Cherringham - Mord an der Themse - Matthew Costello - E-Book

Cherringham - Mord an der Themse E-Book

Matthew Costello

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Beschreibung


Digitale Romanserie. Folge 1.

Cherringham - eine beschauliche Kleinstadt in den englischen Cotswolds. Ein Ort, an dem das Verbrechen unbekannt ist. Bis eines Tages die Leiche einer jungen Frau in der Themse gefunden wird. Ein schrecklicher Unfall - zumindest laut der Polizei. Sarah glaubt jedoch nicht daran.

Zusammen mit Jack, einem ehemaligen Detective der New Yorker Mordkommission, beginnt sie zu ermitteln. Dabei müssen sie feststellen, dass die Dinge nicht so klar sind, wie die Polizei das gerne hätte ...

»Cherringham - Landluft kann tödlich sein« ist eine Cosy Crime Serie in der Tradition des klassischen englischen Krimis für Fans von Miss Marple und Sherlock Holmes!

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.

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Seitenzahl: 149

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Inhalt

Cover

Cherringham – Landluft kann tödlich sein – Die Serie

Über die Autoren

Die Hauptfiguren

Mord an der Themse

Impressum

1. Ein erfrischender Spaziergang

2. Sarah und Sammi

3. Die Todesursache

4. Jack und Sarah

5. Der Tag danach

6. Fragen für die Polizei

7. Tee mit Mum und Dad

8. Im Ploughman

9. Ein Besuch auf dem Bauernhof

10. Alle Wege führen ins Nichts

11. Familienangelegenheiten

12. Das Covergirl

13. Die Grundprinzipien des Mordens

14. Auf »Los«

15. Pendler und Parkplätze

16. Die letzten Nachrichten

17. Timing ist alles

18. Cricket und andere Hindernisse

19. Alles bleibt in der Familie

20. Eine tragische Oper mit einem tragischeren Nachspiel

Epilog

In der nächsten Folge

Cherringham – Landluft kann tödlich sein – Die Serie

»Cherringham – Landluft kann tödlich sein« ist eine Cosy Crime Serie, die in dem vermeintlich beschaulichen Städtchen Cherringham spielt. Jeden Monat erscheint sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch ein spannender und in sich abgeschlossener Fall mit dem Ermittlerduo Jack und Sarah.

Über die Autoren

Matthew Costello ist Autor erfolgreicher Romane wie Vacation (2011), Home (2014) und Beneath Still Waters (1989), der sogar verfilmt wurde. Er schrieb für verschiedene Fernsehsender wie die BBC und hat dutzende Computer- und Videospiele gestaltet, von denen The 7th Guest, Doom 3, Rage und Pirates of the Caribbean besonders erfolgreich waren. Er lebt in den USA.

Neil Richards hat als Produzent und Autor für Film und Fernsehen gearbeitet sowie Drehbücher für die BBC, Disney und andere Sender verfasst, für die er bereits mehrfach für den BAFTA nominiert wurde. Für mehr als zwanzig Videospiele hat der Brite Drehbuch und Erzählung geschrieben, u.a. The Da Vinci Code und, gemeinsam mit Douglas Adams, Starship Titanic. Darüber hinaus berät er weltweit zum Thema Storytelling.

Bereits seit den späten 90er Jahren schreibt er zusammen mit Matt Costello Texte, bislang allerdings nur fürs Fernsehen. Cherringham ist die erste Krimiserie des Autorenteams in Buchform.

Die Hauptfiguren

Jack Brennan ist pensioniert und frisch verwitwet. Er hat jahrelang für die New Yorker Mordkommission gearbeitet. Alles, was er nun will, ist Ruhe, und da scheint ihm ein Hausboot im beschaulichen Cherringham in den englischen Cotswolds als Alterswohnsitz gerade richtig. Doch etwas fehlt ihm: das Lösen von Kriminalfällen. Etwas, das er einfach nicht sein lassen kann.

Sarah Edwards ist eine 38-jährige Webdesignerin und führte ein perfektes Leben in London samt Ehemann und zwei Kindern. Dann entschied sich ihr Mann für eine andere. Mit den Kindern im Schlepptau versucht sie nun in ihrer Heimatstadt Cherringham ein neues Leben aufzubauen. Das Kleinstadtleben ist ihr allerdings viel zu langweilig. Doch dann lernt sie Jack kennen …

Matthew CostelloNeil Richards

CHERRINGHAM

LANDLUFT KANN TÖDLICH SEIN

Mord an der Themse

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

beTHRILLED

Digitale Neuausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Copyright © 2014/2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Dr. Arno Hoven

Lektorat/Projektmanagement: Sarah Pelekies

Titelillustration: © shutterstock: Kichigin | Buslik | Paul Matthew Photography

Titelgestaltung: Jeannine Schmelzer

eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-5261-0

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

1. Ein erfrischender Spaziergang

Mrs. Louella Tidewell – für ihre besseren Freunde schlicht »Lou« – klappte ihren Mantelkragen hoch, als ihr eine kalte Windböe vom Fluss entgegenblies. Brady, ihr Golden Labrador, rannte über die große Wiese und würde es wohl schon schaffen, so hoffte Lou, den Haufen von Pferdeäpfeln auszuweichen.

Labbis, dachte sie nicht zum ersten Mal, sind doch ausgesprochen klug.

Und wie gut ihr Bradys Gesellschaft tat, seitdem Mr. Tidewell das Zeitliche gesegnet hatte, was recht plötzlich geschehen war: In dem einen Moment hatte er noch seine Zeitung gelesen, ein Glas Sherry neben sich, und im nächsten seine Augen geschlossen – und er war tot.

Und hatte Lou allein zurückgelassen. Sie mochte viele Freunde haben, aber das war nicht ganz dasselbe, nicht wahr?

Nun ging sie weiter und schlenderte näher am Fluss entlang, der unweit des kleinen Ortes vorbeifloss. An den wenigen sonnigen Sommertagen war die Themse wunderschön, jetzt hingegen so dunkel und grau, dass sie an diesem bewölkten Morgen beinahe unheimlich wirkte.

»Ich glaube nicht, dass wir heute noch Sonne kriegen«, sagte Lou.

Es störte sie nicht, dass sie Selbstgespräche führte, wenn sie allein war. Sich selbst gegenüber konnte sie ja jederzeit behaupten, sie würde mit Brady reden, wie sie es zu Hause auch tat.

Sie drehte sich zu ihm um und bemerkte, dass der Hund unvermittelt stehen geblieben war, als hätte er ein verirrtes Kaninchen entdeckt. Vielleicht war er auch bloß in einer uralten Erinnerung an ein früheres Leben als Jagdhund versunken.

Fast sah es so aus, als wollte er auf die lang gezogene Biegung hinweisen, an der sich die Themse verbreiterte. Dort befand sich ein Wehr, allerdings strömte das Wasser selbst in dem Kanal daneben immer noch schnell, besonders nach starken Regenfällen. Und zurzeit haben wir wahrlich mehr furchtbare Wolkenbrüche, als wir verdienen, dachte Lou.

»Was ist denn, Brady? Gibt es etwas zu jagen?«

Doch anstatt loszurennen und zu erforschen, was immer er entdeckt haben mochte, kam Brady zu ihr zurück und umkreiste sie. Eine weitere Windböe traf sie, und instinktiv fasste Lou sich an den Hals, um zu überprüfen, ob sie ihren Mantel auch tatsächlich bis ganz oben zugeknöpft hatte.

Brady winselte.

Komisch. Eigentlich gab er nur dann ein Winseln von sich, wenn er rauswollte, um sein Geschäft zu erledigen.

Plötzlich sprang Brady wieder weg. Es waren jedoch nur wenige Schritte – als forderte er sie auf, ihm zu folgen. Am liebsten wäre Lou umgekehrt und nach Hause gegangen, zurück in die Wärme. Unvermittelt musste sie an eine schöne Tasse englischen Frühstückstee und eine getoastete Scheibe Mehrkornbrot von der örtlichen Bäckerei Huffington’s denken. Lou würde den Toast mit Marmelade und – warum nicht? – mit Butter bestreichen. Und anschließend die Zeitung lesen.

Ja, genau das war es, wonach ihr der Sinn stand.

Aber da Brady sich so seltsam benahm, ging sie stattdessen in die Richtung, in die er sie scheinbar führen wollte. Der Labrador lief nun mit einer Ungeduld voran, die Lou nicht teilen konnte.

Sie musste aufpassen, wo sie hintrat, und das nicht allein wegen der Pferdeäpfel. Jenseits des Uferwegs sah der Boden zwar eben aus, war aber in Wahrheit voller Furchen und Vertiefungen, die vom dichten, hohen Gras verdeckt wurden. Zudem bog der frische Morgenwind die Halme über die Stolperfallen.

»Ist ja gut, Brady«, sagte sie zu dem kläffenden Hund. »Ich komme ja, es geht nur nicht so schnell.«

Sie holte Luft und spürte förmlich, wie die morgendliche Kälte im Innern ihrer Brust haften blieb.

Inzwischen stürmte Brady vorwärts. Sie waren nahe der Flussgabelung, wo ein Arm nach rechts zum Wehr ging, während der linke sich weiter zu den anderen Dörfern schlängelte, an denen er träge vorbeifloss.

Die mächtige Themse war hier in der Region nichts als ein verschlafenes Flüsschen.

Brady war stehen geblieben, und abermals sah er wie versteinert aus. Er stand stocksteif da und blickte hinüber zum Wehr. Seine Augen fixierten etwas im flachen Bereich des Wassers, das dort schäumte und blubberte.

Lou holte ihren Hund ein, streckte eine Hand nach unten und strich ihm ruhig über den Kopf.

»Ich habe keine Ahnung, was du da siehst, mein Freund. Auf der anderen Seite könnten Kaninchen sein, aber …«

Sie verstummte.

Zuerst war es einer dieser Momente, die sich mit dem Alter häuften. Man sah etwas und – wie es Lou jetzt immer häufiger passierte – sagte dann spontan: »Ah, das ist ja ein …« Und man glaubte, es wäre dieses oder jenes, bis man näher heranschritt, genauer hinblickte und zu der Auffassung gelangte, dass es sich doch um etwas anderes handelte.

Solch einen Moment schien Lou nun zu haben, da sie dachte, einen Kleiderfetzen zu sehen: glänzend, funkelnd, festlich irgendwie – glitzernd im trüben Morgenlicht und mit der Wasseroberfläche um die Wette schimmernd.

Lou ging näher heran. Und dann erkannte sie, dass es sich tatsächlich um Kleidung handelte.

Eine Art Rock. Und etwas stumpf Wirkendes, aber eindeutig Weißes. Eine Bluse.

Ihr Verstand ergänzte blitzschnell die Einzelheiten. Womöglich begriff ein Teil von ihr, was sie hier erblickte, noch bevor sie sich dessen richtig bewusst wurde.

Ein schlammig brauner Bereich entpuppte sich als ein nach unten geneigter Kopf, bei dem das Kinn an der Brust lag, sodass Gesicht und Augen verborgen waren.

Und als Lou das bewusst wurde, dämmerte ihr langsam, was sie sonst noch erkennen konnte: Arme, die aus einer Bluse ragten. Der eine von ihnen war fast horizontal zum Körper – seine Finger zeigten träge nach Osten -, der andere baumelte im rauschenden Wasser, die Hand unter der Oberfläche versteckt.

»Du lieber Himmel!«, entfuhr es Lou.

Brady hatte gewimmert, aber auf den Klang ihrer Stimme hin drehte er sich zu ihr und blickte sie an. Lou kam es vor, als würde er traurig gucken, so als wüsste er, dass das hier nicht gut war.

Normalerweise ließ sie ihren Hund auf dem Weg zurück ins Dorf frei laufen und nach Belieben herumschnüffeln, bis sie ihr kleines Cottage in der Nähe des Marktplatzes erreichten. Jetzt aber holte sie aus ihrer Tasche die Leine und klickte sie an Bradys abgewetztes Halsband.

Auch wenn er zog und zerrte: Sie wollte ihn an ihrer Seite haben, während sie ins Dorf zurücklief – zur Polizei, um ihre Entdeckung zu melden.

2. Sarah und Sammi

Sarah schaltete den Fernseher aus.

»Auf geht’s, Leute, sonst kommt ihr noch zu spät. Schnappt euch eure Taschen und die Brotdosen. Schnell, wir müssen los.«

Während sie die Müslischalen in der Spüle übereinanderstellte, beobachtete Sarah, wie ihre beiden Kinder, die dreizehnjährige Chloe und der zehnjährige Daniel, langsam auf den Flur zuschlurften. Zwar beklagten sie sich nicht sonderlich über die Schule, aber besonders begeistert wirkten sie morgens auch nicht.

Und Chloe schien mit jedem Tag verschlossener zu werden.

Erinnert mich an mich selbst in dem Alter, dachte Sarah. Mensch, war ich schwierig! Sie blickte sich rasch in der Küche um, denn sie wollte sichergehen, dass alle Elektrogeräte ausgeschaltet waren. Erst vor wenigen Wochen hatte eine alte Dame in einer der betreuten Wohnungen am anderen Dorfende ihren Toaster angelassen – mit dem Resultat, dass ihre Wohnung, nun ja, getoastet worden war.

Sarah hatte sich angewöhnt, alles doppelt und dreifach zu überprüfen. Sicher ist sicher. Das hätte ich auch bedenken sollen, bevor meine schöne Ehe in die Brüche ging. Da vertraut man blind darauf, ein glückliches Paar zu sein, und dann kommen plötzlich die ganzen Affären des Partners ans Tageslicht. Und was bleibt? Ein Klischee: zwei Kinder und eine alleinerziehende Mutter »in einem gewissen Alter« – was immer das heißen sollte.

Die Kinder gingen nun aus dem Haus – sie bewohnten zu dritt eine kleine Doppelhaushälfte – und trotteten auf den RAV4 zu. Der Toyota-Geländewagen war eines der wenigen Dinge, die Sarah aus den Trümmern ihres Londoner Lebens hatte retten können.

»Du kannst den Wagen haben. Und die noch fälligen zwölf Raten übernehmen«, hatte Oliver ihr damals grinsend mitgeteilt. Dieser Mistkerl!

Sie zog die Haustür fest hinter sich zu und stieg über die Fahrräder von Chloe und Daniel. Gott, der Rasen muss dringend gemäht werden! Es war nur ein winziger Flecken, dennoch sah er wie eine Wiese aus. Heute würde sie es nicht schaffen, denn sie hatte noch einen Haufen Arbeit vor sich: Drei Websites wollten gestaltet werden.

Sarah mochte es, so beschäftigt wie möglich zu sein. Und was das anbelangte, musste sie sich – mit den Kindern und dem Büro – in letzter Zeit keine Sorgen machen.

Nachdem sie Chloe abgesetzt hatte, hielt sie vor der Cherringham Primary. Wochentags um halb neun verwandelte sich der Straßenabschnitt vor der Grundschule in einen Grand-Prix-Boxenstopp. Mütter und Väter strömten durch das Haupttor, Kinderwagen und Buggys waren auf Kollisionskurs; Autos hielten an, denen in Rekordzeiten Kinder entstiegen und die anschließend schnell weiterbrausten.

Wie immer gab es nirgends eine Parklücke; also hielt Sarah mitten auf der Straße.

Daniel erhob sich hinten von der Rückbank, um auszusteigen. »Heute Nachmittag hab ich Schwimmen, Mum. Da komme ich später.«

»Ist gut, Spatz, dann sehe ich dich zu Hause«, erwiderte Sarah und wartete darauf, dass die hintere Tür zugeschlagen wurde.

Bevor sie wegfahren konnte, zeigte sich ein Gesicht in ihrem offenen Fenster: die gefürchtete Angela.

»Ist das nicht entsetzlich?«, sagte Angela, deren Pausbacken gerötet waren von der Anstrengung, ein sabberndes Krabbelkind auf ihrem Arm zu tragen.

»Wie bitte? Was?«, fragte Sarah gedankenverloren. Angela war sozusagen die Linearachse in der örtlichen Gerüchtemaschinerie. Nur weniges entging ihrer Aufmerksamkeit – oder ihrem vernichtenden Urteil. Sarah wartete höflich auf die heutige Skandalmeldung.

Aber auf das, was Angela als Nächstes sagte, war sie nicht gefasst gewesen.

»Und du … du musst so traurig sein, wo sie doch deine beste Freundin war und so.«

Angelas Worte waren plötzlich so eisig und schneidend wie der kalte Wind in der Morgenluft.

»Was meinst du denn damit, Angela?«, fragte Sarah ungeduldig.

»Na, Sammi Charlton natürlich«, antwortete Angela. »Ich bin davon ausgegangen, jemand hätte es dir schon erzählt. Sie glauben, dass es eine Überdosis war. Würde mich nicht wundern, denn sie hat ja alles Mögliche genommen. Nicht, dass ich behaupten will, du hättest das auch gemacht, versteht sich.«

»Angela.« Sarah hielt ihre Stimme ruhig. Sammi und sie waren gut befreundet gewesen. Aber das war lange her – vor London und bevor Sammi verschwand. »Was ist mit Sammi passiert?«, wollte Sarah wissen, der es vor der Antwort graute.

»Na, sie haben sie heute Morgen unten am Wehr gefunden. Ertrunken. Ich dachte ehrlich, dir hätte jemand was …« Weiter sprach Angela nicht.

Sarah spürte, wie sich ihr der Magen umdrehte. Sammi war tot …

Bei aller Verrücktheit ihrer Freundin – das schien völlig unwirklich. Und sie war nicht einfach irgendwo gestorben, es hatte sich auch noch hier ereignet, nachdem sie so viele Jahre fort gewesen war. Hier in dem Dorf, in dem sie beide aufgewachsen waren.

»Bist du sicher?«

Ein Auto hinter Sarah hupte wild.

Angela wandte sich schon ab, als sie ihr endgültiges Urteil über die Angelegenheit von sich gab: »Oh ja, meine Liebe. Daran besteht kein Zweifel. Sie ist so tot, wie man nur sein kann.«

Sarah parkte auf dem Marktplatz und holte sich bei Huffington’s einen Kaffee, ehe sie in ihr Büro ging. Die Immobilienmakler im Erdgeschoss öffneten ihre Geschäftsräume erst um zehn, und Sarah war gewöhnlich die Erste im Gebäude.

Sie sammelte die Post auf und stieg die schmale Treppe in den obersten Stock hinauf, wo sie die Computer auf ihrem Schreibtisch hochfuhr. Dann ging sie hinüber zum Fenster.

Von hier oben, drei Stockwerke hoch, konnte sie hinunter auf den Dorfplatz und über die Dächer hinweg zum Fluss und zu den weit entfernten Wiesen sehen.

Viel Platz hatte sie nicht in ihrem Büro, doch allein für diese Aussicht liebte sie es.

Von hier oben war das Wehr hinter dichten Bäumen verborgen. Allerdings konnte Sarah erkennen, dass sich der Verkehr auf der Straße Richtung Zollbrücke staute und die Wagen nur im Kriechtempo vorankamen. Dort unten musste immer noch die Polizei sein.

Sie konnte es nach wie vor nicht glauben. Sammi sollte tot sein?

Es stimmte, dass Sammi ihre Freundin gewesen war, doch traf diese Bezeichnung nicht mal annähernd das, was sie füreinander bedeutet hatten.

Sammi war ihre Verbündete gewesen, ihre beste Freundin, ihre Schulter zum Ausweinen, ihre Komplizin während der wilden Teenager-Jahre sowie durch die wichtigen Schulprüfungen – zunächst zum Abschluss der Sekundarstufe I und dann zwei Jahre später bei den A-Levels. Sie hatten in der wohl intensivsten – und möglicherweise besten – Phase ihres Lebens gemeinsam gelacht, getanzt, gespielt und getrunken.

In einem Jahr hatten sie sich sogar die Freunde geteilt! Gott, war das ein Chaos gewesen … über das sie später lachen konnten, als sie ihre Tagebucheinträge verglichen.

Und dann – komisch, wie das immer geschieht – gewöhnten sie sich schlicht daran, einander nicht mehr so oft zu sehen, weil sie unterschiedliche Wege einschlugen.

Sammi ging an die Schauspielschule, Sarah an die Uni. Sammi reiste durch die Welt, jagte ihrem Traum von der großen Schauspielkarriere nach, während Sarah nach London zog, sich einen Job suchte, Oliver heiratete und Kinder bekam.

Erst nach und nach nahm Sarah die Warnzeichen wahr, dass nicht alles gut lief.

Sammi kreuzte immer mal wieder unangemeldet auf, weil sie ein Bett für die Nacht brauchte, und nach einem angespannten Auftakt entkorkten die beiden dann eine Flasche Wein, anschließend noch eine und noch eine. Sie redeten über alte Zeiten, und Sammi erzählte bis zum Morgengrauen von ihren haarsträubenden Abenteuern. Danach verschwand sie zum Flughafen, und Sarah hörte und sah nichts von ihr – bis zum nächsten Mal.

Das letzte Mal, dass sie Sammi gesehen hatte, war vor zwei Jahren in London gewesen. Da waren Oliver und sie noch zusammen. Sammi hatte angeblich einen Model-Job in Tokio, auch wenn der sich für Sarah etwas halbseiden anhörte. An jenem Abend blieben sie, nachdem die Kinder im Bett waren, zu dritt lange auf und tranken zu viel. Und mit zunehmendem Alkoholpegel flirtete Sammi für Sarahs Geschmack zu heftig mit Oliver.

Oliver hingegen – noch so ein Alarmsignal – schien es nichts auszumachen.

Es endete mit einem mächtigen Streit, und alle gingen wütend ins Bett. Am nächsten Morgen war Sammi zum Flughafen aufgebrochen, ohne sich zu verabschieden. Seitdem hatte Sarah sie nicht gesehen. Und würde es auch nie wieder, wie ihr jetzt klar wurde.

Sarah sah hinunter zum Marktplatz – zu den Teestuben und dem Café. Zur Bushaltestelle. Zum alten Pub – The Angel. Zur Steinbank vor dem Gemeindesaal. Zur Bibliothek mit ihrer großen Veranda vorn. Früher mal hatte Sammi und ihr dieser Platz gehört. Es war ihr Platz gewesen, jeder Quadratzentimeter davon.

Sarah wischte sich über die Augen. Dann setzte sie sich an ihren Schreibtisch, zog die Computertastatur zu sich heran und meldete sich an, um mit der Arbeit zu beginnen. Solche Dinge passierten eben, das wusste sie nur zu gut. Sie musste heute drei Websites fertigstellen, und sie hatte keine Zeit, Erinnerungen nachzuhängen.

Zumindest jetzt noch nicht.