Clown Grimaldi - Charles Dickens - E-Book

Clown Grimaldi E-Book

Charles Dickens.

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Beschreibung

Dieses eBook: "Clown Grimaldi" ist mit einem detaillierten und dynamischen Inhaltsverzeichnis versehen und wurde sorgfältig korrekturgelesen. Aus dem Buch: "Grimaldi wurde empfindlich und wollte sich entfernen, als der Unbekannte ihm die Frage stellte, ob er ihn wirklich nicht wiedererkenne, und sein Hemd auf der Brust auseinander klappte. Da erkannte Grimaldi an einer dort sichtbaren Narbe seinen seit Jahren verschollenen Bruder. Sie fielen einander in die Arme und weinten Tränen vor Freude. Am gerührtesten von beiden war Joe." Charles Dickens (1812-1870) war ein englischer Schriftsteller. Zu seinen bekanntesten Werken gehören außerdem Oliver Twist, Eine Geschichte aus zwei Städten sowie Eine Weihnachtsgeschichte.

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Charles Dickens

Clown Grimaldi

e-artnow, 2017 Kontakt: [email protected] ISBN 978-80-268-8002-8

Inhaltsverzeichnis

Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebentes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Siebzehntes Kapitel
Achtzehntes Kapitel
Neunzehntes Kapitel
Zwanzigstes Kapitel
Einundzwanzigstes Kapitel
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Dreiundzwanzigstes Kapitel
Vierundzwanzigstes Kapitel
Dickens Leben und Werke
Dickens Vorrede zu den »Pickwickiern«

Erstes Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

Sein Großvater und Vater. – Seine Geburt und erstes Erscheinen auf den Theatern in Drury-Lane und Sadlers-Wells. – Seines Vaters Strenge. – Der Earl von Derby und die Perücke. – Die Vermögensbüchse und der Guttätigkeit Lohn. – Seines Vaters Scheintod, und sein und seines Bruders Benehmen dabei.

Joseph Grimaldi’s Großvater väterlicherseits war sowohl dem französischen als italienischen Publikum als ein ausgezeichneter Ballett-Tänzer bekannt. Er war so gewandt und stark, daß man ihm den Beinamen »Eisen-Bein« gab. Dibbin erzählt in seiner Geschichte der Bühne mehrere hierauf bezügliche Anekdoten von ihm, wie denn auch deren viele im Umlaufe sind; die nachstehende ist vollkommen wahr. Eines Abends tat er auf der Bühne einen ungewöhnlich hohen Sprung, vielleicht in einem, durch die Anwesenheit des türkischen Gesandten, der sich mit seinem Gefolge in der Seiten-Loge befand, veranlagten absonderlichen Enthusiasmus. Er zerbrach dabei einen der Kronleuchter, die in jener Zeit über den Bühnen-Türen hingen, wobei dem Gesandten ein Stück vom Glasgehänge in das Auge oder doch das Gesicht flog. Da die Würde des gewichtigen Mannes verletzt war, wurde eine förmliche Klage bei dem französischen Hofe erhoben, der an Eisen-Bein das ernste Gebot ergehen ließ, um Verzeihung zu bitten, was Eisen-Bein auch in seiner gebührenden Form zu seiner eigenen, des Hofes, des Publikums und mit einem Worte, jedermanns großer Belustigung tat. Die große Angelegenheit endigte mit einem Kuplet.

Der erste Grimaldi in England war Eisenbein’s Sohn und Joseph’s Vater. Er kam im Jahre 1760 als Dentist der Königin Charlotte nach England. Er war in Genua geboren, war ausgezeichnet als Dentist, wendete sich aber mit noch größerer Vorliebe der Tanzkunst zu, bat die Königin bald nach seiner Ankunft in England, ihn zu entlassen, und fing an Tanz-und Fecht-Unterricht zu geben, wobei er seinen Schülern bisweilen kleine Proben seiner vormaligen Kunst gab. In jenen Tagen der Menuetts in Kotillons waren die Tanzübungen eine weit mühsamere und ernsthaftere Angelegenheit, als sie es jetzt sind, und die jüngeren Zweige des Adels und der Reichen beschäftigten Grimaldi fortwährend. Es wurde gesagt, er habe seine Stelle bei Hofe infolge unfeinen Benehmens und einer Respekt-Widrigkeit gegen den König verloren, welche Beschuldigung sein Sohn sich stets sehr zu Herzen nahm, und deren Grundlosigkeit zur Genüge daraus hervorging, daß sich der König und die Königin bei allen möglichen Gelegenheiten stets als seine huldreichen Beschützer erwiesen.

Grimaldi gelangte auf seiner neuen Laufbahn zu einem bedeutenden Rufe, und wurde daher zum Balett-Meister und ersten Buffon beim alten Drury Lane-und Sadlers Wells-Theater ernannt, in welcher Doppeleigenschaft er ein großer Liebling des Publikums und Ihrer Majestäten wurde, die fast wöchentlich die Aufführung einer Pantomime befahlen, deren Held Grimaldi war. Er stand in dem Rufe großer Rechtschaffenheit und Wohltätigkeit. Auch hatte man ihm – ein Umstand, dessen sein Sohn stets mit gerechtem Stolze erwähnte – niemals trunken gesehen; eine ziemlich seltene Tugend der Bühnenkünstler neuerer Zeit, deren sich zu befleißigen berühmtere als er sehr wohl tun würden.

Er scheint ein äußerst wunderlicher und exzentrischer Mann gewesen zu sein, was man bei den von ihm anzuführenden kleinen Charakter-Zügen nicht übergehen darf. Er kaufte einst einen Garten in Lambeth, nahm in einem ungewöhnlich unfreundlichen Winter Besitz davon, und konnte es schier nicht erwarten, wie sich derselbe in voller Blütenzeit ausnehmen würde, so daß er ihn mit einer Ungeheuern Menge künstlicher Blumen schmückte, und die Bäume mit den schönsten grünen Blättern, sowie mit Früchten bis zum Brechen belud, die natürlich gleichfalls künstliche waren.

Zu seinen sonderbaren Charakterzügen gehörte eine unbestimmte und heftige Furcht vor dem vierzehnten Tage jedes Monats. Er war bei dem Herannahen desselben stets reizbar, unruhig und ängstlich; unmittelbar nach ihm aber wieder ein ganz anderer Mann, und rief dann aus: »Ah! Jetzt sein ick wieder sicher auf einen Monat!« Es ist bemerkenswert, daß er wirklich an einem vierzehnten März starb, so wie er auch am vierzehnten dieses Monats geboren und getauft war und sich verheiratet hatte.

Man erzählt ähnliche Anekdoten von Heinrich dem Vierten und anderen; die hier erzählte ist vollkommen verbürgt, und kann dem Verzeichnisse der Ahnungen, oder wie man es nennen will, als ein wahrhaftes Beispiel hinzugefügt werden.

Grimaldi war krankhaft reizbar und trübsinnig im höchsten Grade, und hatte eine fast unbeschreibliche Furcht vor dem Tode. Er wanderte oft stundenlang auf Kirchhöfen oder Begräbnisplätzen umher, grübelte über die Krankheiten, an welchen die in den Gräbern um ihn her Liegenden gestorben sein möchten, malte sich ihre Sterbe-Betten vor, und überrechnete, wie viele von ihnen wohl lebendig begraben wären; eine Möglichkeit, an welche zu denken er schauderte, und die ihn sein Leben lang bis an sein Ende mit peinlicher Angst erfüllte. Er verfügte daher in seinem Testamente, daß man ihm, bevor sein Sarg verschlossen würde, den Kopf abschnitte, was auch in Gegenwart mehrerer Personen geschah.

Sonderbar genug wählte er den Tod, der ihm in seinen unbeschäftigten Augenblicken fast unaufhörlich und unter den düstersten und qualvollsten Gedanken und Empfindungen vor Augen schwebte, zum Gegenstande seiner beliebtesten Szenen in den Pantomimen der damaligen Zeit. Unter vielen andern derselben Art erfand er die wohlbekannte Skelett-Szene für den Clown, welche damals äußerst beliebt war und noch jetzt bisweilen dargestellt wird. Die Tatsache ist gleich merkwürdig, gleichviel ob es wahr ist, daß die Hypochondristen am geneigtesten sind, über die Dinge zu lachen, die ihnen insgeheim am meisten Verdruß, oder Bangigkeit erregen, sowie diejenigen, die an Geister-Erscheinungen glauben, sich am ungläubigsten auszusprechen pflegen; oder ob die erwähnten düsteren Vorstellungen das Gemüt des unglücklichen Mannes so unablässig beunruhigten, daß selbst seine Heiterkeit eine schauerlich düstere Färbung annahm, und seine Laune groteske Gegenstände in den Gräbern und Beinhäusern aussuchte.

Zur Zeit der Lord George Gordon-Aufläufe, als die Londoner, um ihre Häuser vor der Wut des Pöbels zu schützen, an die Türen die Worte schrieben: »Kein Papsttum!« schrieb er, um es mit keiner Partei zu verderben und der Möglichkeit zu begegnen, irgend einen durch sein Glaubens-Bekenntnis zu beleidigen: »Gar keine Religion!« an die seinige, und erreichte seinen Zweck; wir wissen indes nicht zu sagen, ob durch den Humor seines Wahlspruchs, oder die Folge davon, daß der aufrührerische Haufen nicht durch die Straße kam, in welcher er wohnte.

Am 18. Dezember 1779, dem Jahre, in welchem Garrick starb, wurde Joseph Grimaldi, »der alte Joe«, in der Stunhope Straße, Clare Market, in welchem Stadtteile damals, wie jetzt, ein großer Teil des Theaterpersonals wegen der Nähe der Schauspielhäuser wohnt, geboren. Sein Vater war damals über siebenzig Jahre alt, und fünfundzwanzig Monate später wurde demselben noch ein Sohn geboren – Joseph’s einziger Bruder.

Das Knäblein blieb nicht eben lange im Zustande der hilflosen und uneinträglichen Kindheit, denn schon in dem Alter von einem Jahre und elf Monaten wurde es von seinem Vater auf dem alten Drury-Lane-Theater produziert, wo es seine erste Verbeugung machte und seinen ersten Purzelbaum schlug. Das Stück, in welchem es sein frühreifes Talent entfaltete, war die wohlbekannte Pantomime Robinson Crusoe, in welcher der Vater die Rolle des schiffbrüchigen Seemanns, und der Sohn die des kleinen Clown hatte. Des letzteren Erfolg war vollkommen; er wurde sofort engagiert, und erhielt ein wöchentliches Salär von fünfzehn Schillingen, und mit jedem Jahre eine neue und hervorstechende Rolle. Er wurde ein Liebling sowohl, beim Publikum, als hinter den Kulissen, und hieß im Garderobe-Zimmer der »kleine kluge Joe«; Joe wurde er bis an das Ende seiner Tage genannt.

Im Jahre 1782 trat er zuerst in Sadlers Wells in der schwierigen Rolle eines Affen auf, und war glücklich genug, in derselben soviel Beifall zu finden, als er in der eines Clowns in Drury Lane gefunden hatte. Auch in Sadlers Wells wurde er sogleich regelmäßiges Mitglied der Truppe, und blieb es (mit Ausnahme einer einzigen Saison) neunundzwanzig Jahre, bis an das Ende seines Künstler-Lebens.

Seine Mühen nahmen jetzt einen ernsten Anfang, da er zwei Engagements hatte, welche ihn verpflichteten, an demselben Abende und fast zu derselben Zeit auf zwei Theatern aufzutreten. Die Aufgabe, schwer genug schon für einen Mann, war es umsomehr für ein Kind, und man wird sehen, wenn zu irgend einer Periode seines Lebens seine Einnahmen sehr bedeutend waren, auch die Geistes-und Körper-Anstrengungen nicht minder groß genannt werden mußten, durch welche jene errungen wurden. Die schauspiel-närrischen jungen Leute, die unermüdlichen Besucher der öffentlichen und Privattheater, die es so sehnlich verlangt, auf die Bühne zu gehen, weil es »so leicht« sei, Schauspieler zu sein, lassen sich wenig von all den Sorgen, sauren Mühen und Entbehrungen träumen, welche die Summe des Lebens der meisten Schauspieler ausmachen.

Wir bemerkten oben, daß der Vater Grimaldi’s ein exzentrischer Mann gewesen wäre; er scheint es besonders und etwas unangenehm bei Züchtigung seines Sohnes gewesen zu sein. Der Knabe, der zu Possen aller Art auf dem Theater erzogen wurde, war überall ebenso sehr Clown, Affe, oder was sonst possierlich und lächerlich sein mochte, als auf der Bühne; die Damen und Herren im Garderobezimmer munterten ihn dazu auf, und er trieb seine Späßchen fast ebenso sehr zu ihrer, als zu des Publikums Ergötzlichkeit. Dieses alles wurde jedoch sorgfältig vor dem Vater geheim gehalten, der, wenn etwas davon zu seiner Kunde gelangte, Joe regelmäßig derb dafür abprügelte, ihn dann bei den Haaren aufhob und mit der Warnung, sich ja nicht von der Stelle zu, rühren, in einen Winkel trug. Joe rührte sich jedoch trotzdem von der Stelle. Mit dem Vater verschwanden auch seine Tränen, und mit vielen seiner komischen Gebärden und Mienen, welche später so beliebt wurden, begann er seine Possen von neuem und mit verdoppelter Lebhaftigkeit, worin ihn nur der Ruf: »Joe, Joe, Dein Vater kommt!« unterbrechen konnte, worauf er denn in seinen Winkel zurückeilte und wieder zu weinen anfing, als wenn er gar nicht aufgehört hätte.

Dies wurde allmählich eine regelmäßige Belustigung, und man rief: »Joe, Joe, Dein Vater kommt!« wenn der Vater auch nicht kam, um das Vergnügen zu haben, Joe in seinen Winkel zurücklaufen zu sehen. Joe merkte dies bald, verwechselte häufig die ernsthafte mit der scherzhaften Warnung, und empfing mehr Schläge als zuvor von seinem, wie er sich in seiner Handschrift ausdrückt, »strengen aber vortrefflichen Vater«.

Einst war er zu seiner Lieblingsrolle des kleinen Clown in Robinson Crusoe angekleidet, und sein Gesicht gerade so wie das seines Vaters bemalt, worauf zum Teil das Komische seiner Rolle beruhte, als ihn der alte Herr in das Garderobenzimmer brachte, ihn in seinen gewöhnlichen Winkel setzte, ihm streng anbefahl, sich kein Haar breit von der Stelle zu rühren und wieder hinausging. Zufällig trat in demselben Augenblicke, der das Garderobenzimmer zu jener Zeit beständig besuchende Earl von Derby herein, und rief den Knaben gutmütig zu sich, dessen trübselige Mienen mit seinem Anzug so wenig übereinstimmten. Joe schnitt ein höchst merkwürdiges Gesicht, blieb aber wo er war. Der Earl lachte und blickte nach einer Erklärung umher.

»Er darf nicht von der Stelle,« nahm Miß Farren das Wort, welcher Dame der Lord damals sehr den Hof machte und die er später ehelichte. »Sein Vater schlägt ihn sonst.«

»Schlägt ihn!« wiederholte der Lord, und Joe schnitt zur Bekräftigung der Aussage Miß Farren’s ein noch weit merkwürdigeres Gesicht.

»Ich glaube,« sagte der Lord abermals lachend, »er hat nicht soviel Furcht vor seinem Vater, als Sie glauben. Komm her, Kleiner!«

Bei diesen Worten hielt er ihm eine halbe Krone entgegen, und Joe, dem der Wert des Geldes sehr wohl bekannt war, sprang aus seinem Winkel hervor und bemächtigte sich mit pantomimischer Raschheit des Geldstücks und war im Begriff zurückzueilen, als ihn der Earl am Arme festhielt.

»Schau hier, Joe!« sagte der Earl. »Nimm Deine Perücke ab, wirf sie in das Feuer, und Du bekommst noch eine halbe Krone.«

Gesagt, getan. Joe schlenderte seine Perücke in das Feuer. Es entstand ein schallendes Gelächter. Der Knabe hüpfte mit einer halben Krone in jeder Hand im Zimmer umher, und der Earl, besorgt wegen der Folgen, war damit beschäftigt, mit Zange und Schüreisen die Perücke den Flammen zu entreißen, als der Vater im vollen schiffbrüchigen Seemanns-Anzug eilig hereintrat. Es war ein Glück für den kleinen Joe, daß Lord Derby kräftige Fürsprache für ihn einlegte, denn sonst hätte es leicht sein können, daß der Kleine lebendig begraben wurde. Vor einer tüchtigen Tracht Schläge war er indes doch nicht zu schützen. Die Tränen liefen ihm über die zolldick bemalten Wangen dermaßen hinab, daß die Farben gänzlich verwischt wurden und daß er fast so wenig einem kleinen Clown als einem menschlichen Wesen mehr ähnlich sah, mit welchen beiden Charakteren er nur noch die entfernteste Ähnlichkeit hatte. Er wurde fast unmittelbar darauf gerufen, und der heftig Erzürnte bemerkte die mit ihm vergangene Veränderung erst, als Joe auf die Bühne kam und ein allgemeines und schallendes Gelächter entstand. Er wurde noch wütender als vorhin, prügelte ihn sogleich noch tüchtiger ab, und das Kind schrie auf das Fürchterlichste. Die Zuschauer nahmen alles für einen höchst vortrefflichen Spaß, ein Gelächter-und Beifalls-Sturm erschütterte das Haus, und die Blätter erklärten am folgenden Morgen, daß es wahrhaft wunderbar gewesen wäre, wie natürlich das Kind gespielt hätte, was den Lehrgaben seines Vaters die größte Ehre machte.

Der Vorfall wirft ein bedeutsames Streiflicht auf die Schauspieler-Leiden. Scherze auf den Lippen und Tränen in den Augen, fröhliche Mienen und Wehe im Herzen haben hundertmal denselben Gelächter-und Beifallssturm hervorgerufen. Halbverhungerte werden fast ohne Ausnahme auf der Bühne belacht – die Zuschauer haben ihr Mittags-oder Abendessen gehabt.

Die härteste Strafe für den Knaben bestand darin, daß er sich seiner fünf Schillinge beraubt sah, die der vortreffliche Vater in seine eigene Tasche steckte, vielleicht auch weil er Joe’s Salär in Empfang nahm, und mit Goldsmith´s Bärenführer meinte, daß »alles hübsch beieinander sein müßte«.

Der Earl gab indes Joe eine halbe Krone, so oft er ihn späterhin sah, und Joe hatte große Ursache zum Kummer, als Seine Herrlichkeit Miß Farren heiratete und sich in der Garderobe nicht mehr blicken ließ.

Auf dem Sadlers Wells wurde er fast eben so schnell beliebt, als im Drury Lane-Theater. Der Schauspieler King, der Haupteigentümer des ersteren und Direktor des letzteren war, hielt nicht wenig von ihm, und schenkte ihm bisweilen eine Guinee, um sich ein Schaukelpferd, einen Wagen, oder anderes Spielzeug, das er sich eben wünschte, dafür zu kaufen. Bei einer der Vorstellungen des ersten Stückes, in welchem der kleine Joe in Sadlers Wells auftrat, machte er zum ersten Male ernstlich Effekt, wobei ihn jedoch nur das Glück, das ihn in solchen Fällen stets begleitet zu haben scheint, vor dem Schicksal bewahrte, unfähig zu werden, jemals wieder auftreten zu können. Er stellte einen Affen vor, und mußte in dem ganzen Stück um den Clown (seinen Vater) sein. In einer Szene hatte ihn der letztere an der Kette, und wirbelte ihn auf Armeslänge mit der größten Schnelligkeit in der Luft herum. Eines Abends zerriß die Kette, und Joe flog weit in das Parterre hinein, jedoch glücklicherweise ohne den mindesten Schaden zu nehmen, da er wie durch ein Wunder einem, mit gespannter Aufmerksamkeit zuschauenden Herrn in die Arme geschleudert wurde.

Zu den vielen Personen, die sich ihm in dieser frühen Periode seiner Laufbahn freundlich geneigt erwiesen, gehörte das berühmte Seiltänzerpaar, Mr. und Mrs. Ridge, zu jener Zeit der kleine Teufel und die schöne Spanierin genannt. Sie gaben ihm häufig eine Guinee, die ihm sein Vater regelmäßig wegnahm, in eine Büchse, auf welche des kleinen Joe’s Name geschrieben stand, hineinsteckte, und dieselbe sorgfältig verschloß, worauf er dann dem Knaben den Schlüssel gab und zu ihm sagte: »Merk, Joe, das sein Dein Vermögen, wenn ick tot sein.« Joe kam indes um die Büchse wie um sein ganzes Vermögen, wie wir bald sehen werden.

Da er beinahe vier Monate im Jahre Theaterferien hatte, indem die Weihnachtspantomime im Drury Lane selten länger als vier Wochen gegeben wurde, und die Vorstellungen in Sadlers Wells erst Ostern ihren Anfang nahmen, so schickte ihn sein Vater auf die genannte Zeit in eine Kostschule in Putney zu einem Mr. Ford, von dessen Herzensgüte und Zuneigung zu ihm er noch als ein alter Mann mit der gerührtesten Dankbarkeit sprach. Viele seiner damaligen Schulkameraden widmeten sich später auf die eine oder andere Weise gleichfalls dem Theaterfache, – unter ihnen z. B. Mr. Henry Harris vom Covent-Gardentheater – keiner derselben aber der Pantomime, und wir müssen uns, wenn wir der Laune und Lebhaftigkeit Joe’s gedenken, nur wundern, daß seine Schulkameraden nicht sämtlich Clowns geworden sind.

Weihnachten 1782 trat er in seiner zweiten Rolle in Drury Lane im »Harlequin dem Jüngeren oder dem Zaubergürtel« auf. Er stellte darin einen Dämon vor, der von einem feindlichen Zauberer abgeschickt war, der Macht Harlequins entgegenzuwirken. Er erwarb sich auch diesesmal großen Beifall, und sein Ruf stand von dieser Zeit an fest, nur daß er mit seinen Jahren an Kräften und Fortschritten natürlich zunahm.

Zu Ostern gab er abermals den Affen in Sadlers Wells, doch ohne daß ihm ein ähnliches Unglück, wie das erzählte, widerfahren wäre, und ging wieder nach Putney, als das Stück am Schlusse des Monats zurückgezogen wurde, und während der Saison nichts mehr für ihn zu tun war.

Weihnacht 1783 trat er abermals in Drury Lane in einer Pantomime, dem »Wirrwarr«, auf, und zwar nicht bloß in seiner alten Rolle als Affe, sondern außerdem noch in der einer Katze. In der letzteren betraf ihn ein Unfall, bei dem er so wenig bleibenden Schaden nahm, daß man fast glauben sollte, er hätte sich mit dem Charakter, den er darstellte, so vollkommen identifiziert, daß er ein wahres Katzenleben besessen. Sein Kostüm hatte den bedeutenden Mangel, daß er, wenn er in dasselbe hineingenäht war, nicht sehen konnte. So geschah es, daß er in eine gewöhnlich durch eine Falltür verschlossene Öffnung hineinfiel, welche offen gelassen war, um einen Brunnen vorzustellen. Er stürzte vierzig Fuß tief hinunter, zerbrach sich das Schlüsselbein und trug mehrere Kontusionen davon. Er wurde sogleich nach Hause geschafft und der Behandlung eines Wundarztes übergeben, war freilich erst nach Beendigung der Saison in Drury Lane wiederhergestellt, spielte aber Ostern in Sadlers Wells wie gewöhnlich. Im Sommer dieses Jahres erhielt er, als einen Beweis hoher und besonderer Gunst, die Erlaubnis, einen Sonntag um den anderen im Hause seines Großvaters von mütterlicher Seite zuzubringen, der, wie er selbst sagt, »in der Newtonstraße, Holborn, wohnte, ein Metzger en gros, und außerdem Inhaber des Schlachthauses in Bloomsbury war, das er bei seinem Tode einige sechszig Jahre inne gehabt hatte«. Joe war ein großer Liebling desselben, und da ihm im Hause des Großvaters viel nachgesehen und zu gut getan wurde, so sah er jedem seiner dortigen Besuche mit großer Sehnsucht entgegen. Sein Vater wünschte seinerseits ebenso lebhaft, daß Joe die Ehre seiner Familie bei diesen Gelegenheiten aufrecht erhalten möchte, und nach großer und langer Überlegung und Beratung mit Schneidern, wurde der »kleine Clown« für einen seiner Sonntagsausflüge folgendermaßen kostümiert; er trug einen grünen, mit fast so vielen künstlichen Blumen, als sein Vater in seinem Lambether Garten angebracht hatte, besetzten Leibrock; unter selbigem glänzte ein seidenes, blendend weißes Westchen, wozu noch weiter unten grüne tuchene Kniehosen (das Wort existierte zu jener Zeit) mit reichem Besatze und weißseidene Strümpfe und Schuhe mit blanken Schnallen kamen. Ebenso wenig fehlten ein Spitzenhemde, Halstuch und Manschetten, ein dreieckiger Hut, eine kleine Uhr mit Diamanten – mutmaßlich Theaterjuwelen – und ein Spazierrohr, das er so kecklich handhabte, wie es gegenwärtig unsere großen Clowns nur tun mögen.

Der Vater hielt Generalinspektion vor seinem Abmarsche, drückte die vollkommenste Billigung aus, küßte ihn, forderte ihm den Schlüssel zu seiner »Vermögensbüchse ab, gab ihm aus selbiger eine Guinee, sagte: »Sieh – jetzt sein Du ein Gentleman oder noch mehr – hast einen Guinee in der Tasche,« schärfte ihm ein, um acht Uhr wieder zu Hause zu sein, und entließ ihn, ohne zu gestatten, daß ihn jemand begleitete, und zwar weil er ein Gentleman, und demnach vollkommen imstande wäre, für sich selber zu sorgen.

Die Erscheinung Joe’s in den Straßen erregte ein beträchtliches Aufsehen, zumal da er ein öffentlicher Charakter war. Ein Gassenbube rief: »Hussa, da ist der kleine Joe!« ein zweiter: »Geht doch, ‘s ist der Affe!« Ein dritter meinte, es wäre »der Bär, angekleidet zum Tanze«, und ein vierter behauptete, »es möchte die Katze sein, die in Gesellschaft ginge«; während größere und gesetztere Begegnende nicht umhin konnten, herzlich zu lachen und zu bemerken, daß es doch gar zu lächerlich wäre, ein Kind in einem solchen Anzuge allein durch die Straßen gehen zu lassen. Joe schritt indes unter jeweiligen verwunderlichen Grimassen unbekümmert weiter, bis ihm eine auf dem Straßenpflaster liegende Frau auffiel, deren elendes Aussehen bereits die Veranlassung gewesen war, daß sich ein Haufen gesammelt hatte. Der Knabe stand gleich anderen still, und wurde, als er die Leidensgeschichte der Verlassenen hörte, so gerührt, daß er in die Tasche griff, und ihr die Guinee, sein einziges Stück Geld, in die Hand drückte, worauf er sich noch mit feierlichen Schritten entfernte. Nunmehr sammelte sich ein Haufen um ihn und schrie und starrte ihn unendlich verwundert an, wodurch er sich jedoch nicht im mindesten aus der Fassung bringen ließ, sondern kecklich an der Spitze eines zwei Straßen langen Gefolges weiter schritt, bis ein Freund seines Vaters daherkam, ihn trotz seines Sträubens aufhob und auf den Armen nach des Großvaters Hause trug, wo er den Tag zu seiner und jedermanns Befriedigung hinbrachte.

Als er abends wieder anlangte, sah der Vater auf die Uhr, küßte und belobte ihn wegen seiner Pünktlichkeit, untersuchte seinen Anzug, war erfreut, keine Beschädigung daran zu finden, und forderte ihm zuletzt den Schlüssel zur »Vermögensbüchse« und die Guinee wieder ab. Der Knabe dachte zuerst an den Vorfall des Morgens nicht, durchsuchte seine Taschen, entsann sich endlich dessen, was er getan, fiel auf die Knie nieder, bekannte alles und flehte um Vergebung.

Der Vater wußte anfangs nicht, was er tun oder sagen sollte, da er selbst soviel Geld aus Guttätigkeit wegschenkte. Er blickte den Knaben ein paar Augenblicke ungewiß an, sagte darauf bloß: »Du bekommst eine Tracht Schläge,« und schickte ihn zu Bett.

Zu den Eigenheiten des alten Sonderlings – es war allerdings nicht die liebenswürdigste – gehörte die, daß er stets hielt, was er versprach, und wenn auch vielleicht in Fällen, wie diesem, Monate vergingen, bevor es geschah, wodurch denn die Strafe verdoppelt, verdrei-oder vervierfacht wurde, indem die verlängerte Furcht vor ihr, bei der Gewißheit, daß sie nicht ausbleiben würde, hinzukam. Es waren vier oder fünf Monate vergangen, und der Knabe hatte keine Veranlassung zum Unwillen gegeben, als ihn sein Vater eines Tages sehr unerwartet rief, und ihm ankündigte, daß er ihn sofort abzupeitschen dächte. Der Knabe fing an erbärmlich zu weinen, und stammelte die Frage hervor: »O Vater, wofür denn?« – »Denk an die Guinee!« sagte der alte Herr und prügelte ihn dermaßen, daß Joe sein Leben lang daran dachte.

Die Hausgenossenschaft bestand zu dieser Zeit aus den beiden Eltern, Joe, dessen einzigem Bruder John Baptist, drei oder vier weiblichen Domestiken, und einem Neger, der als Bedienter fungierte und durch die Benennung des »schwarzen Sam« honoriert wurde.

Der Vater war äußerst gastlich und sah ausnehmend gern Freunde bei sich. Er aß selten allein, und gab an gewissen Gala-Tagen und namentlich auch am Christabend, große Gesellschaften, bei welchen Gelegenheiten sein wirklich glänzendes Silberservice nebst verschiedenen Bijouterieartikeln zur Bewunderung der Gäste zur Schau gestellt wurde. An einem Christabend, als das Speisezimmer so glänzend als möglich geschmückt und ausgestattet war, stahlen sich die beiden Knaben in des schwarzen Sam Begleitung hinein, und drückten einander ihre Bewunderung all des Glanzes aus.

»Ah,« sagte Sam, »wenn alt Massa sterben, gehören allen die schönen Sachen Euch.«

Sam’s Bemerkung erregte in hohem Maße die Aufmerksamkeit der beiden Knaben, besonders aber John’s, des jüngeren, der noch sehr jung, wahrscheinlich weit weniger grauenvoll an den Tod dachte, als sein Vater und daher ohne den mindesten Rückhalt oder eine Spur von Zartgefühl ausrief, daß er außerordentlich froh sein würde, wenn ihm alle die schönen Sachen zufielen.

Es wurde nicht weiter darüber gesprochen. Der schwarze Sam ging an seine Geschäfte, die Knaben fingen an zu spielen, und niemand dachte mehr an den Vorfall, den Vater selbst ausgenommen, der zufällig ein unsichtbarer Hörer gewesen war. Er überlegte einige Tage, und faßte endlich, um die Sinnesart seiner beiden Knaben zu erforschen, den sonderbaren, doch bei dem ihn stets vornehmlich beschäftigenden Gedanken natürlichen Beschluß, sich tot zu stellen. Er ließ sich im verdunkelten Besuch-Zimmer als Leiche ankleiden, die Dienstboten erhielten ihre Verhaltungsmaßregeln, und den Kindern wurde vorsichtig angekündigt, daß ihr Vater plötzlich verstorben wäre, worauf man sie in das angebliche Totengemach führte.

Joe war anfangs verwirrt, gewann aber bald die feste Überzeugung, daß sein Vater nicht tot wäre. Er hatte ihn noch vor kurzem vollkommen gesund gesehen, der schwarze Sam ließ es an heimlichen Winken und Andeutungen nicht fehlen und als er genau hinsah, bemerkte er, daß der Verstorbene atmete. Er gewahrte sogleich, was er zu tun hatte, begann auf das trübseligste zu ächzen und zu schluchzen, warf sich zu Boden und wälzte sich wie im schrecklichen Kummer umher.

John, der vom öffentlichen Leben noch nicht soviel gesehen hatte, als sein Brüder, war nicht so verschlagen, sah in des Vaters Absterben nur eine Befreiung von Schlägen und Büchern (vor welchen beiden er einen gleich großen Widerwillen hegte), freute sich des so bald erlangten Besitzes der schönen Silbersachen, sprang im Zimmer umher, sang und schlug Schnippchen, und erklärte, daß er froh wäre, den Vater tot zu sehen.

»O Du abscheulicher Junge,« sagte Joe unter einer Tränenflut. »Hast Du denn gar keine Liebe zu Deinem guten Vater? Ach, was würde ich darum geben, wenn ich ihn wieder lebendig sähe!«

»Papperlappapp!« sagte John; »sei doch nicht so ein Narr, zu weinen; jetzt gehört uns die Kuckucks-Uhr ganz allein.«

Dies war mehr, als der Abgeschiedene zu ertragen vermochte. Er sprang von seiner Totenbahre, öffnete die Fensterläden und bläuete den jüngeren Sohn unbarmherzig ab; während Joe, über sein eigenes Schicksal zweifelhaft, hinauslief und sich im Kohlenkeller versteckte, wo ihn der schwarze Sam ein paar Stunden darauf fest eingeschlafen fand, und ihn zu seinem Vater trug, der ihn ängstlich gesucht hatte und ihn als den zärtlich und wahrhaft liebenden Sohn auf das liebevollste empfing.

Joe war von dieser Zeit an bis zum Jahre 1788 für dieselben Saläre engagiert, die er von Anfang an sowohl in Drury Lane, als Sadlers Wells erhalten hatte.

Zweites Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

1788 bis 1795

Des Vaters wirklicher Tod. – Sein Testament und des Testamentsvollstreckers Bankerott. – Edelmütiges Benehmen des Lehrers Grimaldi’s und des Schauspielers Wrougthon. – Sheridan’s Wohlwollen. – Grimaldi’s Mühen und Erholungen. – Insekten-Fangen. – Exkursion nach den »Dartford-Bläulingen.« – Mrs. Jordan. – Abenteuer aus Clapham Common; der blecherne Sixpence. – Grimaldis erste Liebe.

Nach verschiedenen öffentlichen Angaben starb Grimaldis Vater im Jahre 1787; aus mehreren Stellen der von dem Sohne diktierten Memoiren geht aber hervor, daß er am 14. März 1788 an der Wassersucht im siebenundachtzigsten Lebensjahre gestorben und auf dem Begräbnisplatze der Exmouthstraßen-Kapelle begraben ist, wo er – wenn der Platz zu jener Zeit nicht etwa größer als jetzt gewesen – bei seiner Lebzeit sehr wenig Raum zum grübelnden Umherwandeln gehabt hat. Er hinterließ ein Testament, und verordnete darin, daß seine sämtlichen Effekten und Juwelen in öffentlicher Versteigerung verkauft werden sollten; die daraus zu lösende Summe habe man seinem baren Vermögen, das sich auf mehr als 15 000 Pfund belief, hinzuzufügen, und das ganze zwischen den beiden Brüdern gleich zu verteilen, sobald sie zur Mündigkeit gelangten. Er hatte den schon genannten Mr. King zum Mit-Testamentsvollstrecker neben einem gewissen Mr. Joseph Hopwood ernannt, einen Spitzenfabrikanten in Long Acre, der in dem Rufe stand, nicht bloß Inhaber eins großen Geschäfts, sondern auch Besitzer eines beträchtlichen unabhängigen Vermögens zu sein. Mr. King lehnte die Mitwirkung ab, Mr. Hopwood legte das ganze Kapital der Brüder in seinem Geschäfte an, machte binnen Jahresfrist Bankerott, entfloh aus dem Lande, und man hat niemals wieder etwas von ihm gehört. So verloren die Brüder ihr Vermögen und waren wegen ihres Unterhalts auf ihre eigenen Hilfsquellen und Anstrengungen verwiesen.

Es ehrt sowohl die Freunde der Witwe und ihre Söhne, als es für den Charakter und das Benehmen der Familie Grimaldi zeugt, daß ihr sogleich von allen Seiten Beistand zuteil wurde. Mr. Ford, Grimaldi’s Lehrer, erbot sich, Joseph in seine Pensions-Anstalt aufzunehmen und ihn zu adoptieren. Die Mutter wies dieses Anerbieten zurück, und nun erhöhte Sheridan, der damals Eigentümer des Drury Lane Theaters war, des Knaben Gehalt aus freien Stücken auf ein Pfund wöchentlich und erlaubte der Mutter, die bei demselben Theater von Kindheit an Tänzerin gewesen war und noch war, ein ähnliches Engagement in Sadlers Wells anzunehmen, was der Tat nach einem doppelten Saläre gleichkam, da beide Schauspielhäuser während eines beträchtlichen Teils des Jahres zugleich geöffnet waren.

In Sadlers Wells, wo Joseph im Jahre 1788 kurz nach seines Vaters Tode wie gewöhnlich auftrat, war man weniger großmütig. Sein Gehalt wurde ohne alle Umstände von fünfzehn Schillingen wöchentlich auf drei heruntergesetzt, und der Mutter auf ihre Gegenvorstellungen erwidert, wenn die Änderung ihren Beifall nicht habe, so stehe es ihrem Sohne vollkommen frei, seine schätzbaren Dienste jedem beliebigen anderen Hause zu widmen. So gering indes das angebotene Gehalt war, sie konnte es nicht entbehren, und Joe blieb daher beim Sadlers Wellstheater drei Jahre lang für drei Schillinge wöchentlich, beaufsichtigte das Requisitenzimmer, leistete bald dem Zimmermanne, bald dem Maler Beistand und half, mit einem Worte, wo oder wie es gerade erforderlich war.

Als die Familie ihr Vermögen verloren hatte, mußte sie eine bescheidene Wohnung suchen, und fand sie im Hause eines Bekannten, Mr. Bailey’s in der Great-Wildstraße, wo sie mehrere Fahre wohnte. John war nicht zu bewegen, ein regelmäßiges Engagement anzunehmen, denn alle seine Gedanken und Träume drehten sich um den Plan, zur See zu gehen, und obenein hegte er den ausgemachtesten Widerwillen gegen die Bühne. Man ließ ihn bisweilen holen, wenn man in Drury Lane bei einer Vorstellung Knaben bedurfte, er erschien und erhielt einen Schilling für den Abend; allein seine Unlust und Abneigung war so offenbar, daß der Schauspieler Wroughton, der um diese Zeit nach Mr. King durch Kauf Eigentümer des Sadlers Wells-Theaters wurde, zu seinen Gunsten einschritt, und ihm eine Stelle an Bord eines Ostindien-Fahrers verschaffte, der soeben absegeln sollte.

John war fast außer sich vor Freude, die jedoch durch die Entdeckung getrübt wurde, daß eine Equipierung notwendig sei und über 13 Pfund kosten würde, eine Summe, welche die Mutter herbeizuschaffen außerstande war. Doch derselbe gutherzige Herr entfernte das Hindernis, gab mit einer Bereitwilligkeit, welche den Wert der Wohltat hundertfach erhöhte, ohne Sicherheit oder Handschrift die ganze erforderliche Summe her, und sagte nur: »Hör’, John, wenn Du Kapitän wirst, mußt Du mir das Geld zurückzahlen.«

Nach zwei Tagen nahm John von den Seinigen Abschied und wurde an Bord gebracht, wo er, nachdem er gehört, daß das Schiff erst in acht bis zehn Tagen absegeln würde, ungeduldig und seine ganze Ausstattung zurücklassend, nach einem in der Nähe liegenden königlichen Flottenschiffe schwamm, das im Begriff war, die Anker zu lichten, sich unter einem angenommenen, den Seinigen nie bekannt gewordenen Namen als Matrose oder Kajütenjunge einschreiben ließ, verschwand, und vierzehn Jahre lang nichts von sich weder sehen noch hören ließ.

Joe war zu dieser Zeit weit entfernt, müßig zu sein. Er mußte jeden Morgen von Drury Lane nach Sadlers Wells wandern, um den Proben beizuwohnen, welche damals um zehn Uhr ihren Anfang nahmen; um zwei Uhr zum Mittagessen wieder in Drury Lane sein, wenn er nicht gar verhungern wollte; durfte abends sechs Uhr den Anfang der Vorstellungen in Sadlers Wells nicht versäumen, und war dann bis elf Uhr oder noch später so unablässig beschäftigt, daß er sich wohl zwanzigmal umzukleiden hatte.

So vergingen ihm einige Jahre im gewöhnlichen Gleise, nur daß er immer größere Fortschritte in seinem Fache und der Gunst beim Publikum machte, was denn auch Einfluß auf seine Einnahme hatte. Im Jahre 1794 wurde sein Gehalt in Drury Lane verdreifacht, während er in Sadlers Wells von drei Schillingen wöchentlich bis zu vier Pfunden gestiegen war. Er wohnte während dieser ganzen Zeit mit seiner Mutter in der Great-Wildstraße. Der Hauswirt war gestorben, und die Tochter der Witwe desselben hatte, indem sie Mrs. Grimaldi häufig nach Sadlers Wells begleitet, Mr. Robert Fairbrother, der sowohl dort als in Drury Lane engagiert war, kennen gelernt und geheiratet, worauf ihn Mrs. Bailey in ihr Kürschnergeschäft mit aufnahm, das er mit außerordentlichem Glück betrieb.

Grimaldi verdiente sich manche Guinee von Mr. Fairbrother, indem er demselben in seinen Mußestunden beim Rauchhandelgeschäft half und sich nebenher belehren ließ, ebenso wie er häufig, wenn in jenem nichts zu tun war, nach der Newtonstraße ging, und seinen Verwandten beim Schlachtgeschäfte umsonst Hilfe leistete: so groß war sein Widerwillen gegen das Müßig-Sein. Er sagt uns nicht, ob es praktischer Geschäftskenntnis bedurft, um jenes Geschick und die Gewandtheit zu zeigen, womit er späterhin in seiner Glanzperiode die Braten seiner Kunden als Bäcker verkürzte, oder das Gewicht des Fleisches als Fleischer künstlich vergrößerte, hoffen aber zur Ehre des Bäcker-und Metzger-Geschäfts, daß seine Moral in dieser Beziehung lediglich eine imaginäre gewesen ist.

So stand es mit seinen Beschäftigungen, wobei es indes auch an Vergnügungen nicht fehlte. Er hatte Tauben, sammelte Insekten und brachte eine Sammlung von 4000 Fliegen zusammen, die ihn, wie er sagt, »viel Zeit, Geld und Mühe gekostet«, wofür ihn jedoch der Entomologist hinreichend belohnt erachten wird. Er erinnerte sich noch in seinem Alter mit Lust dieser Bestrebungen und rief sich gern eine Gegend in Surrey und eine andere in Kent zurück, wo sich zwei berühmte Fliegen fanden. Eine derselben hieß »die Schönheit von Camberwell« (sie war äußerst häßlich, wie er sagt) und die andere »Datford-Bläuling«, wovon er einen großen Vorrat sammelte und deren Fang er sich, als sie sich zeigten, im Juni nämlich, große Anstrengungen kosten ließ.

Da er jeden Abend in Sadlers Wells spielen mußte, war er genötigt, sich zu gedulden, bis seine Geschäfte auf dem Theater beendet waren. Er begab sich darauf nach Hause, aß zu Abend und machte sich um Mitternacht nach dem fünfzehn Meilen von London entfernten Dartford auf den Weg, wo er um fünf Uhr morgens bei einem Freunde, namens Brooks, anlangte, ausruhte und frühstückte, um dann auf den Feldern umherzustreifen. Er war nicht eben glücklich, denn er hatte nach einigen Stunden nur einen einzigen Dartford Bläuling gefunden, mit welchem er jedoch, vorläufig vollkommen befriedigt, zu dem Freunde zurückkehrte. Um ein Uhr nahm er von dem letzteren Abschied, langte in London um fünf an, kleidete sich um, trank seinen Tee und eilte nach Sadlers Wells. Es war keine Zeit zu verlieren (denn die Erscheinung der Dartford Bläulinge stand fest), wenn er noch mehr Exemplare erlangen wollte; sobald daher Pantomime und Abendessen beendet waren, marschierte er abermals nach Dartford ab, fing diesesmal vier Dutzend Bläulinge, spießte sie kunstgerecht auf, war um vier Uhr nachmittags wieder zu Hause und zur gehörigen Zeit auf dem Theater. Allein die notwendige Anzahl Bläulinge war noch nicht gefangen; er freute sich zu hören, daß die Pantomime zuerst gespielt werden sollte, konnte daher London schon um neun verlassen, erreichte Dartford um ein Uhr, aß, und legte sich ermüdet zu Bett. Der folgende Tag war ein Sonntag, er brauchte daher nicht nach der Stadt zurückzukehren, fing im Laufe des Morgens mehr Bläulinge, als er bedurfte, und brachte den Mittag und Nachmittag vergnüglich bei dem Freunde zu. Am Montag-Morgen stand er früh auf und hatte um Mittag seine Rolle, nachdem er der Probe beigewohnt, vollkommen inne.

Wir können annehmen, daß Grimaldi durch diese und ähnliche Bestrebungen, bei Mäßigkeit und Nüchternheit, einen großen Teil jener Körperkraft und Gewandtheit erlangte, ohne welche er es in seiner Kunst nicht so weit gebracht haben würde. Indes war seine Liebe zur Entomologie nicht der einzige Beweggrund bei seinen Ausflügen nach Dartford; ein anderer, stark wirkender war der, daß er »einer der liebenswürdigsten Frauen ihrer Zeit« – der unglücklichen Mrs. Jordan, welche damals beim Drury Lane-Theater engagiert war, eine kleine Insekten-Sammlung versprochen hatte.

Einst trug er während einer Vormittags-Probe eine Schachtel mit Insekten unter dem Arme. Mrs. Jordan neugierig zu wissen, was darin wäre, verlor sie nicht aus den Augen, fragte endlich, was sie Artiges enthielte, und seine Antwort bestand darin, daß er die Schachtel öffnete und ihr die Insekten zeigte. Er sagte nicht, ob es Dartford-Bläulinge gewesen, wohl aber, daß er große Geschicklichkeit, sie wohl zu erhalten und zu ordnen, besessen, und daß er die ganze Mühe aus ehrerbietiger Galanterie gegen die einnehmendste Dame ihrer Zeit übernommen und derselben, nach zuvor erhaltener Erlaubnis, am ersten Tage der neuen Saison und nachdem sie die Probe der Rosalinde in »Wie es Euch gefällt« beendigt, zwei Rahmen mit Insekten überreicht habe; daß Mrs. Jordan (und er selbst wenigstens ebenso sehr) entzückt gewesen, die Rahmen in ihrem Wagen mit nach Hause genommen und sein Herz durch die Mitteilung erfreut habe, daß seine Königliche Hoheit, der Herzog von Clarence, die Insekten so schön, wo nicht schöner gefunden, als irgend etwas der Art, das er jemals gesehen.

Sein einziger Begleiter, außer dem Dartforder Freunde, bei diesen Ausflügen war Nobert Gomery, oder »Freund Bob«, wie er von seinen näheren Bekannten genannt wurde, zu jener Zeit Schauspieler beim Sadlers Wells-Theater, und später während vieler Jahre ein Liebling des Publikums in den kleineren Theatern der Hauptstadt. Er lebt oder lebte wenigstens bis vor kurzem von seinem Gelde in Bath. Grimaldi hatte ein kleines Abenteuer mit ihm, das er mit großem Vergnügen zu erzählen pflegte.

Er war eines Tages mit Freund Bob vom frühen Morgen bis an den Abend auf der Insektenjagd gewesen, und sie hatten an nichts anderes gedacht.

»Bob,« sagte Grimaldi endlich, »ich bin sehr hungrig.«

»Ich auch,« erwiderte Bob.

»Da ist ein Wirtshaus,« bemerkte Grimaldi.

»Kommt uns gerade recht,« sagte Nobert Gomery.

Grimaldi war dessen minder gewiß. Es war ein sehr gutes Gasthaus, allein er hatte kein Geld, und zweifelte auch stark, ob sein Freund damit versehen wäre.

»Laß uns hineingehen,« fuhr Bob fort. »Es wird spät – Du bezahlst.«

»Nein, nein; Du!«

»Ich würde es gern tun, habe aber kein Geld bei mir.«

Grimaldi griff mit einem seiner lächerlichsten Gesichter erst in die rechte, dann in die linke, dann in die Rock-und die Westen-Taschen, nahm zuletzt den Hut ab und schaute hinein, allein nirgend wollte sich Geld finden.

Sie näherten sich inzwischen dem Gasthause, und berieten äußerst niedergeschlagen mit sich selbst, als Grimaldi plötzlich unter einem Baume ein Geldstück erspähte, es aufhob und unter vielen pantomimischen Freuden-Bezeugungen ausrief: »Ein Sixpence, ein Sixpence!«

Die Mienen des hungrigen Freundes erheiterten sich, nahmen jedoch bald wieder ihren trübseligen Ausdruck an. »Es ist ein Stück Blech,« sagte er.

Grimaldi rieb und beschaute den Fund um und um, und behauptete das Gegenteil. Der Freund drückte kopfschüttelnd fortwährend Zweifel aus.

»Ich will Dir etwas sagen,« entgegnete Grimaldi, »wir wollen hineingehen und den Wirt fragen. Diese Leute wissen dergleichen am besten.«

Bob stimmte bei; sie eilten weiter, und hörten nicht auf zu streiten, ob der Fund ein Stück Geld, oder ein Stück Blech wäre. Das Geld war zu jener Zeit so abgegriffen, daß über eine Frage dieser Art allerdings Zweifel obwalten konnten.

Der Wirt, ein munterer beleibter Mann, stand vor der Tür und sprach mit jemand. Das Haus sah so einladend aus, daß sich Gomery, als sie bis auf wenige Schritte herangekommen waren, nicht enthalten konnte, Grimaldi zuzuflüstern, es möchte das beste sein, daß sie sich vor allen Dingen Brot und Käse geben ließen und dann erst die große Frage an den Wirt richteten.

Grimaldi nickte ihm Billigung zu, sie gingen hinein und forderten Brot, Käse und einen Trunk Bier. Sobald sie die ungestümsten Forderungen ihres Hungers befriedigt hatten, bedienten sie sich eines Hellers, den Grimaldi noch in einer seiner Taschen entdeckt, um nach »Schrift oder Bild« entscheiden zu lassen, wer den Sixpence vorzeigen sollte. Das Los traf Grimaldi; er trat gravitätisch zu dem Wirte, legte die zweifelhafte Münze mit seiner ganzen eigentümlichen Würde vor ihm auf den Tisch und forderte ihn auf, sich davon bezahlt zu machen.

»Ganz recht, Sir,« sagte der Wirt, nach der wunderbaren Miene, die Grimaldi angenommen, statt nach dem Sixpence zu sehen.

»Ist es auch recht, Sir?« fragte Grimaldi.

»Allerdings, ich danke Ihnen, meine Herren,« erwiderte der Wirt und steckte die Münze, oder was es sonst war, in die Tasche.

Gomery sah Grimaldi an, und Grimaldi ging mit einer Miene und einem schlechterdings unbeschreiblichen Wesen, gefolgt von seinem Freunde, aus dem Hause hinaus.

»Solch ein Glück ist mir noch niemals begegnet,« sagte er. »Der Sixpence war eine wahrhaftige Gottesgabe.«

»Das Blechstück willst Du sagen,« bemerkte Gomery.

Ob der Fund das eine oder andere war, ist ungewiß, allein Grimaldi besuchte dasselbe Gasthaus späterhin noch öfter, und da der Sache nicht wieder erwähnt wurde, so hielt er sich vollkommen überzeugt, daß es ein guter wirklicher Sixpence gewesen sei.

Anfangs 1794 bezog er mit seiner Mutter ein sechs Zimmer enthaltendes Haus in Penton Place, Pentonville, mit einem Garten. Sie überließen einige der Zimmer einem Mr. Lewis und dessen Frau, welche in Sadlers Wells engagiert waren, lebten so drei Jahre. Da Grimaldi’s Gehalt eine Steigerung erfahren hatte, so fing er an, sich als vollkommen unabhängig zu betrachten. Zu Ostern nahmen die Vorstellungen in Sadlers Wells wie gewöhnlich ihren Anfang. Er machte Furore in einer neuen Rolle, und sein Ruf nahm rasch bedeutend zu. Er knüpfte zu dieser Zeit eine neue Bekanntschaft an, die für viele Jahre einen wesentlichen Einfluß auf sein Lebensglück gewann. Es ging damit folgendermaßen zu.

Wenn Probe in Sadlers Wells war, pflegte seine, bei dem dortigen Theater gleich ihm selbst engagierte Mutter den ganzen Tag im Schauspielhause zuzubringen, im Ankleidezimmer zu essen und sich mit Nähtereien zu beschäftigen. Sie hatte dies angefangen, weil die Great-Wildstraße von Sadlers Wells sehr weit entfernt war, und als sie in Penton Place dem Schauspielhause so viel näher wohnte, setzte sie es fort, weil sie sich einmal daran gewöhnt hatte. Mr. Hughes, der zu dieser Zeit Haupteigentümer des Theaters geworden war und ein anstoßendes Haus bewohnte, hatte mehrere Kinder. Das älteste derselben war eine Tochter. Miß Maria Hughes war eine ausgezeichnete junge Dame. Sie hatte immer sehr viel von Grimaldi’s Mutter gehalten und benutzte jede Gelegenheit, in ihrer Gesellschaft zu sein; sie pflegte bei ihr von drei oder vier bis sechs Uhr, mit einer weiblichen Arbeit beschäftigt, im Ankleidezimmer zu verweilen, und ging, wenn die anderen beim Theater engagierten Frauenzimmer sich einstellten. Grimaldi pflegte sich zwischen vier und fünf Uhr einzufinden, trank zur letztgenannten Stunde den Tee mit seiner Mutter und blieb ebenso lange wie sie. So entstand zwischen ihm und Miß Hughes eine genauere Bekanntschaft, die allmählich wärmere Gefühle erweckte.

Den folgenden Tag, nachdem er in seiner neuen Rolle so großen Beifall geerntet, begab er sich wie gewöhnlich in das Ankleidezimmer, wo ihn seine Hausbewohnerin, Mrs. Lewis, die Garderobemeisterin, die zufällig anwesend war, mit Lobsprüchen überhäufte. Miß Hughes war gleichfalls zugegen, sagte aber lange Zeit nichts, und Grimaldi hörte so ungeduldig, als er konnte, Mrs. Lewis zu. Er hätte Miß Hughes lieber eine Minute, als die letztere eine Stunde reden hören. Endlich schwieg sie, um Atem zu schöpfen, wie die besten Redner von Zeit zu Zeit nicht umhin können, und nun blickte Miß Hughes auf und sagte mit einigem Stocken, Mr. Grimaldi hätte ihrer Meinung nach die Rolle außerordentlich gut gespielt, so gut, daß es ihm sicher niemand gleich tun könnte.

Grimaldi hatte auf dem Wege nach Sadlers Wells die Sache überlegt und beschlossen, wenn Miß Hughes sein Spiel loben würde, mit einer feinen und wohlgesetzten Schmeichelei zu erwidern, die eine Andeutung auf den Zustand seiner Gefühle enthielte. Er hatte mehrere ausgesonnen, vermochte aber, sobald ihm Miß Hughes ihr Lob ausgesprochen, kein Wort hervorzubringen, errötete stark, nahm eine sehr spaßhafte Miene an, fühlte sich äußerst verlegen, machte endlich eine ungeschickte Verbeugung und ging nach der Tür, um sich zu entfernen.

Es war sechs Uhr, und die Damen traten eben herein. Er war stets eine Art Liebling derselben gewesen, und ein paar der lebhaftesten und mutwilligsten – deren einige es in fast allen Schauspielerinnen – wie anderen Gesellschaften gibt – lobten zuerst sein Spiel und zogen ihn sodann mit einem anderen Gegenstande auf.

»Joe ist so unendlich beliebt geworden,« sagte die eine, »daß er sich nach einem Liebchen umsehen sollte.«

Hier blickte Joe nach Miß Hughes, und errötete noch weit stärker. »Sehr wahr,« fiel die zweite ein. »Was sagen Sie zu einer von uns, Joe?«

Joe wurde so betreten, daß sein Aussehen ein allgemeines Gelächter erregte.

»Wenn ich nicht sehr irre, meine Damen,« nahm Mrs. Lewis das Wort, »so hat Joe bereits ein Liebchen.«

Eine andere Dame sagte, sie wisse bestimmt, daß er deren zwei, noch eine andere, daß er deren drei hätte, und so fort. Er stand unterdessen mit gesenkten Blicken fast außer sich vor Unruhe und Verdruß da, zu denken, daß Miß Hughes diese Anklagen hörte und ihnen vielleicht gar Glauben schenkte.

Er eilte endlich hinaus, überlegte noch reiflicher, und gelangte bald zu dem Schlusse, daß Mr. Hughes’ schöne Tochter einen unauslöschlichen Eindruck auf sein Herz gemacht habe und daß er gar nicht heiraten möchte, wenn sie ihn nicht erhörte, in welchem Falle er für immer unglücklich sein würde; anderer ähnlichen Folgerungen nicht zu gedenken, wie sie von jungen Leuten aus gleichen Vorsätzen gezogen zu werden pflegen. Mehrfache Sorgen und Befürchtungen begleiteten jedoch die Entdeckung. Der gewünschten Verbindung schien sich in seinen und der Dame so verschiedenen Verhältnissen ein fast unüberwindliches Hindernis entgegenzustellen; er hatte keinen Grund zu glauben, daß Miß Hughes andere Gefühle für ihn hege, als solche, die sie gegen den Sohn einer Freundin, welche sie schon lange gekannt hatte, zu unterhalten geneigt sein möchte. Diese Betrachtungen machten ihn so unglücklich, als der leidenschaftliche Liebhaber zu sein wünschen konnte. Er aß wenig, trank wenig, schlief noch weniger, verlor seine heitere Laune und ließ mit einem Worte eine große Menge von Krankheitsanzeichen blicken, dergleichen unter allen Umständen bedenklich gewesen sein würden, es aber besonders bei einem Patienten waren, bei welchem die Erfüllung seiner schwachen Hoffnungen hauptsächlich davon abhing, daß er sich seine humoristische heitere Laune bewahrte.

Drittes Kapitel.

Inhaltsverzeichnis

Glückliche Liebeswerbung. – Ein Unfall und die »Grimaldi-Tinktur«. – Wachsende Gunst des Publikums. – Einbruch durch eine Diebesbande. –