Cherringham - Mord im Mondschein - Matthew Costello - E-Book

Cherringham - Mord im Mondschein E-Book

Matthew Costello

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Beschreibung


Digitale Romanserie. Folge 3.

Die Proben für das jährliche Cherringham Charity Christmas Konzert laufen auf Hochtouren. Doch plötzlich stirbt Kirsty Kimball, eine der Sängerinnen. Todesursache: eine allergische Reaktion auf die selbstgebackenen Kekse des Chors.

Jack, der für Kirsty als Sänger einspringt, glaubt nicht an einen Unfall. Gemeinsam mit Sarah beginnt er zu ermitteln. Schon bald müssen sie erkennen, dass sich hinter den freundlichen Gesichtern der Chormitglieder eine Welt aus Missgunst und Rivalität verbirgt ...

"Cherringham - Landluft kann tödlich sein" ist eine Cosy Crime Serie in der Tradition des klassischen englischen Krimis für Fans von Miss Marple und Sherlock Holmes!

eBooks von beTHRILLED - mörderisch gute Unterhaltung.

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Seitenzahl: 135

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Inhalt

Cover

Cherringham – Landluft kann tödlich sein – Die Serie

Über die Autoren

Die Hauptfiguren

Mord im Mondschein

Impressum

1. Die Probe

2. Ein Weg im Mondschein

3. Drei Wochen später

4. Nun singet und seid froh

5. Ein Landspaziergang

6. Es geht nicht um das, was man weiß …

7. Fragen an den Chor

8. Die singenden Verdächtigen

9. Die Kontenangelegenheit

10. Manche mögen’s heiß

11. Wer war’s?

12. Achte auf die Kleinigkeiten

13. Trautes Heim

14. Gesellschaft

15. Misstrauische Geister

16. Eine kurze Fahrt über Land

17. Cotswold Crunch

18. »Schnee lag tief und hart ums Haus«

In der nächsten Folge

Cherringham – Landluft kann tödlich sein – Die Serie

»Cherringham – Landluft kann tödlich sein« ist eine Cosy Crime Serie, die in dem vermeintlich beschaulichen Städtchen Cherringham spielt. Jeden Monat erscheint sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch ein spannender und in sich abgeschlossener Fall mit dem Ermittlerduo Jack und Sarah.

Über die Autoren

Matthew Costello ist Autor erfolgreicher Romane wie Vacation (2011), Home (2014) und Beneath Still Waters (1989), der sogar verfilmt wurde. Er schrieb für verschiedene Fernsehsender wie die BBC und hat dutzende Computer- und Videospiele gestaltet, von denen The 7th Guest, Doom 3, Rage und Pirates of the Caribbean besonders erfolgreich waren. Er lebt in den USA.

Neil Richards hat als Produzent und Autor für Film und Fernsehen gearbeitet sowie Drehbücher für die BBC, Disney und andere Sender verfasst, für die er bereits mehrfach für den BAFTA nominiert wurde. Für mehr als zwanzig Videospiele hat der Brite Drehbuch und Erzählung geschrieben, u.a. The Da Vinci Code und, gemeinsam mit Douglas Adams, Starship Titanic. Darüber hinaus berät er weltweit zum Thema Storytelling.

Bereits seit den späten 90er Jahren schreibt er zusammen mit Matt Costello Texte, bislang allerdings nur fürs Fernsehen. Cherringham ist die erste Krimiserie des Autorenteams in Buchform.

Die Hauptfiguren

Jack Brennan ist pensioniert und frisch verwitwet. Er hat jahrelang für die New Yorker Mordkommission gearbeitet. Alles, was er nun will, ist Ruhe, und da scheint ihm ein Hausboot im beschaulichen Cherringham in den englischen Cotswolds als Alterswohnsitz gerade richtig. Doch etwas fehlt ihm: das Lösen von Kriminalfällen. Etwas, das er einfach nicht sein lassen kann.

Sarah Edwards ist eine 38-jährige Webdesignerin und führte ein perfektes Leben in London samt Ehemann und zwei Kindern. Dann entschied sich ihr Mann für eine andere. Mit den Kindern im Schlepptau versucht sie nun in ihrer Heimatstadt Cherringham ein neues Leben aufzubauen. Das Kleinstadtleben ist ihr allerdings viel zu langweilig. Doch dann lernt sie Jack kennen …

Matthew CostelloNeil Richards

CHERRINGHAM

LANDLUFT KANN TÖDLICH SEIN

Mord im Mondschein

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

beTHRILLED

Digitale Neuausgabe

»be« – Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Copyright © 2014/2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Textredaktion: Dr. Arno Hoven

Lektorat/Projektmanagement: Sarah Pelekies

Titelillustrationen: © shutterstock: Buslik | xpixel | meirion matthias

Titelgestaltung: Jeannine Schmelzer

eBook-Erstellung: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-5263-4

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

1. Die Probe

Kirsty Kimball fragte sich, ob die Mitgliedschaft im Rotary Club wirklich eine gute Idee gewesen war.

Eine der Pflichten eines treuen Rotariers bestand darin, in diesem zugigen Ungetüm von einem Dorfsaal zu erscheinen, um für das»große Ereignis« der nahenden Adventszeit zu proben. Und deshalb stand Kirsty hier, blickte auf Liedtexte und wünschte sich, sie wäre zu Hause.

Bei dem »großen Ereignis«, wie es unter den langjährigen Rotariern genannt wurde, die für die Leitung zuständig waren, handelte es sich um The Christmas Lights of Cherringham, eine Abendveranstaltung, die angeblich gut für die hiesige Wirtschaft war. Zudem sollte es gut für das Dorf sein, wenn die örtlichen Geschäftsleute Wange an Wange standen und gemeinsam die Strophen klassischer Weihnachtslieder jaulten.

Ich weiß wahrlich Besseres mit meinen Abenden anzufangen, dachte Kirsty, die es fast unerträglich fand, hier zu stehen.

»Miss Kimball – falls es Ihnen nichts ausmacht, dann heben Sie bitte Ihren Blick und schauen hierher. Wir möchten wirklich nicht, dass die Leute in ihre Noten hineinsingen.«

Kirsty war sich nicht sicher, ob Der Allmächtige, Roger Reed – dessen Tagesbeschäftigung die Leitung der Greenwood Commercial Bank war –, sonderlich viel Talent bewies, was die Leitung dieses Chors betraf.

Sie nickte jedoch, lächelte ihm angemessen zerknirscht zu und blickte anschließend brav zu Reed, während er die Arme schwenkte wie Micky Mouse, der eine Besenarmee dirigierte.

Ja, dachte sie. Vielleicht ist es Zeit, aus diesem Verein auszutreten und meine Donnerstagabende zurückzubekommen …

Andererseits sollte sie in diesen schwierigen Zeiten alles tun, was sie nur konnte, um ihre kleine Geschenkboutique The Knick Knack über Wasser zu halten; und man wusste nie, ob dies hier nicht doch irgendwann von Nutzen sein würde. Wie die anderen sie stets und ständig erinnerten: Die unausgesprochene Übereinkunft der Rotarier lautete, lohnende Geschäftsanfragen grundsätzlich an andere Mitglieder weiterzuleiten.

Eine Hand wäscht die andere, sagt man doch, nicht?

Das zumindest war das Ziel … neben der Organisation von Wohltätigkeitsveranstaltungen und dem großen Weihnachtskonzert auf dem Dorfplatz.

Fröstelnd blickte sich Kirsty unter ihren Mitsängern um. Alle waren in Wintermänteln; die meisten trugen sogar Hüte oder Mützen. Keiner von ihnen sah besonders glücklich aus. Der scheußliche Raum mit dem braunen Fußboden – er lag direkt über der Bücherei – war mit uralten schmiedeeisernen Heizkörpern ausgestattet. Gleichwohl hatte das Leitungskomitee des Gemeindehauses entschieden, dass sie nur angestellt wurden, wenn die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fielen.

Kirsty dachte an ihr gemütliches kleines Cottage, den munter knisternden Kaminofen, ihr Abendessen im Schongarer …

Dann hörte sie jemanden drüben bei den Bässen rülpsen, als er versuchte, die erste Note von We Three Kings zu treffen.

Herrgott …

Es war der rundliche Pete Bull, Inhaber von Bull Plumbing, der neben dem schmierigen Simon Rochester stand, seines Zeichens CEO irgendeines Finanzdingsbums.

Was genau machte er eigentlich? Das hatte sie noch nie richtig verstanden. Wie komisch, dachte Kirsty oft, dass einem jemand erklärte, was er beruflich tat, und man hinterher immer noch keine Ahnung hatte.

Rochester hatte ihr erzählt, dass er sich »genötigt« fühlte, hierbei mitzumachen. Andernfalls würde er sich wohl auch kaum dazu herablassen, neben Pete Bull zu stehen, als wären sie Freunde, die Seite an Seite in den Gräben der Cherringham-Wirtschaft kämpften.

Und als könnte sie es spüren, wenn man sie ansah, schaute Kirsty rasch wieder nach vorn zu Roger Reed, der stets Augen wie ein Adler hatte und eben im Begriff war, ihr einen weiteren vernichtenden Blick zuzuwerfen.

Kirsty lächelte und sang, als wollte sie sagen: Sehen Sie nur, ich gucke Sie an! Roger schien ihr Lächeln zu erwidern. Dann jedoch bemerkte Kirsty, dass der freundliche Gesichtsausdruck ihrer Mitsopranistin galt, Emma Hilloc, die neben ihr stand und wie üblich einen Viertelton tiefer sang als der Rest des Chors. Noch ein Grund, sich gut zu überlegen, ob sie hier wirklich hingehörte …

Wie dem auch sei, noch einige weitere Choräle, und dann würde es endlich für heute vorbei sein.

Dieser Gedanke brachte Kirsty richtig zum Lächeln.

Sie war in dem Garderobenraum, um ihre Tasche zu holen. Die kleine Kammer roch nach Mottenkugeln und dem trockenen Holz alter Gebäude, und es kam einem ausgeklügelten Versteckspiel gleich, hier am Ende der Proben seine Sachen zu finden.

Als Kirsty sich umdrehte, um hinauszugehen, fand sie sich Martha Bernard gegenüber, der Pianistin des Chors.

Obwohl Martha im Ruhestand war, blieb sie aktives Mitglied im Rotary Club und sorgte verlässlich für die Snacks bei den Treffen. Heute Abend waren es Keksmischungen, Kuchen und der obligatorische schwache Tee gewesen. Kirsty hatte gehofft, den anderen unbemerkt zu entkommen.

»Laufen Sie weg, Kirsty?«

Kirsty setzte ein gekünsteltes Lächeln auf.

»Nein, Martha. Ich mache mich nur für den Heimweg bereit. Im Moment gehe ich in Arbeit unter. Weihnachtsbestellungen, Sie wissen schon.«

Das stimmte natürlich nicht, und Kirsty hatte das Gefühl, dass Martha es ihr ansah.

»Ihr jungen Geschäftsfrauen! Immerzu in Hetze. Es ist eine völlig andere Welt als zu meiner Zeit. Na, aber das wissen Sie ja.«

Martha stützte sich mit einer Hand auf ihren Gehstock. In der anderen Hand hielt sie einen turmhoch mit Keksen gefüllten Teller, als könnte sie Kirsty damit bewegen, nicht gleich von dannen zu eilen.

»Kann ich Sie denn gar nicht verführen? Es ist auch Ihre Lieblingssorte dabei, Haferflocken mit Rosinen.«

Kirsty blickte auf den Teller, auf dem sich Schokoladenstückchen Seite an Seite mit tatsächlich sehr lecker und knusprig aussehenden Haferflocken-Rosinen-Keksen drängten. Ein Häufchen selbst gemachtes Mürbegebäck lag am Tellerrand, als fühlte es sich der Konkurrenz nicht recht gewachsen. Marthas Augen durchbohrten Kirsty.

»Ach, warum nicht?«, sagte sie und nahm sich einen Haferflockenkeks.

Und da Martha bei der Organisation ihrer Snacks für sämtliche Treffen immer so überaus umsichtig war, konnte Kirsty sich jene Frage sparen, die ansonsten fester Teil ihres Alltags war, egal was oder wo sie aß.

Dank Marthas strikter Instruktionen an alle, die freiwillig backten, konnte Kirsty vollkommen sicher sein, dass sich in diesem Keksberg keine Spur von Erdnüssen befand.

Eilig vertilgte sie einen Haferflockenkeks, dann noch einen.

Martha lächelte. Sie schien ein besonderes Interesse an Kirsty zu hegen.

Liegt es daran, dass ich eine unabhängige Frau bin?, fragte sie sich.

Was zutraf – und auch wiederum nicht.

»Ach, nur zu, nehmen Sie sich ein paar für den Heimweg mit«, forderte Martha sie auf und hielt ihr immer noch den Teller hin, als ob sie eine antike Opfergabe darbrächte.

»Ich würde ja gerne, Martha«, erwiderte Kirsty. »Aber ich darf mir den Appetit auf mein Abendessen nicht verderben.« Nein zu sagen war hart, denn die Kekse waren wahrhaft köstlich.

Sie blickte über Marthas Schulter. Die meisten Rotarier tranken ihren Tee, plauderten und genossen diesen seltsamen Mischmasch der Klassen, Berufe und Interessen. Kirstys gute Freundin Beth stand inmitten einer Gruppe, lachte und unterhielt sich entspannt mit Thomas, Emmas Ehemann. Als Beth zu ihr sah, bedeutete Kirsty ihr mit einer Handbewegung, dass sie gehen müsste. Daraufhin lächelte Beth sie an und nickte ihr zu.

Und für einen kurzen Moment dachte Kirsty, dass dieser Verein vielleicht doch nicht so schlimm sei.

Für jemanden, der so etwas mag.

Eventuell könnte sie nächste Woche zu den Tenören wechseln, bei denen Beth sang, und ein bisschen mehr Spaß haben …

Ihr wurde bewusst, dass Martha sie nach wie vor beobachtete. Strahlend drehte Kirsty sich zu ihr um.

»Jetzt muss ich aber wirklich los!«

Mit einem Grinsen wandte sie sich der Doppeltür zu, hinter der die knarzende Holztreppe in den Eingangsbereich hinunterführte. Und von dort ging es in die kühle Nacht hinaus.

2. Ein Weg im Mondschein

Kirsty schaute nach oben.

Der Vollmond prangte wie ein gigantischer Scheinwerfer am Himmel und erleuchtete den baumgesäumten Weg zurück zu ihrem Cottage.

Sie liebte es, diese Strecke zu Fuß zu gehen – sei es im ersten Morgenlicht oder jetzt, wenn alles so still und beinahe ein wenig unheimlich war. Trockenes Herbstlaub knisterte unter ihren Stiefeln, und die warmen Lichter von Cherringham verblassten hinter ihr.

Heute allerdings sehnte sie sich danach, rasch nach Hause zu kommen.

Nicht, dass sie etwas Besonderes vorhätte, abgesehen von ihrem Abendessen – und einem Telefonat.

Trotzdem freute sie sich darauf, es sich auf dem Sofa gemütlich zu machen und einfach nur am Telefon zu reden, zu planen und Komplotte zu schmieden.

Als sich zwischen den Bäumen zu beiden Seiten der schmalen Straße eine Lücke auftat, konnte Kirsty über die niedrigen Hügel blicken und in der Ferne die Lichter von East Charlton sehen. Außerdem fielen ihr die schwachen Strahlen von Autoscheinwerfern auf, die sich durch das Labyrinth aus Hecken und engen Straßen wanden – mal waren sie sichtbar, mal verschwunden.

Wie kalt es nur geworden ist!

Kirsty hatte sich den Schal fest um den Hals gewickelt und den wollenen Barbour-Mantel bis zum Hals zugeknöpft. Handschuhe hatte sie nicht dabei; nun aber musste sie feststellen, dass wieder die Jahreszeit gekommen war, in der sie grundsätzlich welche mitnehmen sollte.

Sie erreichte die Biegung, wo der Weg einen Knick machte. Von da an führte er bergauf zu der kleinen Siedlung, in der ihr Cottage stand.

Mittlerweile ging sie schneller, damit ihr nicht so kalt war, aber das nützte leider nichts. Sie hatte etwa die halbe Strecke zwischen dem Ort und den Cottages geschafft und empfand eine kitzelnde Vorfreude bei dem Gedanken, gleich zu Hause zu sein.

Dann fühlte sie etwas anderes.

Ein leichtes Kribbeln.

Es traf ihre Lippen wie ein winziger Stromschlag, der um ihren Mund huschte. Ein frühes Warnzeichen.

Sie erkannte es sofort, blieb allerdings nicht stehen, sondern lief noch schneller. Doch das Kribbeln sagte ihr, dass etwas passierte.

Sie hatte eine allergische Reaktion.

Unwillkürlich fuhr sie sich mit der Zunge über ihre Lippen, als könnte sie dort etwas fühlen, während ihr Mund anschwoll.

Aber natürlich war da nichts.

Und mit dem Kribbeln setzte die Taubheit ein. Ihre Lippen fühlten sich nicht mehr so an, als gehörten sie zu ihr.

Was bei Weitem nicht das Schlimmste war.

Das wusste Kirsty.

Sie wartete einige Sekunden auf das, was – wie ihr nur zu gut bekannt war – als Nächstes kommen würde: das gleiche Kribbeln auf ihrer Zunge, so als würde sich der Stromkreis ausweiten. Und dann trat es ein: Die Zungenspitze, mit der sie eben noch die Lippen abgetastet hatte, wurde nun gleichfalls taub.

Und zugleich schwoll die Zunge an!

»Gott«, entfuhr es Kirsty. Die Schwellung an Lippen und Zunge war noch nicht so schlimm, dass ihre Aussprache undeutlich wurde. Es klang weder gelallt noch erstickt.

Was garantiert noch eintreten würde.

Sofort fragte Kirsty sich: Wie? Wie konnte das bloß passieren?

Sie war doch so vorsichtig, passte dauernd so genau auf …

Nun blieb sie stehen. Das musste sie. Rasch öffnete sie ihre Handtasche und wühlte im kahlen Mondlicht den Inhalt durch: Sie suchte nach etwas, von dem sie wusste, dass es dort sein musste.

Ohne so etwas verließ sie niemals das Haus – ausgeschlossen. So etwas war immer in ihrer Tasche.

EpiPens.

Sie schob ihr Portemonnaie, die Autoschlüssel und die versteckte Zigarettenschachtel zur Seite – sie rauchte nur zu besonderen Anlässen mal eine, wenn sich der süßliche Rauch richtig gut anfühlte. Mit der einen Hand hielt sie die Tasche fest, sodass diese sich wie ein klaffender Mund öffnete, und mit der anderen suchte und kramte sie darin herum.

Ihre anschwellende Zunge selbst spürte sie nicht, nur den Druck an ihrem Gaumen, als sie größer wurde.

So viel größer, als eine Zunge sein sollte. Ihre Lippen waren vollkommen weg – überhaupt nicht mehr zu fühlen.

Das war doch verrückt. Sie hatte stets zwei Pens in ihrer Tasche. Die konnten unmöglich beide verschwunden sein.

»Wo zum Teufel sind die denn?«, sagte sie … doch selbst für die eigenen Ohren klang es wie ein undeutliches Nuscheln.

Dann überkam sie maßlose Erleichterung, als sie die dicke Röhre mit dem Stift ertastete.

Sie hatte ihn!

Kirsty zog den EpiPen heraus und stellte ihre Handtasche auf die Erde.

Langsam – mit geübten Bewegungen und allergrößter Vorsicht – entfernte sie die Kappe und ließ die Spritze aus dem Plastikbehälter gleiten.

Die Röhre ließ sie einfach fallen, während sie den Pen auf ihren Oberschenkel drückte. Dass sie eine Hose trug, machte nichts, denn die Nadel würde direkt hindurchgehen und in ihren Muskel eindringen.

Von dort würde sie Epinephrin durch Kirstys Kreislauf jagen. Fast wie von Zauberhand würde die Schwellung aufhören und ihre Zunge, einem zusammenfallenden Ballon gleich, wieder normal werden.

Und bei ihrer Ankunft zu Hause dürfte alles wieder so sein, als wäre nichts gewesen.

Kirsty führte die Injektion genau so durch, wie sie es gelernt hatte. Zweimal hatte sie das hier schon machen müssen, als sich ein anaphylaktischer Schock ankündigte.

Die schwarze Spitze des Stifts auf ihren Schenkel gedrückt, umfasste sie das obere Ende fest mit ihrer Faust.

Dann ein kurzer, harter Stoß, und die Nadel würde eindringen und das lebensrettende Medikament freigeben.

Kirsty presste hart gegen ihr Bein.

Nur …

Nur …

- und jetzt wurde sie verwirrt, während sie wieder und wieder drückte -

… dass keine Nadel herauskam.

Ihre Faust rammte und rammte, doch der Pen reagierte nicht.

Was eigentlich nur passieren konnte, wenn er schon benutzt worden war.

Kirsty richtete sich auf, um sich von der gebückten Haltung zu erholen, die so anstrengend war.

Unmöglich, dachte sie. All ihre EpiPens waren neu, erst vor wenigen Monaten frisch verschrieben. Und unbenutzt!