Chonia - Leon Weidner - E-Book

Chonia E-Book

Leon Weidner

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Beschreibung

Als Professor Baumgarten seinen PU-Phasenverschieber entwickelte, konnte er nicht ahnen, dass er unsere Welt damit in Gefahr bringen würde. Riesige Insekten versuchen mit Hilfe dieser Technologie bei uns einzufallen. Nur Lisa und Felix können die drohende Invasion verhindern. Die Abenteuer, die die beiden Kinder dabei erleben, bieten ein fesselndes Lesevergnügen, das zum Mitdenken anregt.

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Seitenzahl: 225

Veröffentlichungsjahr: 2015

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Für David

Inhaltsverzeichnis

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III

Kapitel IV

Kapitel V

Kapitel VI

Kapitel VII

Kapitel VIII

Kapitel IX

Kapitel X

Kapitel XI

Kapitel XII

Kapitel XIII

Kapitel XIV

Kapitel XV

Kapitel XVI

Kapitel XVII

Kapitel XVIII

Kapitel XIX

I

Es war heiß. Felix schlenderte am Waldrand entlang und trat mit den Füßen die Steine, die auf dem Weg lagen zur Seite. Ab und zu riss er Gräser oder Blätter ab und zerpflückte sie. Seine Laune war nicht besonders gut. Seit seine Eltern sich getrennt hatten, lebte er mit seiner Mutter bei seinen Großeltern in diesem Dorf. Er vermisste seine Freunde aus der Stadt. Hier war aber auch absolut nichts los! Das Schwimmbad war fünfundzwanzig Kilometer weit weg. Ins Kino konnte man nur, wenn sich irgendein Erwachsener bereit fand die Kinder zu transportieren. Busse fuhren nur selten und in den Ferien fast gar nicht. Die anderen Jungs spielten meistens Fußball und Fußball interessierte Felix überhaupt nicht. Bisher hatte er hier noch keine richtigen Freunde gefunden. Wenn die anderen Kinder sich unterhielten, verstand er kaum etwas. Sie sprachen einen breiten Dialekt, der für ihn, vor allem wenn sie schnell sprachen, völlig unverständlich war. Als er zum erstenmal auf einheimische Kinder traf und sie mit einem „Hallo“ begrüßte, schauten sie sich an und brachen in Gelächter aus. Er hörte sich einfach zu hochdeutsch an. Er ging gelegentlich zu ihrem Bolzplatz und spielte Fußball mit ihnen. Aber er war zu schlecht. Es machte keinen Spaß. Einmal prügelte er sich sogar mit einem Jungen. Jan, so hieß er, war nicht älter, aber einen Kopf größer als Felix. Als sie während des Spieles einmal aneinander stießen, schlug ihm Jan die Faust auf die Brust. Felix ließ sich das natürlich nicht gefallen und schlug zurück. Sie rissen sich die Kleider vom Leib und zerkratzten sich fürchterlich. Am Ende lief Jan weg und heulte. Felix Mutter war mächtig sauer, als sie ihn sah. Eigentlich war er ein hübscher Junge mit seinen blonden Haaren und dem immer etwas träumerischen Blick. Er war nicht groß für seine 12 Jahre, aber ziemlich gewand und stark. Aber davon sah seine Mutter an diesem Abend nichts. Doch er hatte sich Respekt verschafft.

Heute traf er sich mit Lisa, einem Mädchen aus dem Nachbardorf. Lisa sprach nicht diesen fürchterlichen Dialekt, der Felix das Leben so schwer machte, denn ihre Mutter war aus einer anderen Gegend. Er lernte sie kennen, als er mit seinem Großvater bei einem Bauern im Ort zu Besuch war. Sie wollten zusammen eine, mitten im Wald stehende, Ruine untersuchen. Die alten Leute munkelten es sei nicht geheuer bei dem alten Gemäuer. Eigentlich langweilte ihn die ganze Sache. Es gibt doch keine Gespenster! Lächerlich! Doch als er jetzt den Wald betrat wurde er unsicher. Sie hatte ihm den Weg genau beschrieben, Er musste auf einem schmalen Pfad durch einen Fichtenwald. Die Bäume standen so dicht, dass kaum ein Sonnenstrahl den Boden berührte. Die Stille wurde nur durch seine Schritte auf den Nadeln des Waldbodens gestört. Die ganze Zeit hatte er das Gefühl, er würde aus der Dunkelheit beobachtet. Plötzlich hörte er ein lautes Rascheln hinter sich. Er blieb stehen, hielt den Atem an und drehte sich langsam um. Aber er sah nur ein Eichhörnchen an einem Baum klettern. Langsam ging er weiter. Wieso ist es nur so verdammt still hier. Er hätte sich ja auch mit Lisa vor dem Wald treffen können. Aber sie hatte einen anderen Weg genommen, da sie aus einer anderen Richtung kam. Sein Herz schlug sehr laut und seine Schritte wurden immer größer. In Gedanken schalt er sich. Wie kann man nur so ein Angsthase sein! Was war das? Er hörte ein leises tiefes Brummen, das manchmal aussetzte. Es hörte sich wie ein stotternder Motor an. Vorsichtig ging er in die Richtung aus der das Geräusch kam. Die Neugierde war stärker als seine Angst. Es wurde lauter, aber er konnte in dem düsteren Wald immer noch nichts erkennen. In einer Vertiefung, die mit Schlamm gefüllt war, sah er es dann liegen. Das Blut in seinen Adern gefror. Etwas so Grausliches hatte er noch in keinem Film gesehen. Das Tier, oder was immer es auch war, hatte Ähnlichkeit mit einem Insekt und lag lang ausgestreckt in der Kuhle. Allerdings war es mindestens so groß wie ein ausgewachsener Mensch. Zwei durchsichtige Flügel, von denen Felix nur einen sah, bedeckten seinen Rücken. Das Unterteil des Monsters war blau-schwarz gestreift. Riesige Facettenaugen starrten aus einem schwarzen Insektenkopf auf Felix. Vier rote Zangenflügel schauten aus dem Maul. Am Körper, der bläulich schimmerte, hatte es sechs Gliedmaße von denen zwei mit seltsam glitzernden Schuhen bekleidet waren. Die zwei mittleren Beine, oder vielleicht sollte man sie Arme nennen, waren verhältnismäßig kurz und unaufhörlich in Bewegung. Dagegen hingen die oberen Arme kraftlos am Körper. Sie hatten je zwei Finger, die sich krampfhaft bewegten.

An den Gliedmaßen befanden sich seltsame Geräte und Taschen, die mit Bändern befestigt waren. Das Brummen entstand durch die Flügel von denen der linke im Schlamm steckte. Starr vor Entsetzen versuchte Felix seine Gedanken zu kontrollieren. Das muss ein Alptraum sein. Die Bewegungen des Monsters wurden langsamer und hörten schließlich ganz auf. Felix hatte das erste Mal in seinem Leben das Gefühl sein Herz würde in die Hose rutschen. Er riss sich aus seiner Starre und fing zu laufen an so schnell er nur konnte. Egal wohin, nur weg! Er fiel, raffte sich wieder auf und lief weiter. Sein T-Shirt zeriss, als er an den Dornen eines Busches hängen blieb. Nach einigen Minuten wurde der Wald lichter. Zwischen alten Eichen und Buchen kam mehr Licht zum Boden und es wuchsen Blumen und Gräser. Auf einer Lichtung sah man alte Mauern und Gebäude stehen, die früher wohl zu einem großen Hof gehörten. Jetzt waren nur noch, von Rankgewächsen überwucherte, verwitterte Sandsteinmauern vorhanden. Vor sich sah er einen großen Torbogen, der zum ehemaligen Innenhof führte. Man konnte auf der rechten Seite Stallungen erkennen, die noch einigermaßen intakt waren. Das Dach, das mit Biberschwänzen gedeckt war, hatte allerdings viele Löcher. Gegenüber stand ein ehemaliges Wohnhaus, von dem aber nur noch einige Mauern die Zeit überdauert hatten. Durch die Fenster sah man den gegenüberliegenden Wald und den Himmel. In einem dieser Fenster saß ein rothaariges Mädchen, das mit seinem Handy spielte. Ihr ganzes Gesicht war mit Sommersprossen bedeckt. Man sah ihr an, das sie für jeden Spaß zu haben war.

"Da bist du ja endlich! Was ist denn los mit dir?"

Erstaunt schaute sie Felix entgegen. Felix blieb stehen und atmete erleichtert auf. Lisa, ein Glück! Er machte einen jämmerlichen Eindruck. Total zerkratzt und schmutzig war er. Er keuchte so heftig, als sei der Teufel hinter ihm her gewesen. Heftig atmend versuchte er ihr, zusammenhanglos von seinem Erlebnis zu erzählen.

"Ein Monster- sah aus wie eine Fliege - da hinten - wir müssen weg hier, es war riesig!"

Lisa sprang von ihrem erhöhten Sitz auf den Boden und lief ihm entgegen.

"Wie groß war es?", fragte sie.

"Mindestens zwei Meter!", stieß Felix hervor.

"Du spinnst doch, willst Du mich verarschen?"

Klar, wer sollte so etwas schon glauben. Sie wird mir nicht glauben, wenn sie es nicht selbst sieht, dachte er. Aber noch mal zurückgehen? Nein!

"Du musst mir glauben", sagte er und erzählte dann ruhiger was er gesehen hatte. Sie war unschlüssig. Hielt er sie zum Besten oder spinnt er einfach nur.

"Lass uns hingehen, ich will´s auch sehen!", schlug sie vor.

Das war aber nicht das was er wollte. Normalerweise war er nicht ängstlich. Doch dieses seltsame Wesen konnte auch einem mutigen Jungen Angst einjagen. Aber sie würde es ihm nicht glauben und was sollte sie dann von ihm denken? Das er verrückt sei? Es musste sein.

"Ok, lass uns hingehen, aber vorsichtig!"

Zusammen gingen sie in die Richtung aus der er gekommen war. Nach einiger Zeit erreichten sie den Fichtenwald und gingen dann noch langsamer weiter. Sie wagten kaum zu atmen. Felix zitterte. Wäre ich doch nur zuhause geblieben, dachte er. Lisa dagegen war sehr neugierig. Ihr war auch etwas gruselig zumute, aber eigentlich konnte sie sich nicht vorstellen, dass es solche Monster gäbe. Wer weiß, was dieser Stadtjunge hier gesehen hat.

"Pst, hinter den Büschen ist es", flüsterte Felix.

In gebückter Haltung schlichen sie an den Büschen vorbei zu dem Schlammloch. Doch wie erstaunt schaute Felix, als sie nur aufgewühlten Schlamm in der Vertiefung sahen.

"Es war hier! Es muss weggegangen sein."

Ängstlich schaute er sich um.

"Du spinnst ja wirklich! Du träumst ja mit offenen Augen. Ich hab´s mir gleich gedacht, dass das Blödsinn ist. Wenn du so komische Phantasien hast, solltest du nicht in den Wald gehen. In diesen Löchern suhlen sich manchmal Wildschweine, aber keine Rieseninsekten."

Lisa fühlte sich auf den Arm genommen.

"Ich geh heim."

Die Ruine zu erforschen hatte sie keine Lust mehr. Der Typ spinnt doch! Sie drehte sich um, schüttelte noch einmal ihren Kopf und ging schnell heimwärts.

"Es stimmt aber, das Vieh war da, glaub mir doch!"

Felix lief noch einige Zeit hinter ihr her und versuchte sie zu überzeugen. Als sie aber überhaupt nicht reagierte,schimpfte er:

"Dann halt nicht, du blöde Kuh!"

Auf dem Heimweg tat ihm das aber auch wieder Leid. Er konnte Lisa eigentlich sehr gut leiden und er dachte sie könnten gute Freunde werden. Seine Geschichte war ja wirklich nicht leicht zu glauben. Aber er hatte doch nicht geträumt. Oder wird er durch dieses Landleben langsam verrückt. Ach, wenn sich doch seine Eltern wieder vertragen würden. Dann könnte alles wieder wie früher sein. Mit solchen Gedanken kam er zu Hause an. Als seine Mutter fragte, was er denn so den Tag über gemacht habe, gab er keine richtige Antwort. Er war sehr kurz angebunden. In dieser Nacht hatte er fürchterliche Alpträume. Riesige Fliegen und Käfer kamen ins Dorf und fingen an, alles zu zerstören. Er flüchtete sich in den Keller um sich zu verstecken. Aber dort saß schon Lisa und sie lachte und lachte und lachte. Schweißgebadet erwachte er. Er fasste einen Entschluss! So schwer es ihm auch fiele, würde er doch der Sache auf den Grund gehen. Es mussten ja irgendwelche Spuren vorhanden sein. Wenn nicht, wäre er doch verrückt. Nein, er wusste was er gesehen hatte und er wird beweisen, dass es dieses Monster gibt.

II

Lisa dachte auf dem Weg nach Hause noch lange über diese Sache nach. Eigentlich sah Felix nicht so aus, als wollte er sie verulken. Der hatte wirklich Angst. Spätesten beim Schlammloch hätte er gelacht, wenn er sie nur ängstigen wollte. Mit so etwas hatte sie insgeheim gerechnet. Er war ihr sympathisch. Sie hatte sich auf den Nachmittag gefreut. Es hätte viel Spaß gemacht, in der Ruine nach Geistern zu suchen, die es gar nicht gab. Vielleicht hatte er wirklich etwas gesehen. Sie kehrte um. Lisa war kein ängstliches Mädchen. Schon als sie noch ein kleineres Kind war, spielte sie sehr oft im Wald. Ihre Eltern wünschten sich manchmal, dass sie etwas häuslicher wäre. Aber das war nicht ihr Ding. Es gab keinen Baum in der ganzen Gegend auf den sie nicht schon geklettert und keine Höhle in die sie nicht schon gekrochen war. Wenn andere Mädchen in ihrem Alter von Boygroups schwärmten, verdrehte sie gelangweilt die Augen. Sie fand es viel spannender zum Beispiel einem Mistkäfer bei seiner anstrengenden Tätigkeit zu beobachten.

Als sie in die Nähe der Ruine kam wurde sie langsamer. Vielleicht waren irgendwelche Spaßvögel am Werk gewesen, die eine Puppe gebaut hatten um Leute zu erschrecken und die sich jetzt, nachdem es gelungen war, in ihrem Versteck kranklachten. Je länger sie über diese Möglichkeit nachdachte, desto wahrscheinlicher kam sie ihr vor. Als Versteck boten sich die alten Ställe in der Ruine an. Dort könnte man auch die Puppe verstecken. Vorsichtig schlich sie von der Waldseite zu den Gebäuden. Aus einer Fensteröffnung sah sie Lichtschein. Sie lächelte:"Dachte ich es mir doch!" Auf allen vieren kroch sie bis zum Fenster. Dann erhob sie sich, presste ihren Körper an die Wand und hielt ihren Kopf nahe an die unverglaste Öffnung. Sie hörte eine gedämpft sprechende weibliche Stimme.

"... musst dringend zu einem Arzt. Deine Verletzung ist sehr schwer. Papa, ich habe Angst!"

Der Mann, der antwortete, sprach sehr leise und stockend.

"Wir müssen hier bleiben. Sie kommen um ihn zu holen. Das ist unsere einzige Möglichkeit von hier wegzukommen. Ohne den PU - Phasenverschieber müssen wir für immer in diesem PU bleiben. Außerdem haben wir keine Dokumente die in dieser Welt etwas gelten. Was sollen wir denn sagen, wenn man uns fragt wo wir herkämen. Die Wahrheit? Sie würden uns in eine Einrichtung für Geisteskranke stecken."

"Wir müssen ja nicht die Wahrheit sagen. Erfinden wir doch eine Geschichte!"

"Dazu fehlt uns das Wissen über diese Gesellschaft. Die Menschen hier sind sehr aggressiv und unberechenbar. Es ist zu gefährlich. Nein, wir bleiben hier. Es geht schon. Meine Verletzung sieht schlimmer aus als sie ist.""Und der Junge, der den Kundschafter gesehen hat? Womöglich sind in kurzer Zeit eine Menge Menschen hier, die den Melch suchen."

"Nein, sie werden ihm nicht glauben. Es war ein Kind! Sie werden denken, dass er zu viel Phantasie hat."

"Hoffentlich hast du recht. Aber wenn nicht?"

"Wir haben ihn doch hier hergebracht. Sie werden dort nichts finden. Du brauchst keine Angst zu haben, Mariechen!"

Lisa stockte der Atem. Was ist denn hier los? Sind das Spione oder Außerirdische? Sie schob ihren Kopf vor das Fensterloch um vorsichtig hineinzuschauen. Doch die Mauer war so dick, dass sie den Boden, und die Personen, die sie hörte, nicht sehen konnte. Um zum Eingang zu kommen schlich sie ganz vorsichtig um das Gebäude herum. Eine alte zweiteilige Stalltür, die windschief in den Angeln hing, verschloss die Tür. Durch einen Spalt konnte sie einen Teil des Raumes sehen. Der Fußboden war mit Steinen gepflastert. Längs der Außenwand war ein steinerner Futtertrog, auf dessen Rand eine Handlampe stand. Mit dem Rücken am Trog saß ein etwa fünfzigjähriger Mann, der einen blutigen Verband am Kopf trug. Er hatte eine graue Uniform an, deren Jacke geöffnet war. Darunter trug er ein hellblaues Hemd. Neben ihm lag eine Pickelhaube. Diese seltsame Kopfbedeckung kannte Lisa von Darstellungen aus der Kaiserzeit. Ein Helm aus dessen Oberseite eine Speerspitze ragt. Er hatte einen breiten Schnurrbart, auch das erinnerte sie an die Kaiserzeit. Das Mädchen, das neben ihm saß, hatte eine ähnliche Uniform an. Ihre braunen Haare waren zu einem Knoten zusammengesteckt. Lisa schätzte ihr Alter auf etwa 20 Jahre. Mit einem Tuch wischte sie ihrem Vater den Schweiß von der Stirn. Ihr liefen Tränen über das Gesicht. Ab und zu schaute sie ängstlich in den Teil des Raumes, den Lisa nicht sehen konnte. Lisa fand das alles sehr merkwürdig. Wo kamen diese Menschen her? Wieso waren sie so seltsam angezogen? Von was für einem Kundschafter sprachen sie? War der bei ihnen im Stall? Sie musste Hilfe holen. Hier war irgendetwas oberfaul. Langsam kroch sie zurück. Plötzlich war ein lauter werdender hoher Pfeifton zu hören und der ganze Innenhof wurde von einem seltsamen blauen Licht ausgeleuchtet. Das Pfeifen wurde immer lauter und war kaum noch zu ertragen. Lisa hielt sich entsetzt die Ohren zu. Zunächst nur schemenhaft, dann immer deutlicher waren seltsame geflügelte Gestalten, die dem Monster, das Felix beschrieben hatte, sehr ähnelten, zu erkennen. In der Mitte des Hofes sah sie einen sich ungefähr einen Meter über dem Boden drehenden Zylinder schweben, der sich langsam zur Erde senkte. Das Pfeifen wurde leiser und verstummte ganz. Man konnte an dem Gerät einen runden Bildschirm und Tasten erkennen. Das blaue Licht erlosch und alles sah aus wie vorher. Allerdings verschwanden die Rieseninsekten und die Maschine nicht mehr. Der ältere Mann aus dem Stall, lief schwankend in die Mitte des Hofes zum Gerät. Die vier Monsterinsekten versuchten ihm den Weg abzuschneiden. Doch er war schneller, als man es seinem Alter und seiner Verletzung zugetraut hätte. Er schlug einen Haken und kam so zur Maschine. Dann fing er an, die Tastatur mit seinen Händen zu bearbeiten und rief dabei seiner Tochter zu:"Mariechen, komm schnell raus! Was ist denn los? Wieso kommst Du nicht!"

Er konnte nicht sehen, dass Mariechen im Gebäude in der Eile gestürzt und mit dem Kopf auf den steinernen Futtertrog gefallen war. Sie blieb, total benommen, einige Minuten liegen. In der Zwischenzeit holten zwei der Insekten ein anderes Wesen, das genau so aussah wie sie, aber ohnmächtig oder tot war, aus dem Stall. Die anderen zwei versuchten Mariechens Vater zu überwältigen. Bei diesem Gerangel drückte eines der Monster aus Versehen auf einen Knopf, der an der Oberseite der Maschine angebracht war. Sofort begann das Gerät sich drehend zu heben und nach allen Seiten blaues Licht auszustrahlen. Auch das Pfeifen setzte wieder ein. Lisa lag wie versteinert auf der Erde und konnte nicht fassen, was sie sah. Wie in Trance erlebte sie das seltsame Schauspiel. Schließlich nahm sie alle Kraft zusammen, erhob sich und wollte einfach nur weglaufen. Bis jetzt hatte keines der Monster sie beachtet. Doch ehe sie sich versah, fühlte sie plötzlich keinen Boden mehr unter den Füßen. Es war als würde sie ins Bodenlose fallen. Sie schrie vor Schreck auf, konnte aber ihren eigenen Schrei nicht hören. Auch das Pfeifen hörte sie jetzt nicht mehr. Alles war still und blau. Sie suchte in der blauen Leere nach Halt, aber es gab überhaupt nichts an das man sich klammern konnte. Ihre Angst wurde immer größer. Schließlich wurde sie ohnmächtig.

III

In den Ferien frühstückte Felix immer mit seinen Großeltern. Seine Mutter musste meist schon sehr früh am Morgen zum Dienst. Sie war Ärztin in einem nahegelegenen Pflegeheim und übernahm gerne die Frühschichten, um nachmittags zu Hause sein zu können. Felix sah nicht ausgeschlafen aus. Seine Großmutter machte sich Sorgen.

"Der Bua sieht net guat au, er wird hoffentli net kroank werde, Kall"

Der Großvater las in seiner Zeitung und ließ sich nicht stören.

"Ach was!"

Lustlos stocherte Felix in seinem Müsli herum.

"Opa, was ist das eigentlich für eine Ruine im Wald?"

Genervt schaute der alte Mann auf.

"Um Gotts wille, lost mi doch mei Zeitung läse!"

Er trank einen Schluck Kaffee und vertiefte sich wieder in seine Zeitung.

"Oma, kannst Du mir etwas darüber erzählen?"

Die Großmutter dachte nach.

"Du meinst den Eichenhof, oder?"

Sie redete Hochdeutsch mit dem Jungen, so gut sie konnte.

"Ich weis nicht", antwortete Felix und er erklärte ihr, wo sich die Ruine befand. Sie hörte nachdenklich zu und meinte dann:

"Ja doch, doas is de Achehouf. Ja, ja, es werden viele Geschichten erzählt. Wer weiß, was davon stimmt! Aber man sieht was man sieht und man hört was man hört."

Der Großvater legte die Zeitung weg.

"Hedwig, verzäil dem Kiid doch net sou ä Zeuch! Der Bua kriecht jo Ongst!"

Und zu Felix gewand, fing er an die Geschichte des Eichenhofes zu erzählen.

"Tja Felix, schon von alters her führte eine Straße hier durch den Wald. Das ganze Land war noch eine Wildnis und nur ab und zu zogen Händler oder Soldaten den Weg entlang. Dann, vor ungefähr tausend Jahren, kamen Mönche, begannen den Wald zu roden und bauten den Eichenhof. Sie blieben nicht lange dort. Der Boden war nicht fruchtbar genug und so eroberte sich der Wald die gerodeten Flächen zurück. Das Gebäude wurde dann als Gasthaus für Reisende genutzt. Die Wirtsleute wechselten aber recht häufig, denn es gab immer wieder Berichte von spukenden Mönchen. Manchmal sah man sie betend über den Hof schreiten. Sie wurden auch ab und zu beim Würfelspiel beobachtet. Solche Geschichten gab es sehr viele. Aber das ist natürlich alles Unsinn. Es gibt keine Gespenster! Doch die Menschen damals waren sehr abergläubisch und fingen an einen weiten Bogen um den Hof zu machen und nur Fremde kehrten dort ein. Später wurde dieser Weg dann unbedeutend und irgendwann wurde er überhaupt nicht mehr benutzt. Und heute kann man nur noch erahnen, dass einmal eine wichtige Fernstraße durch unseren Wald ging. Der Eichenhof verfiel. Aber noch als ich ein Kind war, gingen die Leute nur ungern zum Eichenhof."

Die Oma hob ihren Zeigefinger und meinte dazu:

"Ob das alles Unsinn ist, das woas kan Mensch! Sei net so überheblich Karl."

Felix hatte interessiert zugehört.

"Wurden denn auch mal Monster gesehen, die vielleicht wie Fliegen aussehen?"

Der Großvater schaute erstaunt.

"Wie kommst Du denn auf so was? Nein, solche Monster gibt es nur im Fernseher und in Büchern. Hier bei uns nicht!"

Lachend schüttelte er den Kopf und nahm wieder seine Zeitung zur Hand. Felix wusste es aber besser, doch er behielt es für sich. Sie würden ihm nicht glauben. Plötzlich klopfte jemand ans Fenster. Die Großmutter öffnete und eine Frau erzählte ihr ganz aufgeregt, dass in Steinborn seit gestern ein Mädchen vermisst wird. Der Großvater stand auf und ging zum Fenster. Er war schon weit über sechzig, aber trotzdem noch eine imposante Erscheinung. Das er schon recht alt war, sah man nur an seinen Falten und den weißen Haaren. Er war mindestens 1,90m groß und hatte ein sehr breites Kreuz. Meist hatte er einen blauen Arbeitsanzug an und darunter ein kariertes Hemd. Wenn er das Haus verließ, bedeckte er den Kopf mit einer Baskenmütze. Über seinem Mund war ein wild wachsender, grauer Schnurrbart. Der Ausdruck seines Gesichtes war meistens ernst. Aber die Lachfältchen um die Augen verrieten, dass er auch sehr lustig sein konnte. Seine Augen schauten immer etwas verträumt in die Welt. Diese Augen hatte Felix von seinem Opa geerbt. Er beugte sich aus dem Fenster.

"Welches Madle denn?"

"Dem Wagner Max sei jünsgti. Die Lisa! Die hoat gestern mittach es Haus verlasse un is nümme hamkumme. Die Polizei süecht etz Laüt, die helfe de Wald durchzukämme."

Der Großvater war entsetzt.

"Jäses, das is jo schreckli! Dort worn mer erst vor ä paar Dach. I helf süeche."

Er nahm seine Mütze vom Haken und sagte zu seiner Frau:

"I kenn die Wagners guat. I soch dir Bescheid wenn i eps was. Herrgott, Felix, was is denn mit dir los?"

Felix saß kreidebleich mit weit aufgerissenen Augen auf seinem Stuhl. Ihm war richtig schlecht. Lisa musste diesem Monster begegnet sein. Wer weiß, was es mit ihr gemacht hatte. Er musste seinem Opa von diesem Ungeheuer erzählen. Aber er wird ihm diese Geschichte nicht glauben. Aber er konnte ja wenigstens erzählen, wo er mit Lisa war, damit die Leute wissen, wo sie suchen sollten. Dann finden sie vielleicht auch das Monster.

"Opa, ich war gestern Nachmittag mit der Lisa im Wald beim Eichenhof. Wir wollten in der Ruine spielen, aber es machte keinen Spaß, wir stritten uns und ich ging heim."

"Und es Lisa?"

"Ich dachte, sie geht auch heim."

"Komm, wir müssen sofort zur Polizei und Du musst das alles genau den Beamten erzählen, dann kann gezielter gesucht werden."

Sie fuhren dann gleich nach Steinborn. Am Marktplatz waren Polizei und Feuerwehr. Der ganze Platz war voller Menschen, die beim Suchen helfen wollten. Alles redete aufgeregt durcheinander. Die Leute wurden in Gruppen eingeteilt, die dann das Dorf und die Umgebung absuchen sollten. Felix und sein Opa gingen gleich zur Einsatzleitung und berichteten was Felix wusste. Der Junge musste dann alles ganz genau erzählen. Er blieb bei der Wahrheit, nur von dem Rieseninsekt erzählte er nichts. Er wurde immer wieder gefragt, ob nicht noch andere Leute im Wald waren oder ob er vielleicht auf dem Nachhauseweg etwas gehört hat. Einigen Beamten musste er dann im Wald ganz genau die Stelle zeigen, wo er Lisa getroffen hatte und sie wollten von ihm wissen in welche Richtung Lisa ihn verlassen hatte. Felix war sehr gespannt, ob vielleicht in dem Schlammloch wieder das Monster lag, aber es war nur Schlamm in der Vertiefung. Die Suchtrupps begannen jetzt den Wald um den Eichenhof systematisch zu durchsuchen. Der Eichenhof wurde natürlich auch genauestens unter die Lupe genommen. Plötzlich rief ein Helfer, der in einem der Ställe suchte, dass er etwas gefunden hätte. Sofort kamen zwei Polizeibeamte und gingen in das Gebäude. Es hieß dann später, sie hätten ein blutiges Tuch und eine sehr seltsame Kopfbedeckung entdeckt. Es sah aus wie ein Helm aus dem ersten Weltkrieg, war aber ziemlich neu. Außerdem war da noch eine Lampe, die mit ganz ungewöhnlichen Batterien betrieben wurde. Später stellte die Kriminaltechnik erleichtert fest, dass das Blut nicht von Lisa, sondern von einem Mann stammte. Aber es konnte trotz allem Bemühens nicht festgestellt werden, wo diese Lampe hergestellt worden war. Man fand außerdem noch ein seltsames Haar, das Rätsel aufgab. Die Struktur war wie bei einem Kerbtier, aber die Größe des Haares passte eher zu einem Säugetier. An diesem Tag wusste man allerdings von diesen Untersuchungsergebnissen noch nichts und das blutige Stück Stoff machte alle sehr betroffen. Lisa wurde trotz intensiver Suche nicht gefunden. Felix blieb den ganzen Tag bei seinem Großvater und half suchen. Spät in der Nacht wurde die Suche dann eingestellt. Unglücklich gingen die Menschen nach Hause. Auch Felix fuhr mit seinem Opa heim. Sollte er nicht doch seinem Großvater oder seiner Mutter von dem Monster erzählen? Als sein Großvater die Ereignisse des Tages seiner Frau erzählte, wollte Felix sich offenbaren.

"Großvater, du, da war gestern noch was!"

"Ist Dir noch was eingefallen Felix."

Aber dann dachte er wieder, es hat doch keinen Sinn. Es ist zu unglaubwürdig. Die denken dann, er sei völlig durchgedreht.

"Äh .. Nein, doch nicht. Ich geh´ schlafen. Gut Nacht!"

Karl sah seine Frau beunruhigt an. Aber die meinte:

"Mach Dir ka Gedanke! Es hot ihn doch scho sehr mitgenumme. Er war ja der letzt, der des Madle gsehe hot. Hoffentlich is nich Schrecklichs passiert!"

Felix ging noch zu seiner Mama ans Bett. Die schlief schon, denn sie musste sehr früh aufstehen. Er schaute sie lange an und gab ihr einen Kuss auf die Stirne. Dann schlich er mit einem sehr schlechtem Gewissen ins Bett. Was wohl aus Lisa geworden war? Was hat das Monster mit ihr gemacht. Lebte sie noch, und wo war sie? Er hätte bei ihr bleiben sollen. Er hatte wieder eine sehr unruhige Nacht. Alpträume plagten ihn. Und immer spielten Rieseninsekten und Lisa die Hauptrollen.

Auch am nächsten Tag ging er wieder zum Eichenhof. Gestern, als er mit seinem Großvater hier war, hatte er überhaupt keine Angst. Aber heute ängstigte ihn die Stille im Fichtenwald wieder sehr. Vor allem wusste er ja jetzt, dass wirklich etwas Unheimliches in diesem schrecklichen Wald war. Er suchte nach Spuren und hatte die Hoffnung, aber auch die Angst, dass das Monster vielleicht wieder auftauchen würde. Irgendetwas musste doch zu finden sein. Es waren auch immer noch Polizeibeamte in der Ruine, die nach Spuren suchten. Immer wieder ließ Felix auch den Blick nach oben schweifen, denn das Wesen hatte ja Flügel und so konnte es wahrscheinlich auch fliegen. Aber seine Suche war ergebnislos. Er musste eine Entscheidung treffen. Es musste etwas geschehen. Sollte er doch der Polizei die Wahrheit sagen? Aber wie denn?

"Ich weiß, wo Lisa ist! Sie wurde von einer Riesenfliege gefangen."