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Lukas ist der Außenseiter der Klasse, er wird gemobbt und ignoriert. Doch dann kommt Cillian an seine Schule. Wäre das nicht genug, dass dieser gut aussehende Junge neben ihm sitzt, verlieben sie sich ineinander. Lukas blüht regelrecht auf, er outet sich nicht nur vor seinem Vater, sondern vor der ganzen Klasse und es gibt überwiegend positive Reaktionen. Ihr Leben ist perfekt, doch dann verschwindet Cillian. Niemand vermag zu sagen, was passiert ist, er ist wie vom Erdboden verschwunden. Es ist an Lukas, herauszufinden, was mit seinem Freund geschehen ist und warum nicht nur er, sondern auch eine Fee und ein Baumgeist nach Cillian suchen. Seine Reise führt ihn in die irische Anderswelt, auf ein Abenteuer, den Jungen, den er liebt, zu finden.
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Seitenzahl: 262
Veröffentlichungsjahr: 2021
Über den Autor
Geboren mitten im Jahre 1980, wuchs Alexander Asmußen in einem Vorort von Frankfurt am Main auf.
In der weiterführenden Schule begann er mit den ersten Geschichten und trat später dem Team der Schülerzeitung bei. Dort arbeitete er sich bis zum Chefredakteur hinauf.
Trotz einer starken LRS gab er nie aufzuschreiben. Im Erwachsenenalter wurden Kurzgeschichten veröffentlicht und lange am ersten Roman gearbeitet. Mit 41, Ende 2021, konnte sein erstes Buch das Licht der Welt erblicken.
Widmung
Liebe Frau R.,
nach einigem überlegen, wie Sie mich ja kennen waren es lediglich ein paar sehr intensive Sekunden, habe ich entschieden, Ihnen dieses Buch zu widmen.
Es ist nicht das erste Mal, dass ich darüber nachdenke, jetzt wird es aber auch umgesetzt.
Wieso? Die letzten Tage, die ich an dem Buch gesessen habe, waren schlimme für mich. Wenn es mir schlecht geht, denke ich oft an unsere gemeinsamen Sitzungen. Ist ja auch Sinn dieser, hoffe ich.
Seit zehn Jahren halten Sie zu mir, mehr als jeder andere Mensch und dafür bin ich dankbar. Um genau zu sein, mir ist klar geworden, Sie sind der einzige Mensch, auf den ich wirklich zählen kann.
Ich glaube nicht, dass ich der Erste bin, der Ihnen dankbar ist, aber vielleicht der Erste, der es in ein Buch schreibt. Wie heißt es in der Jugendsprache so schön: FIRST!
Liebe Grüße
Alexander Asmußen
Alexander Asmußen
© 2021 Alexander Asmußen
2. Auflage, Vorgängerausgabe 2021
Fotografien von: Milo Milk, Sharon McCutcheon
ISBN Softcover 978-3-3474-5659-4
ISBN Hardcover 978-3-3474-5676-1
ISBN E-Book 978-3-3474-8799-4
Druck und Distribution im Auftrag des Autors:
tredition GmbH
Halenreie 40-44
22359 Hamburg, Deutschland
Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Für die Inhalte ist der Autor verantwortlich. Jede Verwertung ist ohne seine Zustimmung unzulässig. Die Publikation und Verbreitung erfolgen im Auftrag des Autors, zu erreichen unter:
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Abteilung »Impressumservice«
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Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar.
Inhaltsverzeichnis
Kapitel 11
Kapitel 29
Kapitel 318
Kapitel 432
Kapitel 543
Kapitel 652
Kapitel 762
Kapitel 872
Kapitel 983
Kapitel 1094
Kapitel 11106
Kapitel 12121
Kapitel 13127
Kapitel 14136
Kapitel 15146
Kapitel 16160
Kapitel 17170
Kapitel 18177
Kapitel 19193
Kapitel 20207
Kapitel 21216
Kapitel 22227
Kapitel 23247
Kapitel 24282
Kapitel 25300
Epilog305
Schlusswort307
Danksagung309
Lukas kritzelte auf seinem Schreibblock herum, seine Gedanken waren wie so oft weit entfernt. Er hasste die Schule, mit jedem neuen Jahr wurde es unangenehmer. Die Grundschule war in Ordnung, wenn er ehrlich mit sich selbst war, die fünfte und sechste Klasse ebenso. Er hörte, wie die Tür aufging und jemand hereinkam.
»Aufgepasst«, setzte Herr Lemann an, ihr Mathematik- und Klassenlehrer.
Er sah nicht auf, sondern kritzelte stur weiter.
»Auch Du, Lukas.« Die Worte waren freundlich.
Mit einem Seufzen schaute er nach vorne an das Pult.
Seine Augen weiteten sich, direkt neben Herrn Lemann stand ein Junge. Er war größer, was eine völlige Untertreibung war, außerdem deutlich kräftiger als der Lehrer.
»Darf ich vorstellen, das ist, hoffentlich spreche ich es richtig aus: Cillian.«
Er hatte feuerrote Haare, die ihm, in wuscheligen Locken, ins Gesicht hingen.
»Er ist aus Irland hier hergezogen und ist ab heute in unserer Klasse.«
Seine Gesichtszüge waren weiche, trotz dieser imposanten Statur. Er sah sich um, dabei blitzten seine hellblauen Augen immer wieder hervor.
»Cillian, erzähl doch mal ein wenig von Dir.«
Er trug einen Hoodie, aber keinen gewöhnlichen. Der Stoff war grau und grob, an allen Rändern und Nähten verlief eine rote Linie.
»Ich heiße Cillian, bin vierzehn und«, er stockte kurz, seine Wangen bekamen einen Hauch Farbe, »bin geboren in Irland in dem Dorf Shannaghmore.«
Lukas hörte die anderen Kinder aus der Klasse lachen. Aus dem Hoodie kamen normale Jeans, abgewetzt, an einigen Stellen war sie aufgerissen, er erkannte nicht, ob dies zum Design gehört oder nicht.
»Ich treibe gerne Sport, aber noch lieber lese ich.«
Sein Blick wanderte wieder nach oben zum Gesicht, dort erstarrte er augenblicklich, Cillian sah ihn an; nicht beiläufig, sondern sie schauten sich direkt in die Augen. Sie wandten sich beide verlegen ab.
»Ah, Du hast den freien Platz gesehen, setz Dich neben Lukas.«
Cillian lief schnurstracks auf ihn zu und ließ sich auf den freien Stuhl fallen. Sein Rucksack glitt zu Boden. Er drehte sich zu Lukas, dabei schaute der Neue buchstäblich auf ihn hinunter.
»Ich bin Cillian.« Er reichte ihm die Hand.
Zögerlich ergriff er diese und schüttelte sie. »Lukas.«
»Wertes Publikum!« Herr Lemann hielt sich mal wieder für witzig. »Ich würde Euch gerne Zeit zum Kennenlernen geben, aber wir schreiben am Freitag eine Mathearbeit und daher haben wir noch einiges durchzugehen.«
Mit diesen Worten fing der Unterricht an. Nach ein paar Minuten drehte sich Marco, er saß direkt in der Reihe vor den beiden, um. »Hier, in der Pause kommst Du zu uns, gib Dich nicht mit der Schwuchtel da ab.«
Marco ruckte mit dem Kopf in Lukas' Richtung.
»Okay.« Mehr kam von ihm nicht.
Er schrie innerlich vor Wut und Traurigkeit. Es würde nicht lange dauern, bis Cillian sich dann zu einem weiteren Arschloch in der Klassen entwickelt hätte. Noch einer, der ihn mobbt und quält. Lukas war nicht mehr in der Lage sich auf den Unterricht zu konzentrieren. In seinem Kopf steigerte er sich immer höher in ein Wirrwarr der Gemeinheiten, die ihm seit anderthalb Jahren passierten, hinein.
Es klingelte, alle flitzten hinaus, Lukas blieb wie so oft bis zum Schluss sitzen. Er bemerkte nur am Rande, dass Cillian sich in der Tür umdrehte und zu ihm schaute.
Niedergeschlagen erhob sich Lukas, schlurfte auf den Pausenhof, sein Magen knurrte. Nur selten hatte er die Zeit morgens etwas zu essen und sein Pausenbrot aß er immer in der großen Pause am Mittag. Normalerweise war das kein Problem, aber im Moment verursachte es ihm regelrecht Bauchschmerzen.
Das alles war scheinbar nicht genug: Er hob seinen Blick, dabei sah er eine Gruppe der Jungs aus seiner Klasse; ebendiese, die ihn immer ärgerten und quälten. Mittendrin war Cillian, just in diesem Moment legte er seinen Arm um Marcos Schulter und lachte laut. Lukas hielt es nicht aus, er eilte zu seinem ›Versteck‹, es war nur eine abgeschiedene Ecke des Schulhofes. Hier hingen ein paar Jugendliche herum, um zu rauchen, sie beachteten Lukas nicht.
Die Pause war vorüber und der Unterricht wurde fortgesetzt. Er arbeitete nur mäßig mit, ab und an sah er hinüber zu Cillian. Dieser hingegen war fokussiert auf den Schulstoff.
Die zweite Pause brach an, Lukas flitzte sofort zu seinem Stammplatz, um abzuwarten.
Nachdem er das Klassenzimmer wieder betreten hatte, betrachtete Cillian ihn mit einem merkwürdigen Blick. In ihm kam ein Schuldgefühl auf.
»Hey«, flüsterte er.
Lukas reagierte nicht.
»Magst Du in der Mittagspause mit mir zusammen essen?«
Lukas war überrascht, sogar verwirrt. »Warum?«
Cillian grinste. »Zum einen, weil ich nicht gerne allein essen und ich Dir außerdem von dem Blödsinn erzählen will, den die mir in der Pause erzählt haben.«
»Ruhe da!«, zischte die Deutschlehrerin. Die beiden waren sofort still.
Lukas war hin- und hergerissen, es würde nicht schaden mitzugehen oder würde es sich als Vorwand herausstellen, um ihn fertigzumachen? Die Stunde neigte sich zum Ende und er war weiterhin unentschlossen.
»Wollen wir?« Cillian schaute ihn erwartungsvoll an.
»Okay.« Lukas war in Panik.
Beide holten eine Brotbox aus ihren Rucksäcken. Der Neue zog zusätzlich eine Flasche Wasser heraus, dann liefen sie los.
»Da drüben sieht es doch nett aus.« Cillian steuerte auf eine Bank unter einem Baum zu.
Es war ein klarer Frühlingstag, etwas frisch, aber das Wetter war auf dem richtigen Weg. Sie setzten sich. Lukas packte sein Brot aus und biss hinein. Cillian folgte seinem Beispiel.
»Die anderen ärgern Dich«, setzte der Große an.
Lukas war sich nicht sicher, ob es eine Frage oder eine Feststellung war. Er nickte daher.
»Marco ist ein Arsch, er hat nicht nett über Dich gesprochen.«
»Glaubst Du ihm?« Lukas hielt inne, er wartete auf die Antwort.
Cillian überlegte kurz. »Na ja, es ist doch egal, ob Du schwul bist oder nicht. Selbst wenn es stimmt, ist das nichts, für das sich jemand schämen muss und erst recht kein Grund, deswegen ihn anders zu behandeln.«
Lukas packte seinen Mut zusammen. »Es stimmt.«
»Okay.«
Sie aßen weiter.
»Was hat Marco denn gesagt?«
Cillian winkte ab. »Lass, war nur Unsinn.«
»Ich würde es schon gerne wissen.«
Er schaute Lukas durchdringend an. »Wie Du meinst. Du wärst eklig, würdest die Jungs an schwulen und lauter weiteren Unsinn.«
Er schraubte seine Flasche auf, trank einen Schluck, dann bot er sie Lukas an. Dieser lehnte ab.
»Ich dachte, ihr versteht Euch blendend.«
»Wie kommst Du den darauf?« Cillian sah ihn stirnrunzelnd an.
»Du hast ihn umarmt.«
Er lachte und verschluckte sich fast an einem Stück Brot. »Umarmen würde ich das nicht nennen. Ich wollte nur, dass er mir genau zuhört.«
Lukas schaute ihn fragend an.
»Ich habe ihm recht deutlich gesagt, was ich von dem Mist halte. Und dass er, wenn er so etwas in meiner Gegenwart wieder sagt, in der Zukunft nur noch Suppe essen könnte.«
Bei der Vorstellung schmunzelte Lukas. »Danke.«
Cillian bot ihm erneut das Wasser an, diesmal nahm er es.
Es war kurz nach Mitternacht und Cillian schlenderte durch den Wald. Vor ihm lag eine Lichtung, in deren Mitte ein Baumstumpf, der aus dem Boden ragte. Um den Stumpf herum tanzten einige Leuchtkäfer. Er ging auf die ihm dargebotene Sitzgelegenheit zu und ließ sich nieder.
»Schön hier.«
»Das stimmt«, erwiderte Cillian und schloss seine Augen.
»Schön ist auch, dass Du wach bist.«
Er brummte zustimmend.
»Ich muss schon sagen, dass ich Dich vermisst habe.« Die Stimme war weich und warm.
Cillian grinste breit. »Das hofft jeder von seiner Mutter.«
Wärme durchdrang seine Schulter, ihre Hand hatte sich auf diese gelegt.
»Du weißt, dass Du anders bist. Trotz meiner großen Zahl an Kindern, bist Du einmalig.«
Er antwortete nicht mehr darauf.
Seit Langem war Lukas mit einem angenehmen Gefühl auf dem Weg in die Schule. Durch sein Verhalten am Tag zuvor hatte Cillian einige der dunklen Wolken vertrieben. Er saß im Bus und hörte seine Lieblingsmusik: Klassik. Es beruhigte ihn, die vielen Menschen, die gedrängt standen, waren nichts für ihn. Er fuhr morgens über eine Stunde zur Schule, der Rückweg dauerte sogar noch länger.
Als er endlich ausstieg, atmete er durch, zog die Kopfhörer ab und lief los. Nur fünf Minuten, bis er am Tor ankam. Kaum dass er den Hof betreten hatte, hörte er die ersten Gemeinheiten.
»Na, hast Du einen Freund gefunden, Schwulette?«
Er versuchte es zu ignorieren und lief stur weiter, hinter sich hörte er ein lautes Klatschen.
»Mir war klar, dass Du schwer von Begriff bist, aber ich sage es gerne noch mal: Ich will das nicht hören. Verstanden?«
Lukas entschied sich, sich nun doch herumzudrehen, und sah, wie der deutlich größere Cillian auf Marco hinuntersah. Dieser hielt sich den Nacken, er hatte ein feuerrotes Gesicht und Tränen liefen ihm über das Gesicht. Stumm nickte dieser. Der Große drehte sich herum und schlenderte zu Lukas. »Einen schönen guten Morgen. Ist es nicht herrlich heute?«
»Ja, heute ist es in der Tat herrlich«, stimmte er ihm zu.
Die Glocke läutete und die beiden legten einen Zahn zu.
»Warum sind die Pausen eigentlich so kurz?«, fragte Lukas auf dem Weg in diese.
»Hm, weiß nicht, dafür haben wir nachmittags viel Zeit.«
»Wenn ich nach Hause komme, muss ich erst mal Hausaufgaben machen.«
»Da fehlt mir noch die Erfahrung hier, das von gestern konnte ich im Unterricht erledigen.«
»Was?« Lukas sah ihn mit offenem Mund an. »Das war doch echt viel!«
Cillian wurde verlegen.
»Ich beneide Dich. Ich brauche ewig für die Aufgaben.«
»Wenn Du magst«, er wurde von Eva unterbrochen, einem Mädchen aus der Klasse.
»Ich soll Dir das geben. Er ist aber nicht von mir!« Sie rannte schnell weg.
Cillian schaute den rosafarbenen Umschlag verwundert an.
»Das ging ja fix mit den Liebesbriefen.« Lukas lachte.
Ihm schoss die Schamröte ins Gesicht, unter weiterem Gelächter öffnete er den Umschlag. Er las den Brief und rollte augenblicklich mit den Augen.
»Was steht drin?«
Cillian räusperte sich. »Lieber Killian, mit C bitte, als ich Dich gestern zum ersten Mal gesehen habe, war ich sofort unsterblich verliebt. Süß. Du siehst aus wie ein nordischer Gott. Hoffentlich eher wie ein irischer. Ich würde Dich so gerne mal kennenlernen, dann kannst Du mir ganz viel über Deine Heimatstadt Schattental erzählen und bestimmt noch ganz viel mehr. Was ist Schattental? Deine geheime Verehrerin. Unten sind noch drei Kästchen mit Ja, Nein, Vielleicht und PS: Gib ihn an Eva zurück.«
Lukas kicherte immer noch. Cillian faltete den Brief und steckte ihn in die große Tasche vorne an seinem Hoodie.
»Meinst Du, der ist von Eva?«
»Schwer zu sagen, ich kenne mich mit so etwas nicht aus«, gestand Lukas.
»Ich bin ein wenig sprachlos.« Die Glocke ertönte und es war wieder Zeit für den Unterricht.
Cillian schob einen Zettel zu Lukas hinüber, sehr unauffällig. Er hatte bereits zwei erfolglose Versuche gestartet, durch Flüstern seine Aufmerksamkeit zu bekommen, welche von der Biolehrerin sofort unterbunden wurden.
Lukas war wie gebannt vom Unterricht, er bekam alles mit, er verstand sogar das meiste auf Anhieb. Plötzlich spürte er ein sanftes Knuffen in der Seite. Der große Junge hatte ihn mit dem Ellenbogen angestoßen. Lukas schaute herüber, Cillian war jedoch mit seinem Blick an der Tafel. Er schüttelte den Kopf und nahm seinen Stift, um etwas aufzuschreiben, da bemerkte er das Zettelchen. Stirnrunzelnd öffnete er es, es wurde aus einem Block gerissen und zweimal gefaltet, darin war eine kurze Nachricht: Lieber Lukas :) Möchtest Du heute mit mir Hausaufgaben machen? Gefolgt von einem Ja, Nein, Vielleicht samt Kästchen.
Lukas' Herz schlug schneller. Es hatte fast was von einem Liebesbrief, ihm war klar, dass Cillian darauf anspielte, nicht desto weniger schmeichelte es ihm. Vor allem die drei Kästchen freuten ihn, auch wenn es sich nur um Hausaufgaben drehte. Was ihn zum zweiten Gedanken brachte und sein Herz noch mehr beschleunigte. Cillian war der Erste, der ihn besuchen wollte, seit er auf diese Schule ging. Niemand hier hatte sich groß für Lukas interessiert. Anfangs konnte er sich mit ein paar Jungs anfreunden, aber das zerschlug sich schnell und kippte nach einiger Zeit.
Zittrig setzte er sein Kreuz bei ›Ja‹, faltete den Zettel wieder und schob ihn zurück. Er hob seinen Ellenbogen an, um zu knuffen, aber Cillian legte seine Hand auf das Stück Papier, ohne seinen Blick zu senken, und zog es zu sich. Er ließ den Zettel vom Tisch gleiten und in seinem Hoodie verschwinden.
»Wie weit wohnst Du denn weg?« Cillian schaute sich an der Bushaltestelle genau um.
»Ist über eine Stunde Fahrt. Du siehst aus, als wärst Du noch nie Bus gefahren.« Lukas sah ihm fasziniert zu.
»Bin ich auch ni« Cillian hüpfte vor Schreck einen Satz nach hinten, ein Auto raste vorbei.
»Hast Du denn überhaupt ein Ticket für den Bus?«
Er wirkte verwirrt und Lukas holte seinen Geldbeutel hervor, um ihm seine Monatskarte zu zeigen.
»Ach das Ding«, er griff in seine Hoodietasche und holte seine Karte heraus. Lukas schaute auf den Fahrausweis.
»Cillian O’Brien, geboren am 14.03.06. Du bist jünger als ich?«
»Wenn Du das sagst«, schmunzelte er.
Dann fuhr schon der Bus vor. Cillian wirkte etwas nervös beim Einsteigen. Sie suchten sich einen Platz, der Große setzte sich an den Gang.
»Willst Du schnell rauskommen?«
Cillian grinste breit, die ersten Minuten sah er sich beunruhigt um, langsam wurde es besser.
»Du wohnst in der Nähe der Schule?«
»Hm, nur ein paar Straßen entfernt.«
»Wohnst Du mit Deinen Eltern dort?«
»Nein, das sind Freunde meiner Mutter, sie ist noch in Irland.«
»Das ist bestimmt schlimm. Was ist mit Deinem Vater?«
»Ich habe keinen und das mit meiner Mutter bin ich gewohnt, aber wenn ich sie brauche, ist sie da. Wir haben gestern Abend erst miteinander gesprochen.«
»Das ist schön, also das mit Deiner Mutter. Mir geht es ähnlich, meine Mama ist gestorben, ich lebe allein mit Papa.«
»Das tut mir leid.« Cillian schaute Lukas an und achtet nicht mehr auf das, was so im Bus geschah.
»Danke. Ich habe sie nicht gekannt. War ein Jahr alt, als sie einen Autounfall hatte.«
»Ist Dein Vater nett?«, fragte Cillian neugierig.
Lukas lächelte. »Sehr, er ist wirklich toll, er ist mehr ein bester Freund als ein Papa. Er hat früher viel mit mir gespielt, es ist zwar weniger geworden, aber er ist immer für mich da.«
»Das finde ich wunderschön.« Cillians Gesicht strahlte. »Erzählst Du mir von ihm?«
Den Rest der Fahrt erzählte er von seinem Vater.
Von der Bushaltestelle zur Wohnung waren es nicht weit. Cillian bestaunte das riesige Gebäude. Lukas schloss die Tür auf und rief den Fahrstuhl. Erneut zögerte der Große.
»Irland scheint sehr rückständig zu sein.« Lächelnd reichte ihm Lukas die Hand.
»Die Ecke, aus der ich komme definitiv.« Dieser ergriff sie und wurde in den Fahrstuhl gezogen. Er ließ Cillian sofort wieder los.
Im siebten Stock stiegen sie aus, liefen an ein paar Türen vorbei und standen schlussendlich in einer kleinen Dreizimmerwohnung.
»Schön hier«, kommentiere Cillian. Er sah sich um und stecke den Kopf in Wohnzimmer und Küche. Sie war hell eingerichtet, was ihm gefiel, es waren nicht viele Möbel vorhanden, nur eben das, was die zwei benötigten.
»Komm, wir gehen in mein Zimmer.« Lukas öffnete seine Zimmertür und Cillian folgte.
»Nett«. Es war nicht viel: ein Bett, ein Schrank und ein Schreibtisch. Außerdem ein Regal. Es war voll mit kleinen Robotern, Lego-Technik und mehr. Er schaute sich die winzigen Maschinen fasziniert an.
»Hast Du das gebaut?«
Lukas stellte sich neben Cillian. »Ja, mein Papa kauft mir immer was, damit ich etwas zu tun habe.«
»Na ja, jetzt hast Du mich zur Beschäftigung«, feixte er und Lukas wurde rot.
»Los, ran an die Hausaufgaben.«
Cillian stand unten vor dem Gebäude, es war bereits dunkel. Er schaute sich um, in einigen Metern Entfernung war eine Parkbank. Die herumschwirrenden Glühwürmchen brachten ihn zum Schmunzeln. Er setzte sich auf die Bank.
»War es heute ein schöner Tag?«, fragte seine Mutter.
»Er war wunderschön. Ich konnte fühlen, wie entspannt Lukas war.«
»Das freut mich zu hören. Bist Du verliebt?«
Cillian brummte zustimmend und schloss seine Augen. Seine Mutter fuhr mit der Hand über seine Haare, dabei überkam ihn ein wohliger Schauer.
»Kann ich Dich was fragen?«
»Alles, was Du möchtest.«
»Warum bist Du hier bei mir?«
»Wie meinst Du das?«
»Jeden Abend bist Du hier bei mir, nimmst einen weiten Weg auf Dich, für ein einzelnes Kind.«
»Alle meine Kinder sind mir wichtig.« Seine Mutter klang nicht so, als würde sie sich das selbst abkaufen.
Cillian schwieg.
»Erzähl mir von Lukas«, forderte sie ihn auf. Ein Lächeln zeichnete sich bei ihm ab.
Cillian wäre nicht so entspannt, hätte er bemerkt, dass jemand ihn von einem Fenster aus beobachtete. Lukas wollte ihm winken, nun sah er zu, was dort unten geschah. Der große Junge führte ein Selbstgespräch.
Lukas lauschte den Klängen eines sehr ruhigen Klavierstücks und dachte an das, was er gestern gesehen hatte: Cillian saß auf der Parkbank vor seinem Haus und um ihn herum schwirrten Glühwürmchen. Er wirkte glücklich auf dieser Bank.
»Hey Du.« Cillian wartet bereits am Hoftor. »Ich wollte sichergehen, dass Marco nicht wieder auf dumme Ideen kommt.«
In ihm machte sich ein warmes Gefühl breit.
»Heute haben wir Sport.« Lukas spielte, als würde er sich übergeben.
»Sport ist doch etwas Schönes.«
»Ja, wenn man ein Adonis ist wie Du.« Lukas realisierte zu spät, was er gesagt hatte, und lief rot an.
Cillian grinste breit. »Geh es locker an, vielleicht wird es nicht so schlimm heute.«
»So, ich würde sagen, der Neue ist Kapitän und«, Herr Weihrich, der Sportlehrer, schaute durch die Reihen der Jungs, »Marco. Der Neue wählt zuerst.«
Sie stellten sich rechts und links neben den Lehrer auf.
»Ich wähle Lukas.« Die anderen tuschelten, und er schaute ihn verwirrt an. Für gewöhnlich wurde er als Letztes gewählt.
Marco grinste breit und war sich seiner Sache bereits sicher. Er entschied sich für Tobias, ein großer, kräftiger Junge, aber dennoch kein Vergleich mit Cillian. Dieser wählte all die, welche gewöhnlich bis zum Schluss dastanden. Die Gruppen waren aufgestellt und begaben sich zu ihren Toren. Marcos Team war zerstreut auf ihrer Hälfte, Cillians winkte hingegen alle zu sich.
»Hey, ich weiß, ihr seid nicht gerade glücklich«, fast jeder nickten, »aber wenn ihr meiner Taktik und mir vertraut, wird das schon klappen. Okay?«
Markus hob die Hand, »Was ist die Taktik?«
»Gut, dass Du fragst, also wir teilen die Aufgaben, Lukas ist im Tor. Ich bin Verteidiger und ihr vier seid der Angriff.«
Alle wurden blass. Timo reagiert als Erster, »Die rennen uns doch um!«
»Keine Sorge. Ihr geht den Gegnern einfach aus dem Weg. Lasst sie durch und ich fange sie hinten ab, dann spiele ich Euch den Ball zu und ihr schießt einfach aufs Tor, nicht groß zielen, einfach wegkicken. Und wenn einer Euch den Ball abnehmen will, lasst ihn, dann geht es weiter wie zuvor. Also kurz zusammengefasst: Ihr achtet auf mich, um zu sehen, ob ich Euch zuspiele, und versucht einfach aufs Tor zu schießen; ansonsten rennt ihr rum und versucht eine gute Position zu bekommen.«
Die vier Jungs waren erleichtert. Nur Lukas hatte noch Bammel.
Herr Weihrich hatte die Mädchen mit Anweisungen versorgt und beobachtete den neuen Kapitän schon eine Weile.
»Marco, Cillian, kommt her.« Es wurde ausgelost, wer den Anstoß hatte und Marco bekam den Ball.
Er flitzte gleich weg und der Lehrer hielt Cillian kurz auf. »Ich weiß zwar nicht, was Du da vorhast, aber ich bin beeindruckt und ich habe das Gefühl, dass es klappen könnte.«
Er grinste nur breit und sprintete zu seinem Team zurück. Alle legte die Arme auf die Schultern des Nachbarn und Cillian heizte noch mal die Jungs an, fast wie im Freudenrausch rannten sie auf ihre Plätze.
»Ich bin nicht gut als Torwart oder etwas anderes.« Lukas war nicht überzeugt.
Cillian schaute ihm tief in die Augen, sein Bauch kribbelte. »Wenn ein Ball ins Tor geht, war es mein Fehler, denn dann habe ich nicht richtig aufgepasst. Falls einer mir durchgeht und Du ihn hältst, bist Du mein Held, weil Du meinen Fehler gerade gebogen hast. Okay?«
Lukas nickte und stellte sich ins Tor.
Marcos Gesichtsausdruck spiegelte wider, wie sicher er sich war. Er ließ den Ball auf den Boden fallen und schoss sofort los. Der Fußball kam nicht weiter als an Cillians Fuß, der stoppte ihn und seine Angriffsreihe wartete darauf, angespielt zu werden. Er passte den Ball an Markus, dabei versuchte er ihn nicht zu schnell anzuspielen.
Sein Plan ging auf, er trat den Fußball in Richtung des gegnerischen Tors weiter, knapp am rechten Pfosten ins Aus.
»Super Markus!« Er schaute Cillian verwirrt, aber erfreut an.
So lief das Spiel weiter, der Große stoppte jeden einzelnen Ball und die vier schafften es immer öfter, nah an das Tor heranzukommen.
Bis, »Tor für Team Cillian!«
Marco flippte aus, er beschimpfte seine Teamkollegen, doch es half nichts, das Spiel wurde fortgesetzt. Die Mädchen hatten ihr Match vorzeitig beendet, um wie gefesselt dem der Jungs beizuwohnen.
Die Ballwechsel wurden immer häufiger, bis es einem der Gegner offensichtlich zu viel wurde und er anstatt sich den Ball von Timo zu schnappen, diesen einfach umrannte.
»Auszeit«, brüllte Herr Weihrich.
Cillian rannte sofort zu Timo, der etwas benommen auf Boden saß, »Geht es Dir gut?«
»Ja, nur ein wenig schwindelig. Ich kann gut fallen«, kicherte er.
Herr Weihrich war nun auch da, »Brauchst Du was Timo?«
»Nein, ich möchte weiterspielen!«
Der Lehrer war offenkundig überrascht. »Gut, aber wenn Du merkst, dass es nicht geht, sag Bescheid.«
»Du auf die Bank!« Der Sportlehrer stellte den Verursacher vom Platz.
Das Spiel lief wieder an und es dauerte keine fünf Minuten und ein weiteres Tor fiel zu ihren Gunsten.
Die Spielzeit näherte sich dem Ende und es stand mittlerweile 5:0. Lukas war bisher nicht zum Einsatz gekommen, dennoch war er konzentriert und völlig erschöpft zugleich. Dem ganzen Spiel über folgten seine Augen dem Ball, egal, wohin er ging. Wieder einmal flog der Fußball in ihre Richtung und Cillian eilte wie gewohnt auf diesen zu. Etwas war anders, er verfehlte ihn knapp. Der Ball trudelte auf Lukas zu und er sprang nach vorn. Er wusste nicht genau, was er machen sollte, und entschied sich, sich einfach auf den Ball fallen zu lassen. Das Blut rauschte nur so durch seine Ohren und er hörte ein dumpfes Pfeifen und Jubeln. Immer noch umklammerte er den Fußball und jemand zog sanft an seiner Schulter.
»Du kannst loslassen, das Spiel ist vorbei. Wir haben gewonnen.« Problemlos hörte er Cillians Stimme, durch das Rauschen in seinen Ohren.
Lukas schaute rauf, dort sah er nur das breit lachende Gesicht seines Kapitäns. Er streckte ihm die Hand entgegen.
»Komm, ich helfe Dir hoch, mein Held.«
Lukas' Herz raste jetzt noch mehr. Er kam sich vor wie in einem Comic, die Welt wurde rosa und um Cillian herum schwirrten Sternchen.
Gerade so bemerkte er, wie sich die Mine von ihm in Besorgnis wandelte und dann wurde es ihm schwarz vor Augen. Lukas bekam immer wieder kleine Fetzen mit, besorge Rufe, Cillian hob ihn hoch, eine Tür. Dazwischen nichts.
Langsam kam Lukas wieder zu sich, er lag auf einer Liege im Krankenzimmer. Cillian saß neben ihm und strahlte ihn mit einem wunderschönen Lächeln an.
»Na, wieder im Land der Lebenden?«
»Was ist passiert?«, wollte Lukas wissen.
»Sport ist wirklich nicht so Deins. Herr Weihrich meinte, Du hättest Dich zu sehr aufgeregt und wärst deswegen zusammengeklappt. Wobei Du ja schon am Boden lagst.«
»Oh Gott!« Lukas hielt sich die Augen zu. »Nun haben die einen neuen Grund, auf mir herumzuhacken?«
»Wer?«
»Na die anderen Jungs, genau die, die mich ohnehin schon immer mobben.«
Cillian nahm Lukas die Hände von den Augen. »Die haben das nicht mitbekommen, direkt nach dem Abpfiff sind die wutentbrannt in die Umkleide gerast und unsere Mannschaft und die Mädchen haben ein ganz neues Bild von Dir.«
Fassungslos schaute Lukas Cillian an, erneut sah er Sternchen um ihn herum. »Ich glaube, ich werde schon wieder ohnmächtig.«
»Wieso das?« Cillian klang besorgt.
»Da sind wieder diese Sternchen um Dich herum.«
»Ach was, das ist nur meine Ausstrahlung«, gab Cillian schmunzelnd zurück.
Die zwei sahen sich eine ganze Weile an, bis plötzlich die Tür aufsprang und ein Mann fast schon in das Zimmer fiel. Herr Weihrich folgte der aufgeregten Person.
»Geht es Dir gut, mein Großer?« Der Fremde war augenblicklich zwischen ihm und Cillian, was Lukas offensichtlich überhaupt nicht passte.
»Ja, es ist alles in Ordnung«, er klang etwas genervt.
»Was genau ist denn passiert?«
»Herr Müller, es ist nichts Schlimmes geschehen, aber ich bin verpflichtet, Sie zu informieren.«
Er drehte sich zu Cillian um. »Hast Du ihm das angetan?«
Dieser war überfordert mit dem spontanen Stimmungswechsel und sah mit verzweifelten Augen zu Herrn Weihrich.
»Bitte, Herr Müller, Lukas hat sich überanstrengt im Sportunterricht und ist ohnmächtig geworden. Unser Cillian hat ihn hier hergetragen.«
Der Mann schien das nicht schlucken zu wollen, Lukas legte ihm die Hand auf den Arm. »Papa, Cillian ist mein Freund, er ist es nicht gewesen, niemand hat mir was getan.«
Erleichtert seufzte Lukas' Vater. »Okay, was hast Du denn gemacht?«
Breit grinsend antwortete er, »Beim Fußball gewonnen.«
»Was?« Das Erstaunen konnte sein Vater nicht verbergen.
»Das ist wahr, er war unser Torhüter und hat im entscheidenden Moment alles gegeben und den Ball am Schluss halten können. Es war nur wohl etwas zu viel für ihn«, erzählte Cillian aufgeregt.
»Das ist wahr«, fügte Herr Weihrich hinzu, »ich habe schon lange kein so spannendes Spiel mehr gesehen. Die Mannschaft von Cillian, bestand, bitte nehmen Sie es mir nicht übel, aus den Schlusslichtern der Klasse. Aber diese sechs Jungs haben heute eine unglaubliche Leistung erbracht. Auch ihr Sohn. Normalerweise ist es nicht meine Art, Noten von anderen preiszugeben, aber alle haben für den heutigen Tag sich eine Eins verdient.«
»Was bekommen die anderen?«, Cillian konnte seine Neugierde nicht zurückhalten.
»Nun, natürlich haben sie rein technisch betrachtet auf einem höheren Niveau gespielt, aber absolut keinen Teamgeist bewiesen, was mir wichtiger ist. Im Gegensatz zu Euch. Außerdem sind sie am Spielende einfach vom Platz gedampft und das hat nichts mit Sportsgeist zu tun.« Er dachte einen Augenblick nach. »Ich denke eine Fünf.«
Lukas lachte auf. »Das ich mal die bessere Note in Sport habe.«
»Okay, ich bringe meinen Sohn dann mal nach Hause.«
»Ich denke, das ist eine gute Idee.«
»Papa, kann Cillian mitkommen?«
Herr Müller war verwirrt. Dass sein Sohn einen Schulfreund hatte, war für ihn befremdlich. »Bist Du Dir sicher? Aber, wenn Du es möchtest.«
Cillian stand auf und erst jetzt bemerkte Lukas' Vater, wie groß er war, er überragte ihn deutlich.
»Ich zieh mich mal schnell um und hol Deine Sachen.«
Er verschwand aus dem Raum, auch Herr Weihrich verabschiedete sich.
»Ihr seid wirklich befreundet?«
»Ja«, gluckste Lukas. »Er passt auf mich auf und hat mich heute als Erstes in Sport gewählt.«
Sein Vater kniff die Augen zusammen, so glücklich hatte er seinen Sohn schon lange nicht mehr erlebt.
»Cillian wartest Du bitte mal kurz.« Herr Weihrich versuchte, ihn einzuholen.
»Ich bin wirklich beeindruckt!«
»Wieso das?«, seine Frage war ehrlich.
»Weil Du etwas, fast schon Unmögliches, geschafft hast. Nicht nur das Du den Jungs ein gutes Gefühl im Sportunterricht geben konntest. Nein, Du hast sie auch noch mit einem Sieg belohnt. Mir ist klar, dass Du die Hauptarbeit geleistet hast, aber Deine Führungsqualität und die fortwährende positive Ausstrahlung. Also meine Hochachtung, junger Mann.«
Cillian war etwas verlegen, »Danke, aber ohne die anderen hätte ich es auch nicht geschafft.«
»Du bist echt eine Marke. Eine Frage noch.«
»Ja?«
»Der Ball am Schluss, den den Du nicht halten konntest, das war Absicht, oder?«
»Ich war einfach nur müde gespielt.« Doch der Gesichtsausdruck von Cillian verriet ihn.
Herr Weihrich nickte nur und lief dann zurück ins Schulhaus. Er zog sich hastig um und packte die Sachen von Lukas ein. Vor der Sporthalle warteten schon die beiden.
Herr Müller streckte ihm die Hand entgegen. »Danke.«
Cillian schüttelte sie, »Gerne Herr Müller.«
»Nenn mich doch bitte Bernd.«
Er strahlte und die drei machten sich auf zum Auto.
Lukas lag bäuchlings auf dem Bett und quälte sich mit den Mathehausaufgaben, Cillian saß auf dem Boden davor mit dem Rücken am Bettkasten, er war bereits fertig. Er hatte sich ein Buch aus Lukas' Regal geschnappt und war darin vertieft.
Die Matheaufgaben waren schrecklich. Er konnte sich auch nicht mehr darauf konzentrieren, da er in jedem freien Karo in seinem Heft einen kleinen Cillian sah: Einer spiele Fußball, ein anderer trug ihn, kämpfte gegen Marco und sogar welche, die ängstlich in den Bus einstiegen.
Verdammt! Ihm wurde gerade klar, dass er sich verliebt hatte. Und das nach nicht mal drei Tagen, genau genommen sogar schon am ersten Tag.
Ein Kopf tauchte dicht neben seinem auf, Lukas wurde es schlagartig warm.
»Soll ich Dir helfen?« Er überflog die Aufgaben.
Lukas stieg Cillians Duft in die Nase, er roch wie eine grüne Frühlingswiese und nach etwas nicht greifbaren.
»Alles okay?« Er hatte seinen Kopf gedreht und schaute ihn an.