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Christoph Blumhardt (1842 -1919) ist als Nachfolger seines Vaters Johann Christoph Blumhardt (1805 - 1880) als Seelsorger, Freund und Berater ein begnadeter Briefschreiber. Seine Briefe werden über Generationen hinweg gesammelt und aufbewahrt. Aus der Fülle dieser Dokumente liegt jetzt ein Querschnitt als Veröffentlichung vor. Die Blumhardt-Bewegung hat in Bad Boll ihren Ausgang genommen. Die Hoffnung auf das Reich-Gottes hat wesentliche Impulse gegeben für die Entwicklung der Religiös-Sozialen Theologie und die Dialektische Theologie des vergangenen Jahrhunderts. Die Briefe zeigen den Wurzelboden der Theologie, aus der dann wesentliche Druckwerke hervorgegangen sind. Beide Blumhardts haben den nachfolgenden Frauen und Männern Sprache gegeben. Diese Verbindung wartet auf Entdeckung.
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Seitenzahl: 344
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Eugen Jäckh war der erste, der die Bedeutung der Briefe Christoph Blumhardts erkannte. Ihm waren die Briefempfänger meist persönlich bekannt. So legte er bereits in der Zeit der gemeinsamen Jahre den Grundstein einer Sammlung. Nach Blumhardts Tod 1919 schrieb er die Adressaten an, bat um Abschriften, Kopien oder Originale. Die Sammlung bildete den Grundstock zu seiner Veröffentlich »Von der Führung Gottes«1.
In den Folgejahren widmete sich die Blumhardt Tochter Gottliebin Blumhardt dem geistigen Erbe ihres Vaters und sammelte, sortierte und archivierte Predigten und Briefe. Darauf konnte Johannes Harder zurückgreifen, als er 1972 in einer dreibändigen Ausgabe des Neukirchener Verlages Ansprachen, Predigten, Reden, Briefe aus den Jahren 1865 – 1917 herausgab2. Christoph Blumhardt sprach frei, ohne Verwendung eines Manuskripts. So beschreibt Harder seine Schwierigkeiten bei der Wiedergabe von Predigten und Ansprachen: »Die jeweiligen Nachschreiberinnen, zu verschiedenen Zeiten und mit unterschiedlicher Fertigkeit, mögen ihre liebe Not gehabt haben, in die auch der Herausgeber hineingezogen worden ist. Was ist hier denn unbestreitbar ›Original‹, also wortwörtlich zu nehmen? Bei Vergleichen von Paralleltexten zeigte sich, dass es sich manchmal um weniger verbale als sinngemäße Wiedergaben gehandelt hat. Das gab dann das Recht zu Kürzungen und Straffungen, wobei der Herausgeber sich mit Blumhardt selbst trösten konnte, der gegen Wiedergaben und vor allem Festlegungen seiner Äußerungen eine starke Abneigung empfand und geradezu untersagte, sie zu problematisieren und zu diskutieren.«3 Harder rät den Leserinnen und Lesern, auf alle Fälle gut daran zu tun, sich – wie Blumhardt – mehr auf den Geist als auch den Buchstaben zu verlassen.4 »Um das Lesen zu erleichtern, wurde bei Auslassungen im Text auf die übliche Punktierung (…) verzichtet und Satzbildungen gelegentlich geordnet und leicht verändert.«5 Harder wendet seine »herausgeberische Freiheit« auch bei den Briefen an, so erklären sich die zum Teil erheblichen Abweichung zur hier vorgelegten Textsammlung.
Eine Besonderheit stellt die von Arthur Rich herausgegebene Briefsammlung Christoph Blumhardts mit seinem Schwiegersohn Richard Wilhelm in Tsingtau dar. »Der Form nach sind sie Briefe eines Vaters an seine Kinder und insofern gesättigt von persönlich-familiärer Besorgtheit und menschlicher Zuneigung für die Empfänger.«6 »Der Sache nach sind sie aber Dokumente eines Glaubenskampfes, in dem es darum geht, Jesus Christus als den Herrn von heute zu bezeugen, der seine richtende und rettende Hand auf die ganze Welt legt und sie zu seinem Eigentum macht, nicht nur die christliche Welt, sondern gerade auch die nichtchristliche Welt.« Artur Rich hat sämtliche der vorhandenen Briefe Christoph Blumhardts »nicht in extenso« veröffentlicht, sondern den stark familiären-intimen Charakter des Briefwechsels ausgeklammert, dabei aber lediglich, zumeist mit kurzer Angabe des Inhalts, einige wenige Passagen oder kleine Briefe von ganz privatem Inhalt, die für die Beurteilung Blumhardts und seines Glaubenslebens von keinerlei Bedeutung sind, ausgelassen. »Von der Eliminierung anstößiger oder auch nur missverständlicher Stellen wurde im Interesse wissenschaftlicher Wahrhaftigkeit völlig Abstand genommen.« So entstand ein unverkürztes Bild vom jüngeren Blumhardt, das auch seine problematischen Seiten nicht verhüllt. Die Sammlung behält dadurch in vollem Umfang ihren Quellenwert.
Und besondere Beachtung verdient der von Louis Specker besorgte und mit vielen Anmerkungen und Erklärungen versehene vollständige Briefwechsel (Specker) mit dem Schweizer Weberpfarrer Howard Eugster-Züst, weil er die Schreiben beider Briefpartner dokumentiert. »In der für seinen Charakter bezeichnenden Sorgfalt und Umsicht hat Howard Eugster-Züst die meisten Schriftstücke und Dokumente – sowohl jene, die sein privates Leben betreffen, wie auch jene, die von seiner öffentlichen Arbeit zeugen – wohlgeordnet hinterlassen. Ein seltener Glückfalls für die historische Forschung!«7
Dieter Ising hat als ausgewiesener Kenner8 der beiden Blumhardt, Vater und Sohn, bereits 2006 in den Blättern für Württembergische Kirchengeschichte einen detaillierten Überblick über die bisher bekannten Quellen gegeben.9 Zurecht führt er darin aus, dass »die Forschung auf Quellenmaterial angewiesen und daher unmittelbar betroffen ist von der Neuentdeckung bzw. dem Verlust handschriftlicher Bestände, seien es Briefe, Predigten oder Manuskripte zu Druckwerken.«10 Seine Darstellung (März 2007) hat daher nicht die neu erschienene Blumhardt-Literatur im Blick, sondern handschriftliches Material, vor allem Briefmaterial, das einen Beitrag leistet zur Erforschung von Leben und Werk Johann Christoph Blumhardts (»Blumhardt der Ältere«, »Blumhardt Vater«) und seines Sohnes Christoph Friedrich Blumhardt (»Blumhardt der Jüngere«, »Blumhardt Sohn«.) Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, da er auf bereits veröffentlichte Briefe verweisen kann. Es wird lediglich aufmerksam gemacht auf einzelne Dokumente oder (im Fall Christoph Friedrich Blumhardts) auf ganze Bestände, die der Forschung nicht oder noch nicht in hinreichendem Maß bekannt sind.
Eine größere Zahl von und an Christoph Blumhardt bietet ferner die 1993 – 2001 erschiene Korrespondenz seines Vaters Johann Christoph Blumhardt, welche die Schreiben als Volltext oder Inhaltsangabe enthält. Die Originale werden im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart und in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart (Blumhardt-Archiv) verwahrt; Kopien sind im Landeskirchlichen Archiv (Sammlung Ising zu Blumhardt) einsehbar.11
Seither wurde der Blumhardt-Archiv-Bestand, der sich bei Familie Weber12 im Badwasen (Bad Boll) befand, in die Archiv-Bestände der Evangelischen Akademie Bad Boll [Akademie-Archiv Bad Boll] überführt. Jörg Hübner, der derzeitige Direktor der Akademie, führt in seiner Blumhardt-Biographie13 aus:
„Im Archiv der Evangelischen Akademie Bad Boll befinden sich folgende Archivalien zu Christoph Blumhardt aus dem Familienarchiv der Familie Christoph Blumhardt: (neben den Predigtmit- und - nachschriften)
Briefe von Christoph Blumhardt, zum größten Teil als Original, teilweise als Fotokopien, an Angehörige und Freunde aus den Netzwerken Blumhardts in der Schweiz und Deutschland, aus den Jahren 1859 – 1918.
Ein digitales Findbuch aller Archivalien befindet sich im Aufbau bzw. in ständiger Erweiterung. Es steht und www.ev-akademie-boll.de zur Verfügung. Eine stark gekürzte Fassung dieser Biographie Christoph Blumhardts mit ausgewählten Digitalisaten befindet sich im Aufbau und steht unter www.wkgo.de zur Verfügung.“
1 Für die hier vorliegende Sammlung konnte sowohl auf das Buch [FG]als auch das umfangreichere Manuskript [MFG] zurückgegriffen werden. Die strenge Anonymisierung konnte an einigen Stellen aufgehoben werden durch Einblick in den Nachlass Eugen Jäckhs [LAk Stuttgart, Nachlass Eugen Jäckh, D 34.]
2 Siehe Literaturverzeichnis, bisher in weiteren Auflagen erschienen.
3 Harder: H1, S. 1 - 2
4 A.a.O.
5 Harder: H1, S. 1 – 2
6 RW. S. 6.
7 Das Kernstück des umfangreichen Nachlasses, der sich zum größten Teil in der Kantonsbibliothek von Appenzell AR im Trogen befindet, bildet die Korrespondenz mit Christoph Blumhardt. Blumhardts Originalbriefe an Eugster wurden Herrn Rolf Weber in Bad Boll für das Familienarchiv übergeben.“ Dieser Nachlass befindet sich heute im Archiv der Evangelischen Akademie Bad Boll.
8 Siehe hierzu die „Bibliographische Vorbemerkungen zu den Blumhardt-Beiträgen“, S. 11
9 Neue Quellen zu Johann Christoph Blumhardt (1805 -1880) und Christoph Friedrich Blumhardt (1842 -1919): Blätter für württembergische Kirchengeschichte;106. Jahrgang 2006, Stuttgart 2006. S. 217 – 244.
10 A.a.S. 217.
11 Originale im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart, Nachlass Eugen Jäckh (D34, Nr. 1.1.; 36.4; 40.5)
Württembergische Landesbibliothek Blumhardt-Archiv. Familien Archiv Brodersen
Blumhardt-Archiv bei Familie Weber heute im Bestand Akademie-Archiv Bad Boll
12 S. 230.
13 Hübner, Jörg: Christoph Blumhardt – Prediger, Politiker, Pazifist, Leipzig 2019. S. 351
Die Briefedition stellt einen Querschnitt dar aus dem gesamten Briefnachlass von Christoph Blumhardt. Für die Auswahl leitend waren die Gesichtspunkte:
Informationen zum Leben von Christoph Blumhardt
Seine psychische und seelische Verfassung
Dokumente seiner Seelsorge und Beratung
Dokumente seiner Theologie und Weltanschauung
Das Miteinander und Ineinander
von Tradition und Interpretation
bezogen auf
die Möttlinger Ereignisse um Gottliebin Dittus
Robert Lejeune, der Herausgeber der umfangreichen Sammlung von Predigten und Ansprachen Christoph Blumhardts, wählt vier Abschnitte zu übergeordneten Gesichtspunkten seiner Auswahl:
1880 – 1888
Jesus ist Sieger!
Predigten Band 1
1888 – 1896
Sterbet, so wird Jesus leben!
Predigten Band 2
1896 – 1900
Ihr Menschen seid Gottes!
Predigten Band 3
1907 - 1917
Gottes Reich kommt!
Predigten Band 4
Die Zeit der Abgeordnetentätigkeit 1900 - 1906, in der sich Blumhardt die Mitschrift seiner Reden verbat, spart Lejeune aus. Doch auch in dieser Zeit korrespondierte Blumhardt.
Die Zeitspannen korrelieren mit den Zeitabschnitten der Briefedition:
1863 – 1888
Sohn eines berühmten Vaters
Briefe Band 1
1888 – 1894
Pfarrer einer Gemeinde
Briefe Band 2
1895 – 1907
Freund der Arbeiterschaft
Briefe Band 3
1907 – 1919
Seelsorger im Hintergrund
Briefe Band 4
So können sprachliche Verwandtschaften und Verwurzelungen untersucht werden. Welche Gedanken bewegen Christoph Blumhardt in den Briefen und finden so auch Eingang in seine zeitgleich gehaltenen Predigten und Ansprachen?
Ausführliche, grundsätzliche und über die gewöhnliche Länge seiner
Briefe hinausgehende Schreiben finden sich im
Band 5 ein gefragter Lehrer
in chronologischer Reihenfolge geordnet.
Die Fußnoten zu den einzelnen Briefen geben Auskunft über den Empfänger, den Fundort und bereits vorhandene Veröffentlichungen.
Nennung des Adressaten
[Fundort des Originals, der Abschrift bzw. Fotokopie]
teilweiser oder vollständiger Abdruck
Die heutigen Rechtschreiberegeln des Duden wurden behutsam bei den Abschriften der Briefe angewandt. So wird »ß« mit »ss«, das »th« mit »t« wiedergegeben und damals übliche Vokalisierungen dem heutigen Sprachgebrauch angeglichen. »Hülfe« wird z.B. zu »Hilfe«, «Gleichgiltigkeit« zu »Gleichgültigkeit«. Beibehalten wird hingegen die Eigenart der beiden Blumhardts Fürwörter, bzw. besitzanzeigende Fürwörter, wenn sie von Gott, Jesus Christus oder dem heiligen Geist reden, mit einem Großbuchstaben zu beginnen. Allerdings schrieb man die Adjektive »heilig« und »neutestamentlich« usw. noch nicht als Eigenname bzw. als stehender Begriff in Großschreibung.
Obwohl es um die Zeit der Briefabfassung als Regel galt, die Anreden mit einem Großbuchstaben zu beginnen, wurde die offensichtliche Eigenart Christoph Blumhardts im Singular »du« bzw. »dein« beibehalten, lediglich im Plural »Ihr« wie im Original mit einem Großbuchstaben beginnend wiedergegeben. Getrenntschreibung wurde entsprechend heutigen Sprachempfinden aufgehoben.
Das handschriftliche + wird durch »und« wiedergegeben.
Die Leserinnen und Leser sollen Christoph Blumhardt und seiner Gedankenwelt möglichst ohne eine befremdliche Schreibweise begegnen. Neben der Authentizität kommt es auf die korrekte Wiedergabe seiner Aussagen an.
Die Unterstreichungen (in den Veröffentlichungen sonst durch Fettdruck wiedergegeben) werden beibehalten und geben vielfach einen Hinweis auf die emotionale Beteiligung des Briefschreibers, der beim wiederholten Durchlesen die Bedeutung einzelner Worte »mit einem Federstrich« unterstreicht.
Band 1 der Briefedition
Tübingen, 16. November 1863
Spöck, 28. September 1866
Gernsbach, 21.Januar 1867
Gernsbach, 16.Februar 1867
Gernsbach, 12. Juli 1867
Dürnau, 3. März 1868
Dürnau, 14. September 1868
Dürnau, 6. März 1869
Dürnau, 8. Juni 1869
Bad Boll, 15. Februar 1870
Bad Boll, 27. März 1870
Bad Boll, 15. Juli 1870
Bad Boll, 18. Juli 1870
Bad Boll, 18. Dezember 1870
Bad Boll, 20. Dezember 1870
Bad Boll, 26. Januar 1871
Bad Boll, 26. März 1871
Bad Boll, 10. November 1871
Bad Boll, 16. November 1871
Bad Boll, 7. Dezember 1871
Bad Boll, 24. Dezember 1871
Bad Boll, 11. Februar 1872
Bad Boll, den 25. Februar 1872
Bad Boll den 5. März 1872
Bad Boll, 9. März 1872
Bad Boll, 20. März 1872
Bad Boll, 6. April 1872
Bad Boll, 10. April 1872
Bad Boll, den 23. Mai 1872
Bad Boll, den 26. Mai 1872
Bad Boll, 26. Mai 1872
Bad Boll, 29. Dezember 1874
Bad Boll, 30. Juni 1874
Bad Boll, 27. August 1874
Bad Boll, 28. April 1875
Bad Boll, 25. Mai 1875
Bad Boll, 17. Juli 1877
Bad Boll, 8. Juni 1878
Bad Boll, 9. Juni 1878
Bad Boll, 15. Juli 1878
Bad Boll, 19. Juli 1878
Bad Boll, 23. Juli 1878
Bad Boll, 2. Oktober 1878
Bad Boll, 9. Dezember 1878
Bad Boll, 24. Januar 1880
Bad Boll, 27. Januar 1880
Bad Boll, 12. April 1880
Bad Boll, 19. Mai 1880
Bad Boll, 7. Juni 1880
Bad Boll, 28. Juni 1880
Bad Boll, 5. August 1880
Bad Boll, X.X. 1980.
Bad Boll, 5. November 1880
Bad Boll, 5. Dezember 1880
Bad Boll, 16. Dezember 1880
Bad Boll, 21. Dezember 1880
Bad Boll, 7. Januar 1881
Bad Boll, 11. Februar 1881
Bad Boll, 20. Februar 1881
Bad Boll, 8. März 1881
Bad Boll, 11. März 1881
Bad Boll, 19. März 1881
Bad Boll, 11. Mai 1881
Bad Boll, 13. Mai 1881
Bad Boll, 25. Mai 1881
Bad Boll 28. Mai 1881
Bad Boll, 30. Mai 1881
Bad Boll, 4. Juni 1881
Bad Boll, 7. Juni 1881
Bad Boll, 8. Juni 1881
Bad Boll, 25. Juni 1881
Bad Boll, 3. Juli 1881
Bad Boll, 16. Juli 1881
Bad Boll, 26. August 1881
Bad Boll, 6. September 1881
Bad Boll, 8. September 1881
Bad Boll, 30. September 1881
Bad Boll, 8. Oktober 1881
Bad Boll, 24. Oktober 1881
Bad Boll, 11. November 1881
Bad Boll, 16. November 1881
Bad Boll, 1. Dezember 1881
Bad Boll, 2. Dezember 1881
Bad Boll, 10. Dezember 1881
Bad Boll, 18. Dezember 1881
Bad Boll, 4. Januar 1882
Bad Boll, 11. Januar 1882
Bad Boll, 14. Januar 1882
Bad Boll, 20.Januar 1882
Bad Boll, 2. März 1882
Bad Boll, 20. Mai 1882
Bad Boll, 2. Juni 1882
Bad Boll, 30. Juni 1882
Bad Boll, 3. Juli 1882
Bad Boll, 8. August 1882
Bad Boll, 8. September 1882
Bad Boll, 22. September 1882
Bad Boll, 24. September 1882
Bad Boll, 27. November 1882
Bad Boll, 7. Dezember 1882
Bad Boll, 12. Dezember 1882
Bad Boll, 14. Dezember 1882
Bad Boll, 22. Dezember 1882
Bad Boll, 3. Januar 1883
Bad Boll, 12. Januar 1883
Bad Boll, 12. Februar 1883
Bad Boll, 13. Februar 1883
Bad Boll, 24. März 1883
Bad Boll, 23. April 1883
Bad Boll, 22. Mai 1883
Bad Boll, 22. Mai 1883
Bad Boll, 16. Juli 1883
Bad Boll, 23. Juli 1883
Bad Boll, 23. Juli 1883
Bad Boll, 15. August 1883
Bad Boll, 20. August 1883
Bad Boll, 28. August 1883
Bad Boll, 23. Oktober 1883
Bad Boll, 3. November 1883
Bad Boll, 9. November 1883
Bad Boll 16. November 1883
Bad Boll, 2. Januar 1884
Bad Boll, 4. Februar 1884
Bad Boll, 8. Februar 1884
Bad Boll, 18. März 1884
Bad Boll, 21. März 1884
Bad Boll, 22. April 1884
Bad Boll, 12. Mai 1884
Bad Boll, 5. Juli 1884
Bad Boll, 30. Juli 1884
Bad Boll, 13. August 1884
Bad Boll, 9. September 1884
Bad Boll, 14. Oktober 1884
Bad Boll, 21. Oktober 1884
Bad Boll, 24. Oktober 1884
Bad Boll, 15. November 1884
Bad Boll, 5. Dezember 1884
Bad Boll, 13. Januar 1885
Bad Boll, 22. Januar 1885
Bad Boll, 30. Januar 1885
Bad Boll, 31. Januar 1885
Bad Boll, 2. Februar 1885
Bad Boll, 10. Februar 1885
Bad Boll, 16. Februar 1885
Bad Boll, 16. Februar 1885
Bad Boll, 16. Februar 1885
Bad Boll, 19. Februar 1885
Bad Boll, 22. Februar 1885
Bad Boll, 28. Februar 1885
Bad Boll, 4. März 1885
Bad Boll, 20. März 1885
Bad Boll, 15. April 1885
Bad Boll, 15. April 1885
Bad Boll, 9. Mai 1885
Bad Boll, 26. Mai 1885
Bad Boll, 3. Juni 1885
Bad Boll, 8. Juni 1885
Bad Boll, 23. Juni 1885
Bad Boll, 15. Juli 1885
Bad Boll, 4. September 1885
Bad Boll, 21. Oktober 1885
Bad Boll, 26. Oktober 1885
Bad Boll, 6. November 1885
Bad Boll, 13. November 1885
Bad Boll, 28. November 1885
Bad Boll, 1. Dezember 1885
Bad Boll, 23. Dezember 1885
Bad Boll, 17. Januar 1886
Bad Boll, 22. Januar 1886
Bad Boll, 26. Januar 1886
Bad Boll, 18. Februar 1886
Bad Boll, 24. März 1886
Bad Boll, 7. April 1886
Bad Boll, 27. April 1886
Bad Boll, 24. Mai 1886
Bad Boll, 29. Mai 1886
Bad Boll, 31. Mai 1886
Bad Boll, 21. Juni 1886
Bad Boll, 28. Juni 1886
Bad Boll, 30. Juni 1886
Bad Boll, 16. Juli 1886
Zürich, 31. August 1886
Bad Boll, 18. Oktober 1886
Bad Boll, 14. Oktober 1886
Bad Boll, 23. November 1886
Bad Boll, 10. Dezember 1886
Bad Boll, 16. Dezember 1886
Bad Boll, 17. Dezember 1886
Bad Boll, 30. Dezember 1886
Bad Boll, 16. Januar 1887
Bad Boll, 15. Februar 1887
Bad Boll, 16. Februar 1887
Bad Boll, 16. März 1887
Bad Boll, 19. März 1887
Bad Boll, 19. März 1887
Bad Boll, 1. April 1887
Bad Boll, 20. April 1887
Bad Boll, 29. April 1887
Bad Boll, 22. Mai 1887
Bad Boll, 5. Juli 1887
Bad Boll, 6. Juli 1887
Bad Boll, 3. August 1887
Bad Boll, 10. August 1887
Bad Boll, 12. August 1887
Bad Boll, 16. August 1887
Bad Boll, 16. August 1887
Bad Boll, 21. September 1887
Bad Boll, 4. Oktober 1887
Bad Boll, 5. Oktober 1887
Bad Boll, 7. Oktober 1887
Bad Boll, 12. Oktober 1887
Bad Boll, 22. Oktober 1887
Bad Boll, 5. November 1887
Bad Boll, 2. Dezember 1887
Bad Boll, 5. Dezember 1887
Bad Boll, 12. Dezember 1887
Bad Boll, 16. Dezember 1887
Bad Boll, 26. Dezember 1887
Bad Boll, 31. Dezember 1887
Literatur
Christoph Blumhardt wird am 1. Juni 1842 in Möttlingen als drittes Kind der Eheleute Johann Christoph Blumhardt (1805- 1880) und seiner Ehefrau Doris, geborene Köllner (1816 – 1886) in Möttlingen geboren. In diesem Jahr ereignet sich ein Höhepunkt der Krankheit der Gottliebin Dittus.14 Es kommt zu einer Bußbewegung und dem von der Kirchenleitung veranlassten Wegzug der Familie Blumhardt mit den Geschwistern Dittus von Möttlingen nach Bad Boll.
Zusammen mit dem um ein Jahr jüngeren Bruder Theophil (1843 - 1918) besucht er nach erfolgtem Privatunterricht des Vaters in Bad Boll eine Schule in Stuttgart und danach das evangelischtheologische Seminar in Urach. Daran schließt sich nach dem Willen und Plan des Vaters das Studium der evangelischen Theologie an der Universität Tübingen an. Nach bestandenem erstem Examen wird er Vikar in Spöck und Gernsbach.15
Die Eltern vermitteln eine Beziehung zu Emilie Bräuninger, die in Bad Boll einen guten Eindruck als Haustochter hinterlassen hat und als Unterstützung der Mutter Doris Blumhardt die erwünschte Schwiegertochter sein soll.
Die Württembergische evangelische Landeskirche erteilt ihm Stellvertretungsaufträge und ernennt ihn zum Stellvertreter in verschiedenen Gemeinden, bevor er schließlich Gehilfe seines Vaters in Bad Boll wird. Hier sucht er nach Aufgaben und sinnvollen Tätigkeiten im Schatten des Vaters.
Mehr und mehr entlastet er den Vater bei dessen umfangreicher Korrespondenz, indem er Briefe in dessen Auftrag und in dessen Namen schreibt. So wächst seine Beratungskompetenz im System Blumhardt-Dittus. Dieses System erhält eine Erweiterung durch den Zuzug von Theodor Brodersen, der als Verwalter von Bad Boll tätig wird und (1855) Gottliebin Dittus heiratet.
In den Jahren dieses Zeitabschnitts sterben die Zeugen der Möttlinger Ereignisse.
1842
Geburt in Möttlingen
1852
Umzug der Familie von Möttlingen nach Bad Boll
1857 – 1859
Gymnasium Stuttgart
1859 – 1862
Evang-theologisches Seminar Urach
1862 – 1866
Universität Tübingen Theologie-Studium (Stadtstudent)
1866
1. Theologisches Examen Vikariat in Spöck Vikariat in Gernsbach
1867
Vikariat in Dürnau
1868
Stellvertretung in Dürnau und Gruibingen
1869
Gehilfe des Vaters
1870
Heirat mit Emilie Bräuninger Amtsverweser in Dürnau
1871
Amtsverweser in Dürnau und Gruibingen
1872
Tod der Gottliebin Brodersen geb. Dittus
1880
Tod des Vaters Leitung von Bad Boll zusammen mit dem Bruder Theophil
1881
1885
Aufnahme in den Pfarrdienst der Württembergischen Evangelischen Landeskirche
1886
Tod der Mutter
1887
Tod von Katharina
1888
im März Tod des Johann Georg (Vetter Hansjörg) Dittus
An den Bruder Theophil, 18. Juli 1870 (siehe dort)
14 Johann Christoph Blumhardt bezeichnet seine Gespräche mit Gottliebin Dittus als Kampfhandlung. Blumhardt: Krankheitsgeschichte, S. 43- 44.
15 Der erhaltene Briefwechsel mit den Eltern dokumentiert diese Ausbildungszeit: Boller Briefe (1852 – 1880), siehe III/5.
Teure Mama!
Deinen Brief, sowie zugleich mit ihm einen von dem lieben Papa haben wir erhalten und freuten uns recht, dass es in Haus und Hof ordentlich geht und dass der liebe Papa und Mamo17 glücklich wieder da sind. Möge auch dich in diesen Tagen Gottes Hand begleiten, dass alles wohl ablaufe.
Was die neuen Hemden betrifft, so warte ich ganz geduldig, nur möchte ich dich bitten, die restaurierten alle sobald als tunlich ist, mir zu schicken. Mit Christophs […] Hosen lässt sich freilich nichts mehr machen, aber das Paar schwarze Hosen könntest du doch mit meinen Hemden schicken; wenn sie untauglich sind, so bringen wir sie an Weihnachten wieder mit oder verschenken sie hier. Wie du nun weißt: an Leuten, die daran froh sind, fehlt es auch hier nicht. An den Juden verhandeln wir sie wenigstens nicht, wie das hier Sitte und studentischer Comment18 ist.
Mit den beiden Ardennen19 ists also jetzt aus. Nun, der alte Adam ist doch geschickter gefahren, als es den Anschein hatte.
Was das Hündlein betrifft, so darfst du ruhig sein. Von der Arbeit hält es uns nicht ab. Es wäre wahrhaftig eine Schande für uns, wenn wir uns durch ein solches Wesen von der Verfolgung unseres Zieles abbringen ließen. Ich bin zwar eigentlich noch derselbe Freund von dem, was wuselt, wie früher, aber es gibt jetzt auch noch andere wichtigere Sachen, die einen beschäftigen.
Soeben kommt Christoph und sagt mir, dass er jene lange dünne schwarze Hose wohl kenne und absolut nicht tragen könne. Du brauchst sie also nicht zu schicken.
Endlich habe ich noch eine Bitte. Ich brauche nämlich notwendig ein paar Winterhosen nebst Weste, beides für den Sonntag. Mein ganzes Besitztum in dieser Hinsicht besteht nämlich in einem Paar Werktagshosen (dicke graue) und zwei Werktagswesten. Du könntest vielleicht, wenn es deine Gesundheitsumstände erlauben mir einen passenden Zeug dazukaufen und hierher schicken, natürlich guten Winterzeug und am liebsten von brauner, jedenfalls dunkler Farbe.
Mit Doktor Heidt kommen wir alle Sonntag[e] und Donnerstag[e] zusammen zu einem bald medizinisch-wissenschaftlichen, bald theologisch erbaulich (nicht Disputier-) Kränzchen. Auch der Normanne Hilscher, der diesen Herbst in Boll war, ist dabei. Heidt ist ein sehr guter schätzenswerter und in theologischen Dingen sehr wissbegieriger Mensch.
Ich bin jetzt für diesen Winter bei Professor Palmer20 eingeführt zu einem wöchentlichen Singkränzchen. Ich habe schon oft dabei an deine Liebe zur Musik in deiner Jugendzeit denken müssen und habe mir von dir gemerkt, wie man auch zu dieser schönen Liebhaberei sich zu stellen hat.
Im Übrigen bleiben wir bei Boll und beten für Euch und eure Sache als des Herrn Sache, wie wir ja auch wissen, dass ihr uns stets vor dem Herrn auf dem Herzen traget. Wie viel Verdorbenheit und Eigensucht unter den Menschen herrscht, haben wir auch hier wieder besonders in den letzten Tagen in reichlichem Maße erfahren.
Nun, der Herr sei mit dir besonders auch in diesen Tagen und gebe dir Kraft, wo es zu leiden gibt!
Lebe wohl, wir gedenken deiner vor dem Herrn.
Viele Grüße von Christoph und von Heidt.
Häberlin hat also jetzt ein Vikariat und zwar ein gesalzenes.
In herzlicher Liebe Dein Theophil.
Die Grüße wird dir Heinrich Themerlin ausgerichtet haben.
16 Theophil Blumhardt (auch im Namen des Bruders) an die Mutter Doris, Nr. 2843 in III/5, S. 359; [LKA Stuttgart, Nachlass Eugen Jäckh, D 34, 41.3]
17 Gottliebin Brodersen, geborene Dittus.
18 Brauch.
19 Kaltblutpferde.
20 Christian Palmer (1811 – 1875) Prof. für Pädagogik und praktische Theologie, Tübingen.
Liebe Mama,
vielen Dank für deine lieben Zeilen, ich fühle mich halt in der Fremde und da tut jedes Wort der Verbindung mit Euch unendlich wohl, ich hab’s ja schon geschrieben, wie ganz anders es hier ist auch mit dem Christentum und manchmal, ich sag’s aber nur ganz sachte, will mich’s etwas frösteln. Ich weiß freilich nicht, ob’s nicht vom Herbstwetter herkommt. Aber, Ihr Lieben, meinem lieben Gott und Heiland hab ich noch nie so gedankt, wie in den letzten Tagen, ja ich kann sagen, dass ich jetzt erst weiß, was danken heißt, soviel ich auch sonst schon Ursache dazu gehabt hätte. Luther hat ganz recht: der Mensch ist ein Klotz, und nicht einmal von Holz, sondern von Granit. Mein erster Sonntag ist vorüber. Morgens um sechs Uhr wachte ich auf mit Herzklopfen (N.B. man steht hier alle Tage um 6 auf, Frühstück soll eigentlich immer um ½ 7 sein): ich wollte noch an meiner Predigt lernen; aber siehe da, ich hatte fast alles Gelernte vergessen. Da las ich sie durch, legte sie auf die Seite und betete. Kurz nach acht Uhr kam der Wagen, der mich abholte nach Staffort, dort hatte ich um 9 Uhr zu predigen. Ich war etwas ruhiger geworden. Da kam die Frau Pfarrer zu mir und drückte mir die Hand mit den Worten: Seien sie nur getrost und guten Muts, viele Gebete begleiten sie. Ich konnte nichts darauf antworten, aber vergessen werd ich es nie und im Stillen hab ich ihr unendlich gedankt für diese Liebe. Ich setzte mich nun getrost auf den Wagen neben den Bauern, und dieser wusste mir die Zeit sehr kurz zu machen durch Erzählungen von Gemeinde und Pfarrsachen, von Schenkeleien22und anderen Dummheiten, die in Baden spuken und worüber er sehr bös war. Auch im Schulhaus, wo ich abstieg, wusste mir die Frau Schullehrer so viel von ihren lieben Kindern zu erzählen, dass ich beinahe vergessen hätte, weshalb ich herkam. Da läutete es, ich ging in die Kirche und predigte, wie ein Träumender kam ich wieder von der Kanzel, ich habe zum ersten Mal unbefangen geredet. Erinnerst du dich, wie du mir beim Beginn unseres Examens geschrieben hast, ich soll die Worte vor Augen haben: O Herr hilf und Herr lass wohlgelingen!23 Damals betete ich das täglich. Und jetzt fiel mir’s wieder ein, und redete zum Eingang über diese Worte, und habe sie jetzt erst recht verstanden. Er hat mir geholfen, sein Name sei gelobt. Auch hier in Spöck, wo ich nachmittags 2 Uhr Gottesdienst hielt, ging es mir verhältnismäßig gut, ich hatte eine volle Kirche und das macht warm. So ist mir’s am Sonntag gegangen, dann folgten für mich schwere, schwere Tage. Ich stand täglich zweimal am Bette einer Frau, 48 Jahre alt aber ledig, die hatte das Miserere24. Ich kann mir nichts Schrecklicheres denken. Ich war zwar schon vorher bei ihr, aber der Sonntag, Montag und Dienstag waren Tage, die mich wirklich angegriffen haben. Und wie elend und arm musste ich mich da fühlen. Es war keine Frau, die weit voran war im Christentum. Ich hatte sie namentlich auf die Gnade hinzuweisen, da sie’s anfangs etwas leicht nehmen wollte mit dem selig werden. Ach und wie dankbar sah sie mich an, wenn ich ein Wort sagte oder wenn ich betete! Sie war wie ein ausgetrockneter Schwamm, der jeden Tropfen begierig in sich aufnimmt. Als ich am Dienstagmittag hinkam, lag sie im Todeskampf, reden konnte sie nicht mehr, versucht es aber und streckte mir mit der letzten Anstrengung die Hand entgegen, die ich dann ergriff und mit ihr betete. Sie verstand mich noch gut, das sah man. Kurz nachdem ich weg war wieder, starb sie dann unter großem Kampf. Meiner Leichenrede legte ich die Worte zu Grund „der Herr ist wahrhaftig auferstanden!“25 Sonst habe ich nicht viel Krankenbesuche zu machen; als bei einem merkwürdigen Geschwisterpaar: die Schwester liegt seit 25 Jahren im Bett [d. h. 25 Jahre lang ist sie krank, beständig im Bett erst seit 12 J.], ich kann’s nicht anders ausdrücken als: sie ist gichtbrüchig. Der Bruder 28 J. alt fängt auch an, gehen kann er schon nicht mehr. Da gehe ich hin, nicht um etwas zu bringen, sondern um etwas zu holen. Trotz dem Elend leuchtet dann immer die Freude im Gesicht über ihren Heiland. Ähnlich ist’s in einer anderen Familie, da liegt der Mann schon 7 Jahre, nur von Zeit zu Zeit kann er aufstehen. Aber den Trost haben sie auch in sich selbst. Vor einigen Tagen z. B. verschlimmerte sich’s bei dem Mann, so dass er zu sterben schien. Die Frau liebt ihren kranken Mann unendlich, und gäbe ihn um Alles nicht her, arm sind sie und der Doktor ist sehr teuer, dennoch ließ die Frau ihn holen mit schwerem Herzen, an die fünf Gulden denkend, die er kostet. Und siehe da, am nächsten Tag brachte ihr Mutterschwein 13 Junge. Der Mann wurde auch wieder besser, und da hättet Ihr den Dank dieser Leute hören sollen. Diese kleine Wohltat Gottes ein paar Schweinchen mehr als sonst, ließen sie all ihr Elend vergessen und priesen sich glücklich, dass sie solche Erfahrungen machen dürfen. – Mit dem Stundenhalten26 geht’s nun auch vorwärts. Die 7 Mannen waren schon zweimal bei mir, es sind gute Leute, namentlich haben sie das Gute, dass sie sich gar nichts auf ihr Christentum einbilden, man hat sie darum auch im ganzen Ort sehr gern und läuft gleich zu ihnen, wenn‘s was gibt. Sonst gibt’s freilich auch manches Betrübte hier, die Einflüsse der badischen Demokratie und Gottlosigkeit dringen eben auch ein, und viele finden sich schon hier, die jede Ordnung geringachten. Kein Wunder! Es kann auch jeden Augenblick von Karlsruhe eine Nachricht kommen von Aufhebung irgendeiner Ordnung. – Nächsten Dienstag ist Synode in Deutschneureuth27, zu der ich muss; ich werde dann auch bald nach Karlsruhe kommen und Zimmermann besuchen, wenn er da ist.
Nun lebt aber wohl. Ich sehe, meine Briefe werden für den Anfang alle etwas lang. Wess das Herz voll ist, gehet der Mund über28, heißt’s eben, und Euch interessiert’s ja, das weiß und glaub ich, und ich möchte nicht um Alles in der Welt die Verbindung mit Euch aufgeben, ich spüre auch Eure Gebete. Grüße herzlich von mir in Boll und sage Theophil29 dank für seine Zeilen. Die Briefe gelten ja auch ihm. Er soll nur machen, dass er ins Amt kommt; ich jedenfalls weiß jetzt erst, warum ich lebe und 24 Jahre alt bin. – Herzliche Grüße von der Frau Pfarrer an dich.
In innigster Liebe dich umarmend dein Sohn Christoph.
N. B. Wenn ihr mir am Freitag schreibt, ist es nur Zufall, wenn ich den Brief am Montag erhalte, da Euer Brief noch Freitagnacht auf das badische Büro muss, das geschieht nicht immer. Der Bote holt aber die Briefe sehr früh und am Sonntag geht gar keiner, so kann dann der Brief Samstag und Sonntag liegen bleiben – Doch sehe ich eben, dass bis jetzt Eure Briefe alle regelmäßig den anderen Tag gekommen sind, dann wäre es nur für Samstag zu merken, da am Sonntag kein Bote geht.
Dem lieben Papa Dank für die Traktate durch Missionar Minnes.
21 An die Mutter Doris Blumhardt. Nr. 3023 in III/5, S. 442 [LKA Stuttgart, Nachlass Eugen Jäckh, D 34, 36.4]
22 Daniel Schenkel (1813 - 19. Mai 1885) war ein protestantischer Theologe. Schenkel machte seine Studien in Basel und Göttingen. Nach dem Vikariat in Schaffhausen habilitierte er sich 1838 als Privatdozent zu Basel, wurde 1841 Pfarrer am Münster in Schaffhausen, 1849 Professor zu Basel und 1851 Professor, Seminardirektor und Universitätsprediger an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg, der er 1856/57 auch als Rektor vorstand. Als einflussreicher Theologe der badischen Landeskirche gehörte er mehrfach der Synode an und wurde mit dem Titel Kirchenrat geehrt. Er starb kurz nach seinem Eintritt in den Ruhestand. Das Charakterbild Jesu. Wiesbaden 1864; 4. Auflage 1873. Dieses Werk brachte dem Verfasser einen Angriff auf seine amtliche Stellung ein, dem er in seinen Schriften: Zur Orientierung über meine Schrift ‚Das Charakterbild Jesu‘ (Wiesbaden 1864) und Die protestantische Freiheit in ihrem gegenwärtigen Kampf mit der kirchlichen Reaktion (Wiesbaden 1865) begegnete.
23 Ps 118, 25.
24 Stuhlerbrechen bei Darmverschluss.
25 Lk 24. 34.
26 Schriftauslegung am Brüdertisch einer pietistischen Gemeinschaft.
27 Teutschneureut stellt den ursprünglichen Kern des heutigen Karlsruher Stadtteils Neureut dar. Die Bezeichnung entstand, als 1699 Welschneureut unmittelbar südwestlich gegründet wurde zur Unterscheidung und auch Abgrenzung von den „Welschneureutern“. Teutsch bedeutet die heute übliche Bezeichnung „Deutsch“.
28 Mt 12, 34.
29 Der Bruder.
Lieber Bruder,
ich bin dir schon lange Nachricht schuldig, und will nun etwas von mir hören lassen, zwar hast du wohl von mir durch Karl schon einiges erfahren, alles das genügt vielleicht dir, [aber] nicht mir. Gar gerne wäre ich mit Karl auch fort und wäre mit dir zusammengetroffen, aber das ging natürlich nicht; wie schön wird’s gewesen sein in Neuboll! Denn ein Neues ist’s doch geworden durch die Änderung. Wie hast du’s gefunden? Alles froh darüber, Brodersen31 redselig, um alles aufs Beste hinzustellen, wie’s nun ist? Nun ich hoffe, es geht recht; wenn nur die Hauptsache gewinnt. Jetzt sitzt du wieder in Genkingen und amtest eifrig, du hast’s wohl schwerer als ich, wenn du Konfirmandenunterricht zu geben hast, wohl auch alle Sonntag[e] zu predigen. Das fällt bei mir weg leider. Zu predigen habe ich in Zukunft vielleicht alle 4 Wochen, so viel ich darin in Spöck zu tun hatte, so wenig hier dagegen. Die Woche durch kommt alles Mögliche an mich. Leichen32, Hochzeiten, da lernt man aus dem Stehgreif ein bisschen reden. Vor ein paar Tagen hatte ich eine Leiche33 ganz vergessen, bis es das erste[mal] läutete34. Krankenbesuche sind weniger zu machen für mich, außer wo Kommunion35 zuhalten ist. Es ist auch keine große Freude; wo ich noch hinkam, fand ich die Leute erschrecklich zurück36. Eine Frau rühmte mir ein paar Stunden vor ihrem Tod, wie sie ganz in der Ordnung gelebt habe, auch alles geglaubt habe, wie man’s einem sage, dass man glauben solle, jetzt wolle sie das Abendmahl, es werde dann vielleicht besser mit ihrer Krankheit. Wenn jemand ein paar Mal in die Kirche gegangen ist, so muss man das gewiss hören; damit wird das Gewissen beruhigt; auch scheinen die Leute von den Katholiken das anzunehmen, dass wenn man nur das heilige Abendmahl nehme vor dem Sterben, dass dann alles recht sei; in diesem Gedanken können dann auch die verstocktesten Sünder mit grässlicher Ruhe sterben. Krankenkommunion kommt darum sehr häufig vor; in allen Fällen, die mir vorgekommen sind, vielleicht mit einer Ausnahme, habe ich den Eindruck, dass es nur böses Gewissen ist und keine Buße. Es ist das sehr traurig, und es sind meine schwersten Gänge das.
An den Kindern habe ich am meisten Freude, sie passen nach und nach mehr auf, den Schulunterricht gebe ich daher gerne. Was dagegen die Christenlehre37 betrifft, so ist es ein wahrer Skandal, wie’s oft da zugeht, wenn die Bengels genug haben, so scharren sie so entsetzlich mit den Füßen, dass man sein eigen Wort kaum hört, gar nichts zu sagen von lautem Schwatzen und Lachen. Die Mädchen sind ordentlicher. Da muss man sich eben helfen, wie’s geht, aber man glaubt oft, man sei nicht in der Kirche, sondern in einer Judenschule38. In den Wochengottesdiensten ist’s gemütlicher. Zuhörer sind‘s ungefähr 12 – 20 höchstens. Hier spreche ich über einen Psalm, in Staufenberg über ein Evangelium. Eine Abendstunde habe ich nun auch zuwege gebracht. – Aber ich muss nun fort, einen Anstandsbesuch machen. Glücklicher du, der du damit verschont bist. – So, es ist schon fertig, die Frau von Faber, Oberamtmännin, hat mir die Ohren voll geschwatzt von ihren Kindern, eine ganze Hauschronik, bin froh, dass ich fort bin davon. So wird man hier geplagt, aber nun bin ich so ziemlich fertig mit diesem Geschäft, alle Notabilitäten39 sind besucht, und nun können sie sagen, was sie wollen, wenn ich nicht muss, gehe ich nicht mehr hin.
Aber es ist schrecklich, alle Gedanken sind mir ausgegangen, und ich weiß wahrlich nicht mehr, was ich schreiben soll; das Wetter freilich gäbe noch Stoff, haben viel Schnee hier und vollends Ihr auf der Alb, dort geht er gewiss über dich hinaus. Kalt ist’s auch, und Holz braucht man viel. Da fällt mir noch was ein, wenn du den Schuster noch nicht bezahlt hast, so bezahle ihn nicht. Ich hab‘ ihm deutlich genug gesagt, dass er nachträglich keine Rechnung bezahlt bekomme – auch von dir nicht. Ob ich sie bezahlt habe? Ich glaub’s, kann’s aber nicht beweisen, ich hab selbst seine Bücher mit ihm durchgegangen und alles, was drin stand, bezahlt.
Nachbemerkung:
Ich bin erst seit 4 Tagen wieder auf, war fast 14 Tage krank, ein wenig angesteckt von den Pocken. Das war böse Zeit und schwere Zeit. Jetzt geht’s wieder.
Nun leb wohl und sei herzlich umarmt von deinem Bruder Christoph.
Grüße von Eisenlohr und Frau Conzelmann.
30 An den Bruder Theophil in Genkingen [Akademie-Archiv Bad Boll] siehe auch Harder: H1, 27 – 28.
31 Brodersen, Theodor (1829 – 1912) Mann der Gottliebin Dittus.
32 Bestattungen.
33 Siehe Anmerkung 3.
34 Glockenläuten als Zeichen für den Beginn der kirchlichen Handlung.
35 Krankenabendmahl.
36 Rückständig.
37 Unterricht der Konfirmierten, meist am frühen Sonntagnachmittag.
38 Die Redewendung „Es geht zu wie in einer Judenschule“ bzw. „Hier herrscht ein Lärm wie in einer Judenschule“ erklärt Lutz Röhrich im Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten1 offensichtlich richtig mit: „es herrscht ein lautes Durcheinander“. Näher erläutert wird das mit der Gleichsetzung von „Schule“ und Synagoge (sogenannte „Judenschule“, so bezeichnet seit dem 14. Jahrhundert) und mit dem „Gewirr der Stimmen“ dort, das dem Laien bzw. dem Fremden unverständlich war, vom Gemurmel bis zum lauten Rufen anschwoll und sprachlich für den Nicht-Juden unverständliche (hebräische) Texte hören ließ.
39 Berühmte, namhafte Persönlichkeiten
Teurer Bruder,
es ist schon lange, dass Genkingen und Gernsbach außer Verbindung miteinander stehen und die beiden Vikare still in sich gekehrt unbekümmert um den anderen ihren Weg gegangen sind, da ist’s Zeit, dass man wieder Worte wechselt, und ich will hiermit anfangen, Wie geht dir’s? Dein letzter Brief sagt mir gut, umgeben von halberfrorenen Finken und Meisen, doch deine Pflege wird sie wohl jetzt munter gemacht haben; aber seither kann viel passiert sein. Mir geht’s soweit gut. Gernsbach fängt an, herrlich zu werden, seit ersten Februar haben wir Veilchen die Menge, und auch andere Blümchen lassen sich blicken; die Wiesen sind grün, im Wald ists lebendig von munteren Vögeln, die sich der schönen milden Frühjahrsluft erfreuen, die Bäume sind auch meist von Natur grün, und wenn nicht dazwischen auch Blätter… zu sehen wären, so könnte man sich leichtlich denken, es sei März oder gar Mai. Heute hab ich einen großen Spaziergang gemacht par force41 wie in Urach42 schönen Angedenkens, über den sogenannten Fechtenbuckel, von dem man eine wahrhaft bezaubernde Aussicht hat nach Lauterbach und auf die Lauterbacher Felsen, alles in zwei Stunden. Die Granitfelsen sind einzig, und auf dem höchsten derselben ist wieder prächtige Aussicht, die ganze Vogesenkette liegt vor einem, herwärts das Rheintal und in nächster Nähe verschiedentliche Schwarzwaldgipfel; ich hab aber noch viel herumzulaufen, bis ich alle schönen Punkte besucht habe
Letzten Mittwoch gingen wir drei geistlichen Herrn von Gernsbach nach Baden, um Pfarrer Hornsen zu besuchen, dort ists natürlich auch schön, und Pfarrer Gr. Äußerst lieb und angenehm. Was meine dortige Tätigkeit anbelangt, so geht sie fort, wie sie angefangen, nur vermehrt sie sich stellenweise arg. Letzte Zeit waren viele Beerdigungen, auch viele Kranke sind immer zu besuchen, dazu habe ich mehr Stunden in der Schule zu geben, nun mehr 5 in der Woche; eine Stunde im Filial43