Cherringham Sammelband II - Folge 4-6 - Matthew Costello - E-Book
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Cherringham Sammelband II - Folge 4-6 E-Book

Matthew Costello

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Beschreibung

Very British - drei England-Krimis in einem Band.

Diese E-Book-Sonderausgabe beinhaltet dieFälle 4 - 6 der Cosy Crime Serie ′Cherringham - Landluft kann tödlich sein′ - ein Muss für Fans von Miss Marple und Sherlock Holmes!

Die Nacht der Langfinger.

Zwei Dorfbewohner finden einen Schatz - eine wertvolle römische Servierplatte aus reinem Silber. Zwar müssen sie sich die Belohnung mit dem Farmer und der Besitzerin des Landes, Lady Repton, teilen, aber es bleibt immer noch genug für alle. Der Archäologe Professor Cartwright bietet an, den Fund sicher in seinem Safe zu verstauen. Doch als am nächsten Tag der Experte des Britischen Museums eintrifft, um den Fund zu begutachten, ist dieser verschwunden! Die Polizei verdächtigt eine bekannte Gruppe von Kunstdieben. Aber Jack und Sarah haben eine andere Vermutung ...

Letzter Zug nach London.

Die Bewohner von Cherringham sind am Boden zerstört. Otto Brendl, der nette alte Herr, der jeden Sommer das Kasperletheater für die Kinder veranstaltete, stirbt an einem Herzinfarkt. Doch schon bald stolpert Jack über ein paar Ungereimtheiten: War Otto wirklich der nette alte Herr von nebenan? Und steckt vielleicht mehr hinter dem Herzinfarkt? Jack und Sarah befinden sich auf der Spur eines besonders unheimlichen Mörders. Zusammen erkennen sie, dass es nicht nur eine Art von Gerechtigkeit gibt.

Die verfluchte Farm.

Seit dem 17. Jahrhundert thront Mabbs Farm auf dem Hügel von Cherringham - einer Zeit, als die Einwohner Angst vor dem Teufel hatten und Hexen auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden. Der Legende nach sind alle, die auf der Farm leben, verflucht. Aber liegt es wirklich an dem Fluch, dass die Ernte schlecht ausfällt, die Tiere krank werden und tödliche Feuer auf der Farm ausbrechen? Oder gibt es dafür einen ganz anderen Grund? Weder Jack noch Sarah glauben an das Übernatürliche - und bald entdecken sie sehr reale Verdächtige.

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Seitenzahl: 391

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Inhalt

Cover

Cherringham – Landluft kann tödlich sein – Die Serie

Über dieses Sammelband

Die Autoren

Die Hauptfiguren

Sammelband II

Impressum

Nacht der Langfinger

Letzter Zug nach London

Die verfluchte Farm

Im nächsten Sammelband

Cherringham – Landluft kann tödlich sein – Die Serie

»Cherringham – Landluft kann tödlich sein« ist eine Cosy Crime Serie, die in dem vermeintlich beschaulichen Städtchen Cherringham spielt. Jeden Monat erscheint sowohl auf Deutsch als auch auf Englisch ein spannender und in sich abgeschlossener Fall mit dem Ermittlerduo Jack und Sarah.

Über dieses Sammelband

Dieses Sammelband beinhaltet die Cherringham-Fälle vier, fünf und sechs:

Cherringham – Die Nacht der Langfinger

Cherringham – Letzter Zug nach London

Cherringham – Die verfluchte Farm

Über die Autoren

Matthew Costello ist Autor erfolgreicher Romane wie Vacation (2011), Home (2014) und Beneath Still Waters (1989), der sogar verfilmt wurde. Er schrieb für verschiedene Fernsehsender wie die BBC und hat dutzende Computer- und Videospiele gestaltet, von denen The 7th Guest, Doom 3, Rage und Pirates of the Caribbean besonders erfolgreich waren. Er lebt in den USA.

Neil Richards hat als Produzent und Autor für Film und Fernsehen gearbeitet sowie Drehbücher für die BBC, Disney und andere Sender verfasst, für die er bereits mehrfach für den BAFTA nominiert wurde. Für mehr als zwanzig Videospiele hat der Brite Drehbuch und Erzählung geschrieben, u.a. The Da Vinci Code und, gemeinsam mit Douglas Adams, Starship Titanic. Darüber hinaus berät er weltweit zum Thema Storytelling.

Bereits seit den späten 90er Jahren schreibt er zusammen mit Matt Costello Texte, bislang allerdings nur fürs Fernsehen. Cherringham ist die erste Krimiserie des Autorenteams in Buchform.

Die Hauptfiguren

Jack Brannen ist pensioniert und frisch verwitwet. Er hat jahrelang für die New Yorker Mordkommission gearbeitet. Alles was er nun will ist Ruhe. Ein Hausboot im beschaulichen Cherringham in den englischen Cotswolds erscheint ihm deshalb als Alterswohnsitz gerade richtig. Doch etwas fehlt ihm: das Lösen von Kriminalfällen. Etwas, das er einfach nicht sein lassen kann.

Sarah Edwards ist eine 38-jährige Webdesignerin. Sie führte ein perfektes Leben in London samt Ehemann und zwei Kindern. Dann entschied sich ihr Mann für eine andere. Mit den Kindern im Schlepptau versucht sie nun in ihrer Heimatstadt Cherringham ein neues Leben aufzubauen. Das Kleinstadtleben ist ihr allerdings viel zu langweilig. Doch dann lernt sie Jack kennen …

Matthew CostelloNeil Richards

CHERRINGHAM

LANDLUFT KANN TÖDLICH SEIN

Sammelband II

Folge 4: Die Nacht der LangfingerFolge 5: Letzter Zug nach LondonFolge 6: Die verfluchte Farm

beTHRILLED

Digitale Originalausgabe

»be« - Das eBook-Imprint von Bastei Entertainment

Copyright © 2014 by Bastei Lübbe AG

Übersetzung: Sabine Schilasky

Textredaktion: Dr. Arno Hoven

Projektmanagement: Michelle Zongo

Titelillustration: © shutterstock: Buslik | Andy Poole | Adam Fraise | Perfect Vectors | Longjourneys | © istockphoto: digi_guru | AndyRoland

Titelgestaltung: Jeannine Schmelzer

eBook-Produktion: Urban SatzKonzept, Düsseldorf

ISBN 978-3-7325-0572-2

www.be-ebooks.de

www.lesejury.de

Matthew CostelloNeil Richards

CHERRINGHAM

LANDLUFT KANN TÖDLICH SEIN

Nacht der Langfinger

Aus dem Englischen von Sabine Schilasky

1. Das Ende des Regenbogens

Jerry Pratt gab Gas und hielt das Lenkrad des alten Landrovers fest in seinen Händen, während die Reifen mit dem steilen, schlammigen Hang am Winsham Hill kämpften.

»Komm schon, komm schon!«, rief er dem Motor zu, aber das alte Wrack rutschte und schlingerte bedrohlich zur Seite.

Doch zu guter Letzt machte der Wagen einen Satz nach vorn, und die Räder griffen in den Grund des alten Wirtschaftsweges, sodass Jerry die Kontrolle wiedererlangte.

»Mann, ich dachte schon, du packst das nicht«, stöhnte Baz, der auf dem Beifahrersitz hockte und sich mit beiden Händen an das alte Blecharmaturenbrett klammerte.

Jerry sah zu seinem alten Kumpel und boxte ihm lachend gegen den Arm.

»Ha! Hast mächtig Schiss gekriegt, was, Baz, du Penner? Aber mach mir nicht meinen Autositz voll, klar?«

Er bog auf einen Kiesstreifen neben dem lang gezogenen Waldstück, das den Hügel säumte, hielt an und stellte den Motor ab.

»Ich kapier nicht, wieso du nicht den Weg neben dem Cricketplatz nimmst – so wie jeder normale Mensch«, murrte Baz.

»Weil ich nicht normal bin, okay?«

»Wie recht du hast.«

Jerry lachte wieder, holte seine Zigaretten hervor und bot Baz eine an. Der schüttelte den Kopf.

»Ich hab aufgehört, schon vergessen?«, sagte er finster. »Abby mag das nicht. Wegen dem Baby und so.«

Jerry verdrehte die Augen.

»Pass lieber auf, Alter. Du stehst schon ganz schön unterm Pantoffel.«

»Tja, wird dir irgendwann genauso gehen, Jerry. Wart’s nur ab.«

»Keine Chance. Ich lasse mich nicht in Ketten legen!«

Jerry grinste.

Jau, so bin ich. Frei wie ein Vogel, dachte er. Und arm wie ’ne beknackte Kirchenmaus.

Er zündete sich eine Zigarette an und schnappte sich seine Jacke. Während er aus dem Landrover stieg, schaute er sich um. Von hier oben könne man auf fünf Countys sehen, hieß es – obwohl er das nie geglaubt hatte. Solchen Quark dachten sich die Tourismusleute aus. Und falls es doch stimmte – na wenn schon! Was sollte das bringen, auf fünf Countys zu gucken? Die sahen doch eh alle gleich aus. Bloß Felder. Dennoch musste er zugeben, dass die Aussicht zu dieser Tageszeit nicht schlecht war. Vielleicht sollte er häufiger vor elf herkommen …

Er drehte sich zu dem Wäldchen um.

Im Dickicht hinter den Bäumen – wo es in der richtigen Jahreszeit von fetten Fasanen nur so wimmelte – lag das Cricketfeld von Cherringham. Und dahinter wiederum befand sich der Ort selbst.

Baz hatte recht. Aus der Richtung kam man tatsächlich am besten hierher: Nur – wo blieb da der Spaß? Außerdem war die Strecke für Jerrys Geschmack ein bisschen zu … belebt. Was auch immer man in und um Cherringham herum anstellte, irgendeiner steckte immer seine Nase rein, meckerte oder beschwerte sich.

Deshalb bevorzugte er den Feldweg, die ruhigere und weniger »normale« Strecke um das Dorf herum.

Und wo sonst konnte ein junger, heißblütiger, gut aussehender Kerl wie er heutzutage den gewissen Nervenkitzel finden? Sicherlich nicht oben in der Hühnerfabrik, wo man für sechs Pfund die Stunde Hähnchen ausweidete.

Eines Tages, wenn er reich und berühmt wäre, würde er sich hier oben eine große Villa mit Blick auf die fünf bescheuerten Countys bauen. Er würde auf seiner Terrasse sitzen, einen Joint rauchen und Bier mit seinen Kumpels trinken: Und dann könnten die Leute von Cherringham ihn mal gernhaben.

»Ich hab die Akkus aufgeladen, Jerry, denn das hast du ja garantiert vergessen«, sagte Baz, der inzwischen hinten im Landrover war. Durch seine Worte wurden Jerrys Träume von einer rosigen Zukunft jäh unterbrochen.

»Und ich hab sie nicht aufgeladen, du Penner, weil ich wusste, dass du es sowieso machst«, erwiderte Jerry.

Baz hielt die hintere Tür des Wagens auf und zeigte auf zwei Metalldetektoren.

»Such dir einen aus«, forderte er Jerry auf und stieg aus dem Rover.

Jerry überlegte. Der Mark IV war schwerer, machte aber weniger Lärm. Der Expro-Navigator war leichter, dafür jedoch fummeliger.

»Ich nehm den Expro, Baz. Meine Schulter zwickt heute Morgen.«

»Zu viele Pints gehoben, schätze ich«, stichelte Baz. »Du hast aber auch ein Glück.«

Jerry bekam von Baz den gewünschten Detektor, legte ihn auf die Seite und griff nach seinen Stiefeln, die im Wagen lagen. Er sah zu, wie Baz einen Spaten und den anderen Detektor aufnahm und hinüber auf den Gipfel des Hügels ging, wo er die Hände in die Hüften stemmte und über das Tal blickte.

»Was machen wir? Unten anfangen und uns nach oben vorarbeiten?«

Nachdem er seine Stiefel angezogen hatte, griff Jerry sich seine Ausrüstung, verriegelte den Landrover und stellte sich zu Baz.

»Nee, wir fangen ungefähr auf halber Höhe an und arbeiten uns nach unten vor, würd ich sagen.«

Der obere Teil des Winsham Hill war eine Wildwiese; und an einer Seite von ihr führte der Feldweg entlang, den sie vom Tal aus hinaufgefahren waren. Auf halber Strecke nach unten wurde der Hang flacher. Von dort ab war das Land in Felder aufgeteilt, auf denen unterschiedliche Nutzpflanzen angebaut wurden und die sich bis zum Avon Brooke hinunterzogen – einem Flüsschen, das sich um Cherringham herumschlängelte, bevor es in die Themse mündete.

»Siehst du die Low Copse Farm?«, fragte Jerry und zeigte nach unten ins Tal, über den Fluss hinweg.

Baz nickte. »Die von Butterworth, oder?«

»Genau die. Er glaubt, dass der Streifen Land hier schon seit ein paar Tausend Jahren bewirtschaftet wird.«

»Also können da unten schon früher Häuser gestanden haben?«

»Richtig. Und es gab Straßen und Wege. Plätze, wo die Leute gesessen und ein Nickerchen gemacht haben. Wo sie Sachen verloren, vergruben, versteckten …«

»Schätze!«, rief Baz.

»Ja, möglich wär’s. Wenn wir Glück haben.«

»Bisher hattest du aber noch kein Glück, oder?«

»Nein, hatte ich nicht. Und deshalb bist du hier. Du bringst mir Glück, alter Knabe.«

»Und ich nehme dir die Hälfte der verdammten Plackerei ab«, merkte Baz an.

Jerry klopfte ihm auf die Schulter. Baz war schon mies gelaunt auf die Welt gekommen und musste dauernd aufgemuntert werden.

»Ja, stimmt schon. Aber du kriegst auch die Hälfte von dem verdammten Schatz ab, wenn wir ihn finden.«

»Falls wir ihn finden«, korrigierte Baz ihn. »Und dann müssten wir immer noch mit Butterworth teilen.«

»Ist ja seine Farm, Baz. Und sein Land.«

»Ich finde das ungerecht. Er sitzt zu Hause und trinkt Tee, und wir machen die ganze Arbeit.«

»So sind nun mal die Regeln.«

»Hmm, wenn du es sagst. Aber das ist jetzt schon der dritte Samstag, an dem ich dir draußen helfe«, beklagte sich Baz, »und ehrlich gesagt, habe ich es allmählich ein bisschen satt.«

»Drei Samstage – und noch kein Schatz? Was ist nur aus der Welt geworden?«

»Kein Grund, gleich angepisst zu sein, Jerry. Ich meine ja nur.«

»Ist ja gut«, lenkte Jerry ein. »Also, fangen wir jetzt an? Je eher wir mit der Suche beginnen, desto früher werden wir fündig.«

Mit diesen Worten legte Jerry sich seinen Spaten auf die Schulter, hob seinen Detektor hoch und machte sich daran, den Hügel hinabzugehen, um sein Glück zu finden.

2. Wer’s findet, darf’s behalten

Baz wischte sich den Schweiß aus den Augen und richtete sich auf.

Ogottogott, tut mir das Kreuz weh, dachte er.

Er sah auf seine Uhr. Fünf. Fast sieben Stunden waren sie schon auf diesem Feld zugange. Sie waren durch den Matsch hin und her gestapft, hatten dabei ihre Detektoren langsam von einer Seite zur anderen geschwenkt und aufmerksam gelauscht, ob das verräterische »Plink«-Geräusch zu hören war.

Zuerst hatten sie nebeneinander gearbeitet, aber dann war Jerry der Ansicht gewesen, dass sie sich aufteilen und auf unterschiedlichen Abschnitten des Felds suchen sollten. Irgendwie sollte das ihre Chancen erhöhen, auch wenn Baz nicht ganz verstand, wie.

Auf dem Hügel verliefen die Erdfurchen von unten nach oben, und Jerrys Logik zufolge sollten sie beide sich quer zu ihnen bewegen. Er meinte, sie hätten Glück, dass erst vor Kurzem gepflügt worden war. Butterworth war spät dran mit seiner Maisaussaat, aber wegen des vielen Regens hatte er bis zur letzten Minute gewartet.

Das Problem war, dass der Regen den frisch gepflügten Acker in Matsch verwandelt hatte. Und so waren Baz’ Stiefel inzwischen dick mit Schlamm verkrustet und schwer. Folglich empfand er keineswegs, dass sie Glück gehabt hätten.

Sein Rücken tat weh. Seine Beine taten weh. Und seine Arme taten weh vom Schwenken des verfluchten Detektors, mit dem er rein gar nichts gefunden hatte.

Natürlich hatte Jerry sich das leichtere Gerät ausgesucht. Baz wusste zwar, dass sein Kumpel ein verschlagener Mistkerl war, trotzdem ließ er sich alles von ihm gefallen. Man legte sich nicht mit Jerry an, denn der konnte richtig fies werden. Jerry war spargeldünn und drahtig: Anscheinend aß er nie irgendwas, sondern trank bloß. Doch bei Prügeleien kämpfte er wie ein richtiges Muskelpaket.

So wie diese schrecklichen Hunde, die ihre Zähne in einen schlugen und nie wieder losließen.

Neben Jerry kam Baz sich erst recht fett und lahm vor. Er war immer schon dick gewesen, solange er sich erinnerte. Adipös nannte man das heute. Aber fett blieb fett. Jedenfalls war Abby genauso wie er, und sie störte es nicht. Also warum sollte es ihm etwas ausmachen?

Er lehnte sich auf seinen Spaten und ließ den Blick über das Feld schweifen, um nach Jerry Ausschau zu halten.

Zuerst konnte er ihn nicht sehen. Dann entdeckte er ihn an einem Zaunpfosten.

Jerry hatte sich dort hingehockt, um sich auszuruhen, und rauchte eine Zigarette. Jetzt winkte Jerry ihm zu.

Baz winkte zurück.

Fauler Sack.

Baz griff in seine Tasche, zog einen Energydrink heraus und leerte die Dose. Seine letzte. Was für ein Tag! Er hatte sieben Pfund für Drinks und Snacks ausgegeben – und was hatte er gefunden?

Er wühlte in seiner Hosentasche und holte seine Schätze hervor: einen Metallknopf, zwei kleine Stücke Schrott, drei Patronenhülsen.

Wenigstens hatte er es bald geschafft. Nur noch ein letzter viereckiger Abschnitt vom Feld, dann konnten sie wieder nach Hause.

Er legte sich den Spaten auf die Schulter, steckte seine Kopfhörer in die Ohren und stellte den Detektor an. Dann hielt er ihn so, dass die Magnetspule kurz über dem Boden war, und machte sich an das letzte Feldstück.

Nie wieder mache ich das. Eine verfluchte Zeitverschwendung, dachte er.

Jerry beobachtete Baz, der in der hinteren Feldecke wie ein Zombie hin und her schlich, und wurde ungeduldig. Es war fast sechs, und bei diesem Tempo wären sie nicht vor sieben im Pub – viel zu spät für ihn!

Was war nur mit Baz los? Wieso war er so langsam?

Ich muss mir wohl jemand anders suchen, der mir hilft. Und Baz sagen, er bringt’s nicht …

Aber Jerry mochte Baz und hatte Mitleid mit ihm. Baz’ Frau war ein richtiger Drachen, und Jerry wusste, wenn er ihn nicht ab und zu für einige Stunden aus dem Haus holte, würde sein Kumpel eines Tages noch umkippen.

Und so viel musste man Baz lassen: Er war gründlich. Baz würde nie einen Job hinschmeißen, bevor er nicht erledigt war.

Jerry trat seine Kippe im Matsch aus und ging rüber, um Baz zu sagen, dass sie für heute Schluss machten.

Was nicht mehr nötig schien, denn Baz war schon stehen geblieben.

Jerry sah, wie Baz sich bückte, in der Erde grub, mit dem Detektor über den Schlamm strich und wieder grub. Dann kniete er sich hin und fing an, mit den Händen im Matsch zu schaufeln.

Jerry lief schneller.

Baz richtete sich auf, nahm seine Kopfhörer ab und winkte ihm ungewohnt hektisch zu.

»Jerry! Jerry!«

Es bedurfte keiner besonderen Aufforderung. Jerry rannte bereits, und als er bei Baz war, scharrte der Riesenkerl mit seinem Spaten so emsig in der Erde herum, dass Dreckklumpen in alle Richtungen flogen.

»Hey, Baz! Stopp! Immer mit der Ruhe, Alter«, sagte Jerry und kniete sich neben ihn. »Hast du was? Was ist da?«

»Ich hatte hier ein hammermäßiges Signal, Jerry. Hammermäßig!«

»Okay, jetzt krieg dich wieder ein, ja? Das könnte alles Mögliche sein. Ein Teil von einem alten Pflug, ein verbuddelter Wagen, eine Bombe aus dem Zweiten Weltkrieg -«

»Eine Bombe? Oh Gott!«

Baz sprang auf, wich zurück und ließ seinen Spaten fallen.

»Oder … es könnte auch was Wertvolles sein«, gab Jerry zu bedenken. »Und falls es so was ist, wollen wir es nicht mit dem Spaten zerkratzen, oder?«

Er sah lächelnd zu Baz auf, der blinzelnd nickte.

»Ja, klar. Könnte wertvoll sein …«

Vorsichtig schob Jerry mehr Erde zur Seite und tastete mit den Fingern im Matsch. Da war tatsächlich etwas: Es war flach, mit einer Prägung oder so. Er versuchte, es anzuheben, aber es war zu groß und steckte in dem dicken Schlamm und Lehm fest, die das Ding anscheinend nicht hergeben wollten.

Baz kniete sich wieder neben Jerry.

»So macht man das, Baz«, erklärte Jerry und zeigte ihm, wie er die Erde mit den Händen beiseiteschieben sollte. »Schön vorsichtig.«

Es dauerte nur eine Minute, dann hatten sie das geheimnisvolle Ding freigelegt.

Es war rund, weit mehr als einen halben Meter im Durchmesser und an den Rändern nach oben gewölbt. Und schwer, wie Jerry feststellte, als er es anheben wollte.

»Gott, hilf mal mit. Das ist beschissen schwer!«

Baz nahm das andere Ende und hob es an. Seine Augen weiteten sich vor Staunen.

»Ich glaub’s nicht. Das ist Metall. Aber was ist es, Jerry? Ist es ein Schatz?«

Jerry nahm die Wasserflasche aus seiner Jackentasche und schüttete sie über dem Fund aus. Der Schlamm wurde weggespült, sodass darunter eine schwarze Oberfläche mit einem leichten Blaustich zum Vorschein kam. Er sah genauer hin. In das Ding waren Figuren eingraviert: Nackte, die tanzten, Trompeten bliesen und Speere hielten.

»Weiß ich nicht, Baz. Könnte ein altes Tablett sein. Vielleicht nur Schrott. Oder eine von diesen Platten, auf denen man Braten schneidet …«

»A-aber es könnte ein Schatz sein?«

Jerry sah Baz an, dessen Gesicht strahlte wie das von einem Kind zu Weihnachten.

»Könnte sein.«

Obwohl er eher nicht daran glaubte.

Wann hatte er je so viel Glück gehabt?

3. Alles streng nach Vorschrift

Pete Butterworth saß mit verschränkten Armen an dem alten Küchentisch des Farmhauses und wartete. Auf seiner Schulter fühlte er die Hand seiner Frau Becky, warm und beruhigend. Er blickte sich in der Küche um. Sie waren zu fünft hier, doch seit Minuten hatte keiner ein Wort gesagt.

An einem der beiden Tischenden saß Professor Peregrine Cartwright, der ehemalige Leiter des Archäologischen Instituts an der University of Oxford, und guckte sich die Metallplatte in Sherlock-Holmes-Manier durch eine Lupe an. Ab und zu drehte er das schwere Objekt und trug etwas in das kleine Notizbuch ein, das vor ihm auf dem Tisch lag.

Pete gegenüber saßen Jerry und Baz – »die ungewöhnlichsten Schatzsucher der Welt«, wie er sie gerne nannte.

Bisher vielleicht.

Sie waren anmarschiert gekommen, als er gerade mit dem Melken fertig war, hatten eine Schlammspur im Haus hinterlassen und beide so wild durcheinandergeredet, dass Pete zuerst gar nichts verstand.

Dann hatten sie vorsichtig den Inhalt des alten Sacks auf den Küchentisch gelegt, und Becky und er waren total baff gewesen.

»Wir glauben, das ist ein antikes Teetablett«, hatte Baz gesagt.

»Mittelalter vielleicht«, fügte Jerry hinzu.

Es klebten noch Schlammklumpen an dem Ding, und das angelaufene Metall machte nicht viel her; doch Pete hatte schon genug Funde auf Farmen gesehen, um zu erkennen, dass es kein Teetablett war.

Und aus dem Mittelalter ganz bestimmt nicht.

Während Becky das Ungetüm behutsam in der großen, alten Küchenspüle abwusch und es dann auf ausgebreiteten Zeitungen auf den Tisch stellte, hatte Pete den beiden Burschen die komplizierten Abläufe bei so einem Fund erklärt.

Man musste sofort die Behörden informieren, sonst konnte man schnell mal auf fünftausend Pfund Bußgeld verknackt werden.

Danach entschied das British Museum höchstpersönlich, ob es sich um einen sogenannten »archäologischen Fund« handelte oder nicht. Falls ja, schätzten die Sachverständigen ihn und bezahlten den Marktwert. Das Geld wurde normalerweise zwischen Farmer und Findern geteilt – entsprechend der vorab getroffenen Vereinbarung.

»Und was für ein Glück, Jerry«, hatte Pete mit einem kurzen Lächeln zu seiner Frau gesagt, »dass ich diese Abmachung gleich hier habe, von dir unterschrieben.«

Er hatte das Blatt Papier gezückt, das – sollte dieses »Tablett« sein, wofür er es hielt – das Haus, die Farm, sein Vieh und seine Familie davor bewahren würde, noch vor Jahresende vor die Hunde zu gehen.

Was höchst unwahrscheinlich ist, dachte er erneut.

Denn Pete Butterworth war in der Tat sehr pleite, und es schien, als könnte ihn nur noch das Wunder eines verborgenen Schatzes vor dem finanziellen Ruin retten. Das Land, das Petes Familie seit drei Generationen bewirtschaftete, gehörte Lady Repton, und sie hatte bereits erklärt, dass die Pacht im kommenden April erhöht würde – mal wieder.

Professor Peregrine Cartwright legte seine Lupe ab, schlug das Notizbuch zu und schaute sich bedeutungsschwer in der Küche um.

Oh, oh, jetzt kommt’s, dachte Pete.

Sein Herz wummerte wie ein Dampfhammer.

»Als Erstes«, begann der alte Archäologe, »möchte ich Ihnen sagen, dass Sie richtig gehandelt haben, mich heute Abend herzurufen, Mr. Butterworth. Alle historischen Funde müssen den Behörden so bald wie möglich und korrekt gemeldet werden. Einen Fachmann wie mich – auch wenn ich im Ruhestand bin, wie ich erwähnen muss – hinzuzubitten, um solche Funde zu prüfen, ist immer wieder … wie soll ich sagen … ein probates Mittel, die relevanten Prozesse in Gang zu setzen …«

»Hä?«, entfuhr es Baz.

»Er meint, dass wir alles ›streng nach Vorschrift‹ machen müssen, und er hilft uns dabei«, übersetzte Jerry für ihn.

»Klar«, sagte Baz, obwohl er noch verwirrt wirkte.

»Darf ich fortfahren?«

»Ja, ich bitte darum, Professor«, antwortete Pete.

Er begriff, dass Cartwright es gewohnt war, das Sagen zu haben, und entschied, ihn lieber weitermachen zu lassen. Becky zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben Pete. Unter dem Tisch ergriff sie seine Hand und drückte sie.

»Ich danke Ihnen«, fuhr Cartwright fort. »Nun, zunächst einmal müssen wir den Fundort sichern. Mr. Butterworth, vielleicht könnten Sie morgen für die Einzäunung sorgen und zusätzliche Hilfen anheuern, die uns bei weiteren Grabungen unterstützen?«

Pete nickte, auch wenn er noch nicht verstand, worauf der Professor hinauswollte.

»In der Zwischenzeit werde ich mich persönlich an das British Museum wenden, gleich morgen früh«, sagte Cartwright. »Also, falls das Artefakt hierbleiben soll, brauchen Sie einen Sicherheitsdienst, der es rund um die Uhr bewacht. Ich kann Ihnen eine vertrauenswürdige Firma in Oxford empfehlen. Dort haben sie solche Wachdienste schon übernommen, und Sie brauchen ihn ja nur für die wenigen Wochen, bis das British Museum aktiv wird.«

Pete sah seine Frau an.

Ein Sicherheitsdienst? Wie in aller Welt sollte er den bezahlen? Er hatte gehört, dass es ein Jahr dauern konnte, bis man das Geld für so einen Fund bekam.

Es muss einen anderen Weg geben.

»Können wir das vielleicht anders regeln, Professor? Was ist mit der Bank? Könnten die -«

Cartwright stieß ein kurzes Lachen aus, als wäre die Idee völlig absurd.

»Banken machen einen großen Bogen um solche Sachen. Haftungsfragen noch und nöcher. Aber …«

Cartwright legte eine Pause ein, als käme ihm eben eine Idee. Er strich sich über den Bart und nickte.

»Es gäbe eine Möglichkeit. Ich könnte den Fund … eventuell … mit zu mir nach Hause nach Cherringham nehmen. Dort habe ich einen großen Safe, der eigens für die Aufbewahrung solch wertvoller Objekte gebaut wurde. Ich nehme an … Ja, ich könnte in diesem Fall wohl die Verantwortung übernehmen.«

»Das wäre prima«, stimmte Pete ihm zu.

»Dann einigen wir uns darauf?«

»Ich denke, das ist das Beste.« Pete sah seine Frau an, und Becky nickte.

»Moment mal«, sagte Jerry. »Sie meinen, dass Sie das Tablett mitnehmen? Das gehört doch uns!«

»Mein lieber Junge«, erwiderte Professor Cartwright, »ich kann unmöglich Ihnen die Verantwortung dafür überlassen.«

»Wieso nicht? Das ist unser Tablett. Wir haben es gefunden.«

»Das bestreite ich ja gar nicht. Die Eigentumsverhältnisse hier sind gänzlich unstrittig. Obschon ich Sie wohl darauf hinweisen sollte, dass dies kein Tablett ist.«

»Hä?«, entfuhr es Baz erneut.

»Professor Cartwright«, sagte Pete, dem eine Frage auf der Zunge brannte, seit Jerry und Baz ihm das Ding angeschleppt hatten. »Können Sie uns verraten, was es denn wirklich ist?«

»Ja, aber selbstverständlich!«, antwortete Cartwright. »Es handelt sich hier um ein sehr schönes Stück römischen Tafelsilbers aus dem vierten Jahrhundert. Eine Servierschale – oder Servierplatte, verziert mit mehreren Meeresgottheiten, einem sehr hübschen Bacchus und einigen atemberaubend detailliert dargestellten Mänaden.«

»Silber?«, fragte Jerry enttäuscht. »Also kein Gold?«

»Selbstverständlich nicht«, erwiderte Cartwright, als wäre schon die Vorstellung grotesk.

»Dann ist das nicht so viel wert?«, erkundigte sich Baz, der jetzt regelrecht niedergeschlagen aussah.

»Ganz im Gegenteil. Ich würde schätzen, dass es sogar recht viel wert ist.«

Petes Herz übersprang einen Schlag.

»Jetzt raus damit, Prof!«, rief Jerry. »Kommen wir zur Sache, okay? Über wie viel reden wir hier?«

Professor Cartwright seufzte, als wäre es der Gipfel der Geschmacklosigkeit, einem römischen Artefakt einen Preisstempel aufdrücken zu wollen.

»Nun ja … Die Platte aus dem Mildenhall-Fund – ein ganz ähnliches Stück, das in den Vierzigern entdeckt wurde – ist in der Qualität und Verarbeitung dieser hier weit unterlegen. Und der gesamte Fund wurde seinerzeit auf annähernd fünfzigtausend Pfund festgelegt, sofern ich mich recht erinnere.«

Pete schluckte und merkte, wie seine Frau seine Hand noch fester drückte. Fünfzigtausend Pfund! Sogar wenn sie die durch zwei teilten – zehn oder zwanzig Riesen würden ausreichen, um die Familie von sämtlichen Sorgen zu befreien. Jerry und Baz ihnen gegenüber klatschten sich ab.

»Geschafft!«, sagte Jerry und wandte sich zu Baz. »Was hab ich dir gesagt?«

»Jippie!« Baz rieb sich die Hände.

Professor Cartwright hüstelte ungeduldig.

»Es gilt indes, die Inflation zu bedenken. Unter Berücksichtigung aller Fakten dürfen Sie mithin davon ausgehen, dass die zuständigen Stellen heute einen Wert zwischen einer und eineinhalb Millionen ansetzen werden.«

Pete spürte, wie er sehr blass wurde.

»Einige Hunderttausend mehr oder weniger«, ergänzte der Professor, als würde er mit ihnen spielen.

Hierauf wurde es sehr still, und Pete hätte schwören können, dass sie alle aufgehört hatten zu atmen. Professor Cartwright stand auf und blickte auf sie hinab.

»Sind wir uns dann alle einig, dass es das Klügste ist, wenn ich die Servierplatte – die Cherringham-Platte, wie sie zweifellos künftig heißen wird – mitnehme und über Nacht in meinem Safe aufbewahre?«

Pete konnte nichts sagen. Er sah seine Frau an und stellte fest, dass ihr Tränen übers Gesicht liefen.

»Ja«, antwortete er schließlich, während er nun selbst mit den Tränen kämpfte. »Das ist bestimmt das Klügste.

»Nun, dann können wir das Stück vielleicht in einige Stofflagen wickeln. Und wenn Sie mir helfen würden, sie in mein Auto zu legen … dann würde ich mich verabschieden.«

4. Party im Ploughman

Jack Brennan lenkte seinen Austin Healey Sprite in eine freie Lücke auf dem Parkplatz neben dem Ploughman und stellte den Motor aus.

Es war einer der letzten freien Plätze, und er vermutete, dass in dem Pub irgendeine Feier stattfand. Vielleicht sollte er zurück zu seinem Boot, The Grey Goose, fahren, sich einen Martini mixen und …

Nein. Einer seiner Vorsätze für das neue Jahr – den er bisher auch eingehalten hatte – lautete, dass er sich mehr unter die Einheimischen mischen und sich weniger wie der Yankee auf Besuch benehmen wollte.

Er sang im Rotarierchor, was ein Anfang war. Doch was würde ein richtiger Einheimischer in Cherringham von Zeit zu Zeit tun?

Richtig: Er würde in den Pub gehen und mit den Leuten plaudern, die dort waren. Also holte er tief Luft, stieg aus seinem Sportwagen und ging auf die verglasten Doppeltüren des klassischen Pubs zu.

Drinnen fand eindeutig eine Party statt.

Jack nickte und lächelte. Einige hier kannte er bereits flüchtig, doch er sah auch viele neue Gesichter. Er bahnte sich seinen Weg zu einem freien Platz an der Bar, wo drei Leute die Zapfhähne am Laufen hielten; der Tresen war gepunktet von Bierschaum.

»Ein Pint Bitter«, sagte Jack und hoffte, dass es lässig klang.

Die Barfrau Ellie, die recht niedlich aussah und ungefähr im selben Alter wie Jacks Tochter war, lächelte ihm zu, während sie nach einem Glas griff und es unter den altmodischen Zapfhahn hielt. Während sie es füllte, drehte Jack sich um und versuchte herauszufinden, was hier vor sich ging.

Zwei Männer standen weiter rechts vor der Dartscheibe, und anscheinend galt ihnen die Aufmerksamkeit aller anderen Gäste.

Der eine war dünn und drahtig, der andere sehr rund, blass und schwammig. Sie wurden von Leuten umringt, die ihre Gläser dicht vor der Brust hielten und sich benahmen, als wären die beiden königliche Hoheiten auf der Durchreise. Dabei sahen die zwei eher wie Landarbeiter aus, die schon länger keinen Job mehr gefunden hatten.

»Hier, bitte, Jack«, sagte Ellie.

»Danke«, erwiderte er, nahm sein Pint und bewegte sich ein bisschen weiter nach rechts, um zu hören, worüber die beiden Männer redeten.

»Na, morgen wissen wir, was Sache ist. Stimmt’s, Baz?«

Der Dünne nickte seinem Freund zu, der mehrere Pints recht hastig hintereinander geleert haben musste – der lallenden Stimme nach zu urteilen, mit der er antwortete: »Äh … ja, ja, und dann … verraten wir euch, w-wie das war. Drinks für alle!«

Ein Mann in der Menge, dessen grauer Vollbart einen Großteil seines Gesichts verbarg, wandte sich zu der Gruppe um und rief: »Habt ihr gehört, Leute? Drinks für alle!«

Jack entging jedoch nicht, dass der dünne Kerl zu lächeln aufhörte und besagtem Baz einen warnenden Blick zuwarf, der offenbar ausdrücken sollte: Halt verdammt noch mal die Klappe!

Baz korrigierte sich eilig.

»W-wenn wir unser Geld haben. K-könnt ihr drauf wetten. Aber n-nicht jetzt.«

Der alte Mann mit dem Bart war sichtlich enttäuscht.

Um Haaresbreite hatte er ein bis zwei Freibiere verpasst.

»D-der Perfesser«, erklärte der stark angetrunkene Baz, »s-sagt, dass es eine Million wert sein kann. V-vielleicht mehr.«

Die Menge stieß im Chor ein »Oooh!« aus. In Cherringham war das viel Geld. Genau genommen war eine Million überall ein Haufen Geld.

Jack wandte sich an einen neben ihm stehenden jungen Mann, der einen Overall trug und eine eng anliegende Mütze aufhatte.

»Verzeihung, ich bin nur neugierig. Was ist mit diesen Typen? Haben die im Lotto gewonnen oder so?«

Der Mann drehte sich zu Jack. »Nee, die haben einen Schatz gefunden! Römisch. Tierisch wertvoll.«

»Ach ja? Und haben sie den hier?«

Der Mann schüttelte den Kopf. »Irgend son Professor hat den. Bewahrt ihn im Safe auf, bis morgen die Typen vom Museum kommen.«

»Große Neuigkeiten für Cherringham«, meinte Jack.

Aber der andere lauschte bereits wieder den beiden Schatzjägern, die nun detailliert beschrieben, wie sie ihren Fund entdeckt hatten, und es sichtlich genossen, im Mittelpunkt zu stehen. Jack kam ein Gedanke, als er sein Pint austrank. Dies könnte eine interessante Geschichte für die Lokalpresse sein. Und er wusste genau, wem er es erzählen sollte.

Aber zuerst sollte er vielleicht etwas mehr erfahren.

Er wartete, bis sich die Menge ein bisschen verteilt hatte. Die in epischer Breite wiedergegebene Geschichte von der großen Entdeckung war zu Ende, und da keinerlei Aussicht auf Freibier bestand, hatten sich viele auf den Heimweg gemacht.

Der Mann, der Baz genannt wurde, saß zusammengesackt auf einem Stuhl in der Ecke, während der andere Schatzsucher am Billardtisch stand und mit einer Frau redete, die so rund war wie er dünn.

Ein günstiger Moment, um mehr Informationen zu bekommen.

Jack ging hinüber und stellte sich zu den beiden.

Endlich blickte der Mann auf. Er war zwar groß, Jack aber immer noch ein kleines Stück größer.

Jack lächelte.

»Gratuliere«, sagte er und prostete dem Schatzsucher mit seinem Glas zu.

Der Mann grinste und stieß sein fast leeres Glas gegen Jacks an.

»Jack Brennan. Was für eine eindrucksvolle Entdeckung, Mr. …«

»Jerry Pratt«, stellte sich der Mann vor. »Ja, ein echt tierischer Fund.«

»Ich hätte da mal eine Frage.«

Sogleich blickte sein Gegenüber ihn misstrauisch an. Aus der Nähe erkannte Jack, dass er ihn schon früher im Ploughman gesehen hatte – allerdings handelte es sich nicht um jemanden, von dem man in irgendeiner Weise Notiz nahm.

Jetzt allerdings, da Jerry Pratt enormem Reichtum entgegensah, war das völlig anders.

»Wie ich gehört habe, passt ein Professor auf Ihren Fund auf?«

Jerry erzählte ihm von dem Safe. Zum Schluss erwähnte er, dass morgen alle dabei sein würden, wenn der Safe geöffnet und der Experte vom British Museum den Wert schätzen würde.

»Alle? Wer wäre das denn, außer Ihnen beiden?«

»Pete. Ist ja seine Farm. Und Lady Repton. Ihr gehört das Feld.«

»Die kriegen alle etwas ab?«

Jerrys Miene nach zu urteilen – er kniff die Augen zusammen, und die Lippen wurden schmaler –, gefiel ihm diese Vorstellung ganz und gar nicht. Auch bei einer Million teilten die Menschen ungern.

Wie wunderlich wir sind, wenn es ums Geld geht, dachte Jack.

Obwohl das vielleicht nicht ganz das richtige Wort war.

Jack bekam den Namen des Professors heraus – Peregrine Cartwright –, doch nun wurde Jerry wieder misstrauisch. »Was sollen die ganzen Fragen?«

Jack lächelte und hoffte, dass er jeden Argwohn mit der folgenden Antwort im Keim ersticken konnte. »Ich habe eine Freundin, die den Cherringham Roundel herausgibt. Das ist der Online-Newsletter für das Dorf.«

Ebensogut hätte er Esperanto sprechen können.

»Jedenfalls möchte ich wetten, dass sie die Story mit Freuden bringen würde und sehr gerne dabei wäre, wenn der Experte sich die Silberplatte ansieht. Verstehen Sie?«

Jerry nickte. »Ja, klar. Wieso nicht?«

»Schön. Sind doch große Neuigkeiten für Cherringham, nicht?«

Der Mann lehnte sich halb auf Jack. Er war nicht so betrunken wie Baz, aber doch ein bisschen wacklig. »Verflucht riesige Neuigkeiten für mich – kann ich nur sagen.«

Dann lachte er und wandte sich wieder der rundlichen kleinen Frau zu, die ihn mit großen Augen und unverhohlener Bewunderung anstarrte. Sie konnte offenbar nicht fassen, dass dieser Kerl, der aussah, als könnte er nicht mal mit zwei Münzen in der Tasche klimpern, in Wahrheit ein Millionär war.

Jack stellte sein Glas auf einem nahen Tisch ab, nickte Jerry zu und ging nachdenklich hinaus zu seinem Wagen.

Was für ein erstaunlicher Zufall, dass du ausgerechnet heute in den Pub gegangen bist.

»Irgendwann morgen früh, Sarah«, sagte Jack. »Meinst du, du kannst dir eine Einladung besorgen?«

Sarah klang begeistert von Jacks Idee. Wie sie ihm erzählt hatte, war die wöchentliche Ausgabe des Online-Newsletters für den Gemeinderat von Cherringham – angefüllt mit lokalen Nachrichten und Ereignissen – nicht unbedingt der Gipfel des Nervenkitzels, aber es machte ihr Spaß, all den Kleinkram zusammenzutragen.

Außerdem glaubte Jack, dass für Sarah jeder Penny zählte. Und die Entdeckung eines antiken römischen Artefakts kam »echten Nachrichten« so nahe, wie es nur irgend ging.

»Soweit ich weiß, ist Professor Cartwright im Ruhestand. Zwar kenne ich ihn nicht persönlich, aber ich habe ihn schon einige Male im Dorf gesehen. Ich könnte versuchen, ihn anzurufen.«

»Was ist mit der Frau, der das Land eigentlich gehört?«

Jack kamen diese ganzen rechtlichen Vorschriften bei entdeckten Funden unglaublich wirr und unnötig kompliziert vor.

Das würde in den Staaten vollkommen anders ablaufen. Da gehörte ein Fund dem, der ihn entdeckt hatte.

»Lady Repton. Die kenne ich auch nicht persönlich. Die Reptons besitzen hier einiges an Grund, aber es geht das Gerücht, dass sie ziemlich klamm sind. Diese Geschichte könnte sie retten.«

»Ich schätze, darauf hoffen mehrere Leute.«

»Soll ich versuchen, dich auch einladen zu lassen?«

»Nein, ich lese es im Cherringham Roundel nach.«

Sarah lachte. »Direkt neben dem Erlös aus dem St.-James-Flohmarkt.«

»Ah ja, stimmt.« Er sah zum Nachthimmel hinauf, der von Sternen gesprenkelt war. Es wurde spät.

»Ich berichte dann, wie es war«, sagte Sarah.

»Super.«

»Und, Jack, vielen Dank für den Tipp!«

»Immer wieder gerne. Bis bald!«

Nach dem Gespräch blieb Jack noch ein wenig stehen und betrachtete den ungewöhnlich klaren Himmel.

Dabei kam ihm der faszinierende Gedanke, dass genau hier, auf dieser uralten Straße hinunter zum Fluss, römische Legionen marschiert, ihre Lager aufgeschlagen und mit einheimischen Keltenstämmen gekämpft haben könnten.

Hier, wo ich stehe.

Das ist eindeutig eine andere Welt als die guten, alten USA.

Hier in England zu sein – umgeben von so viel Historischem – ließ die Geschichte irgendwie lebendiger wirken. So wie diese Platte, die im Boden verborgen war: die Hinterlassenschaft eines Imperiums, das einst diese Insel erobert hatte.

Vielleicht würde er heute Abend noch eine Weile in seinem Gibbon lesen. Das war zwar keine leichte Lektüre, doch wenn Jack besser verstehen wollte, wie Imperien aufstiegen und untergingen, war Gibbons Werk über den Verfall des Römischen Reiches genau das Richtige, auch wenn der berühmte Historiker es bereits vor Jahrhunderten geschrieben hatte. Und mit diesem Gedanken ging Jack zu seinem Sprite. Heute Abend war er froh, ein »Einheimischer« zu sein … und konnte sich durchaus vorstellen, für immer hierzubleiben.

5. Eine Überraschung beim Professor

Sarah saß steif in Professor Peregrine Cartwrights Wohnzimmer.

Lady Repton hatte auf einem ledergepolsterten Stuhl Platz genommen, ihren Gehstock fest in der rechten Hand. An ihrer Seite war Cartwright; die beiden unterhielten sich leise miteinander. Die anderen Männer standen am Rande des in schimmerndem Bronzeton tapezierten Zimmers, dessen dicke lila Vorhänge aufgezogen waren, sodass von draußen Sonnenlicht hereinfiel.

Ein bizarres Grüppchen – diese Männer dort, dachte Sarah.

Die beiden Schatzfinder sahen aus, als hätten sie die Nacht durchgezecht. Ihre Gesichter wirkten aufgedunsen, die Augen waren eingefallen, und sie blinzelten unglücklich im grellen Licht, als fürchteten sie, es könnte ihre Gehirne einschmelzen.

Der Farmer, Pete Butterworth, sah nervös aus: Mit unruhigen Bewegungen trat er von einem Fuß auf den anderen, schaute auf seine Uhr, überprüfte sein Handy – und anschließend begann er mit all dem von Neuem.

Cartwright war begeistert gewesen, als Sarah anrief, und hatte sich gefreut, dass sie herkommen und über die Begutachtung im Cherringham Roundel berichten wollte.

»Es ist nur ein Online-Newsletter«, hatte sie erklärt. »Der Gemeinderat bat mich -«

»Selbstverständlich. Es ist ganz wunderbar, wenn solch ein Ereignis in die Medien kommt. Schließlich wird hier Geschichte lebendig!«

»Und ein Vermögen gemacht«, sagte sie.

»Äh … ja, das auch. Ich müsste natürlich vorher Lady Repton fragen, ob es ihr recht ist, doch ich kann mir nicht vorstellen, dass sie etwas einzuwenden hat. Je mehr Aufmerksamkeit dieser Fund bekommt, desto besser!«

Von einer enthusiastischen Reaktion des Professors zu sprechen wäre noch untertrieben gewesen.

Nur leider verspätete sich jetzt der Gutachter vom British Museum. Angeblich gab es einen Stau auf der M40. Er hatte Cartwright eine SMS geschickt und ihm mitgeteilt, dass er nicht mehr weit weg war, doch die Verzögerung zerrte an den Nerven aller Anwesenden.

Ein Gedanke kam Sarah unvermittelt in den Sinn: Hier will nicht bloß jeder das Geld von dem Fund – die brauchen es dringend.

Genau in diesem Moment klingelte es an der Tür von Cartwrights Cottage, und alle zuckten zusammen. Die Finder gaben sich alle Mühe, kerzengerade zu stehen, und Pete Butterworth blickte ängstlich zur Haustür.

Cartwright tätschelte Lady Reptons Hand und eilte mit einem breiten Grinsen zur Tür.

Jetzt wird es spannend, dachte Sarah.

Und wie eine königliche Hoheit betrat der Gutachter den Raum.

»Darf ich vorstellen: Doctor Reginald Buchanan von der Abteilung für Antiquitäten und Schätze des British Museum.«

Buchanans rundliche Statur erinnerte an ein vergangenes Jahrhundert. »Feinkostgewölbe« nannte man früher solch einen ausladenden Bauch, fuhr es Sarah durch den Kopf. Mit seiner Weste, deren Knopflöcher bedenklich gedehnt wurden, und seinem sorgfältig frisiertem Schnauzbart wirkte der Mann, als wäre er soeben H. G. Wells’ Zeitmaschine entstiegen.

Etwas an ihrem Verhalten ließ Sarah vermuten, dass sich Buchanan und Cartwright schon kannten. Was recht gut der Fall sein konnte – schließlich war der eine emeritierter Geschichtsprofessor aus Oxford und der andere Antiquitätenfachmann …

»Eine Tasse Tee?«

Buchanan hob eine Hand.

Der Gutachter schien nicht sonderlich angetan von Cartwright zu sein, und er machte auch keinerlei Anstalten, sich für die Verspätung zu entschuldigen.

»Nein«, antwortete er und zog die eine Silbe derart in die Länge, dass der letzte Buchstabe beinahe nachhallte.

Buchanan blickte zu den drei Männern und ließ sich seine Verachtung für das Publikum deutlich anmerken. Dann fiel sein Blick auf Sarah, die sofort aufsprang.

»Sarah Edwards«, sagte sie und streckte ihm die Hand hin. »Ich schreibe hierüber in unserem hiesigen Newsletter, dem …«

Mit einem Nicken wandte Buchanan sich von ihr ab, bevor sie den Satz beenden konnte.

»Nun, bringen wir es hinter uns. Falls Sie hier etwas Echtes – etwas von Wert – haben, brauche ich einige Zeit, um es sehr gründlich zu prüfen.« Nach einer kurzen Pause wiederholte er seine letzten Worte: »Sehr gründlich zu prüfen … Ich muss mich vom genauen Zustand überzeugen und mir absolut sicher sein, was es ist.«

»Und ob das Ding echt ist!«, platzte Jerry Pratt heraus. »Da können Sie einen drauf lassen.«

Alle verstummten. Die Ansicht eines Mannes, der mit einem Metalldetektor im Dreck nach Schätzen suchte, hatte hier keinerlei Gewicht.

Cartwright zog einen Stuhl näher zu Lady Repton und klatschte in die Hände.

»Alsdann. Fangen wir an. Ich habe meinen Esstisch frei gemacht, sodass Sie genügend Platz haben, das Objekt zu untersuchen und seinen Wert zu schätzen.«

Cartwright ging zu einem Gemälde auf der rechten Seite, gleich neben den hohen Bücherregalen. Das Bild hatte eine vage Ähnlichkeit mit einem Klimt-Gemälde: ein sich umarmendes Paar, umhüllt von etwas, das mit goldenen und silbernen Farbflecken wiedergegeben wurde.

Ein bisschen schrill, nicht sehr klassisch, dachte Sarah.

Cartwright zog an einer Ecke des Bilderrahmens, der daraufhin aufschwang und den Blick auf einen Wandtresor mit einem großen Kombinationsschloss in der Mitte freigab.

Cartwright grinste wie ein Schuljunge, als er sich zu den anderen umsah. »Hoffentlich erinnere ich mich noch an die Kombination!«

Ein kurzer Blick nach links und rechts bestätigte, dass niemand den Scherz des Professors amüsant fand.

Cartwright sah wieder zum Tresor und begann an der Scheibe zu drehen, wobei er vor sich hin murmelte.

»Links, rechts, wieder links und …«

Er griff nach dem Riegel, aber die Tür rührte sich nicht.

»Verzeihung«, entschuldigte er sich und drehte sich erneut zu seinem Publikum um. »Das Schloss ist sehr heikel. Es muss an exakt der richtigen Stelle einrasten. Gut. Noch einmal von vorn.«

Sarah sah hinüber zu Buchanan, der mit seiner wuchtigen Figur im Begriff zu sein schien, den Stuhl zu zerquetschen, auf dem er saß. Die potenziellen Geldempfänger – ausgenommen Lady Repton – standen schlecht gecasteten Statisten gleich ein Stück hinter dem Professor, als wären sie bereit, nach vorne zu stürzen, sobald sich der Safe öffnen würde.

Sarah bemerkte, dass Lady Repton gebannt auf Cartwrights Hand starrte.

Wenn ich das genau so schreiben dürfte, wäre es endlich mal ein spannender Artikel im Newsletter. Leider durfte sie es nicht.

Der Stil des Roundel, so wie ihn der Gemeinderat wollte, sollte rein informativ sein – sachlich und mit einem Hauch Übertreibung hinsichtlich guter Taten, triumphaler Laientheaterabende und Musikdarbietungen.

»Links und …«

Cartwright hatte seinen zweiten Versuch beendet. Diesmal hatte er langsamer am Kombinationsschloss gedreht, bevor er nun nach dem Türhebel griff und kräftig drückte.

Der Hebel bewegte sich bis ganz nach unten, und ein Klicken ertönte.

Selbst der betont desinteressierte Buchanan lehnte sich ein wenig vor und harrte der großen Enthüllung.

Cartwright schwang die Tür auf und langte in den Tresor.

»Wa-«

Für einen Moment dachte Sarah, der Professor würde ihnen eine weitere Kostprobe seines erbärmlichen Humors vorführen.

Dann aber steckte er den Kopf erst halb, dann vollständig in den Tresor und tastete den Innenraum geräuschvoll ab.

In dem geschmacklos eingerichteten Zimmer hätte man eine Stecknadel fallen hören.

Nur dass das nächste Geräusch nicht von einer fallenden Stecknadel herrührte.

Cartwright drehte sich um und war so bleich, als hätte er eben einen Geist gesehen. Seine Lippen bebten, und seine Augen huschten hektisch umher, als er aussprach, was niemand hier hören wollte.

»Er ist weg! Der Schatz ist weg!«

6. Morgendlicher Tumult

In dem nun losbrechenden Chaos war Sarah für einen Moment um ihr Wohlergehen besorgt.

Jerry und Baz, verkatert, wie sie waren, erwachten mit einer solchen Wucht zum Leben, als hätten sie einen heftigen Stromschlag abbekommen. Sie rannten zum Safe, stießen den Professor zur Seite und drängelten sich gegenseitig weg, um die Köpfe in die klaffende Öffnung zu stecken.

Lady Repton blieb sitzen, zeigte jedoch, dass sie für ihren Gehstock noch eine andere Verwendung kannte als die übliche – sie richtete ihn auf Cartwright und schrie mit kehliger, raspelnder Stimme: »Wo zur Hölle ist er, Cartwright? Wo ist mein Schatz?«

Der Farmer Butterworth, anscheinend der Ruhigste von allen, bewegte sich überhaupt nicht – bis auf seine Augen. Er sah sich in dem Zimmer um, als wäre dem Raum sämtlicher Sauerstoff entzogen worden, und erweckte so den Anschein, als würde er binnen Minuten auf den dicken, zweifellos teuren Perserteppich sinken und einen grausamen Erstickungstod sterben.

Cartwright war zurückgestolpert und hielt sich mit zitternden Händen am Bücherregal fest. Erst murmelte er nur leise vor sich hin, erhob die Stimme jedoch bald, damit ihn ja keiner überhörte.

»Ich bin bestohlen worden. Großer Gott, jemand hat mich bestohlen!«

Das wird wohl nicht der Artikel, den ich geplant hatte, dachte Sarah.

Und dann war da noch Buchanan.

Hatte er jemals solch eine Szene erlebt? Oder war das hier ein alltägliches Vorkommnis im Leben eines geschätzten Repräsentanten des British Museum?

Seine Miene verriet die Antwort nicht, als er aufstand.

»Dies«, verkündete er streng, »wird Konsequenzen haben. Professor … und alle anderen hier: Ein Schatz wurde gefunden, und jetzt diese … Farce?«

Das letzte Wort sprach er voller Verachtung aus.

Cartwright stürmte auf Buchanan zu, der bereits begonnen hatte, seinen fettleibigen Körper auf die Haustür zuzubewegen.

»Das ist unmöglich! Ich habe eine Alarmanlage. Und der Safe ist von höchster Qualität! Einer der besten.«

Buchanan ließ sich von dem Professor nicht aufhalten und ging weiter.

Bis Pete Butterworth ihm eine Hand auf die Schulter legte. »Was passiert jetzt? Was wird nun?«

Buchanan drehte sich zu ihm. »Also, ich werde dem Museum und den zuständigen Behörden Bericht erstatten, und Sie alle müssen dies umgehend der örtlichen Polizei melden. Das Objekt muss gefunden werden, und wer immer hierfür verantwortlich ist …«

Er legte eine bedeutungsschwangere Pause ein.

»Nun, sagen wir, der Betreffende hat einen folgenschweren Fehler begangen. Mit einem Schatz Ihrer Majestät treibt man keinen Schabernack!«

Und damit schüttelte er Butterworths Hand ab.

Jerry und Baz kehrten von ihrer Höhlenexpedition im leeren Safe zurück und bauten sich rechts und links von Cartwright auf.

»Sie haben gesagt, hier sei es sicher, Sie alter Idiot!«, brüllte Jerry dem Mann ins rechte Ohr.

»Das ist Ihre Schuld, Perfesser!«, schrie Baz ins andere. »Dafür bezahlen Sie – und wie!«

Um seine Drohung angemessen zu untermalen, pikte Baz mit seinem Finger Cartwrights Nasenspitze.

»Lassen Sie das, Sie Trampel!«, schimpfte Cartwright.

Auch Lady Repton wollte sich an der Anpöbelung von Cartwright beteiligen, nur leider reichte ihr Stock nicht bis zu ihm. Daher schwenkte sie ihn zwischen Cartwright und Buchanan hin und her.

»Das ist Diebstahl. Das Museum muss uns helfen …«

Hierauf wandte sich Buchanan, der seinen Burberry schon wieder angezogen hatte, zu ihr um.

»Ich fürchte, Mylady, dass das Museum nur dann involviert ist, wenn es Artefakte gibt, die begutachtet und geprüft werden müssen. In diesem Fall handelt es sich allem Anschein nach um nichts als Betrug … oder um Diebstahl. Das ist alles, was ich hier feststellen kann. So oder so – beides fällt nicht in meine Zuständigkeit. Sollte Ihre Servierplatte wieder auftauchen, wissen Sie ja, wo Sie mich erreichen können.«

Und mit diesen eindrucksvollen Abschiedsworten machte sich der Mann auf den Weg zurück nach London.

Was, wie Sarah fand, angesichts der gegenseitigen Beschuldigungen und der Brüllerei hier keine schlechte Idee war.

Sie sprang von ihrem Stuhl auf und floh vollkommen unbemerkt nach draußen in die kühle Frühlingsluft, die ihr nun fantastisch frisch vorkam.

7. Tee zu zweit

Sarah und Jack saßen an einem Tisch hinten im Huffington’s, wo sich bereits die ersten Mittagsgäste einfanden.

Jack wischte sich die Lachtränen von den Wangen.

»Oh, ich wünschte, ich wäre dabei gewesen«, sagte er.

»Das Beste war der Experte vom Museum. Direkt aus einem Oscar-Wilde-Stück.«

Jack schüttelte den Kopf. »Über eine Million. Einfach futsch.«

»Falls das Ding echt war.«

»Ja«, pflichtete Jack ihr bei. »Das vorausgesetzt.«

Sarah nickte. Je belebter das Café wurde, umso schwieriger war es, sich privat zu unterhalten. In Teestuben und Cafés neigten die Leute dazu, sich nicht nur mit ihren Freunden zu unterhalten, sondern zugleich auch auf das zu achten, was an den benachbarten Tischen geredet wurde.

Sie senkte die Stimme.

»Jedenfalls hat die Polizei jetzt eine Woche lang Zeit für die Ermittlungen gehabt, und wie lautet ihr Fazit?«

»Na, wie?«