen der Tür ging drinnen das Licht an, und auf einmal blickten ihm Dutzende Bilder seiner selbst entgegen, und es schien unklar – sofern man mit diesem Raum nicht vertraut war –, wohin man gehen sollte.
Dieses abendliche Navigieren durch das Spiegellabyrinth wurde Ludovico nie leid.
Jeden Abend brachte es ihm Freude, vor allem wenn er bedachte, was hier geschützt wurde.
Er ließ den letzten Spiegel hinter sich und trat in den erstaunlichsten Raum im ganzen Herrenhaus, wo das Licht ansprang, als wollte es ihn willkommen heißen.
Dieses Zimmer war seine Schatzkammer.
Er schaute sich die großen Wandvitrinen und die Tische mit all den Requisiten und Instrumenten an, die er in seiner langen Karriere benutzt hatte.
Manche von ihnen mit einer wundervollen Geschichte.
Die Handschellen, die der berühmte Harry Houdini verwendet hatte, als er sich aus der in Ketten gewickelten Truhe befreite.
Die sargartige Holzkiste, die Visconti für seine Illusion vom schwimmenden Kopf benutzt hatte – die jeden, der sie zum ersten Mal sah, mehr als verblüffte. Mit der richtigen Beleuchtung und Kulisse konnte sie recht beängstigend wirken.
Und unzählige Kartenspiele, jedes mit unsichtbaren Veränderungen, die unglaubliche Mentalistennummern erlaubten.
Viele hatte er schon längst aus seinem Repertoire gestrichen, denn Ludovico war es ständig um neue Effekte gegangen, darum, einer klassischen Illusion eine bemerkenswerte neue Richtung zu geben.
Jetzt betrat er den Raum wie jeden Abend, glitt mit den Fingern über den Samt eines Kartentisches und das Glas der Vitrinen, sah nach dem Bücherregal mit den Lederbänden und den antiken Artefakten.
Es dauerte nur eine Minute, dann hatte er sich vergewissert, dass seine Schätze – die fast wie Kinder für ihn waren – wohlbehalten und sicher waren.
Hier hinter Glas lag der Seidenschal, den er einst bei einem großen Auftritt vor dem Prinzen in Monte Carlo einsetzte, um eine wunderschöne Taube erscheinen und in den tiefblauen Himmel davonfliegen zu lassen.
Und auf einem besonderen Ständer befand sich eines seiner Lieblingsstücke. Der klassische und einmalige Zauberstab. Dieser allerdings ließ keine Plastikblumen hervorschnellen oder verwandelte sich in Lakritz.
Stattdessen konnte er mit einem kleinen Lichtblitz vor aller Augen verschwinden.
Der Trick war eine Kombination aus Fingerfertigkeit und einem mechanischen Kunstgriff, den Ludovico nie verraten hatte – und auch niemals würde.
Schließlich trat er zurück und betrachtete den Schmuckkasten in der Mitte des Raums. Der Kasten selbst war schon magische Kunst, die Oberflächen aufwendig aus Metallfliesen gefertigt, die in sich verschlungene Schlangen zierten.
Und was für ein raffiniertes Design! Nur wenn diese Fliesen auf eine bestimmte – exakte – Weise aufgereiht waren, sprang der Deckel auf. Allein dieses Rätsel wäre schon für jeden Eindringling hier eine Herausforderung.
Irgendein idiotischer Dieb, der nichts von den diversen Mechanismen und Zaubertricks wusste, würde der Lösung nie auch bloß nahekommen.
Ludovico lächelte, wusste er doch, dass im Inneren, sollte die Truhe geöffnet werden, sogar noch mehr Überraschungen warteten.
Nach seiner allabendlichen Runde, die einem Blick über die Jahrzehnte seiner wundervollen Karriere glich, welche leider ihr Ende erreicht zu haben schien, drehte Ludovico sich um und ging.
Hinter ihm erloschen die Lichter automatisch, als er die Räume verließ und zu seinem Schlafzimmer strebte.
Auf dem Korridor war es jetzt kühler, denn hier und da drang die Nachtluft herein, obwohl er solche Sorgfalt beim Wiederaufbau des Herrenhauses hatte walten lassen.
Nun auf ins Bett. Und schlafen.
Zumindest glaubte er, dass es das wäre, was ihn erwarten würde.
Das Geräusch war fast nicht zu hören. Eher etwas, das man mit einem Schulterzucken abtat, sich umdrehte, das Kissen näher heranzog und in den Traum zurückkehrte, der eben unterbrochen worden war.
Und Visconti liebte seine Träume mit dem Durcheinander von wunderschönen Städten bei Nacht, von Galaempfängen, eleganten Gästen, Sektflöten mit dem edelsten Champagner. Und die Menschen … sie alle überhäuften ihn mit Aufmerksamkeit. Schwindelerregend.
Doch jetzt, in der Dunkelheit einer milden Sommernacht, riss er die Augen auf.
Er hob den Kopf leicht vom Kissen und lauschte, ob es nur ein harmloses Knarren von Holz irgendwo im Haus war, das nach einem warmen Tag abkühlte. Oder ein Windstoß vielleicht. Oder sogar wieder Midnight, die allzu energisch auf ihren kleinen Pfoten unterwegs war, an Sachen entlangstrich oder mit einem Sprung auf etwas landete.
Doch jetzt war nichts mehr zu hören.
Kein Grund zur Sorge.
Aber … da war es wieder.
Das Geräusch.
Ohne Zweifel. Und diesmal näher … als käme es direkt aus dem Korridor.
Ludovico fragte sich, was er tun sollte. Sein Mobiltelefon, mit dem er keine sehr innige Beziehung führte, lag auf der Kommode.
Sollte er die Polizei anrufen? Aber was, wenn es nichts war? Ihm war bewusst, wie leicht man das Urteilsvermögen eines Mannes in seinem Alter infrage stellte.
Diese Sorte Aufmerksamkeit – bedachte er sein gegenwärtiges Leben – brauchte er nicht und konnte er sich auch nicht leisten.
Also stieg er aus seinem geliebten Ungetüm von viktorianischem Himmelbett, um dessen vier massive Pfosten sich ein klassisches Drachenmuster wand, das sich gleichsam einen Weg in den Himmel zu bahnen schien.
Mit einem kleinen Tippen schaltete er die Nachttischlampe ein, schlüpfte in seine Hausschuhe und schlich sich zur Tür, die er möglichst leise öffnete, um in den dunklen Flur zu spähen.
Wieder schienen die Geräusche verschwunden.
War es nichts? Er wollte sich umdrehen und in sein gemütliches Himmelbett zurück, doch als er erneut etwas vernahm, war daran nicht mehr zu denken.
Es kam von weiter hinten im Korridor, kein Zweifel. Ja. Nahe dem Spiegelzimmer.
Ludovico begann, den Flur entlangzugehen, atmete bewusst ein und aus, wenn auch nicht ohne Furcht.
Zwar mochte er in den Jahren seiner Vorstellungen Momente erlebt haben, in denen sehr vielen Leuten das Blut in den Adern gefroren war, doch dieser Tage war ihm klar, dass er auf sein Herz achten musste.
Wie hatte sein alter Freund Doktor Rasmus noch gesagt? Meide Stress. Schocks. Überraschungen. Und trink weniger, natürlich. Iss gesünder.
Was erwartete der gute Doktor von ihm? Dass er ewig lebte? Welch ein Unsinn!
Er erreichte die Eichentür, packte den Knauf und fühlte, dass sich die Tür bewegte. Es war unnötig, das komplizierte Schloss zu öffnen. Ludovicos Herz vollführte einen unangenehmen Hüpfer. Die Tür war offen!
Er war sich sicher, dass er sie hinter sich verriegelt hatte, als er zu Bett ging.
Jemand hatte sie geöffnet.
Er betrat das Spiegelkabinett, sein Labyrinth, in dem man sich hoffnungslos verirren konnte.
Doch anscheinend hatte es denjenigen nicht eingeschüchtert, der jetzt hier war.
Als Visconti durch das Labyrinth ging, die Lichter aufleuchteten und wieder erloschen, dachte er: Ist Amelia vielleicht aus irgendeinem Grund hier?
Seine ehemalige Bühnenassistentin war solch eine gute und treue Freundin, die mittlerweile dafür sorgte, dass viele Details in seinem Leben störungsfrei vonstattengingen.
War sie mitten in der Nacht wieder zurückgekommen?
Als er das Ende des Labyrinths erreichte, wirkte diese Theorie lächerlich.
Mitten in der Nacht! Warum in aller Welt sollte sie das tun?
Dann hörte er noch ein Geräusch – diesmal näher. Es kam aus der Richtung der Schatzkammer.
Schwer atmend arbeitete Ludovico sich durch das Labyrinth.
Zu schwer atmend. Er machte eine Pause, um seinen Herzschlag zu verlangsamen.
Doch nun hörte er ein bestimmtes Geräusch: ein Schaben von Metall auf Metall.
Er ging weiter, bis er in der letzten Spiegelreihe war, und hier sah er in den unendlichen Spiegelungen, dass das Licht in der Schatzkammer brannte.
Er nahm die letzte Biegung aus dem Labyrinth und betrat den verborgenen Raum.
Dort in der Mitte, nahe dem Kasten, sah er jemanden stehen.
Zuerst schien der Mann – der Eindringling! – ihn nicht gehört zu haben. Ludovico begann, auf Zehenspitzen am Rand des Raumes entlangzuschleichen und sich nach etwas umzusehen, was er als Waffe benutzen könnte. Zur Verteidigung – irgendwie.
Doch dann drehte sich die Gestalt um.
Das Erste, was der Mann tat, war, vorsichtig zur Seite auszuweichen, als wollte er sich dem Hinterausgang des Labyrinths nähern, um zu fliehen.
Ludovico sah, dass er maskiert war.
Sein Gesicht war von etwas Dunklem verhüllt. Eine Skimaske. Mit Öffnungen für Augen und Mund. Fast schon komisch.
Und die Statur des Fremden war nicht furchteinflößend. Ludovico selbst war nach Jahren der Übung auf der Bühne mehr als fähig, jemanden mit einem Blick einzuschätzen, weil allein der Körper so viel verriet.
Der Eindringling war ungefähr so groß wie er, vielleicht ein wenig schwerer. Seine schlichten braunen Schuhe in dem absichtlich blassgelben Licht des Raums waren abgestoßen. Reich war er offensichtlich nicht.
Ludovico schwankte, und sein Herz hämmerte. Doch seine Furcht in diesem Moment, in dem keiner von ihnen ein Wort sprach, stand seiner Neugier in nichts nach. Neugier auf eine ganze Reihe von Dingen.
Angefangen damit, wie es der Mann durch das Labyrinth geschafft hatte. Es war hoffnungslos verwirrend konstruiert.
Oder war er vielleicht nicht auf diesem Weg gekommen?
Nein, das konnte nicht sein! Das war unmöglich!
Ihm fiel auf, dass die Hände des Mannes leer waren.
Was gut war. Er hatte nichts aus den Vitrinen genommen.
Ludovico machte einige Schritte nach rechts, weg vom Eingang des Labyrinths. Und als er es tat, sah er, dass der Mann gleichfalls wenige Schritte von sich aus nach rechts ging. Sie umkreisten einander an den Rändern des Raums.
Nun sagte Ludovico etwas. Er hoffte, dass er trotz seines pochenden Herzens streng klang.
»Was in aller Welt tun Sie hier?«
Doch der Mann antwortete nicht. Stattdessen schaute er sich an beiden Seiten um, als suchte er etwas.
Ludovico hoffte, wenn sie sich weiterbewegten und der Mann zum Eingang des Labyrinths kam, würde er einfach weitergehen. Sich umdrehen, losrennen … und aus dem Haus fliehen.
Dann wäre es vorbei und ein Vorfall, über den er mit den Leuten sprechen müsste, die seine Kameraüberwachung und die diversen Sicherheitsvorrichtungen im Haus installiert hatten.
Nur tat der Mann das nicht.
Er blieb stehen. Als wollte er sich behaupten. Und dann bemerkte Ludovico etwas, das ihm früher hätte auffallen müssen. Eine Wölbung in der Tasche des Mannes, deren Form und Größe nur einen Schluss nahelegte: eine Waffe.
Dieser Mann hatte eine Waffe.
»Wo ist es?«, fragte der Eindringling und kam nun quer durch den Raum auf Ludovico zu.
Und als er sprach, klang es nicht nach seiner natürlichen Tonlage. Als bemühte er sich, rauer, aggressiver zu klingen.