Comanchen Mond Band 2 - G. D. Brademann - E-Book

Comanchen Mond Band 2 E-Book

G. D. Brademann

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Beschreibung

In der Fortsetzung von "In den Plains" trifft Summer-Rain nach ihrer langen Reise in ihrem Dorf ein, das soeben von der US-Armee angegriffen wird. Als sie in dem blutigen Chaos versucht, eine Freundin zu retten, gerät sie in Gefangenschaft und wird schwer misshandelt. Running-Fox, der ebenfalls auf dem Weg zu den Comanchen ist, gelingt es, sie zu befreien. Doch die Wiedersehensfreude ist nur von kurzer Dauer: Beide kommen einem Geheimnis auf die Spur, das auf immer zwischen ihnen stehen wird. Nach dem Angriff entschließt sich die kleine Antilopenbande, das Gebiet im Colorado-Territorium aufzusuchen, das ihnen vor vielen Wintern als Geschenk des Friedens versprochen wurde. Um vor weiteren Übergriffen der US-Armee sicher zu sein, schicken sie Summer-Rain in Begleitung eines Kriegers aus, um den Weg zu erkunden. Immer wieder geraten die beiden in Lebensgefahr, denn ein Pawnee-Kundschafter der Armee ist ihnen auf den Fersen und sinnt nach Rache. Auch in Colorado droht Gefahr, denn John Black, der liebenswerte alte Trapper, ist inzwischen gestorben und hat Summer-Rain als Haupterbin seines Vermögens eingesetzt. Frank Hamilton, der geldgierige Schwager des Trappers, sieht sich um sein Erbe geprellt und sendet Ben Grifford aus, um die unliebsame Erbin aus dem Weg zu räumen. Wer ist Summer-Rain wirklich? Der zweite Teil der Comanchen Mond Saga bringt überraschende Wendungen und erzählt mehr über die Vergangenheit von Summer-Rain und Running-Fox.

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Ähnliche


Comanchen Mond

Der letzte Sommer in den Plains

Historischer RomanvonG.D. Brademann

Impressum

Comanchen Mond Teil 2, G.D. Brademann

TraumFänger Verlag Hohenthann, 2021

1. Auflage eBook Juli 2021

eBook ISBN 978-3-941485-99-0

Lektorat: Michael Krämer

Satz und Layout: Janis Sonnberger, merkMal Verlag

Datenkonvertierung: Bookwire

Titelbild: Frank McCarthy

Copyright by TraumFänger Verlag GmbH & Co. Buchhandels KG,

Hohenthann

Printed in Germany

Die Wahrheit, vor der wir uns fürchten,liegt so lange im Dunkeln,bis wir bereit sind, sie zu erkennenund ans Licht zu bringen.

Für meine Großmutter Hilda Brademann,die mir kurz vor ihrem Tod 1961 einen silbernen Armreif schenkte,in den innen die Namen Selma, Else, Marie, Gertrud, Frieda,Eliese, Marta und Berta eingraviert waren.

Inhalt

Teil II Der letzte Sommer in den Plains

2.Kapitel

3.Kapitel

4.Kapitel

5.Kapitel

6.Kapitel

7.Kapitel

8.Kapitel

9.Kapitel

10. Kapitel

11. Kapitel

12. Kapitel

13. Kapitel

14. Kapitel

15. Kapitel

16. Kapitel

17. Kapitel

18. Kapitel

19. Kapitel

20. Kapitel

21. Kapitel

22. Kapitel

23. Kapitel

24. Kapitel

25. Kapitel

26. Kapitel

27. Kapitel

28. Kapitel

29. Kapitel

30. Kapitel

31. Kapitel

32. Kapitel

33. Kapitel

34. Kapitel

35. Kapitel

Teil II

Der letzte Sommer in den Plains

Die klaren Wasser des texanischen Colorado River spülten kleine Wellen bis an das versandete, allmählich steiler werdende Ufer. Auf der anderen Seite schirmte dichtes Gehölz die dahinterliegende Böschung ab. Der Fluss, aus dem Llano Estacado kommend, hatte bereits eine felsige Berglandschaft hinter sich gelassen, um hier – an zahlreichen Canyons vorbei – durch offene Prärie nach Südosten zu fließen. Viele Meilen weiter kam der Concho River mit seinem meist schlammigen Wasser dazu, bevor er – noch vor dem San Saba, dem Llano River und schließlich dem Pedernales – an Austin vorbei in den Golf von Mexiko mündete.

Die Tipis der Antilopenbande standen wie immer in loser Formation entlang des Flusses. Lediglich Familien gruppierten sich enger zusammen. Mittlerweile hatte der Monat begonnen, den die Comanchen ‚Mond der herabfallenden Blüten‘ nennen. Dark-Nights Augen sahen noch eingefallener aus als sonst, durch dunkle Schatten untermalt, ihre Wangen hohl und blass. Großmutter plagte ihre Arthritis. Manchmal konnte sie kaum mehr die Finger zu Fäusten ballen.

Dream-In-The-Days Schwangerschaft war inzwischen gewaltig fortgeschritten. Sie trug ihren runden, gewölbten Bauch stolz vor sich her. Irgendwie sah sie hübscher aus – das musste auch Magic-Flower bemerkt haben. Sie hielt sich mit ihrer spitzen Zunge in letzter Zeit etwas zurück. Woran das lag, konnte man nur vermuten. Wahrscheinlich bekam das hübsche Mädchen auf einmal keinen Zuspruch mehr, wenn es wie immer lästernd über andere herfiel. Ihre schamlose Art, Dream-In-The-Day schlechtzumachen, kostete sie ihre einstigen Freundinnen.

Dream-In-The-Day dagegen besaß seit ihrer Heirat mit Gray-Wolf mehr Einfluss als jemals zuvor. Die Konsequenz, mit der sie immer schon ihre Meinung vertrat, hatte sie auch jetzt nicht abgelegt. Crow-Wing hingegen musste sich vorsehen, um nicht ganz und gar in Ungnade zu fallen. Die meisten Frauen nahmen es ihr übel, dass sie sich in die Angelegenheiten ihres Mannes einmischte, was Dark-Night betraf. Immer öfter schlossen sie sie daher von ihren gemeinsamen Vergnügungen aus. Dabei hätte sie doch froh sein sollen, sich mit einer so jungen Frau die Arbeiten teilen zu können. So jedenfalls dachte die Mehrheit. Crow-Wing wollte davon nichts hören. Sie war bisher ohne Dark-Night ausgekommen und wollte sich auch in Zukunft in nichts hineinreden lassen. Der eigentliche Grund jedoch war ihre immerwährende Eifersucht.

Icy-Wind aber kümmerte sich nicht um die Zwistigkeiten in seinem Tipi. Für ihn zählte nur seine eigene Bequemlichkeit. Mochten sich doch seine beiden Frauen in die Haare kriegen – was kümmerte es ihn? Und das Geschwätz der Weiber interessierte ihn sowieso nicht. Trotzdem war er von Tag zu Tag misstrauischer geworden.

Dann war dieser Zwischenfall auf dem Geröllfeld passiert. Er hatte sich dazu hinreißen lassen, Crow-Wings Zuflüsterungen zu glauben, und sich dabei beinahe vor dem ganzen Lager blamiert. Natürlich vermutete er auch heute noch, dass ihn damals Light-Cloud zusammen mit Storm-Rider hereingelegt hatte. Doch die beiden waren dabei so geschickt vorgegangen, dass es keinerlei Beweise gab. Nun lauerte er auf eine Gelegenheit, es ihnen zu vergelten – vor allem Light-Cloud. Sich von seiner eigenen Frau vorführen zu lassen, das war gegen seine Ehre, und so sann er auf Rache. Der Tagesablauf eines Kriegers war angefüllt mit Arbeit. Er hatte ein Recht darauf, wenigstens in seinem Tipi Ruhe und Erholung zu finden. Immerhin bestand für ihn die Möglichkeit, sich mit diesem Problem an ihren Häuptling, Old-Antelope, zu wenden. Das hätte die Sache ein für alle Mal aus der Welt geschafft. Der alte Mann stand seit vielen Wintern an der Spitze der Antilopenbande. Sie liebten und achteten ihn für die Art, wie er Streitigkeiten schlichtete, bei Familienzwisten ein gerechtes Urteil fällte, ja, sogar die jungen Krieger in ihrem Übermut zu zügeln verstand. Für Recht und Ordnung im Lager zu sorgen, war für ihn eine stetige Herausforderung. Dass es keine größeren Streitigkeiten gab, dafür sorgte er zusammen mit Great-Mountain. Niemandem war es bisher eingefallen, diesen beiden ihre Positionen streitig zu machen.

Anstatt sich an sie zu wenden, verbrachte Icy-Wind in letzter Zeit die Tage damit, seiner zweiten Frau hinterherzuspionieren. Sollte sie ihn mit Light-Cloud betrügen, würde er das über kurz oder lang selber herausfinden. Kein Tag verging, an dem er nicht dort auftauchte, wo sie gerade war. Einige der Männer, besonders die jungen, machten sich bereits einen Spaß daraus, ihn in die Irre zu führen. Dieser Zustand konnte nicht mehr lange gutgehen. Das war wie bei dem Topf mit Fleischbrühe über dem Feuer; wenn man nicht aufpasste, kochte irgendwann alles über.

Eine friedliche Lösung wäre für alle Beteiligten am besten gewesen und hätte endlich wieder Ruhe einkehren lassen. Doch das galt nicht für einen so nachtragenden und in seiner Ehre gekränkten Mann wie Icy-Wind. Die Feindschaft zwischen ihm und Light-Clouds Familie rührte noch aus den Zeiten von Sun-In-The-Red-Hair. Eine Entscheidung musste endlich fallen. Diese ganze Sache begann bereits Zwietracht in der kleinen Gemeinschaft zu säen. Die Meinungen, was Light-Cloud betraf, wenn etwas an der Sache dran sein sollte, oder Icy-Winds Recht gingen inzwischen weit auseinander. Ja, es wurden bereits unter der Hand Wetten abgeschlossen, was die Möglichkeiten einer Lösung betraf. Da gab es verschiedene. Bestrafte Icy-Wind seine Frau, indem er sie verunstaltete? Schickte er sie zurück, oder würde er Light-Cloud herausfordern? Eine offene Auseinandersetzung konnten sich viele, die Icy-Winds hochfahrende Art kannten, durchaus vorstellen. Mord – so etwas kam unter Comanchen so gut wie nie vor.

Red-Eagle befürchtete das Schlimmste. Doch es stand auch ihm in seiner Position als amtierender Kriegshäuptling nicht zu, sich in Familienangelegenheiten einzumischen. Vermitteln, ja. Dazu wäre er bereit; eine andere Möglichkeit gab es für ihn nicht. Kein Häuptling hatte das Recht, jemandem etwas zu befehlen. Sollte er das tun, dann wäre er die längste Zeit Häuptling gewesen. Für Icy-Wind selbst kam nur eine einzige Möglichkeit in Frage: Er musste Light-Cloud an seiner empfindlichsten Stelle treffen – und die hieß Dark-Night. Um mit erhobenem Kopf aus der ganzen leidigen Angelegenheit herauszukommen, war er bereit, seinen Widersacher zu töten. Niemand beleidigte ihn, der einst wie ein eisiger Wind über seine Feinde gekommen war, ungestraft. In seiner verletzten Eitelkeit konzentrierte er sich voller Wut auf Dark-Night. So verging kein einziger Tag, an dem sie nicht mit neuen Zeichen einer Misshandlung auftauchte. Früher wäre ihm so etwas nie in den Sinn gekommen. Jetzt jedoch war es ihm eine heimliche Freude, zu sehen, wie Light-Cloud nur noch von seinen Freunden daran gehindert wurde, offen gegen ihn vorzugehen. Manchmal sah sich Dark-Night gar nicht mehr in der Lage, das Tipi zu verlassen. Dann war es am Schlimmsten für Light-Cloud. Einmal musste Great-Mountain sogar eingreifen, um ihn daran zu hindern, sofort zu Icy-Wind in dessen Tipi zu stürmen. Um das Ganze noch auf die Spitze zu treiben, war auch Crow-Wings Verhalten der kleinen Mexikanerin gegenüber kaum noch auszuhalten. Sie sah in dieser Entwicklung ihre Position als Hauptfrau mehr als je zuvor gestärkt.

Jemand musste endlich etwas unternehmen. Es war ja nicht so, dass die Männer im Lager großes Interesse am Wohlergehen Dark-Nights bekundeten. Doch das Ganze brachte allmählich zu viel Unruhe auch in ihre Tipis. An den Feuern gab es nur noch ein Thema. Das war gar nicht gut. Auch für Light-Clouds Freunde – und das waren wesentlich mehr als die von Icy-Wind – stand seine Ehre auf dem Spiel. Es musste unbedingt und so schnell wie möglich eine Lösung her, denn inzwischen hatte sich die ganze Angelegenheit zu weit zugespitzt.

An einem sonnigen Morgen trafen sich deshalb sechs junge Männer mit Light-Cloud an einer Stelle oben auf einem Geröllfeld, von dem aus man den Großteil der Tipis am Fluss überblicken konnte. Einige sacht vorgefühlte Gespräche mit Icy-Wind waren bereits gescheitert; Red-Eagle hatte ihn in sein Tipi eingeladen, ihn bestens bewirtet und zusammen mit Moon-Night Andeutungen gemacht. Das Ganze war natürlich völlig schiefgelaufen, denn Icy-Wind hatte sofort gewusst, worum es ging, und wutentbrannt das gastliche Tipi verlassen – ein Affront gegen Red-Eagle. Zum Glück bewahrte der ruhig Blut und tat das nur mit einer gleichgültigen Geste ab. Doch in seinem Innersten brodelte es. Warum nur sträubte sich Icy-Wind so sehr gegen eine friedliche Einigung? Schließlich ging es hier nur um eine Frau – noch dazu um eine Mexikanerin.

Jetzt saßen die jungen Männer beisammen und sprachen eifrig miteinander. Endlich, nachdem sie sämtliche Möglichkeiten durchgegangen waren, kamen sie zu dem Entschluss, dass das alles nur auf einen Zweikampf hinauslaufen konnte. Light-Cloud, der es nicht mehr aushielt, bei Dark-Nights Misshandlungen tatenlos zuzusehen, war zum Äußersten entschlossen. Er stand für einen Kampf bereit. Diese Entwicklung der Dinge hätte er sich beim besten Willen zu Beginn seiner Liebschaft mit der Mexikanerin nicht vorstellen können. Was als harmlose Tändelei begonnen hatte, war tödlicher Ernst geworden. Mit seinen zweiunddreißig Wintern hätte er es eigentlich besser wissen müssen. Seine wertvollsten Pferde – ja, sogar die aus der Züchtung seines verstorbenen Vaters – wäre er bereit gewesen, für sie herzugeben. Das war mehr als Icy-Wind verdiente.

Er, einer der begehrtesten Junggesellen, hätte jede haben können. Es gab Väter, die sogar bereit waren, ihm ihre Töchter für einen geringen Brautpreis zuzuführen. Sein Status als Krieger hätte nicht besser sein können. Wer einen Schwiegersohn wie ihn bekam, brauchte sich um seine eigene Zukunft keine Sorgen mehr zu machen. Doch was nützte das alles? Sein Herz hing nun einmal an dieser verheirateten Frau, die nicht einmal mehr schön war, seit Icy-Wind sie tagtäglich misshandelte. Es konnte also nicht an ihrem Äußeren liegen. Viele der jungen Mädchen fragten sich, was sie wohl hatte und sie selbst nicht.

Light-Cloud bekräftigte am Ende der Zusammenkunft den sechs jungen Männern seine Bereitschaft, um Dark-Night, wenn es sein musste, auch zu kämpfen. Noch musste es nicht zum Äußersten kommen. Er wusste genau, worauf er sich da einließ. Sollte er Icy-Wind besiegen, dann würde er ihm einen angemessenen Preis für Dark-Nights Entlassung aus dieser Ehe zu zahlen haben. Niemand musste deshalb sterben. Anders lagen die Dinge, wenn er in diesem Kampf unterlag, denn dann würde er für seine Geliebte nichts mehr tun können. Und auch Großmutter hätte dann keinen Versorger mehr. Wollte er dieses Risiko eingehen? Ja, seine Entscheidung stand fest, ohne dass er Dark-Night oder Großmutter um ihre Meinung fragen würde.

Über Dream-In-The-Day, Gray-Wolfs Ehefrau, wurde an diesem Morgen Dark-Night in die Pläne der jungen Männer eingeweiht. Die kleine Mexikanerin wusste also genau, um was es ging, ohne dass man ihr ein Mitspracherecht einräumte. Die Männer hatten entschieden. Es war die Angst um Light-Clouds Leben, die sie bereits seit vielen Monden Tag für Tag mehr verzweifeln ließ. Jeder hier im Lager ahnte etwas von ihrem Verhältnis, obwohl niemand es laut aussprach. Richtige Beweise gab es nämlich nicht, und so machten Mutmaßungen die Runde. Dark-Night wurde nicht mehr nur von Crow-Wing oder Icy-Wind beobachtet; jetzt folgten ihr immer misstrauische Blicke, wohin sie auch ging. Es war fast unmöglich geworden, dass sich die beiden Liebenden noch treffen konnten. Und jetzt? Ihr Leben gegen das seine – sie wollte das nicht! Dark-Night ahnte nur zu gut, dass es schon lange nicht mehr nur um sie ging. Es ging um die Ehre ihres Geliebten. Um sein Gesicht zu wahren, musste er etwas unternehmen. Light-Cloud konnte nicht einfach nur still dabei zusehen, wie Icy-Wind ihn Tag für Tag damit erniedrigte, dass er seine Geliebte in aller Öffentlichkeit misshandelte. Wie lange, so wetteten viele bereits, würde er das noch aushalten? Auch über Icy-Winds Tun wurden Wetten abgeschlossen. Sie war schließlich sein Eigentum. Wenn das stimmte, was alle vermuteten, würde er es weiter dulden, dass Light-Cloud sie ungebeten benutzte?

Dark-Night dagegen bangte jeden Tag um Light-Clouds Leben, nicht um ihres. Wie lange würde er nichts tun? Am liebsten wäre sie einfach weit fortgelaufen.

Nun, hier oben, bei seinen engsten Freunden, war die Entscheidung gefallen. Obwohl Light-Cloud wusste, was Dark-Night denken würde, konnte er darauf keine Rücksicht nehmen. Einen Rückzieher zu machen, kam überhaupt nicht in Frage. Für ihn, den Sohn von Sun-In-The-Red-Hair und Three-Bears, wäre das mehr, als er ertragen konnte. Dark-Night wusste das – so gut kannte sie ihren Geliebten inzwischen. Lieber hätte sie selber sterben wollen, als von ihm dieses Opfer zu verlangen.

Light-Clouds aussichtslose Lage war offensichtlich. Für ihn gab es keinen anderen Weg; er musste Icy-Wind herausfordern. Jetzt, nachdem das beschlossen war, kam es darauf an, dem Ehemann seiner Geliebten in aller Form diese Entscheidung mitzuteilen. Damit wollte man ihn überraschen, denn er sollte keine Möglichkeit mehr haben, eigene Bedingungen zu stellen. Vielleicht fand sich ja doch noch eine friedliche Lösung. Diese Möglichkeit wollten sie auf alle Fälle im Auge behalten. Die jungen Männer um Light-Cloud waren der Meinung, dass es dafür noch nicht zu spät war. Light-Cloud hatte auch dazu sein Einverständnis gegeben. An der Anzahl der Pferde als Entschädigung sollte es auf keinen Fall scheitern. So warteten sie auf das Erscheinen von Icy-Wind, um ihn mit ihrem Vorschlag zu überrumpeln.

Sie hatten die Rechnung ohne ihn gemacht, denn er duldete auf keinen Fall eine Einmischung in seine Angelegenheiten. Erbost empfing er zwar den Herold, der ihn zu dem Treffen oben am Geröllfeld einlud, aber er machte keinerlei Anstalten, hinzugehen. Nachdem der Herold wieder davongeritten war, verließ wenig später die kleine Mexikanerin ihr Tipi, um Brennholz zu sammeln. Sie wollte damit allem Ärger aus dem Weg gehen, denn es war offensichtlich, in welchem Zustand sich ihr Mann befand. Er holte sie bereits nach wenigen Schritten ein. Seine Absicht war unverkennbar. Grob, nur mühsam seine Beherrschung zurückhaltend, drängte er sie ins nahe Unterholz. Unsichtbar für alle anderen; als ob ihn das sonst gekümmert hätte, fiel er brutal über sie her. Sie wollte davonlaufen, ihm entwischen, doch sie kam nicht gegen ihn an. Er zerrte sie hinter sich her, schlug sie, trat nach ihr, bis sie das Bewusstsein verlor. Damit sie wieder zu sich kam, warf er sie ins Wasser und schleifte sie über das versandete, flache Ufer bis hinüber auf die andere Seite. Einige Frauen, die das sahen, wandten sich nur erschrocken ab. Sie gehörte ihm, war sein Eigentum. Alles, was er mit ihr machte, war sein gutes Recht.

Icy-Wind, ein Mann Anfang fünfzig mit breiten Schultern und von etwas gedrungener, kräftiger Gestalt, besah sich das Häufchen Elend zu seinen Füßen. Dark-Night, diese kleine, zierliche Frau, gezeichnet von einem entbehrungsreichen Leben, blutig, verzweifelt, hob flehend ihre Arme. Sie wusste, dass sie selbst verschuldet hatte, was er ihr antat. Doch hatte sie nicht auch ein bisschen Glück verdient? Geringschätzig die schmalen Lippen verziehend, betrachtete er sie einen Moment mit seinen eng zusammenstehenden Augen. Er war noch lange nicht mit ihr fertig. Dark-Night senkte den Blick. Unter ihr bildete sich eine Blutlache, färbte den hellen Sand. Der Schmerz in ihrem Unterleib war kaum zu ertragen, aber sie verzog keine Miene. Sollte er sie doch töten, ihr war in diesem Moment alles egal. Sie wünschte sich fast, er hätte es endlich getan. Ihre blutunterlaufenen Augen durchbohrten ihn ohne jede Regung. Stoßweise flach atmend, da sie vor Schmerzen nicht mehr tief Luft holen konnte, versuchte sie, rückwärts von ihm fortzukriechen. Das ließ er nicht zu. Sein Griff war fest, als er sie am Arm packte, sie hochzog. Doch Dark-Night konnte nicht stehen und knickte wieder ein. Sein Blick zum Wasser hin sagte alles. Am liebsten hätte er sie zurück in den Fluss geworfen und dort ertränkt. Er beherrschte sich. Nur sie zu bestrafen, wäre zu einfach gewesen, damit wollte er sich nicht zufrieden geben. Jemand anderem wollte er wehtun. Und wie er das konnte! Das würde sie Gehorsamkeit lehren. Sollte dieser Sohn einer texanischen Hündin doch seinen Kampf haben! Plötzlich begann er zu lachen.

Dark-Night erschrak. Was hatte er vor? Ihre Gedanken überschlugen sich. Ängstlich presste sie ihre Hände auf die schmerzende, von seinen Zähnen gezeichnete Brust. Wie als Antwort darauf griff er nach ihr, warf sie sich wie ein Bündel Felle über die Schulter und machte sich auf den Weg den Fluss hinauf. Mit weit ausgreifenden Schritten durchquerte er einen Teil der grasenden Pferdeherde und verschwand hinter hervorstehenden Felsen des Canyons, um Dark-Night dort grob auf die sandige Erde zu werfen. Ein abschätzender Blick auf sie überzeugte ihn, dass sie nicht mehr aus eigener Kraft von hier fort konnte. Ohne zu zögern zog er sein Messer. Kurz betrachtete er ihr zerschlagenes Gesicht. Dann schnitt er die Hälfte ihrer Nase ab. Blut spritze auf seine Hände, verteilte sich auf dem Felsen, sickerte in den Sand. Das Ganze war ein Werk von Augenblicken; das Messer war breit und scharf. Erst jetzt spürte er eine Welle der Befriedigung über sich hinwegschwappen. Genugtuung breitete sich in ihm aus. Dann war es vorbei. Völlig ruhig sah er dabei zu, wie sich das Blut aus der hässlichen Wunde über ihr Gesicht ergoss, ihre Hände entsetzt danach griffen, schwarze, weit aufgerissene Augen ihn anstarrten – und doch kam kein einziger Schrei aus ihrem Mund.

Er empfand keine Reue. Icy-Wind, fürs Erste zufriedengestellt, machte einen Schritt rückwärts, um sich sein Werk zu betrachten. Unzufrieden, dass sie nicht geschrien, sich nicht einmal gewehrt hatte, keine Hand erhoben, um ihn zu hindern, knirschte er mit den Zähnen. Sie war nur kurz zusammengezuckt. Jetzt rannen Tränen aus ihren schwarzen Augen und zerteilten das Blut auf ihrem Gesicht in unzählige Rinnen. Icy-Wind nickte zu ihr hin und lächelte hinterlistig. Wenn sie dort verreckte, war das nicht seine Schuld. Er war ein großzügiger Mann und gab ihr die Möglichkeit, hier wieder herauszukommen. Schließlich hatte er sie nicht gefesselt oder irgendwo angebunden. Nun ja, der Anfang war gemacht. Diese Verstümmelung, sagte er sich befriedigt, wird sie ihr ganzes Leben lang behalten. So, wie sie jetzt aussieht, wird sie kein anderer mehr haben wollen. Schon gar nicht ein eitler Mann wie Light-Cloud. Ich hab´s ihr gezeigt, ihr beigebracht, was es heißt, einen wie mich zu hintergehen. So etwas in der Art ging ihm durch den Kopf.

Nun hatte er, der wie ein eisiger Wind über seine Feinde kommt, die Wahl. Die Entscheidung über ihr Schicksal lag allein in seiner Hand. Er konnte sie aus dem Lager jagen – eine Ausgestoßene, die Elend, Hunger und Tod erwartete. Oder sich gnädig zeigen, indem er sie bei sich behielt. Damit würde er Light-Cloud immer an seine Verfehlung erinnern. Fürs Erste war er völlig zufrieden mit sich selbst. Während er den Rückweg antrat, stellte er sich vor, wie Light-Cloud das hier aufnehmen würde. Der Mann würde toben. Soll er doch. Er, Icy-Wind, hatte noch ganz anderes mit ihm vor. Der zweite Teil seiner Rache würde ebenso befriedigend werden.

Niemand vermisste Dark-Night. Weil sie auch nach Beginn der Nacht noch nicht wieder zurück war, ahnte nur Crow-Wing, dass etwas nicht stimmen konnte. Doch das war nicht ihr Problem. Gleichgültig machte sie ihre Arbeit, ohne Icy-Wind diesbezüglich auch nur eine Frage zu stellen.

Am nächsten Morgen, noch bevor die Sonne den Horizont berührte, machten sich die jungen Männer mit Light-Cloud erneut auf den Weg zu ihrem gestrigen Treffpunkt. Ein zweiter Bote war bereits zu Icy-Wind unterwegs – mit der freundlichen Aufforderung, doch dort zu erscheinen. Die Männer warteten lange. Als wieder niemand kam, wurden sie unruhig.

Storm-Rider, der natürlich nicht fehlen durfte, schlug vor, ins Lager zurückzureiten. Es konnte nicht sein, dass ein Mann die abermalige Aufforderung durch einen Boten einfach ignorierte. Zumindest verdienten sie eine Begründung. Ratlos blickten die jungen Männer Light-Cloud an. Der machte einen bedrückten Eindruck. Er ahnte bereits, dass das nichts Gutes bedeutete, und äußerte laut seine Befürchtungen, was die Sicherheit von Dark-Night betraf. Storm-Rider war ziemlich aufgebracht. Sie konnten diese Angelegenheit nicht einfach auf sich beruhen lassen – nicht, nachdem Icy-Wind ihre Aufforderung, mit ihnen zu reden, zwei Mal so dreist ignoriert hatte. Dark-Night war ihm nicht wichtig, Light-Cloud umso mehr. Der würde nicht eher ruhen, bis er sie aus dem Tipi ihres Ehemannes herausgeholt hatte. Es würde weiterhin Ärger geben – sehr großen Ärger. Bevor sich auch nur einer der Freunde entfernen konnte, übernahm er das Kommando und ritt mit ihnen hinunter ins Lager. Es stellte sich heraus, dass weder Icy-Wind noch die junge Frau seit dem vergangen Tag gesehen worden war. Niemand wusste etwas.

Die Frauen, die etwas wussten, schwiegen betroffen. Niemand mischte sich gern in die Angelegenheiten der anderen ein. Allmählich jedoch kippte die Stimmung. Je mehr Zeit verstrich, ohne dass man Dark-Night oder ihren Ehemann zu Gesicht bekam, desto unruhiger wurde das gesamte Lager. Es gingen sogar schon Gerüchte um. Am meisten litt Light-Cloud, denn er machte sich inzwischen große Sorgen.

Mitten in diese Unruhe hinein platzte Icy-Wind. Hoch erhobenen Hauptes schritt er den Hauptweg entlang, der dem Flussufer mit den Tipis vorgelagert war. Ohne sich umzusehen oder mit jemandem zu reden, erreichte er sein Tipi und verschwand im Innern. Die, die das beobachtet hatten, waren ratlos. Doch es traute sich auch niemand, ihn nach dem Verbleib seiner Ehefrau zu fragen.

Der halbe Tag war bereits vorüber und Dark-Night noch immer nicht wieder aufgetaucht. Da machten sich einige der älteren Frauen unter der Führung von Light-Clouds Tante, die alle hier nur „Großmutter“ nannten, endlich auf, um nach ihr zu suchen. Dream-In-The-Day schloss sich ihnen mit einigen jüngeren Frauen an. Danach war das gesamte Lager in Aufruhr. Old-Antelope schickte einen eilig zusammengestellten Suchtrupp hinunter zum Fluss. Great-Mountain, ihr Friedenshäuptling und gleichzeitiger Medizinmann, begann die Trommel zu schlagen. Er zog sich in sein Tipi zurück, um seine Geister um Beistand zu bitten. Noch immer fragte niemand Icy-Wind. Niemand wagte es, unaufgefordert sein Tipi zu betreten. Nicht einmal Great-Mountain wäre das eingefallen. Es gab schließlich nicht den geringsten Hinweis darauf, dass er für Dark-Nights Verschwinden verantwortlich war. Jetzt ging es erst einmal darum, sie zu finden. Die Suche blieb jedoch weiter ohne Ergebnis. Dann begann es.

Die Sonne stand bereits tief im Süden, da ging Icy-Wind zum Tipi von Light-Cloud, der kurz zuvor erschöpft von der Suche nach Dark-Night dort eingetroffen war. Icy-Wind war prächtig gekleidet, als gelte es, einen großen Empfang zu geben. Breitbeinig baute er sich vor dem Eingang auf, sein Gewehr lässig in der Hand, und rief herausfordernd nach Light-Cloud. Das nächste Tipi, außer dem von Großmutter, war etwa 80 große Schritte entfernt; man konnte seine Stimme bis dorthin hören.

„He, du Sohn einer räudigen Hündin! Deine Mutter taugte schon nichts, und du bist ihr Ebenbild! Die Reste meiner Frau liegen im Canyon, wenn sie nicht schon dort herausgekrochen ist wie eine Kröte aus dem Schlamm!“ Mit diesen Worten warf er das grüne Band von Dark-Night, das sie immer in ihren Haaren trug, gegen die Klappe des Tipis. Light-Cloud war bereits nach seinen ersten Worten heraus gekommen. Während er jetzt das Band ergriff, schnauzte Icy-Wind: „Damit kannst du deine Tränen trocknen!“

Wie erstarrt betrachtete der jüngere Mann zuerst das Band und dann den Peiniger seiner Liebsten.

„Das ist meine Antwort auf ihre Ehrlosigkeit! Doch es ist noch nicht zu Ende. Du hast meine Ehre beschmutzt, und dafür sollst du ebenfalls büßen“, rief Icy-Wind so laut und deutlich, dass jeder, der sich in der Nähe aufhielt, es hören musste. Dann schritt er erhobenen Hauptes wieder fort.

Light-Cloud starrte ihm immer noch nach, obwohl er schon nicht mehr zu sehen war. Unwillkürlich ballten sich seine Hände zu Fäusten. Dann ging ihm auf, was soeben passiert war. Die Entscheidung – sie war gefallen und es gab kein Zurück mehr.

Storm-Rider, gerade auf dem Weg zu ihm, hatte alles gehört. Schon war er bei ihm, packte ihn an den Schultern und schüttelte ihn heftig. Beide blickten sich kurz in die Augen; dann nickte Light-Cloud, dem alle Farbe aus dem Gesicht gewichen war. Großmutter tauchte aus ihrem in der Nähe stehenden Tipi auf. Die alte Frau verschwendete keine Zeit mit unnützen Worten – hatte sie doch die Beleidigungen ebenfalls gehört und bereits nach ihrem Pony gerufen. Augenblicke später stürmten die drei auf ihren Pferden in Richtung Canyon.

Erst nach einer gefühlten Ewigkeit kehrten sie zurück, denn sie hatten Dark-Night nicht gleich finden können. Sie lag noch immer dort, wo Icy-Wind sie verlassen hatte. Bewusstlos, mehr tot als lebendig. Jetzt hielt Light-Cloud eine schwerverletzte Dark-Night vor sich auf dem Pferd. Großmutter, mit wie zu Stein erstarrtem Gesicht, ritt hinter ihm. Storm-Rider machte den Schluss. Er hatte die Augen zusammengekniffen, seine Miene bedeutete nichts Gutes. Für ihn hatte Icy-Wind mit dieser Tat eindeutig eine Grenze überschritten. Es wäre besser gewesen, die Einladung der Krieger anzunehmen, um diese Angelegenheit mit Anstand und Ehre zu Ende zu bringen.

Die Nachricht von Dark-Nights Rückkehr und ihrem Zustand ging wie ein Lauffeuer durch das Lager, und die, die noch immer nach ihr suchten, kehrten zurück. Nur zögernd zerstreuten sich die Menschen, aber neugierig waren sie doch. Jetzt war man gespannt, was weiter passieren würde. Dass eine Entscheidung anstand, war allen klar. Die Mutmaßungen, was Dark-Night und Light-Cloud anging, wurden zur Gewissheit.

Vor Großmutters Tipi hielten die drei ihre Pferde an. Light-Cloud übergab Dark-Night in die Arme der alten Frau, dann verschwand er mit Storm-Rider zur Beratung in seinem eigenen Tipi. Viele, die ihnen auf ihrem Weg begegnet waren, sahen kurz darauf Icy-Wind in stolzer Haltung und in seinem Festgewand vor dem eigenen Tipi stehen. Noch immer fühlte er sich im Recht. Crow-Wing, die sich nicht einmal die Mühe machte, ihre Schadenfreude zu verbergen, kam gerade von einer Runde durch das Lager zurück. Auch sie wusste inzwischen von der Neuigkeit, dass man Dark-Night gefunden und in Großmutters Tipi gebracht hatte. Eifrig öffnete sie die Klappe ihres Tipis, ließ Icy-Wind vorangehen und schlüpfte nach ihm hinein.

Die Worte von Icy-Wind, die er zu Light-Cloud gesagt hatte, wanderten von Mund zu Mund. Ihm Dark-Night jetzt auszuliefern, sie zu ihm zu bringen, das konnte sich keiner hier vorstellen. So blieb nur ein Weg, den Light-Cloud betreten musste. Und das hatte Icy-Wind wohl auch bezweckt.

Gray-Wolf, obwohl er oft die dümmsten Ideen hatte, war diesmal weitsichtig genug, um den Häuptling zu informieren. Schnurstracks ritt er zum Tipi von Old-Antelope, der den Suchtrupp nicht begleiten konnte, da ihn wieder einmal sein Rheumatismus plagte.

Auf einmal tauchte Icy-Wind auf einem seiner Ponys auf, überquerte die seichte Furt bis auf die andere Seite des Flusses und ritt zur Pferdeherde. Das Pony dort gegen seinen besten Hengst, einen wunderschönen Schecken, tauschend, ritt er wieder über den Fluss zurück. Nachdem er lange in seinem Tipi verschwunden war, kam er waffenstarrend heraus. Diesmal hatte er keine Festkleidung an, sondern war wie ein Krieger, der sich einem Feind stellt, gekleidet. Er trug sein scharf geschliffenes Kriegsbeil in seinem Gürtel, ebenso steckte ein Messer mit kupfernem Griff, der dunkel wie Blut schimmerte, als ihn ein rötlicher Strahl der Abendsonne traf, daneben. Im gestreckten Galopp verschwand er im nahen Wäldchen und kam kurz darauf mit seiner Kriegslanze in der Armbeuge wieder heraus. Er ließ seinen Mustang herausfordernd nur wenige Schritte von seinem Tipi tänzeln, auf ein lautloses Kommando hin wenden und steigen. Dann wartete Icy-Wind regungslos wie ein Fels auf Light-Cloud. Nur die Mähne seines Pferdes und seine eigenen langen Haare wehten im Abendwind. Er hatte keine Aufforderung aussprechen müssen; seine Absicht lag klar auf der Hand.

Niemand erschien. Niemand wagte sich auch nur in die Nähe. Da setzte sich Icy-Wind in Bewegung. Langsam ritt er den Hauptweg hinunter, bis er etwa in Höhe von Light-Clouds Tipi war. Sein Pferd durch dichtes Gebüsch bis zum Fluss hinüber lenkend, kam er in Sichtweite von dessen Tipi. Er tat das mit einem Gesichtsausdruck, als gelte es, die ganze Welt umzubringen. Jetzt hielt er an. Im nächsten Moment galoppierte er direkt auf das Tipi zu, seine Herausforderung laut herausschreiend. „Komm schon, du Feigling, ich warte nicht länger!“ Er wollte diesen Kampf. Jetzt, sofort – nicht morgen, nicht am nächsten Tag, sondern jetzt! Und schon gar nicht wollte er sich Ort und Zeitpunkt von anderen bestimmen lassen.

Kurz vor dem Tipi riss er den Mustang zurück, ließ ihn steigen und wieder wenden; dann jagte er am Fluss entlang, einen schmalen Pfad einschlagend, zum Hauptweg zurück. Er schwang sein Kriegsbeil und stieß weiter seine herausfordernden Schreie aus. Er tat das bis zum Ende des Hauptweges, hielt dort, wo die Ebene begann, wendete und ritt wieder zurück. Zum zweiten Mal baute er sich vor Light-Clouds Zuhause auf.

Frauen hatten ihre vor den Tipis am Fluss spielenden Kinder aufgeregt hineingescheucht. Während dieser ganzen Aufregung gingen verschiedene Trockengestelle mit Fleisch zu Bruch. Kläffende Hunde stürzten sich gierig darauf und mussten weggezerrt werden. Einige Mustangs galoppierten zum Fluss hinunter. Das Durcheinander, das Icy-Wind mit seinem Auftritt angerichtet hatte, war zwar überschaubar, doch die Krieger, die jetzt auf der Bildfläche erschienen, warfen sich missbilligende Blicke zu. Es ging nicht an, dass ein einzelner Mann sich derart aufführte.

Plötzlich kam Bewegung in diejenigen, die sich inzwischen an der Flussbiegung, wo Großmutter und Light-Clouds Tipis standen, eingefunden hatten. Einige Frauen machten Platz für Old-Antelope, der aufgeschreckt, schwer atmend, von Gray-Wolf gestützt, auf der Bildfläche erschien. Der alte Häuptling trug seine besten Sachen als Zeichen der Würde. Einen Rundblick auf seine Leute werfend, erfasste er die Situation wie ein Feldherr. Er brauchte zwar etwas Zeit dazu, auch um seinen Atem wieder zu beruhigen; dann aber ging er ohne fremde Hilfe auf Icy-Wind zu.

Der erwartete ihn in hochmütiger, aufrecht sitzender Haltung. Auch einem Häuptling gegenüber musste man nicht klein beigeben. Das Recht war auf seiner Seite; alles andere zählte für ihn nicht. Beide Männer maßen sich mit herausfordernden Blicken: Icy-Wind mit erhobenem Kopf und tief heruntergezogenen Mundwinkeln; Old-Antelope mit gerunzelter Stirn, ansonsten völlig ruhig. Ohne jeden Zweifel hielt er sich nur mit Mühe zurück. Gespannt warteten alle auf das, was nun kommen würde.

Old-Antelope befand sich in einer verzwickten Lage. Um noch zwischen den beiden zu vermitteln, war es bereits zu spät. Den Mann vor ihm in die Schranken zu weisen für das, was er seiner Frau angetan hatte, kam nicht in Frage. Ihn wegen des Durcheinanders hier zur Rede zu stellen, ebenfalls nicht. Das war ohne Bedeutung. Was also sollte er tun? Machte er jetzt einen Fehler, konnte ihn das seine Häuptlingswürde kosten. Old-Antelope war ein Mann von Format. Ihn brachte so leicht nichts aus der Ruhe. Außerdem hatte Gray-Wolf ihn rechtzeitig informiert, und so hatte er Zeit gehabt, alles zu überdenken. „Du solltest dich an die Regeln halten“, rief er daher mit seiner gutturalen, wohlklingenden Stimme. Nicht böse, nicht laut, eher belehrend. Seine Augen hatten sich dabei zu Schlitzen verengt. Das gab ihm ein gerissenes Aussehen, genau so, wie er war. Sein nächster Satz traf es auf den Punkt. „Wenn du schon kämpfen musst, dann, bitte schön, nicht hier.“ Mit einer alles umfassenden Geste wies er den Fluss hinauf und hinunter. „Der Frieden darf nicht gestört werden. Such dir einen Platz außerhalb der Reichweite unserer Heimstätten.“ Damit hatte Old-Antelope Prioritäten gesetzt, ohne sich eine Blöße zu geben. Der schlaue Fuchs verstand es immer wieder, genau das Richtige zu tun. Red-Eagle, der wie die anderen gespannt zuhörte, atmete erleichtert auf. Klug gehandelt, dachte er. So etwas konnte nur Old-Antelope.

Dann passierten zwei Dinge auf einmal: Zum einen öffnete sich der Eingang von Großmutters Tipi. Aber es kam nicht Light-Cloud heraus, sondern die alte Frau in ihrem besten Kleid. Sie verschränkte die Arme und starrte Icy-Wind von dort aus an. Der stieß seinem Mustang die Fersen in die Seiten und galoppierte hart auf sie zu. Zeitgleich erschien etwa 100 Pferdelängen entfernt – unterhalb des Geröllfeldes, direkt neben einer Senke – ein rotbraunes Pferd mit heller Mähne. Auf diesem Pferd, seine Lanze herausfordernd in die Luft haltend, saß Light-Cloud. Das kam für alle so überraschend, dass ein Raunen durch die Menschen, die sich inzwischen hier versammelt hatten, ging. Sie fragten sich, wie er das hatte fertigbringen können. Wann war er aus dem Tipi gehuscht? Wie war er für alle unbemerkt bis vor das Geröllfeld gekommen? Und wann hatte er sein bestes Kriegspony holen können? Jetzt schrie er etwas, aber der Wind verschluckte seine Worte.

Icy-Wind, der sein Pferd knapp vor Großmutter zum Stehen gebracht hatte, drehte sich ahnungslos um, den erstaunten Blicken der Umstehenden folgend. Ungläubig starrte er auf Light-Cloud. Im ersten Moment brachte ihn das etwas durcheinander; schließlich war er hier derjenige, der das Überraschungsmoment auf seiner Seite wusste, dann aber blickte er mit spöttischem Gesichtsausdruck auf die vor ihm stehende alte Frau. Absichtlich ließ er die Hufe seines Mustangs unmittelbar vor ihr in den Boden stampfen. Doch Großmutter wäre nicht Großmutter, wenn sie sich dadurch hätte einschüchtern lassen. Seinen Arm ausstreckend, schrie er sie an: „Du wirst mich nicht daran hindern, das zu tun, was ich tun werde. Dieser Mann dort sollte sich besser mit seiner ehebrecherischen Hündin in einer der Höhlen verkriechen, wie schon einmal. Wenn ich mit ihm fertig bin, dann bringe ich ihn dir – aufgespießt auf meine Lanze. Die Bussarde können ihn haben, ihn und diese mexikanische Hündin.“

Seine Rede machte nicht den geringsten Eindruck auf die alte Frau. „Ich habe nicht die Absicht, dich an etwas zu hindern. Und was Light-Cloud betrifft: Noch steckt er nicht auf deiner Lanze“, meinte sie mit herablassender Miene. „Wenn Dark-Night diese Nacht übersteht, will sie mit dir nichts mehr zu tun haben.“

Icy-Wind runzelte die Stirn. Diese Antwort war eine Frechheit. „Wenn sie glaubt, eine Wahl zu haben, irrt sie sich gewaltig.“ Die Wut kochte in ihm hoch, doch er sollte besser aufpassen, was er jetzt sagte.

Großmutter blickte ihn herausfordernd von unten herauf an. „Man hat immer eine Wahl – immer. Verstehst du? Sollte sie es überstehen, wird sie sie treffen. Und sicher nicht zu deinen Gunsten. Sie kommt nicht zu dir zurück.“

In Icy-Winds Gesicht begann es zu zucken. Belustigt betrachtete er die alte Frau, fühlte sich ihr überlegen.

Großmutter hob warnend einen Zeigefinger und schleuderte ihm ihre nächsten Worte entgegen: „Sie ist mit dir fertig. Du kannst dein Lager in Zukunft mit einer Klapperschlange teilen.“

Verhaltenes Gelächter erklang bei einigen in der Nähe stehenden Frauen. Sie hielten sich die Hände vor den Mund, damit niemand sehen konnte, dass sie heimlich grinsten. Was die alte Frau da eben gesagt hatte, war gegen jede Regel. Sie wagte etwas, was noch nie dagewesen war. Doch Großmutter war eine starke Persönlichkeit. Sie hatte sich noch nie von etwas abbringen lassen, was sie sich einmal vorgenommen hatte. Ihr eigentlich gutmütiges Gesicht sah auf einmal hart und unerbittlich aus. Forsch trat sie einen Schritt auf den Mustang zu. Ohne auf das Kommando seines Reiters zu warten, machte der Schecke einige Schritte rückwärts, um mehr Platz zwischen ihnen zu lassen.

Icy-Wind starrte sie ungläubig an. Er war wütend auf die alte Frau und wütend auf seinen Hengst.

Jetzt hatte Großmutter ihn da, wo sie ihn haben wollte. Sie kannte den Mann vor ihr mit all seinen Schwächen. Wie ein Messer in eine Wunde, so stachen ihre nächsten Worte zu. „Du hast eben gesagt, Light-Cloud soll sich mit deiner ehebrecherischen Hündin in eine der Höhlen dort verkriechen? Wir haben das alle gehört. Nun ja, du willst also keine ehebrecherische Hündin in deinem Tipi haben? Das kann hier jeder verstehen“, legte sie seine Worte in ihrem Sinne aus. Sie wusste, er würde keinen klaren Gedanken mehr fassen können, denn spätestens jetzt hätte er ihr widersprechen müssen. Doch er saß nur völlig sprachlos auf seinem Mustang.

„Diese ehebrecherische Hündin wird sich ein anderes Tipi suchen – verlass dich drauf“, kam die nächste Frechheit ungerührt von Großmutters welken Lippen. Sie sprach mit erhobener Stimme, so dass jeder sie hören musste. „Alle wissen, dass du sie zum Sterben im Canyon zurückgelassen hast. Damit hast du sie ja bereits verstoßen.“

Icy-Wind wollte jetzt dagegen protestieren, sie zurechtweisen, ihr ihren Irrtum unter die Nase reiben. Außer sich vor Wut öffnete er bereits den Mund, da sah er aus den Augenwinkeln die Zustimmung in den Gesichtern der Umstehenden. Es war die Wahrheit, was Großmutter zuletzt gesagt hatte. Er verstand die Welt nicht mehr – die Alte hatte ihn übertölpelt. Wann war ihm dieser Fehler unterlaufen? Er kam sich vor wie jemand, der weder vorwärts noch rückwärts konnte. Kam er aus dieser vertrackten Situation überhaupt noch unbeschadet heraus? Diese Frage raste ihm durch den Kopf, während er beobachtete, wie Old-Antelope einen wissenden Blick mit Red-Eagle und Gray-Wolf wechselte. Jeder hier wusste, dass eine von ihrem Mann verstoßene Frau keinerlei Versorgungsansprüche mehr an ihn stellen konnte und auf sich selbst gestellt war. Im schlimmsten Fall musste sie verhungern.

Icy-Winds Gedanken überschlugen sich. Nie hatte er vorgehabt, Dark-Night zu verstoßen. Das wäre eine viel zu geringe Strafe für sie gewesen; er wollte sie leiden sehen, jeden Tag, und damit Light-Cloud treffen. Noch immer hielt er sein Kriegspony auf der Stelle. Krampfhaft suchte er nach den richtigen Worten. Zurechtweisung, Beleidigung oder gar Richtigstellung, was auch immer – er fühlte sich völlig missverstanden. Schließlich war er hierher gekommen, um Light-Cloud zum Kampf herauszufordern. Auf keinen Fall hatte er vor, dieser Alten seine Frau zu überlassen – oder dieser eine Wahl. Doch darauf schien das hier hinauszulaufen. Erbost, ungeduldig, völlig aus dem Konzept gebracht blickte er sich um. Zu seinem Verdruss kam Old-Antelope zu ihm heran. Wenn der jetzt auch noch mit dem Finger auf ihn zeigte, würde er die Beherrschung vollends verlieren. Alle schauten ihn an und schienen auf seine nächsten Worte gespannt zu sein. Er war in die Falle getappt, in die Großmutter ihn so geschickt hineingeführt hatte.

Sich in die Brust werfend, hochmütig bis in die Zehenspitzen, den schmallippigen Mund herablassend verzogen, sagte er schließlich genau das, was sie erwartet hatte. Es blieb ihm ja auch gar nichts anderes übrig.

„Die Mexikanerin interessiert mich nicht mehr. Sie ist weniger wert als ein Haufen Hundescheiße.“ Den Kopf den Umstehenden zuwendend, fixierte er einen nach dem anderen mit eng zusammenstehenden Augen. „Einen Haufen Hundescheiße spieße ich nicht einmal mit einem Stock auf. Soll sie doch verrecken. Und wenn du, alte Frau, denkst, dass ihr nach meinem Zweikampf mit Light-Cloud noch einen Versorger habt, dann täuscht ihr euch gewaltig. Sucht euch schon einmal einen Platz zum Sterben draußen in der Prärie, bei den Coyoten.“

Leicht mit den Fersen seinem Mustang gegen die Flanke tippend, drehte er ihn, jetzt triumphierend, weil ihm diese Antwort noch rechtzeitig eingefallen war, einmal um sich selbst. Doch ein bitterer Nachgeschmack blieb zurück. Er wusste, dass die alte Frau ihn hintergangen hatte, ja, mit äußerster Schläue überlistet. Wütend biss er sich auf die Lippe. Am liebsten hätte er sich auf sie gestürzt oder sie einfach mit seinem Mustang niedergeritten. Stattdessen stob er aus dem Stand heraus los. Grasbatzen stoben hinter ihm hoch. Nicht einen Augenblick länger hätte er es in der Gegenwart von Großmutter ausgehalten. Seine Hand war schon bereit gewesen, nach dem Schlachtbeil zu greifen, um ihr den alten Kopf damit zu spalten; seine Finger zuckten noch jetzt, als er an die eben erlittene Niederlage dachte.

Doch das wäre Mord gewesen – Mord, der mit seinem eigenen Ausschluss aus der Gemeinschaft geendet hätte. All das ging ihm durch den Kopf, während er auf das Geröllfeld mit dem auf ihn wartenden Light-Cloud zuritt.

Erst jetzt hörte er die Trommelschläge, die schon eine Weile von flussabwärts heraufklangen. Great-Mountain, ging ihm auf – er ruft die Geister. Kurz blickte er zurück, aber das Tipi des Friedenshäuptlings war von hier aus nicht zu sehen. Während er weiterritt – jetzt etwas langsamer, um zur Ruhe zu kommen – wippte sein nackter Rücken bei jedem Schritt, den sein Mustang machte. Seine schwarzen, schon mit grauen Strähnen durchzogenen Haare wehte ein sachter Windzug zur Seite. Er machte mit seinen einundfünfzig Wintern noch immer eine gute Figur. Unbestritten war er ein großer Krieger, voller Kraft – und hier und jetzt fest dazu entschlossen, die Schmach, die ihn schon seit vielen Wintern quälte, endlich mit Blut auszulöschen. Sun-In-The-Red-Hairs Sohn – sein Blut wollte er.

Großmutter, die unbeweglich, doch mit heftig klopfendem Herzen auf ihrem Platz ausgeharrt hatte, zog die Unterlippe nach innen und biss darauf. Sie wartete, bis sie Icy-Wind nicht mehr sehen konnte, dann verschwand sie rückwärtsgehend in ihrem Tipi. Inzwischen löste sich auch der Rest der Versammlung auf, um mit Old-Antelope zum Geröllfeld zu eilen. Großmutter atmete auf, während sie die Klappe hinter sich schloss. Wenigstens für Dark-Night, die Light-Cloud alles bedeutete, hatte sie etwas tun können. In ihrer unerschütterlichen Zuversicht glaubte sie fest, dass er sich gegen Icy-Wind behaupten würde. Und wenn nicht? Hatte er überhaupt einmal daran gedacht? Still in sich hineinlächelnd wusste sie, dass das überhaupt keine Rolle mehr spielte. Die Würfel waren gefallen. Sie war eine alte Frau – aber was würde aus Dark-Night werden? Sie brauchte ihn – jetzt noch mehr als jemals zuvor. Großmutter schaute kurz nach der Frau, die völlig apathisch auf weichen Fellen lag. Moon-Night war ebenfalls hier und kümmerte sich um sie. Sich davon überzeugend, dass sie nicht gebraucht wurde, huschte sie wieder hinaus. Eine in ihrer Nähe grasende Stute ergreifend, ritt sie in Richtung Geröllfeld.

In gebührendem Abstand zu dem von Light-Cloud ausgesuchten Kampfplatz sah sie schon von weitem eine große Anzahl älterer Männer stehen. Jüngere auf ihren Mustangs hatten sich in einem Halbkreis näher postiert. Darunter waren viele Freunde Light-Clouds. Weiter entfernt standen sogar einige jüngere Frauen um Dream-In-The-Day gruppiert – hinter Gebüsch etwas verborgen. Großmutter suchte sich einen Platz, von dem aus sie ihren Jungen beobachten konnte, sie jedoch selbst nicht zu sehen war. Plötzlich hörten die Trommelschläge auf. Auch Great-Mountain machte sich auf den Weg hierher.

Der Kampf hatte bereits begonnen. Light-Cloud, auf seinem besten Kriegspony, mit Beil und Lanze bewaffnet, schrie Icy-Wind, der ihn auf seinem Mustang in immer enger werdenden Kreisen umrundete, seine ganze Verachtung entgegen. Gerade wich er dem Schlachtbeil seines Gegners aus, indem er sich, sich nur mit einem Fuß in einer Schlinge am Pferderücken haltend, nach unten fallen ließ. Schnell kam er auf der anderen Seite wieder hoch. Das Manöver war schnell und gekonnt ausgeführt worden und brachte ihm die Bewunderung der Menge ein. Sein Kriegspony machte auf der Hinterhand kehrt und umrundete Icy-Wind, der seinem Gegner mit obszönen Handbewegungen zeigte, was er von ihm hielt. Hoch aufgerichtet im Sattel sitzend, wartete er auf eine Blöße Light-Clouds; immerhin besaß er eine größere Kampferfahrung als der Jüngere. Doch auch der konnte auf viele Kämpfe zurückblicken. Ruhig und besonnen, wenn auch innerlich völlig aufgewühlt, wartete auch er auf einen Fehler seines Gegners. Beide umkreisten sich weiter.

Etwa zwölf Schritte eine Böschung hinauf begann das Geröllfeld, auf dem Icy-Wind vor nicht allzu langer Zeit eine Blamage erlitten hatte. Dies wurmte ihn immer noch gewaltig. Johlend zeigte jetzt Light-Cloud nach oben, ihn daran erinnernd. Bisher erschien ihr Kampf eher wie ein Geplänkel zwischen Halbwüchsigen. Das änderte sich auch nicht nach dieser Provokation. Icy-Wind hatte nicht vor, sich zu einer unüberlegten Handlung hinreißen zu lassen. Das mit Großmutter hatte ihm vor Augen geführt, wie schnell man seinen Kopf verlieren konnte.

2. Kapitel

Jenseits der Senke begannen die Zuschauer inzwischen, Wetten abzuschließen. So ernst das auch alles war – davon ließen sich die wenigsten abhalten. Wetten abzuschließen, das war ein Vergnügen, dem sich kein Comanche so leicht entziehen konnte. Noch umkreisten die beiden Gegner einander und warfen sich gegenseitig Schimpfwörter zu. Es hagelte Beleidigungen der übelsten Art. Je einfallsreicher sie sich dabei anstellten, desto mehr Zustimmung erhielten sie von den Zuschauern. Noch immer machte es den Eindruck, als wäre das hier nur ein Schaukampf – ein Kräftemessen zweier Krieger, die gerade nichts Besseres zu tun hatten. Das Gegenteil war der Fall. Hier traf seit langem aufgestauter Hass auf unbezähmbare Wut. Da waren zwei Krieger, die sich nichts schuldig bleiben würden, denen es nicht nur darum ging, einander zu verletzen. Icy-Wind wollte Light-Cloud tot sehen, und auch Light-Cloud dachte nicht daran, Icy-Wind zu verschonen.

Great-Mountain drängte sich nach vorn neben Red-Eagle. Offen zeigte er seinen Zorn; alle konnten es sehen. Er missbilligte diesen Kampf aufs Schärfste. Nur mit größter Mühe gelang es dem neben ihm stehenden Kriegshäuptling, ihn daran zu hindern, nicht einfach auf den Kampfplatz zu stürmen – Regeln hin oder her. Immerhin waren sich beide darin einig, dass man das anders hätte regeln können. Great-Mountain machte sich jetzt Vorwürfe, den Einsatz der jungen Männer nicht unterstützt zu haben. Zu seiner Entschuldigung musste er sich zugute halten, dass er davon nichts gewusst hatte. Trotzdem – Great-Mountain war sehr, sehr aufgebracht.

Soeben tänzelte Light-Clouds rotbrauner Mustang auf der Stelle – ging rückwärts, dann wieder nach vorn. Mit gelangweilter Miene wog sein Reiter die Lanze in der Hand. Wachsamen Auges beobachtete er jede Bewegung des Gegners. Plötzlich – kaum dass die Zuschauer es wahrgenommen hatten – wich der gut trainierte Mustang bereits dem Ansatz eines Angriffs aus. Begeistertes Kopfnicken der umstehenden Männer folgte auf die Reaktionsschnelle des Pferdes und seines Reiters. Sie bekundeten damit Light-Cloud ihren Respekt, als ginge es hier um weiter nichts als eine Zurschaustellung seines Könnens. Erneut stürmten beide Gegner aufeinander los. Ihre Kriegsponys prallen hart zusammen, Schlachtbeile sprühten Funken. Das schabende Geräusch Stahl auf Stahl wurde nur durch das laute Schnauben der Pferde übertönt. Ein Raunen ging durch die zuschauenden Männer. In diesem Moment wurde auch dem Letzten klar, dass es sich hier nicht um ein bloßes Gerangel handelte.

Light-Cloud wich zurück. Seine braunen Haare flatterten lose im Wind. Er schüttelte sie sich flüchtig aus der Stirn. Der rechte Oberarm blutete, und aus einer Wunde in der Hüfte sickerte ebenfalls Blut. Auch Icy-Wind war verletzt. Blut rann ihm an der linken Schulter herunter und versickerte in seinem Lendenschurz. Ein erneuter Angriff Icy-Winds mit der Lanze brachte Light-Cloud ziemlich in Bedrängnis. Sein Gegner attackierte ihn dabei so heftig, dass er ihn verfehlte und seine Lanze zwei Pferdelängen hinter ihm in den Boden ging. Deckung suchend tauchte er unter dem Bauch seines Mustangs weg. Gleichzeitig wendete er das Tier, um wieder in die Nähe seiner Waffe zu gelangen. Noch im Hochkommen griff er nach ihr. Dieses Ausweichmanöver hatte ihn in eine bessere Angriffsposition gebracht. Dem Mustang mit den Schenkeln die Richtung gebend, in der linken Hand das Kriegsbeil, in der rechten seine Lanze, ritt er eine enge Wendung dicht an Icy-Wind heran. Der konnte nicht mehr ausweichen, sein Hengst musste vor dem Pferd seines Gegners stoppen, beide Tiere rangelten kurz miteinander, während ihre Reiter aufeinandertrafen.

Light-Clouds Beil blinkte kurz in der Luft, dann senkte es sich auf seinen Feind hinab und schlitzte ihm den Oberkörper vom Schlüsselbein bis zum Nabel auf. Die Lanze in der rechten Armbeuge, holte er erneut mit dem Beil aus. Die Schneide war rot. Icy-Wind keuchte, musste schwer atmend zurückweichen und stellte erleichtert fest, dass die Wunde nur oberflächlich war. Eng an den Hals seines Mustangs geduckt, schleuderte er mit aller Kraft seine Lanze gegen Light-Cloud. Diesem eine tiefe Wunde in der Seite zufügend, fegte die Waffe zu Boden und blieb zwischen hohem Gras stecken. Icy-Wind war schnell. Nur einen Herzschlag später hatte er sie bereits wieder in seiner Gewalt.

Light-Cloud schüttelte sich nur kurz, den Schmerz ignorierend, der ihm die Luft abzudrücken drohte. Vor allem ärgerte es ihn, dass er die gegnerische Lanze nicht eher zu fassen bekommen hatte. Seine eigene schob er, während er eine Kehrtwende machte, mit einem die Genitalien des Gegners betreffendem Wort fester unter die rechte Achsel. Sein Beil schwingend, drängte er sein Pferd dichter an Icy-Winds Schecken heran. Das nun folgende Manöver zeugte von Light-Clouds Talent, mit Pferden umzugehen. Sein Brauner griff den Hengst seines Gegners an. In dem Knäuel ineinander verbissener Pferde versuchte Icy-Wind, seinen Hengst wieder in seine Gewalt zu bringen, während Light-Cloud zu ihm hinübergriff, um ihm die Lanze aus dem Arm zu reißen. Auf einen einzigen Pfiff seines Reiters hin zog sich der Braune rückwärtsgehend, noch immer um sich beißend, Schritt für Schritt zurück. Triumphierend schwang Light-Cloud die erbeutete Lanze über seinem Kopf und ritt damit eine Ehrenrunde am äußersten Rand der Senke entlang.

Die bewundernden Blicke seiner Zuschauer waren ihm sicher. Das war mehr als ein Coup gewesen – das war eine tollkühne Demonstration des Zusammenspiels von Pferd und Reiter. Light-Cloud ließ sein Pferd stillstehen, dann warf er die Lanze seines Gegners mit einem kräftigen Schwung weitab in den Boden. Augenblicke lang vibrierend blieb sie dort stecken.

Während er jetzt näher an den Hengst seines Gegners heranritt, hatte Icy-Wind sein eigenes Pferd wieder in der Gewalt. Im nächsten Moment überraschte er Light-Cloud. Blut spritzte über den Rücken des Braunen – Icy-Wind hatte mit seinem Schlachtbeil ausgeholt, kurz einen Hieb nach seinem Gegner angetäuscht, dann aber das Tier getroffen. Blitzschnell holte er noch einmal aus, diesmal traf er Light-Cloud an der Schulter. Erneut, sein Pferd zurückweichen lassend, wog er das Beil in der Hand, konnte aber keinen Treffer mehr landen. Light-Cloud hatte sich mit seinem verletzten Pferd rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Er machte ein Wendemanöver, sah, dass Icy-Wind sich nach seiner Lanze umblickte – doch sie war zu weit weg, lag zwischen ihm und seinem Gegner. Da tat Light-Cloud, was ein Light-Cloud eben tat. Warf, um Gleichstand der Waffen anzuzeigen, seine eigene Lanze neben die von Icy-Wind. Einige Male schwang sie dort hin und her; schließlich blieb sie ruhig stecken, während von Icy-Wind nur ein höhnisches Auflachen kam. Dumm, dachte er, einfach nur dumm.

Light-Cloud wendete sein Pferd, seinem Gegner den Rücken zudrehend, die leere Hand in den Wind haltend, damit die umstehenden Männer es sehen konnten. Noch während er das tat, ritt Icy-Wind ungerührt zu seiner im Boden steckenden Waffe, beugte sich hinunter, griff wie selbstverständlich danach und nahm sie wieder an sich. In seinem von Wut verzerrten Gesicht leuchtete das Weiße in den eng zusammenstehenden Augen. Sich aufrichtend bemerkte er die auf ihn gerichteten Blicke, und da zögerte er nun doch. Zwei Herzschläge lang wog er, die Folgen seiner Tat abschätzend, die Lanze in der Hand. Ihm war erst in diesem Moment bewusst geworden, dass man ihm ein solches Handeln übelnehmen würde. Sein Blut schrie nach Rache und er kämpfte mit sich selbst. Einen Light-Cloud mit einer Hinterlist zu besiegen, brachte keine Ehre.

Icy-Wind waren Ansehen und Ehre wichtiger als alles andere. Die Lippen fest aufeinandergepresst schleuderte er widerwillig die Lanze zurück. Im nächsten Moment stand er mit einem Satz auf dem Sattel seines Hengstes. Gekonnt führte das Pferd mit ihm eine Kehrtwende aus; dann ritt er wieder, das Kriegsbeil durch die Luft pfeifen lassend, auf Light-Cloud zu. Der Schecke rammte den verletzten braunen Hengst. Der ging vorn in die Knie, schlidderte mit dem Kopf auf dem Boden noch einige Schritte weiter, während Light-Cloud bereits auf dem Boden stand. Die blutige Waffe von einer Hand in die andere werfend, breitbeinig vor dem Pferd seines Gegners stehend, forderte er Icy-Wind mit einem winkenden Zeigefinger auf, sich doch herunter zu ihm zu trauen. Beleidigende Worte unterstrichen das noch.

Staub wirbelte auf, der Schecke sprang zur Seite, Light-Cloud rollte herum und wich so dem Beil aus, mit dem Icy-Wind nach ihm hieb. Hinter seinem Rücken stand der braune Hengst wieder auf. Man konnte das Keuchen der beiden Mustangs hören, das Scharren der Hufe. Icy-Wind war vom Rücken seines Mustangs geglitten und stellte sich Light-Cloud. Beide Männer standen vor ihren Pferden, die zur Seite wichen und dann stehenblieben – so, wie es ihnen beigebracht worden war.

Hoch über dem Geröllfeld stahl sich die Sonne zwischen den Felsen hindurch. Glühend, gleißend weiß und grell wie vergossenes Silber. Der breite Strahl suchte sich seinen Weg durch weitere Lücken, glitt über die Böschung dort oben hinweg und reichte bis hinunter zu den kämpfenden Männern. Ihre Waffen hatten sich ineinander verhakt, und sie mussten sie erst wieder trennen; dann gingen sie erneut aufeinander los. Die rasiermesserscharf geschliffenen Kriegsbeile hatten bereits tiefe Wunden bei beiden Männern hinterlassen und rissen weitere in ihre Körper hinein. Blut – überall war Blut. Blut, das wie Regen nach allen Seiten hin spritzte.

Noch war nichts entschieden, erbarmungslos ging der Kampf weiter. Wieder krachten die Schneiden aufeinander, beide stemmten sich dagegen, verhakten sich erneut ineinander. Das brachte nichts. Icy-Wind warf als Erster sein Beil zur Seite; es war ihm im Nahkampf nur hinderlich.

Light-Cloud folgte seinem Beispiel, riss ebenfalls sein Messer aus dem Gürtel, unterlief gebückt die Stöße, die Icy-Wind bereits nach ihm machte. Kurz sah er eine Lücke in dessen Deckung und stürzte sich mit vollem Risiko auf ihn. Beide prallten hart aneinander und fielen gemeinsam zu Boden. Icy-Wind kam aus dieser Umklammerung als Sieger hervor; Light-Clouds linke Seite war von der Brust bis hinunter zum Schenkel mit einem hässlichen, klaffenden Riss gezeichnet. Zugleich, den Schmerz nicht einmal spürend, versetzte er seinem Gegner von unten nach oben ansetzend längs über den Oberleib einen Hieb.

Icy-Wind taumelte kurz rückwärts, fing sich aber sofort wieder. Nur ein schmales blutiges Rinnsal sickerte an ihm herunter, sich mit der anderen Wunde dort vereinigend. Zu flach angesetzt, um ernsthaften Schaden anzurichten – nicht tief genug, um ihm den Leib aufzuschlitzen. Light-Cloud sah hin, erwartete herausquellende Gedärme, doch da war nichts, nur eine rote Linie. Aufkeuchend warf er sich wieder über seinen Gegner, unachtsam vor Enttäuschung und unglaublicher Wut. Was waren all seine erlittenen Verletzungen gegen die von Dark-Night?

Icy-Wind parierte geschickt, fing ihn ab, ging abermals mit ihm zu Boden. Niemand von ihnen fühlte Schmerzen; sie existierten nicht – nicht jetzt, nicht, während sie kämpften. Dann kniete Icy-Wind auf Light-Cloud und versuchte, ihm das Messer aus der Hand zu winden. Als das nicht gelang, rollten sie, ineinander verkrallt wie eine einzige Masse, die Senke ein Stück weit hinunter. Verbissen rangen sie, traten um sich, stemmten sich mit den Füßen ins Gras – so eng verschlungen, dass sich ihr beider Atem vermischte. Icy-Winds Augen glitten kurz zur Seite – lange genug, dass es Light-Cloud bemerkte: Sein vorhin von ihm zur Seite geworfenes Kriegsbeil lag in Reichweite. Ihre Köpfe berührten sich, doch dann stieß sich Light-Cloud ab, konnte sich losmachen, kam über Icy-Wind zum Stehen, jedoch nur einen Wimpernschlag lang. Mit einem gewaltigen Ruck riss ihm sein Gegner die Beine unter dem Körper weg und fast gleichzeitig das Messer aus der Hand.

Light-Cloud stürzte, rammte seine Ellbogen in den Boden, robbte zwei Armlängen nach hinten, wollte sich mit den Füßen abstemmen, um wieder hochzukommen, doch Icy-Wind schlug ihm zum zweiten Mal die Füße weg. Sich die Haare aus dem Gesicht schüttelnd, als könnte er dadurch klarer denken, erwartete Light-Cloud den nächsten Stoß. Er hatte ja noch seine Hände, um sich zu wehren. Blut rann ihm in die Augen, auf seiner Stirn klaffte eine Wunde, die Wulst über einem Auge hing lose herab. Fahrig, wie in Trance, wischte er sich mit der leeren Messerhand flüchtig das Blut aus den Augen. Jetzt hätte er sein Kriegsbeil brauchen können. Doch das lag irgendwo im Gras, genau wie das seines Gegners. Sein Atem ging stoßweise; der Blutverlust machte ihm zu schaffen, und er wusste das.

Icy-Wind blickte ruhigen Blutes auf sein und Light-Clouds Kriegsbeile, die in Reichweite lagen. Das gab ihm ein Gefühl der Überlegenheit. Er wollte seinen Gegner am Boden sehen, sich an seiner Niederlage weiden – und das hatte er erreicht. Blut, das ihm von der Stirn tropfte, mit dem Messer in der Hand wegwischend, ließ er Light-CLoud nicht aus den Augen. Entgegen den Erwartungen – und den Wetten – der Männer war er äußerst fair geblieben, genauso wie Light-Cloud, der im Gegensatz zu ihm dafür bekannt war. Da er zögerte, sah es aus der Sicht der sie beobachtenden Männer so aus, als wartete er auf etwas. Doch das täuschte. Er wollte diese Situation in sich aufnehmen, diesen Anblick, seinen Gegner in der Hand zu haben, genießen. Alle anderen sollten es auch sehen. Er war hier der Sieger – er, Icy-Wind. Er besaß jetzt Macht über diesen hier.

Light-Cloud machte sich bereit, das Messer abzufangen, das so bedrohlich über ihm schwebte. Noch hatte er sich nicht aufgegeben. Icy-Wind, ohne den lauernden Blick von Light-Cloud zu bemerken, senkte langsam den Arm und zog provozierend die scharfe Klinge durch das Gras. Eine Furche blieb zurück, bis in die Erde reichend. Die schmalen Lippen zu einem Lächeln verzogen, holte er zum Stoß aus. Dieser hier musste sterben, stellvertretend für einen Feind aus alten Tagen. Er würde ihn töten, um damit die Erinnerung an einen anderen Tag aus seinem Gedächtnis zu löschen. Was auch immer ihm jetzt durch den Kopf ging – es war ein befriedigendes Gefühl, bis er plötzlich blinzeln musste. Ein winziger Sonnenstrahl stach ihm in die Augen, und er senkte seinen Messerarm ein kleines Stück. Als er wieder klarer sah – es hatte nur zwei Wimpernschläge lang gedauert – blickten er und Light-Cloud sich direkt an. Icy-Wind ließ den Messerarm vorwärts schnellen, direkt auf die Brust seines Gegners zu. Dieses Glücksgefühl von eben machte alles andere um ihn herum bedeutungslos. Plötzlich spürte er, wie die Finger Light-Clouds sein Handgelenk umspannten, und erstarrte. Verzweifelt versuchte er, sich zu konzentrieren, doch da schwindelte es ihn. Es mochte der Blutverlust sein – oder vielleicht verließen ihn ganz einfach die Kräfte. Jedenfalls verschwamm alles vor seinen Augen in einem roten Nebel. Er blinzelte, holte tief Luft, während er weiter mit Light-Cloud um das Messer rang.

Da löste sich der Nebel auf, um sie seinen Blicken freizugeben: Sun-In-The-Red-Hair. Im nächsten Augenblick verschwand dieses Bild wieder, als wäre es nie dagewesen, löste sich einfach auf. Eine schwere Last blieb. Eine Last, die ihn zu erdrücken drohte – die Last der Erinnerung. Sun-In-The-Red-Hairs Sohn rang mit ihm um sein Leben. Er wusste, dass es so war und dass er das Leben ihres Sohnes in der Hand hielt.

Keuchend, den Tod erwartend, denn die scharfe Messerschneide bedrohte seine Kehle, wand sich Light-Cloud unter ihm. Langsam begannen beiden die Kräfte zu schwinden, doch der Jüngere befand sich in der schlechteren Position. Das Messer senkte sich ein Stück weiter und ritzte ihm bereits die Haut. Eine Schnur aus Blut sickerte über seinen Adamsapfel hinunter in die kleine Kuhle und sammelte sich dort. Um sie herum war es plötzlich still, selbst die Mustangs schienen den Atem anzuhalten. Die Männer, die wie erstarrt dem allen zugesehen hatten, beobachteten, wie Icy-Wind tief Luft holte – zum Letzten bereit; niemand griff ein, niemand würde sich in die Angelegenheiten dieser beiden Krieger mischen.

Die untergehende Sonne stand genau über einem der gezackten Felsen oben auf dem Geröllfeld. Das gegossene Silber war zu einem Rot geworden. Rot, wie glühendes Eisen, das zu schmelzen beginnt, fiel genau auf Light-Clouds Haare. Eigentlich dunkelbraun, schienen sie jetzt in Flammen zu stehen. Er lag auf dem Rücken, hingestreckt wie ein menschliches Opfer, mit wissenden Augen den tödlichen Stoß erwartend. Seine Gedanken waren bei Dark-Night. Jetzt, in seinen letzten Atemzügen, wusste er, dass er alles falsch gemacht hatte. Sie in dieser Lage zurückzulassen, war es nicht wert gewesen. Und doch … Noch mehr Rot ergoss sich über seine Haare. Icy-Wind stockte der Atem. Sun-In-The-Red-Hairs schemenhafte Gestalt drang erneut in sein Bewusstsein. Er wollte sich davon nicht aufhalten lassen. Seine Hand mit dem Messer drückte fester gegen den Hals, über die pulsierende Ader. Aus einer Hautfalte quoll Blut. Da geschah etwas mit ihm. Der Geist der Frau, die er niemals hatte vergessen können, nahm von ihm Besitz. Auf Light-Clouds Haaren lag der gleiche rote Schein wie damals auf ihren. Das traf ihn zutiefst. Die Erinnerung tat weh und löschte das eben noch gespürte Glücksgefühl aus. Seine Messerhand begann zu zittern, und er hätte laut aufschreien mögen. Der Augenblick des Triumphes verwandelte sich urplötzlich in eine Niederlage, und doch konnte er nichts dagegen tun.