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Das Konzept zirkulären Wirtschaftens (Circular Economy) hat in den letzten 20 Jahren insbesondere durch die Anerkennung von ESG-Zielen in Politik und Wirtschaft an Bedeutung gewonnen. Dieses Herausgeberwerk von Tatsiana Akhrymenka, Christian Baron, Christoph Jacob und Sara Kukovec bietet eine ganzheitliche Betrachtung des zirkulären Bauens entlang der gesamten Wertschöpfungskette und beleuchtet zukunftsweisende Konzepte unter wirtschaftlichen, regulatorischen und rechtlichen Aspekten. Sie erhalten einen umfassenden Überblick über den Markt und die aktuelle Situation und lernen wichtige Hebel für die zirkuläre Bauwirtschaft kennen, die kurz- und mittelfristig positive Klimaeffekte erzielen. Zum besseren Verständnis orientiert sich das Buch an der Bauwertschöpfung. Alle Beiträge verdeutlichen die Dringlichkeit des zirkulären Bauens in der Bau- und Immobilienwirtschaft und zeigen, dass nur eine starke Gemeinschaft nachhaltiges und ressourcenschonendes Bauen voranbringen kann. Inhalte: - Marktübersicht und Status quo - Wesentliche Hebel für die zirkuläre Transformation - Strategische Bauplanung, zirkuläre Konzepte und Integration in das Design - Bauplanung, Genehmigung und regulatorisches Umfeld - Umsetzung des Bauprozesses, Einsatz zirkulärer Materialien, effizienter Bauprozess und Einsatz von Technologien - Effiziente Wartung und Instandhaltung - Zirkuläre Sanierung - Rückbau: Wiederverwendung und Wiederverwertung - ZukunftsperspektivenDie neue Buchreihe "Heute Zukunft Bauen" vermittelt praktisches Wissen und Zukunftsaussichten im Bereich Innovation, Technologie sowie Digitalisierung innerhalb der Wertschöpfung in der Immobilienwirtschaft. Die digitale und kostenfreie Ergänzung zu Ihrem Buch auf myBook+: - Zugriff auf ergänzende Materialien und Inhalte - E-Book direkt online lesen im Browser - Persönliche Fachbibliothek mit Ihren BüchernJetzt nutzen auf mybookplus.de.
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Seitenzahl: 386
Veröffentlichungsjahr: 2024
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Tatsiana Akhrymenka/Christian Baron/Christoph Jacob/Sara Kukovec
Circular Economy in der Bau- und Immobilienwirtschaft
1. Auflage, Dezember 2024
© 2024 Haufe-Lexware GmbH & Co. KG
Munzinger Str. 9, 79111 Freiburg
www.haufe.de | [email protected]
Bildnachweis (Cover): © Petmal, iStock
Produktmanagement: Christine Kaiser
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Dr h.c. Walter R. Stahel, Dipl. Arch. ETHZ
Nachhaltigkeit im Immobilien- und Bauwesen verlangt nach einer ganzheitlichen Betrachtung im Sinne einer Mehrfachoptimierung der Faktoren Zeit und Raum, Kultur und Ressourcen. Positive Begriffe müssen dabei technische Begriffe ersetzen.
Der Immobiliensektor ist Circular Economy in Reinkultur mit dem Ziel einer Bestandsbewirtschaftung im Sinne einer Nutzenoptimierung, solange diese technisch möglich und gesellschaftlich erwünscht ist. Entscheidungen darüber liegen primär beim Eigentümer und hängen vom Zugang zu erschwinglichen lokalen Reparatur- und Instandhaltungsdienstleistungen ab, in zunehmendem Maß aber auch von politischen Entscheidungen.
Die erste Strategie der Circular Economy ist der Verzicht, oder positiv ausgedrückt: Genieße die Nutzung deiner Güter und trage Sorge zu ihnen. Und: Du besitzt ein Gut mit dem Ziel, es an Deine Kinder weiterzugeben (Werbespruch für Patek Philippe Armbanduhren).
Ich hatte die Chance, vor über 40 Jahren ein Grundstück mit zwei Häusern am Rande von Genf kaufen zu können. Das ältere wurde 1756 fertiggestellt – die Dachsparren konnten auf den Frühling dieses Jahres datiert werden – das jüngere, ein Pavillon von 1956 war bereits mit Zweischalen-Mauerwerk, doppelverglasten Fenstern und einem vide sanitaire gebaut.
Das ältere war ursprünglich ein Bauernhaus, welches später zu einem Heim und vor 70 Jahren zu einem Wohnhaus umgebaut wurde. Bausubstanz waren 60 cm dicke Mauern, ein kalter Estrich mit selbsttragendem Dachgebälk, einfach verglaste Fenster mit Eichenholzrahmen und Natursteinumrandungen sowie Holzläden. Die technische Ausstattung war eine Ölheizung mit Tankraum, das Ganze trocken und in bewohnbarem Zustand.
Nach einem ersten Augenschein habe ich beide Kellerdecken und Dachböden isoliert, was zu einer Heizöleinsparung von 50 % geführt hat und den Einbau einer kleinen Ölheizung ermöglichte, sowie das Dachgestühl gegen Ungeziefer behandelt.
Später wurden die alten Eichenfenster mit Isolierverglasung hochgerüstet sowie das Dach mit 18 cm Glaswollisolation auf dem Dachgestühl von 1957 neu gebaut, der Zugang zum Estrich vereinfacht und versteckte Fenster eingebaut. Diese Arbeiten waren nur dank einem erfahrenen Schreiner und einem Zimmermann der alten Schule möglich.
Da die neue Ölheizung damit wieder überdimensioniert war, wurde die Gasheizung mit Elektroboiler im Pavillon von 1956 ausgebaut und durch eine Fernheizungsleitung zum großen Haus ersetzt. Der Platzgewinn erlaubte einen zeitgemäßen Innenumbau des Pavillons – aus mehreren kleinen Räumen wurden ein Schlaf- und ein Wohn-Koch-Essraum.
Auf den Dächern wurden Warmwasser- und PV-Solarpaneele installiert. Trotzdem werden die zwei Häuser nie den Minergiestatus erreichen; aber der geplante Ersatz der Ölheizung durch eine mit grünem Wasserstoff der Genfer Stadtwerke (SIG) betriebene Brennstoffzelle kann ein Zero-Carbon-Betrieb erreichen – in Japan Stand der Technik.
Ein nachhaltiges Bauwesen hat die Zielsetzung, Tätigkeiten zur Nutzungsdauerverlängerung von bestehenden Bauten, welche durch veränderte soziale, technische und legale Anforderungen notwendig geworden sind zu entwickeln und anzuwenden, sowie Neubauten zu schaffen, welche über den längstmöglichen Zeitraum wirtschaftlich, ökologisch und sozialverträglich genutzt und deren Komponenten und Materialien am Ende weiterverwendet werden können. Dazu braucht es handwerkliches Können und Erfahrung, eine entsprechende Ausbildung sowie den Willen einer Vielzahl von Organen (Bauherr, Architekt:in, Baugewerbe, Politik, Kreditgeber), um ein nachhaltiges Bauwesen zu schaffen, Bestehendes zu erhalten und notwendige Anpassungen (Hochrüsten) zuzulassen.
Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand DGNB e. V.
Johannes Kreißig, Geschäftsführender Vorstand DGNB e. V./Geschäftsführer DGNB GmbH
Zu den großen Aufgaben unserer Zeit zählen der Klima- und Ressourcenschutz ebenso wie der Schutz der Biodiversität. Um eine lebenswerte Zukunft für alle Menschen auf der Erde zu sichern, müssen diese Themen gesamtgesellschaftlich gesehen mit höchster Priorität behandelt werden. Wer baut, beschleunigt den Klimawandel, ist für den Abbau wertvoller Ressourcen verantwortlich und zerstört intakte Ökosysteme. Diese Tatsache ist unstrittig und bei den meisten Akteuren in der Bau- und Immobilienbranche mittlerweile angekommen. Es geht nun also darum, aktiv an der notwendigen, wenngleich nicht immer bequemen, Transformation mitzuwirken, um einen positiven Beitrag für Mensch und Umwelt zu leisten. Neben der Standortanalyse und dem Entwurf gehört auch eine schlüssige Nachhaltigkeitsstrategie zu den Grundlagen einer soliden Planung, die zu hochqualitativen und zukunftsfähigen Gebäuden führt. Wichtig ist, für jedes Bauvorhaben die jeweils richtige Strategie zu finden. Eine davon ist das zirkuläre Bauen.
In puncto Zirkularität steht die Baubranche in einigen Bereichen gar nicht schlecht da. Es gibt bereits geschlossene Kreisläufe und es kommen immer neue Modelle hinzu. Denn vor dem Hintergrund, dass Rohstoffe derzeit nicht nur knapp, sondern auch teurer werden, kommt uns der Selbsterhaltungstrieb der Herstellerunternehmen zugute. Die Branche ist gezwungen, neue Wege zu gehen, die vor wenigen Jahren noch als zu teuer oder nicht machbar abgetan wurden. Fakt ist, dass Kreislaufmodelle am schnellsten dort in die Anwendung kommen, wo eine Win-win-Situation entsteht, wo beispielsweise Rohstoffbeschaffungssicherheit entsteht und wo sie ökonomisch sinnvoll ist. Insbesondere in der heutigen wirtschaftlich angespannten Situation muss klar sein, dass das zirkuläre Bauen nicht nur aus einem bloßen Gestaltungswillen heraus angewandt werden darf. Wenn dadurch Mehraufwand oder noch schlimmer, mehr Emissionen aufgrund langer Transportwege entstehen, ist schnell jeglicher gut gemeinte Nutzen hinfällig. Der Kreis muss nicht um jeden Preis geschlossen werden. Wie so Vieles, darf auch die Zirkularität nicht zum Selbstzweck werden, sondern muss immer als ein Instrument zum Erreichen der Ziele in Betracht gezogen werden. Es gilt, ganzheitlich abzuwägen, mit welchem Aufwand, welche Effekte erzielt werden können.
Nun ist die zukünftige Kreislaufwirtschaft darauf ausgerichtet, dass Materialien irgendwann zurückgenommen und in den Kreislauf zurückgeführt werden. Langfristig werden dadurch Ressourcen gespart und Abfallaufkommen vermieden, Gebäude werden für eine flexible, vielfältige Nutzung und möglichst ohne Schad- und Risikostoffe geplant. Das ist grundsätzlich natürlich der richtige Weg. Vor dem Hintergrund, dass wir die Errichtung von Neubauten mit Nutzungsdauern über viele Generationen hinweg anstreben, ist diese Strategie aber ganz offensichtlich kein Beitrag für das Hier und Jetzt. Allein auf Materialien zu setzen, die in ferner Zukunft rückbaubar und recyclingfähig sind, wäre das falsche Signal. Das damit verbundene Prinzip der Hoffnung bringt uns in der aktuellen Situation, wo es darum geht, die Klimaziele schnell zu erreichen, nicht weiter. Oberstes Ziel der aktuellen Art zu Bauen muss es sein, Ressourcen zu schonen und CO2-Emissionen zu reduzieren. Das gelingt am besten, indem der Gebäudebestand bewahrt und sinnvoll weiter- oder umgenutzt wird. Erst wenn das nicht möglich ist, kommt die heutige Kreislaufwirtschaft zum Einsatz. Gebäude, die auch aus Nachhaltigkeitssicht nicht erhalten werden können, werden selektiv rückgebaut und womöglich zu wertvollen Materialquellen und Bauteillagern.
Die Zeit drängt. Um vorwärtszukommen, um voneinander zu lernen, aber auch um ein gemeinsames Verständnis für ein zielgerichtetes kreislauffähiges Bauen zu erlangen, müssen die richtigen Akteure angesprochen werden. Neben der juristischen und der kommunalen Seite sind Rückbau- und Entsorgungsunternehmen, wo Zirkularität in Teilen bereits gängige Praxis ist, hilfreiche Partner. Am Ende sind es die großen Stoffströme wie Bodenaushub und mineralischer Abbruch, sprich Beton, mit denen sich wirklich etwas bewirken lässt. Neben technologischem Fortschritt, um beispielsweise Beprobungen vor Ort durchführen zu können und das Material direkt weiterzuverwenden, stehen Kommunen in der Verantwortung, Flächen zur Zwischenlagerung vor Ort bereitzustellen, um unnötig lange Transportwege zu vermeiden.
Das vorliegende Buch bietet eine gute Grundlage, um von der Theorie in die Praxis zu kommen. Derzeit sind wir noch viel zu sehr damit beschäftigt, immer neue Denkmodelle zu entwickeln. Wir müssen aber dringend ins Handeln kommen. Dafür lohnt es sich mit denen zu sprechen, die an der Umsetzung beteiligt sind und bereits aktiv Erfahrung mit Kreislaufmodellen gesammelt haben oder Einfluss darauf nehmen können. Dadurch kann ein sich befruchtender Wissenskreislauf entstehen.
Weitere DGNB-Informationen auf http://www.dgnb.de/de/nachhaltiges-bauen/zirkulaeres-bauen
Nach dem großen Erfolg als Herausgeber (Sara Kukovec und Christoph Jacob) des Buches: »Auf dem Weg zu einer nachhaltigen, effizienten und profitablen Wertschöpfung von Gebäuden. Grundlagen – neue Technologien, Innovationen und Digitalisierung – Best Practices«, dass im Oktober 2022 veröffentlicht worden ist, wurde unsere Idee für eine neue Buchreihe »Heute Zukunft Bauen« (https://heutezukunftbauen.com/) geboren. Diese Serie beschäftigt sich mit neuen Technologien, Innovationen und Nachhaltigkeit zugeschnitten auf die Bau- und Immobilienbranche sowie angrenzende Bereiche. Unser großes Ziel ist es, gemeinsam mit führenden Autoren und Spezialisten dieser Branche das vorhandene Wissen zu teilen, aktuelle Trends, neue Technologien und Innovationen durch Best Practices zu vermitteln.
Wir möchten das Bewusstsein für umgehendes, nachhaltiges Handeln und Umweltschutz in der Bau- und Immobilienwirtschaft durch Informationen unterstützen. Praktische, schnelle und einfache Umsetzungen und Anwendungen stehen im Vordergrund. Beim Thema der Innovationen informieren wir über neue Bautechniken, -materialien, -prozesse und -systeme. Für alle Beteiligten aller Bereiche der Bau- und Immobilienwirtschaft unterstützen wir die berufliche Weiterbildung und das lebenslange Lernen durch aktuelle Fachinformationen. Unser Ziel ist es, die Menschen der Bau- und Immobilienbranche deutlich erfolgreicher, effizienter und nachhaltiger zu qualifizieren und gleichzeitig die Qualität, Budgets und Sicherheit von Bauprojekten zu gewährleisten. Die Zusammenarbeit und Netzwerkbildung zwischen allen beteiligten Unternehmen, Bildungseinrichtungen und anderen Interessengruppen ist dabei von entscheidender Bedeutung.
Ihre »Heute Zukunft Bauen«-Herausgeber
Sara Kukovec und Christoph Jacob
Die Idee für eine neue Buchreihe entstand im Jahr 2022 und mit Input der Herausgeberteams der einzelnen Bücher wurde der Titel »Heute Zukunft Bauen« kreiert. Das Konzept für dieses Buch als Teil der Buchreihe wurde in Zusammenarbeit mit dem gesamten Herausgeberteam Christian Baron, Tatsiana Akhrymenka, Sara Kukovec und Christoph Jacob entwickelt. Verschiedene Ansätze und mögliche Schwerpunkte der Circular Economy in der Bauwirtschaft wurden diskutiert.
Dabei kamen zwei Ansätze infrage: sich fokussiert auf die Themen des zirkulären Bauens in der Bau- und Immobilienwirtschaft zu konzentrieren, die derzeit den größten Hebel zur Reduktion von CO2-Emissionen darstellen, nämlich Kreislaufwirtschaft im Sinne von Abfallfluss, -management und -recycling sowie Materialwirtschaft (siehe Glossar) oder sich dem Thema übergreifend zu widmen – dem zirkulären Wirtschaften in der Bau- und Immobilienwirtschaft. Wir haben uns für den zweiten Ansatz entschieden, weil zirkuläres Wirtschaften oder Circular Economy einen systemischen Lösungsrahmen ermöglicht, der globale Herausforderungen wie Klimawandel, Verlust der Biodiversität, Abfall und Umweltverschmutzung ganzheitlich angeht, aber auch Innovationsanreize und Ideen innerhalb der gesamten Wertschöpfungskette im Bau bietet.1
Die Buchstruktur umfasst einen Marktüberblick und die Darstellung der aktuellen Situation ganzheitlich, die Darstellung wesentlicher Hebel und Aspekte in der zirkulären Bauwirtschaft, die durch kurz- und mittelfristige Skalierung merklich positive Klimaeffekte mit sich bringen. In den weiteren Kapiteln und Autorenbeiträgen haben wir uns entlang der heute bekannten Wertschöpfungskette im Bauwesen bewegt, angelehnt an die Bauleistungsphasen nach der HOAI (Honorarordnung für Architekten und Ingenieure)2. Es war uns sehr wichtig, die Leser:innen richtig abzuholen und das Thema zirkuläres Wirtschaften im Bau mit dem den Leser:innen und den unterschiedlichen Interessenvertreter:innen bekannten Lebenszyklus eines Gebäudes zu verknüpfen.
Bei der Zusammenstellung der Autor:innen war es für die Umsetzung des Buchkonzeptes essenziell, renommierte Expert:innen, Spezialist:innen, Unternehmensgründer:innen, Innovator:innen und einflussreiche Persönlichkeiten auf dem Gebiet des zirkulären Wirtschaftens im Bauwesen zu integrieren. Unsere Mitautor:innen tragen kontinuierlich mit einem hohen Engagement dazu bei, das zirkuläre Bauen durch innovative Konzepte und Ansätze und/oder durch bestehende, weiterentwickelte oder neu entwickelte und eingesetzte Technologien voranzutreiben.
Wir, die Herausgeber:innen möchten uns hiermit noch einmal bei allen Mitautor:innen für ihre großartigen und absolut wertvollen Beiträge zu diesem Buch bedanken. Wir möchten auch eure besonderen Leistungen, euer Engagement und eure Auszeichnungen, Ehrungen und Preise für eure Bemühungen, die Welt des Bauens nachhaltiger, zirkulärer, ressourcenschonender und damit klimafreundlicher zu gestalten, würdigen.
Unser ausdrücklicher Dank geht an die Mitautor:innen:
Vanja Schneider, Robert Böker, Stefanie Weavers, Andreas Hofer, Jo Bronckers, Anja Bierwirth, Michael Buschka, Patrick Teuffel, Sebastian Theissen, Prof. Dr. Angelika Mettke3, Dr. Tim Hahn, Dominik Campanella, Christian Landes, René Huppertz, Sharuga Vigneswaran, Dr. Lisa Lenz, Nadine Foerster, Simone Grassauer, Nino Ivic, Daniel Imhäuser, Hagen Aichele, Sabine Schädle.
Ein besonderer Dank geht an Walter Rudolf Stahel4 – Gründer und Leiter des »Instituts für Produktdauerforschung« in Genf. Herr Stahel hat den Begriff und das Konzept Circular Economy maßgeblich geprägt und in seine Arbeit integriert. Im Jahr 1982 wurde seine Publikation Product Life Factor ausgezeichnet. Seine Ideen führten zusammen mit denen anderer Pioniere zu dem, was heute als Circular Economy bekannt ist.
Darüber hinaus möchten wir dem Vorstand der DGNB – Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen – Christine Lemaitre und Johannes Kreißig herzlich für die Unterstützung unseres Projektes durch ihren Beitrag zu diesem Buch danken.
Die DGNB ist Vorreiter für nachhaltiges Bauen in Deutschland. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen der Auf- und Ausbau eines Zertifizierungssystems für nachhaltiges Bauen sowie die Vergabe eines Gütesiegels für nachhaltiges Bauen in Qualitätsstufen. Mitglieder der DGNB sind Architektinnen und Architekten, Ingenieurinnen und Ingenieure, Bauunternehmen und Bauausführende, Hersteller von Bauprodukten, Investoren, Bauherren, Eigentümer, Projektsteuerer, Betreiber, Ver- und Entsorger, Vertreter der öffentlichen Hand und von NGOs, Vertreter aus Wissenschaft und Prüfinstituten.5
Von ganzem Herzen bedanken wir uns bei allen mithelfenden Personen und auch unseren Freunden und Familien, die uns auf diesem Weg mitbegleitet haben. Ein weiterer Dank gilt unserem Grafikdesigner Herrn Maximilian Huber, der alle Grafiken für unsere Autor:innen erstellt hat. Durch seine gestalterische Kompetenz ist es ihm gelungen, komplexe Zusammenhänge in einem einheitlichen Design schnell greifbar zu machen.
Unser Dank gilt auch Frau Christine Kaiser und Herrn Heiner Huß vom Haufe Verlag, die uns in allen Phasen der Bucherstellung tatkräftig unterstützt haben.
Dieses Buchprojekt als Teil der Buchreihe soll der Startschuss für viele weitere Initiativen und Projekte sein, die sich mit den Themen nachhaltiges, klimagerechtes Bauen und Innovationen beschäftigen werden.
1www.agere-agentur.de/2022/02/10/was-bedeuten-kreislaufwirtschaft-und-circular-economy/
2www.hoai.de/hoai/leistungsphasen/
3de.wikipedia.org/wiki/Angelika_Mettke
4de.wikipedia.org/wiki/Walter_R._Stahel
5www.dgnb.de
Herzlich willkommen in der Zukunft des Bauens und der Immobilienwelt! Mit sehr großer Freude und Stolz präsentieren wir Ihnen unser Buch »Circular Economy in der Bau- und Immobilienwirtschaft«.
Die Anwendung des Konzepts der Circular Economy in Form des zirkulären Bauens steht im Zentrum einer dringend notwendigen Transformation in der Bau- und Immobilienwirtschaft. Angesichts der globalen Herausforderungen des Klimawandels, des Ressourcenverbrauchs und des Abfallmanagements ist es unerlässlich, neue Wege im Bauwesen zu beschreiten. Zirkuläres Bauen ist ein Überbegriff und bezieht sich auf Praktiken, die auf verschiedenen Ebenen (Material, Element, Gebäude und Gebietsentwicklung) und in verschiedenen Lebenszyklusphasen (von der Vermeidung der Rohstoffgewinnung bis hin zur Wiederverwendung von Gebäuden, Komponenten und Materialien) angesiedelt sind. Es umfasst eine Vielzahl von Akteuren entlang der gesamten Wertschöpfungskette – von Produzenten, Designern, Bauunternehmern bis hin zu Gebäudeverwaltern, Eigentümern und politischen Entscheidungsträgern.
Die Bedeutung des zirkulären Bauens wird durch die alarmierenden Statistiken unterstrichen: Im Jahr 2021 war der Bausektor global für fast 40 % der energie- und prozessbedingten CO2-Emissionen und über 34 % des globalen Energiebedarfs und 50 % der Materialflüsse verantwortlich.6
Zirkuläre Wertschöpfung bietet das Rahmenwerk für die dringende Notwendigkeit, den Bausektor auf die Zukunft vorzubereiten, indem sie den gleichen Bedarf mit weniger Materialien und/oder Produkten decken, was zu CO2-Einsparungen in den Phasen der Landrodung, Produktion, Transport und Abfallverarbeitung dieser (vermiedenen) Produkte führt.
Zentral für das zirkuläre Bauen sind die sogenannten R-Strategien7: sie beziehen sich auf Strategien in der zirkulären Wertschöpfung. Das heißt, sie zielen darauf ab, Rohstoffe innerhalb des Wirtschaftssystems zu halten, die sich bereits in Form von Produkten darin befinden. Die R-Strategien haben im Allgemeinen das Ziel, den Verbrauch von natürlichen Ressourcen zu reduzieren und Lebenszyklus von Materialien zu verlängern. Diese umfassen unter anderem: Verzicht auf unnötige Produkte (Refuse), Erhöhung der Nutzungsintensität (Rethink), Effizienzsteigerung (Reduce), Wiederverwendung (Reuse), Reparatur (Repair), Instandsetzung (Refurbish), Wiederaufbereitung (Remanufacture), Umnutzung (Repurpose), Recycling (Recycle) und Energierückgewinnung (Recover).
Zirkuläres Bauen strebt eine effiziente und effektive Nutzung von Ressourcen an, um ökonomische, soziale und ökologische Werte zu schaffen oder zumindest zu erhalten. Dabei werden nicht nur die Planung und Errichtung neuer Gebäude sowie der bestehenden Strukturen betrachtet, sondern auch alle unterstützenden Prozesse. Der Begriff »Ressourcen« umfasst dabei das gesamte Spektrum von Rohstoffen, Wasser, Energie und Raum. Dies impliziert einen sparsamen und verantwortungsvollen Umgang mit den oft knappen Ressourcen und beinhaltet auch die Vermeidung von Flächenverbrauch und die Erschließung neuer Ressourcen.
In diesem Zusammenhang ist es von entscheidender Bedeutung, das gesamte Wertschöpfungsnetzwerk zu betrachten und eine intensive Zusammenarbeit zwischen allen Entscheidungsträgern entlang der gesamten Kette anzustreben. Aus dieser intensiven Zusammenarbeit sollen Chancen für Politik, Markt und Gesellschaft entwickelt werden. Dies erfordert die Entwicklung verschiedener Hebel: Wirtschaft, Governance, Recht, Logistik, Finanzierung und Forschung.
Abschließend ist zu betonen, dass zirkuläres Bauen ist nicht nur eine technische oder wirtschaftliche Herausforderung, sondern auch eine soziale und kulturelle. Es geht darum, langfristig bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und finanzielle Möglichkeiten durch Teilen und gemeinschaftliche Nutzung zu eröffnen.
Die in diesem Buch vorgestellten Konzepte und Beispiele zielen darauf ab, die Prinzipien der zirkulären Wertschöpfung in der Bau- und Immobilienbranche zu integrieren und aufzuzeigen, wie diese in der Praxis umgesetzt werden können.
Ihre Herausgeber
Tatsiana Akhrymenka, Christian Baron, Christoph Jacob und Sara Kukovec
Relevanz und Ziel des Buches
Das Konzept des zirkulären Wirtschaftens oder auch Circular Economy hat in den letzten 20 Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Diese Entwicklung, insbesondere in den letzten Jahren, steht im Zusammenhang mit der zunehmenden Anerkennung von ESG-Zielen (Environmental, Social and Corporate Governance) in Politik, Gesellschaft und vor allem in der globalen Wirtschaft, insbesondere seit den weltweiten Bestrebungen der Vereinten Nationen, ESG-Ziele und -Kriterien mit den globalen Nachhaltigkeitszielen (Sustainable Development Goals, SDGs) zu verknüpfen. ESG bezeichnet Kriterien und Rahmenbedingungen für die Berücksichtigung von Umwelt-, Nachhaltigkeits- und sozialen Belangen in der Unternehmensführung, bei öffentlichen Körperschaften, Regierungen und Behörden.8
Die ESG-Bewegung hat sich von einer UN-Initiative zur globalen sozialen und klimafreundlichen Verantwortung von Unternehmen (der Begriff wurde erstmals 2004 im Bericht »Who cares wins« verwendet) zu einem globalen Phänomen entwickelt, das mittlerweile sehr viele Ressourcen und Kapital bindet: Laut einem aktuellen ESG-Bericht von Bloomberg Intelligence (BI) hat das weltweit verwaltete ESG-Vermögen im Jahr 2022 die Marke von 30 Billionen US-Dollar übersteigt und ist auf dem besten Weg, bis 2030 die Marke von 40 Billionen US-Dollar zu überschreiten – das sind mehr als 25 % der prognostizierten 140 Billionen US-Dollar an weltweit verwalteten Vermögenswerten (AUM).9 BI geht außerdem davon aus, dass das Vertrauen in ESG-Assets durch höhere regulatorische Standards und Anforderungen weiter steigen wird, darunter die EU-Taxonomie und rechtssichere ESG-Standards.
Eine besondere Rolle innerhalb der ESG-Strategien wird künftig das Thema der konsequenten zirkulären Wirtschaften bzw. Circular Economy spielen – ein wichtiger Baustein des EU Green Deal und als entscheidender Faktor für Klimaschutz und Ressourcenschonung angesehen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand: Entwicklungen wie Industrialisierung, Urbanisierung und Konsumgesellschaft führen dazu, dass seit Jahrzehnten immense Mengen an natürlichen Ressourcen verbraucht werden – und es werden immer mehr.10 Der Bausektor ist einer der größten, wenn nicht sogar der größte Verbraucher natürlicher Ressourcen und trägt maßgeblich zu den hohen CO2-Emissionen bei. Um die Klimaziele mit einer Emissionsreduktion von 65 % bis 2030 (gegenüber 1990) in Deutschland zu erreichen, reicht die Energiewende einschließlich eines energieeffizienten Gebäudesektors nicht mehr aus. Die langfristige Rohstoffknappheit und der hohe Energieverbrauch der immer wieder neu hergestellten Produkte für die Bauwirtschaft führen an einem zirkulären Wirtschaften und Handeln im Bausektor nicht vorbei.
Mit dem European Green Deal und dem darin enthaltenen Aktionsplan Circular Economy wird der bisher langsame Wandel vom linearen Effizienzpfad hin zu einer zirkulären Wirtschaft deutlich beschleunigt. Der European Green Deal11 (›Europäischer Grüner Deal‹) ist ein von der Europäischen Kommission 2019 vorgelegtes Konzept mit dem Ziel, die Netto-Treibhausgasemissionen in der Europäischen Union bis 2050 auf null zu reduzieren und damit als erster »Kontinent« klimaneutral zu werden. Auch die Europäische Kommission plant, bis 2027 30 % ihres Budgets von derzeit 1,8 Milliarden Euro für Klimaschutzmaßnahmen auszugeben.12
Vor dem Hintergrund der genannten wirtschaftlichen, politischen Maßnahmen und gesellschaftlichen Erwartungen möchten wir, das Herausgeber- und Autorenteam, die Relevanz der zirkulären Wirtschaft in der Bau- und Immobilienwirtschaft erneut hervorheben, Transparenz über den Markt und die Marktteilnehmer, über den aktuellen Stand der zirkulären Bauinitiativen und -projekte in Deutschland und den EU-Nachbarländern schaffen. Unser Ziel ist es dabei, eine ganzheitliche Betrachtung des zirkulären Bauens entlang der gesamten Wertschöpfungskette des Bauens zu vermitteln und Zukunftskonzepte und -perspektiven unter wirtschaftlichen, regulatorischen und rechtlichen Aspekten und Herausforderungen aufzuzeigen. Allen an diesem Buchprojekt Beteiligten ist es ein Anliegen, die Notwendigkeit und Dringlichkeit des Themas Circular Economy in der Bau- und Immobilienwirtschaft hervorzuheben und zu verdeutlichen, dass wir nur als eine starke Gemeinschaft die Umsetzung eines nachhaltigen, ressourcen- und umweltschonenden sowie zirkulären Bauens vorantreiben können.
Zielgruppe für das Buch
Die Wertschöpfungskette in der Bau- und Immobilienwirtschaft umfasst eine Vielzahl von Akteuren, die an der Planung, Entwicklung, Errichtung, Vermarktung, Investition und Finanzierung, Nutzung, Instandhaltung, Modernisierung und Sanierung sowie am Abbruch, Rückbau und Recycling von Gebäuden, Immobilien und Infrastrukturprojekten beteiligt sind. Unser Ziel ist es, die gesamte Wertschöpfungskette der Bau- und Immobilienwirtschaft für das Thema des zirkulären Wirtschaftens im Bauwesen zu sensibilisieren und die Dringlichkeit und Notwendigkeit des Kreislaufbauens zu kommunizieren.
Unser Buch kann folgenden Akteuren in der Bau- und Immobilienwirtschaft einen Zusatznutzen und Mehrwert bieten:
Spezialisten, Experten und Fachleute der Bau- und Immobilienbranche, u. a: Architekten, Fachplaner, Bauunternehmer, Projektentwickler, Bauträger und Ingenieure, die in der Branche tätig sind und sich umfassend über das gesamte Ökosystem des zirkulären Wirtschaftens im Bauwesen informieren möchten, die sich einen Überblick über zirkuläre Planungs- und Designkonzepte, Technologien, aber auch Konzepte und Ansätze, die einen effizienten Bauprozess und die Logistik unterstützen, verschaffen wollen, die mehr über zirkuläre Sanierung, Recycling und Wiederverwertung von Baustoffen und Wiederverwendung von Bauteilen nach dem Rückbau erfahren und die sich auch über die Zukunft des zirkulären Bauens lernen möchten.
Nachhaltigkeitsbeauftragten bzw. -verantwortlichen von Unternehmen und Organisationen, die Einblicke in die Möglichkeiten der Emissionsminderung im Bau- und Immobiliensektor erhalten möchten, und näher erfahren wollen wie die Themen zirkuläres Wirtschaften in Verbindung mit innovativen Technologien sie bei der Entwicklung nachhaltiger Strategien und Lösungen unterstützen können.
Interessengruppen aus akademischen Institutionen und Einrichtungen: Vertreter:innen aus Forschung, Entwicklung und Bildung, aber auch Studierende und Auszubildende, die sich mit Architektur, Bau- und Immobilienwirtschaft, Nachhaltigkeit und verwandten Disziplinen beschäftigen, können das Buch als Ressource nutzen, um ihr Wissen über nachhaltige Praktiken und innovative Ansätze im zirkulären Wirtschaften in der Bau- und Immobilienbranche zu erweitern. Die Kapitel über Bauplanung, Materialbeschaffung und Recycling Konzepte könnten für diese von besonderem Interesse und Nutzen sein; zugleich für alle, die sich mit der Gestaltung von Bildungsprojekten in Richtung zirkuläres Wirtschaften und Nachhaltigkeitsthemen beschäftigen oder zukünftig beschäftigen wollen, um den aktuell großen Bedarf in der Bau- und Immobilienwirtschaft zu decken.
Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, Non-Profit- und Profit-Organisationen sowie verschiedene Beratungsunternehmen, die sich mit Umweltschutz, Klimawandel und Nachhaltigkeit, Kreislaufwirtschaft allgemein und im Bau- und Immobiliensektor beschäftigen. Wer mehr über Chancen, Hindernisse, Marktumfeld, Marktakteure, Initiativen, Zukunftspotenziale und Perspektiven erfahren möchte, wird an unserem Buch interessiert sein. Das Buch zeigt mögliche Wege zur Reduzierung von Emissionen und zur Förderung einer nachhaltigeren Bau- und Immobilienwirtschaft auf. Die Informationen zu Emissionsminderung in der zirkulären Bauwirtschaft oder zu spezifischen Themen wie Recyclingkonzepte sind für ihre Arbeit und für die Gestaltung rechtlicher und politischer Rahmenbedingungen sowie gesellschaftlicher Systeme relevant.
Weitere Akteure wie Baustoff- und Materiallieferanten, Banken und Finanzinstitute, Immobilienmakler und -vermittler, Facility-Management-Unternehmen, Logistikunternehmen, Behörden und Genehmigungsstellen, Immobilieneigentümer und -investoren, Nutzer und Mieter, Unternehmen und Innovatoren der Bau- und Immobilienwirtschaft.
Um zirkuläres Wirtschaften in der Bau- und Immobilienbranche voranzubringen, ist es wichtig, dass mehr Informationsaustausch zwischen allen Akteuren im Wertschöpfungsnetzwerk stattfindet. Darüber hinaus muss mehr Transparenz im gesamten Ökosystem geschaffen werden. Das Umdenken und Handeln in Richtung R-Strategien in der Bauwirtschaft wird beschleunigt, wenn wichtige Markt- und Wirtschaftsakteure gemeinschaftliches und individuelles Handeln unterstützen, was auch bedeutet, dass man nicht selbstzentriert denkt und handelt. Aus diesen Gründen hoffen wir, die Herausgeber:innen und das Autor:innen-Team, dass die angesprochenen Zielgruppen einen stärkeren Zusammenhalt für die Themen der Nachhaltigkeit und des zirkulären Wirtschaftens im Bau- und Immobilienbereich anstreben.
6https://www.pwc.de/de/content/4ccf9f11-2d7b-4b4c-a9bb-fbfbf2c6430e/pwc-whitepaper-circular-economy.pdf
7Siehe Glossar.
8ESG, Wikipedia; ESG-Kriterien – von der Definition der Nachhaltigkeit (klimahelden.eu).
9Global ESG assets predicted to hit $40 trillion by 2030, despite challenging environment, forecasts Bloomberg Intelligence | Press | Bloomberg LP; https://www.bloomberg.com.
10Circular Economy als nächster Schritt der ESG, Immobilien Fondsforum, Dr. Peter Mösler, Dez. 2021.
11»European Green Deal«: Wie die EU zum Klimaschutz-Kontinent werden will. Susanne Götze, 2019 und 2020.
12Der Europäische Grüne Deal – Europäische Kommission (europa.eu).
Dr.-Ing. Christian Baron, Vanja Schneider
Abstract
Dieses Kapitel gibt einen Überblick über die Entwicklung des zirkulären Bauens in Europa, stellt relevante Organisationen und Initiativen vor und präsentiert diverse Best Practices für zirkuläre Baupraktiken. Es werden verschiedene Werkzeuge und Methoden wie Ressourcenpässe und Materialmarktplätze beleuchtet, die ökonomischen Vorteile zirkulären Bauens erörtert und die europäische Marktsituation durch Interviews mit Schlüsselakteuren dargestellt.
Einleitung
Der Markt für zirkuläres Bauen in Europa erlebt eine dynamische Entwicklung, vorangetrieben vom Streben nach einer nachhaltigeren Bauwirtschaft. Europäische Gesetzgebungen, die eine zirkuläre Wirtschaft begünstigen, sind der Nährboden für innovative Entwicklungen in der Materialwirtschaft, im Design und in der Bauausführung. Dafür sollte ein spezifischer Rahmen für die gebaute Umwelt geschaffen werden, der alle bestehenden und neu entstehenden Prinzipien und Designansätze in einer kollaborativen, umfassenden Weise vereint. Dieser Rahmen sollte durch die zirkuläre Funktionalität der gesamten Wertschöpfungskette und nicht nur durch die Lieferung einzelner Komponenten definiert sein. Um das zu erreichen, ist ein Paradigmenwechsel in Systemdenken, Design, Technologie und Wirtschaft erforderlich, um das Potenzial der zirkulären Wirtschaft voll auszuschöpfen. Dies schließt Aspekte wie Finanzierung, Konzeption, Planung, Beschaffung, Bau, Betrieb, Wartung sowie Wiederverwendung und Verwertung mit ein. Dieser Wandel verlangt ein Umdenken in der Funktionsweise der Wertschöpfungskette, in Geschäftsmodellen, finanziellen Anreizen, dem Einsatz von Technologie und Belohnungen für die Reduzierung von Verschwendung.
Um die Entwicklung in der Bau- und Immobilienwirtschaft voranzutreiben, ist aus Sicht der Investoren die Entwicklung einer Vision einer zirkulären Wirtschaft, die Aufklärung und die Bewusstseinsbildung, Kollaboration und Innovation sowie die Darstellung und Demonstration bereits bestehender Fallstudien, praxisnaher Beispiele und zirkulärer Geschäftsmodelle notwendig.
Im folgenden Kapitel geben wir den Akteuren in der Bau- und Immobilienwirtschaft einige Einblicke und Hilfestellungen zur raschen Informationsbeschaffung, zu aktuellen Forschungsprojekten und einigen Best Practices für Produkte und Gebäude. Zusätzlich geben Experten aus dem europäischen Ausland Einblicke zum Status quo aus ihren Ländern. Schlussendlich identifizieren wir wie größten Potenziale und Handlungsfelder zum zirkulären Bauen im deutschsprachigen Raum.
Organisationen und Informationen
Das zirkuläre Bauen gewinnt in Europa, insbesondere in Deutschland, an Fahrt und wird von einer wachsenden Zahl engagierter Organisationen und Plattformen unterstützt. Diese Institutionen spielen eine entscheidende Rolle bei der Förderung von nachhaltigen Praktiken, Innovationen und Bildungsinitiativen in der Bau- und Immobilienbranche. Herauszustellen sind einige Organisationen, die eine Vorreiterrolle für die Verbreitung und Umsetzung nachhaltiger Baupraktiken anbieten und auch praktische Informationen und Werkzeuge für das zirkuläre Bauen liefern. In Deutschland sind dies zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) [1], Architects4Future [2], das Gebäudeforum Klimaneutal der Deutschen Energie-Agentur GmbH (den) [3] das Institut Bauen und Umwelt e. V. [4], der Verein AACHEN BUILDING EXPERTS e. V. [5], die Deutsche Bundesstiftung Umwelt (DBU) [6], die Bauhaus der Erde gGmbH [7], und das Natural Building Lab Berlin [8].
Die DGNB stellt in Deutschland und Europa das größte Netzwerk zur Veränderung des Status quo in der Bau- und Immobilienwirtschaft, bietet ein Zertifizierungssystem auf Basis eines Planungs- und Optimierungstools zur Bewertung nachhaltiger Gebäude und Quartiere sowie eine Toolbox »Zirkuläres Bauen« mit Informationen, Checklisten und Publikationen rund um die Implementierung zirkulärer Strategien in der Praxis. Zusätzlich stellt sie auch – neben anderen Marktakteuren – einen Gebäuderessourcenpass (siehe unten) als Dokumentationsformat und Informationsgrundlage für alle Phasen im Lebenszyklus eines Bauwerks zur Verfügung und organisiert Veranstaltungen und Ausschüsse zum Thema. Das Gebäudeforum Klimaneutral bietet neben einer großen Bandbreite an Informationen und Definitionen auch Best Practices zum zirkulären Bauen. Gängige Begriffe aus dem Kontext zirkuläres Bauen werden im Wiki des Projekts CIRCuIT [9], im Glossar des Projekts ReBau [10] sowie in unserem eigenen Glossar erläutert.
Weitere Initiativen, die sich auf das Thema »Urban Mining« fokussieren – also der Wiederverwendung und dem Recycling von Baumaterialien – sind z. B. der Urban Mining Index [11], Urban Mining Design und Urban Loop Design [12], oder das Projekt C2C-Bau mit Leitfäden für Kommunen und Gemeinden [13]. Die englische Bezeichnung »Cradle to Cradle« (C2C) steht hierbei für den Ansatz »Wiege zu Wiege«, also die vollständige Kreislaufführung von Stoffen (siehe Vorwort). Das Deutsche Institut für Normung e. V. (DIN) gibt einen Überblick über die Normenlandschaft für Bauwerke und Kommunen über die gesamte Wertschöpfungskette und erarbeitet weitere Regulierungen zum zirkulären Bauen [14].
Das österreichische Pendant zum DGNB ist die Österreichische Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft (ÖGNI) [15]. Weitere Initiativen auf dem österreichischen Markt sind z. B. das »BauKarusell« [16] und die »Materialnomaden« [17]. Im Schweizer Raum bietet der Circular Hub [18] einen guten Anlaufpunkt, in den Niederlanden das C2C ExpoLAB [19]. Die Initiative »Circular Flanders« der Region Flandern in Belgien [20] nutzt einen holistischen Ansatz, in dem ein Lenkungsausschuss – aus Regierung, Industrie, lokalen und sozialen Einrichtungen, Wissenseinrichtungen und der Finanzwelt – zusammenarbeitet, um die zirkuläre Transformation voranzutreiben. Sie bieten eine Vielzahl von hilfreichen Richtlinien, Publikationen und Lernmodulen zum zirkulären Bauen [21] und darüber hinaus (siehe Interviews). Hervorzuheben ist auch das »Circular Buildungs Toolkit (CBT)« von ARUP in Zusammenarbeit mit der Ellen MacArthur Foundation. Es bietet Planern, Bauherren und Eigentümern von Gebäuden Gestaltungsrahmen, Strategien und Werkzeuge sowie Best Practices [22].
Marktbeispiele und Best Practices
Im folgenden Abschnitt werden ausgewählte Marktbeispiele und bewährte Praktiken im Kontext des zirkulären Bauwesens illustriert. Diese Beispiele vermitteln einen Einblick in die Anwendung von zirkulären Prinzipien und Technologien. Dabei werden verschiedene Bereiche abgedeckt, darunter die Datenerfassung, Indexierung und Berechnung zur Bewertung von Baustoffen und Gebäuden, die Nutzung von Materialplattformen und Marktplätzen zur Förderung des Materialaustauschs sowie Beispiele für Ansätze zirkulär gestalteter Bauprodukte und Gebäude.
Datenerfassung, Indexierung und Berechnung
Die Datenerfassung von Umwelt- und Rohstoffdaten kann zukünftig entscheidend für Förderungen, Finanzierungen und Zertifizierungen sein. Bereits politisch beschlossen ist die Informationspflicht sowohl für Investoren als auch für Unternehmen, die Immobilien besitzen, betreiben, oder an- und verkaufen [23]. In dieser sogenannten EU-Taxonomie sollen einheitliche Klassifizierungssysteme geschaffen werden, um die Vergleichbarkeit von Umweltkriterien und Kriterien für zirkuläres Bauen zu ermöglichen. Eine Basis für die Ökobilanzierung können die sogenannten Material- und Ressourcenpässe bieten. Ähnlich wie die Einführung des Energieausweises, können diese Pässe die Bauwirtschaft grundlegend verändern, da erstmals die Kreislauffähigkeit als verpflichtendes Kriterium in die Materialwahl einfließt. Der Gebäuderessourcenpass ist ein Konzept, das in verschiedenen Ländern und von verschiedenen Organisationen entwickelt und auf unterschiedliche Weise vorangetrieben wurde, um Informationen über die Ressourcen, Materialien und Produkte in Gebäuden zu erfassen und zu dokumentieren. Einige einschlägige Beispiele für Material- und Ressourcenpässe sind in Tabelle 1.1 aufgeführt. Ressourcenpässe dienen der Nachverfolgbarkeit von Baustoffen in Gebäuden und fördern damit die Transparenz, die Einhaltung von Standards, und zeigen wirtschaftliche Vorteile auf. Die Datenerfassung stellt damit einen stützenden Pfeiler auf dem Weg zur zirkulären Wirtschaft dar. Weitere detaillierte Ausführungen zu Material- und Ressourcenpässen sind in Kapitel 3.1 zu finden.
Bezeichnung
Quelle
DGNB Gebäuderessourcenpass
[24]
Madaster Gebäuderessourcenpass
[25]
EPEA Building Circularity Passport®
[26]
Concular Gebäuderessourcenpass
[27]
Tabelle 1.1: Beispiele für einige ausgewählte Material- und Ressourcenpässe
Die EPEA zeigt in einem Bericht die Erfahrungen aus mehreren Jahren Anwendung von Material- und Ressourcenpässen [28]. Um Ressourcen- und Materialpässe erfolgreich zu gestalten, müssen laut dieser Studie bestimmte Rahmenbedingungen erfüllt sein, darunter z. B. die Harmonisierung von Bilanzierungsweise und -umfang, die Nutzung digitaler Plattformen für die Dokumentation, die Abbildung von Bestandserhalt/Sanierung im gleichen Format, die Integration von Ökobilanzen als integraler Bestandteil von Materialpässen. Bei der Erstellung von Material- und Ressourcenpässen kommen folgende Faktoren in entscheidender Rolle dazu: die Optimierung von Gebäuden im Entwurfsstatus, die Berücksichtigung massiver Bauteile wie Stahlbeton, die Bedeutung von Recycling-Gesteinskörnung, dem recyclingfähigem Verbau und der Einsatz CO2-reduzierter Materialien und Hybridkonstruktionen.
Neben Material- und Ressourcenpässen bietet der Markt andere spannende Indexierungs- und Berechnungswerkzeuge. Für eine Übersicht der Ökobilanzierungswerkzeuge hat der DNGB bereits eine Auflistung erstellt [29], der Markt bietet jedoch weit mehr Instrumente, die sich z. B. der Vereinheitlichung von Ökobilanzierungsdaten, dem Ressourcenverbrauch von Gebäuden, der Inventarisierung von Materialien, Indexierung von Gebäudebeständen oder Abrissgebäuden oder der Datentransparenz und Schulung widmen. In Tabelle 1.2 sind einige dieser Werkzeuge und eine kurze Beschreibung derer aufgeführt.
Bezeichnung
Beschreibung
Quelle
ÖKOBAUDAT
Vereinheitliche Datenbasis für die Ökobilanzierung von Bauwerken (Plattform des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen)
[30]
OpenMaterialData Project
Projekt zur Vereinheitlichung von produktspezifischen Datensätzen, unabhängig von der verwendeten Software
[31]
Klima- und RessourcenschutzTool
Klima- und RessourcenschutzTool, das den Ressourcenverbrauch von Gebäuden über 50 Jahre hinweg berechnet
[32]
One Click LCA Academy
Informationen zur Lebenszyklusanalyse (LCA) und Schulungsressourcen
[33]
Loopfront Materialerfassung
cloudbasierte Webanwendung, welche die Wiederverwendung, Reparatur, Neugestaltung und das Recycling von Baumaterialien, Einrichtungsgegenständen und Inventar erleichtert
[34]
Entkernungs- und Abrisskostenindex (EAKI)
Projekt zur Entwicklung eines Werkzeugs zur Kostenermittlung für den Rückbau und das Bauen im Bestand
[35]
Abriss Atlas
Partizipative Plattform über (geplante) Abrisse von Gebäuden in Deutschland
[36]
Leerstandsmelder
Leerstandsmelder, der Transparenz über die Leerstandssituation in verschiedenen Städten gibt
[37]
Tabelle 1.2: Beispiele für einige ausgewählte Werkzeuge zur Indexierung und Berechnung
Materialplattformen und Marktplätze
Digitale Materialeinkaufsplattformen und Marktplätze für Baustoffe sind dabei, die Bauindustrie zu revolutionieren. Sie optimieren den Beschaffungsprozess, sparen Zeit und Kosten. Plattformen bieten eine zentrale Anlaufstelle für Baumaterialien, Ersatzteile und Reststoffe. Durch Digitalisierung kann die Onlineplanung und Beschaffung physischer Produkte die Materialbeschaffung und Lagerhaltung optimieren. Sie fördern die Kreislaufwirtschaft, erleichtern den Handel mit gebrauchten Materialien und reduzieren Abfall. Die Plattformen bieten zudem Transparenz und Nachhaltigkeit beim Materialeinkauf, indem sie Informationen zu Preisen, Verfügbarkeiten und Zertifizierungen bereitstellen. In Tabelle 1.3 ist eine Auswahl an einschlägigen Plattformen mit kurzer Beschreibung aufgeführt.
Bezeichnung
Kurzbeschreibung
Quelle
Material District
Umfangreiches Materialarchiv, in dem verschiedene innovative Materialien präsentiert werden
[38]
Building Material Scout
Suchplattform für nachhaltige Bauprodukte und Materialien
[39]
2050 Materials
Informationsportal für nachhaltige und innovative Baustoffe
[40]
DGNB Navigator
Datenbank für nachhaltige Bauprodukte, unterstützt durch die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
[41]
Materialdatenbank VDI Zentrum Ressourceneffizienz
Materialdatenbank, in der Baustoffe anhand ihrer Materialeigenschaften bewertet werden
[42]
Brain of Materials
Datenbank für innovative Materialien und deren Anwendungsmöglichkeiten
[43]
Cyrkl
Marktplatz für industrielle Abfallstoffe und Sekundärrohstoffe
[44]
Schüttflix
Netzwerk zur Ver- und Entsorgung von Baumaterialien
[45]
Mineral Minds
Netzwerk zur Ver- und Entsorgung von Baumaterialien
[46]
Materialrest24
Marktplatz für überschüssige Baustoffe und Restmaterialien
[47]
Urban Mining Hub Berlin
Initiative zur Förderung des Urban Mining und der Kreislaufwirtschaft in der Bauindustrie
[48]
Concular
Digitale Plattform für ressourceneffizientes Bauen, ermöglicht die Digitalisierung und Wiederverwendung von Baumaterialien
[49]
Restado
Onlinemarktplatz für zirkuläre Baustoffe aus Rückbau und Überbestellungen
[50]
Regionale Bauteilbörsen
Auflistung von regionalen Bauteilbörsen
[51]
Initiativen für Materialkreisläufe
Informationsplattform, listet Initiativen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, um die Bedeutung von Materialkreisläufen hervorzuheben
[52]
Bundesweiter Bauteilkatalog
Umfassender Katalog für die Suche und den Verkauf von gebrauchten Bauteilen
[53]
Tabelle 1.3: Beispiele für einige ausgewählte Materialplattformen und Marktplätze
Bauprodukte und Prozesse
Der europäische und internationale Markt bietet eine Vielzahl an Bauprodukten sowohl aus nachwachsenden als auch nicht nachwachsenden Rohstoffen. Die im vorherigen Abschnitt vorgestellten Plattformen (vgl. Tabelle 1.3) zeigen eine breite Auswahl der am Markt erhältlichen Bauprodukte. In diesem Abschnitt stellen wir eine Auswahl an innovativen Bauprodukten vor, die aus Sicht der Autoren interessante Lösungen aus unterschiedlichsten Bereichen für die zirkulare Bauwirtschaft von morgen bieten (Tabelle 1.4). Es gibt viele weitere Marktbeispiele, eine vollumfängliche Darstellung ist im Umfang dieses Kapitels leider nicht möglich.
Bezeichnung
Beschreibung
Quelle
Biolith® Biozement
Biozement, der recycelte Granit-Zuschlagstoffe und natürliche Bakterien verwendet
[54]
D-Green, D-Lime Beton
Günstiger kohlenstoffarmer und selbstheilender Beton aus Italien und den USA
[55]
Betongranulat als Kohlenstoffsenke
Speicherung von CO2 aus der Atmosphäre in recyceltem Betongranulat durch Mineralisierung
[56]
Gesteinskörnung Lypors®
Gesteinskörnung, genannt »Lypors®«, aus Flugasche und Rotschlamm zur Herstellung von Mörtel, Fliesenkleber und Leichtbeton
[57]
Wüstensand MultiCon
Verwendung von Wüstensand zur Herstellung von Beton
[58]
WasteBasedBricks®
Innen- und Außenziegel aus Abbruchabfällen
[59]
SHARDS
Herstellung von zirkulären Fliesen aus Bauschutt, Recyclingglas und Abfallstoffen der Ziegel-, Keramik- und Glasindustrie
[60]
Claytec Baustoffe
Baustoffe aus Lehm von CLAYTEC
[61]
Lehm Ton Erde Baukunst
Stampflehmwände, Schalungen und Böden
[62]
Istraw
Einblasdämmung, Paneele und Bauplatten aus Stroh
[63]
Lorenz
Modulbauwände aus Holz und Stroh
[64]
EcoHAB®-Paneele
Pflanzenbasierte Leichtbau-Sandwich-Paneele mit gepopptem Maisgranulat
[65]
Neptusan
Nachhaltiger Dämmstoff aus Blattscheiden und Rhizomen der Posidonia-Pflanze
[66]
Hempstatic
Bauteile aus Hanf-Kalk für Schallabsorber
[67]
Hanfstein
Hanf-Kalk-Bausteine
[68]
TriqBriq
Holzbausystem aus mikromodularen Holzbausteinen aus Schad- und Schwachholz
[69]
Tabelle 1.4: Beispiele für einige ausgewählte innovative Bauprodukte und Prozesse
Darüber hinaus hat das Regionale Netzwerk Ressourceneffizientes Bauen (ReNeReb) eine Auswahl an regionalen Bauprodukten zusammengestellt [70]. Für weitere Best Practices im Bereich klimaneutrales Bauen und Sanieren bietet das Gebäudeforum eine umfangreiche Datenbank [3].
Gebäude Neubau und Renovierung
Der europäische und internationale Markt bietet eine Fülle von Best Practice Bauprojekten für zirkuläres Bauen. In diesem Abschnitt präsentieren wir eine Auswahl an herausragenden Beispielen aus dem Bereich Gebäude – Neubau und Renovierung, die das Potenzial haben, die Bauwirtschaft nachhaltiger und zirkulärer zu gestalten. In der nachfolgenden Tabelle 1.5 und Tabelle 1.6 sind einige Beispiele mit Nennung des Baulandes, des Projektnamens und der angewendeten Designprinzipien aufgeführt.
Neubau
Land
Projektname
Designprinzipien
Quelle
D
The Cradle
C2C-Konzept, Design zur Demontage, biobasiertes Material
[71]
D
Moringa Hamburg
C2C-Konzept, Design zur Demontage, biobasiertes Material
[72]
D
Faktor X Haus
Biobasiertes Material, Umnutzungskonzept
[73]
D
TRIQBRIQ Anbau an ein Einfamilienhaus
Nutzung von Schad- und Schwachholz, biobasiertes Material, Design zur Demontage
[74]
D
Kreisarchiv Viersen
Flexibles Design, Design zur Demontage, Recyclingmaterial, biobasiertes Material
[74]
D
Cityförster Recyclinghaus
Recyclingmaterial, Gebrauchtmaterial, biobasiertes Material, Design zur Demontage
[75]
D
Alnatura Arbeitswelt
Biobasierte Materialien, Recyclingmaterial, Vermeidung von Lüftungstechnik
[76]
D
Kreislaufhaus der RAG-Stiftung
C2C-Konzept, biobasiertes und wiedernutzbares Material
[76]
D
Stadtwerke Neustadt
Recyclingmaterial, biobasiertes Material
[77]
D
Feuerwehrhaus Straubenhardt
C2C-Konzept, Design zur Demontage, biobasiertes Material
[77]
D
PERI/Hous3Druck
Ressourceneffizienz, flexibles Design
[78]
DK
TRÆ; Waste Retreat; Olympic Pavilion Denmark; Upcycle Studios; The Swan; Upcycle House; Recycle Centre
Design zur Demontage, biobasiertes Material, wiedergenutztes Material, Recyclingmaterial
[79]
DK
Analyse der Kohlenstoffauswirkung von 45 Holzgebäuden
Biobasiertes Material
[80]
NL
Building d(mountable)
Biobasiertes Material, Recyclingmaterials, Design zur Demontage
[81]
NL
Rathaus Venlo
C2C-Konzept, Design zur Demontage, Wiederverwendung von Verbrauchsmedien; Rücknahme- und Restwertvereinbarungen
[82]
NL
Sporthalle Egerbos
C2C-Konzept
[82]
NL
HAUT Timber Tower
Biobasierte Materialien, Design zur Demontage
[83]
NL
Super Circular Estate (Type A), Kerkrade
Wiedernutzung von Material, Wiedernutzung nach Remanufacturing, Recyclingmaterial
[84]
NL
The Dutch Mountains
Flexibles Design, Closed loop design (Autarkie), biobasierte Materialien
[85]
NL
Villa Welpeloo
Recyclingmaterial, biobasiertes Material, Wiedernutzung und Umnutzung von Material und Komponenten
[86]
RSA
84 Harrington Street (Hempcrete)
Biobasiertes Material
[87]
UK
Ryder
Umnutzung von Schiffscontainern, Design für Demontage
[88]
UK
Segro Warehouse
Wiederaufbau an neuem Standort, Wiedernutzung von Komponenten
[89]
Tabelle 1.5: Beispiele für einige ausgewählte Best Practices: Gebäude – Neubau
Renovierung
Land
Projektname
Designprinzipien
Quelle
CH
K.118 – Kopfbau Halle 118
Ausschließlich Wiedernutzung, Umnutzung, biobasiertes Material, Recyclingmaterial
[90]
CH
Kultur- & Gewerbehaus ELYS
Umnutzung, biobasiertes Material, Recyclingmaterial
[90]
D
CRCLR Haus
Wiedernutzung, Umnutzung, biobasiertes Material, Recyclingmaterial
[91]
D
Rathaus Korbach
Design zur Demontage, Recyclingmaterial
[77]
D
Ten Towers München
Aufbereitung
[92]
D
Prime Tower Frankfurt
Wiedernutzung, Umnutzung, Recyclingmaterial
[92]
FR
Grande Halle De Colombelles
Wiederverwendung von Materialien und Komponenten, biobasierte Materialien
[93]
NL
Circular renovation and demolition Staalmanplein
Selektiver Abriss, Wiedernutzung von Komponenten, biobasiertes Material, Aufbereitung von Komponenten
[94]
NL
SUPERLOCAL Kerkrade uvw.
Rückgebaute Hochhäuser in Wohnungen, Wiederverwendung von Bauteilen, Recyclingmaterial
[95]
UK
Thames Tideway Tunnel
Recyclingmaterial (Beton mit Flugasche und gemahlenem Hüttensand)
[96]
US
Interface Headquarters
Sanierung, Wiederverwendung und Recycling
[92]
Tabelle 1.6: Best Practices: Gebäude – Renovierung
Weitere europäische Best Practices zu Produkten und Gebäuden lassen sich unter folgenden Ressourcen finden [9], [21], [77], [82], [97], [98], [99], [100], [101]. Neben einigen auch hier gelisteten Quellen werden in dieser Analyse viele weitere Aspekte, wie die Gebäudeschichten und die Dekarbonisierungspotenziale, in Betracht gezogen [102]. Auf Ebene der Quartiersentwicklung lassen sich hier hilfreiche Informationen finden: [103], [104], [105].
Anhand der gezeigten Marktbeispiele ist zu erkennen, dass sich Ambitionen des zirkulären Bauens vorwiegend auf Neubauten konzentrieren. Häufig wurden Gebäude nicht so konzipiert, dass sie oder Teile wiedergenutzt werden können, was zu vorwiegend stofflicher Verwertung führt. Renovierungsprojekte sind aktuell noch mit erheblichem Mehraufwand durch den vorsichtigen Rückbau, die Inventarisierung und Aufbereitung von Komponenten und Bauteilen verbunden. Außerdem muss aus Sicht der Autoren festgestellt werden, dass aufseiten der Bauherren aktuell häufig Investitionen in nachhaltige Baupraktiken aufgrund wirtschaftlicher Vorgaben nicht angegangen werden.
Ökonomischer Mehrwert durch Anwendung zirkulärer Prinzipien (Beispiele)
In der Bau- und Immobilienbranche erleben wir eine tief greifende Wandlung hin zu nachhaltigen Praktiken. Einst durch Imagegründe angetrieben, werden nachhaltige Investitionen in Gebäude nun durch neue Klassifizierungen unerlässlich. Die EU hat die Bedeutung der Bau- und Immobilienwirtschaft für das Erreichen der Klimaziele erkannt, insbesondere im Hinblick auf die Reduzierung klimaschädlicher Praktiken und die Verringerung von Abfällen und Ressourcenverschwendung. Ein wichtiger Meilenstein ist die Einführung der EU-Taxonomieverordnung aus dem Jahr 2022, die eine verbindliche Anwendung für Akteure der Kapitalmarktbranche vorschreibt – einschließlich großer Immobilieninvestoren, Bestandshalter und Finanzierer.
Die konsequente Anwendung zirkulärer Prinzipien ist dabei eine sinnvolle Lösung für die markanten Anteile, die von der Bau- und Immobilienwirtschaft am weltweiten Abfallaufkommen, an der Verschwendung natürlicher Ressourcen und an den CO2-Emmissionen verursacht werden. Durch Anwendung von zirkulären Designprinzipien können im Zuge von Neubau- oder Sanierungsmaßnahmen von Bestandsgebäuden Abfälle und Ressourcenverschwendung vermieden werden. Hier werden die sich im Gebäude befindlichen Materialien entweder bereits anderweitig genutzt, im Zuge eines Recyclingprozesses aufbereitet und/oder perspektivisch wiederverwendet. Außerdem werden CO2-Emmissionen reduziert, da die Produktion von neuen Materialien und somit deren Emission entfällt. Die CO2-Reduktion kann sogar noch weiter signifikant beeinflusst werden, indem Materialien mit niedrigem Umweltfußabdruck zum Einsatz kommen, welche gezielt nach dem jeweiligen EPD-Wert (Environmental Product Declaration) ausgewählt werden [106]. Eine EPD deklariert Baustoffe, Bauprodukte oder Baukomponenten im Hinblick auf ihre Umwelteinwirkungen auf Basis von Ökobilanzen sowie ihre funktionalen und technischen Eigenschaften und dem damit einhergehenden positiven Einfluss auf die CO2-Bilanz von Gebäuden.
Aus ökonomischer Sicht muss festgestellt werden, dass CO2-Einsparungen oder Rohstoffwerte für kreislauffähige Materialien aktuell in unseren finanzwirtschaftlichen Betrachtungsweisen bisher leider noch keine Anwendung finden. Genau das stellt einen Konflikt und eine der wesentlichen, zwingend erforderlichen Maßnahmen dar, um die Anwendung zirkulärer Prinzipien überall und effizient auszuweiten.
Einordnung hinsichtlich der EU-Taxonomieverordnung
Die Sustainable-Finance-Taxonomie oder auch EU-Taxonomie stellt ein Klassifizierungssystem mit einheitlichen Begrifflichkeiten zur Definition ökologisch nachhaltiger Wirtschaftsaktivitäten zur Verfügung. Die dabei fokussierten Umweltziele sind: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltiger Schutz der Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft, sowohl Vermeidung und Verminderung von Umweltverschmutzung als auch Schutz und Wiederherstellung der biologischen Vielfalt und der Ökosysteme [23].
Die EU-Taxonomie richtet sich demnach an Unternehmen sowie Finanzmarktteilnehmer und soll als Nachweis dienen, inwieweit die betroffenen Akteure in nachhaltige Finanzierungsprodukte investieren und/oder finanzieren. Dabei sind auch mehrere Bereiche der Immobilienwirtschaft betroffen, allen voran Finanzierung, Bau und Betrieb, aber auch Vermögensanlage und Bilanzierung. Die Anwendung der EU-Taxonomie ist seit April 2022 verpflichtend. Es muss allerdings festgehalten werden, dass es sich dabei lediglich um eine Verpflichtung zur Offenlegung handelt, nicht um eine Verpflichtung zur Einhaltung; die Nichteinhaltung der Ziele bleibt bisher ohne Konsequenzen.
Dabei könnte eine konsequentere Anwendung der EU-Taxonomie eine gute Grundlage bilden, ein umweltgerechtes System zu etablieren, bei dem diejenigen Immobilien, die einen unzureichenden CO2-Ausstoß haben, eine CO2-Abgabe leisten. Mit diesen Mitteln könnten dann weitere CO2-reduzierende Maßnahmen für den Gebäudebestand und Neubau subventioniert werden. Die verpflichtende Integration einer CO2-Bilanz in die EU-Taxonomie wäre dabei eine Voraussetzung. Das hätte zur Folge, dass der Beitrag zur CO2-Reduktion eine feste Größe in der Wertermittlung von Gebäuden einnehmen würde, was – Stand zum Veröffentlichungsdatum– nicht der Fall ist.
Leider werden in der gängigen Bewertungspraxis, z. B. nach ImmoWertV, derartige werterhöhende Einflussgrößen, wie CO2-Gutschriften oder Rohstoffwerte für wiederverwendbare Materialien, noch nicht berücksichtigt [107]. Im Rahmen der Bewertung nach ImmoWertV fließen nachhaltige Gebäudeaspekte bei einem hohen Gebäudeenergiestandard lediglich durch Abschläge in der Höhe der Nebenkostenumlage ein, und, wenn überhaupt, werterhöhend durch geringfügige individuelle Aufschläge im Rohertrag.
Mehrwert durch CO2-Einsparungen (Reduce)
Ein Blick auf die Automobilindustrie wirft die Frage auf, warum es für die Bau- und Gebäudewirtschaft noch kein umweltausgleichendes System gibt, ähnlich den Strafzahlungen für Autohersteller bei Überschreitung von CO2