Come in we are Open – Als Asphaltcowboy quer durch die USA - Florian Gräfe - E-Book

Come in we are Open – Als Asphaltcowboy quer durch die USA E-Book

Florian Gräfe

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Beschreibung

Dieser Roadtrip ist aus einer Schnapsidee heraus entstanden. Unterwegs auf den endlosen Highways der Vereinigten Staaten will Florian das echte Land und echte Menschen kennenlernen. Doch wie stellt er das am besten an? Der Tresen ist ein Ort voller Möglichkeiten. Deshalb fährt er zwischen New York und San Francisco von Bar zu Bar und trifft dort auf allerlei skurrile Leute, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Er bereist Orte, die er zuvor nur aus Film und Fernsehen kannte und von denen er nie gedacht hätte, dass er sie einmal mit eigenen Augen sehen würde. Dieses Abenteuer ist eine Komposition aus witzigen Anekdoten und seltsamen Zufällen, aus Szenen des alltäglichen Lebens und persönlichen Geschichten der Menschen vor Ort, aus amüsanten Erinnerungen und Einblicken in die Kultur des Landes. Schnallen Sie sich an und lassen Sie sich auf diesem ungewöhnlichen Roadtrip auf dem Beifahrersitz den Wind der Freiheit um die Nase wehen!

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Florian Gräfe

Come in we are Open

Als Asphaltcowboy quer durch die USA

Ein Reisebericht

Copyright © 2022 Florian Gräfe

Alle Rechte vorbehalten.

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Redaktion: Ralf Reiter

Covergestaltung: IdeAde

Coverfotos: Technika (Pixabay), LoveableNinja (Pixabay), Jplenio (Pixabay)

Vertrieb: epubli – ein Service der neopubli GmbH, Berlin

Über den Autor:

Florian Gräfe wurde 1986 in Freiberg geboren. Er wuchs im beschaulichen Arendsee auf und lebt seit 2007 in Berlin, wo er als freier Lektor und Übersetzer arbeitet.

Die USA auf ihren endlosen Highways zu bereisen, war schon immer einer seiner größten Träume. Mit dem Begriff Roadtrip verbindet er mehr als nur eine Art zu reisen. Es ist ein Lebensgefühl, ein Abenteuer, Freiheit. Als Asphaltcowboy bereiste er Orte, die er zuvor nur aus Film und Fernsehen kannte und von denen er nie gedacht hätte, dass er sie einmal mit eigenen Augen sehen würde.

Als Science-Fiction-Autor ist er Preisträger des NEWCOMER SAMIEL AWARD 2015 für den Antagonisten, mit dem er die Erstveröffentlichung als Schriftsteller vollzogen hat.

Inhalt

Berlin, Deutschland

New York, New York

Washington, District of Columbia

Newport News, Virginia

Wilmington, North Carolina

North Charleston, South Carolina

St. Augustine, Florida

Fort Lauderdale, Florida

Lakeland, Florida

Apalachicola, Florida

Mobile, Alabama

New Orleans, Louisiana

Lafayette, Louisiana

Houston, Texas

Dallas, Texas

Southfork Ranch, Texas

Oklahoma City, Oklahoma

Amarillo, Texas

Roswell, New Mexico

Albuquerque, New Mexico

Gallup, New Mexico

Meteoriteneinschlagskrater

Flagstaff, Arizona

Las Vegas, Nevada

Los Angeles, Kalifornien

San Luis Obispo, Kalifornien

Monterey, Kalifornien

San Francisco, Kalifornien

Berlin, Deutschland

Weitere Bücher von Florian Gräfe

Asphaltcowboy, der

Substantiv, maskulin

Bedeutung:

Jugendlicher, junger Mann, der als Müßiggänger in der Stadt herumschlendert.

- Duden online

Berlin, Deutschland

Wenn nicht jetzt, wann dann? Damit hatte mein bester Freund verdammt recht. Wie so oft. Wissen Sie, was er immer sagt, wenn ich mich mal wieder darüber beschwere, dass ich zu viel Zeit mit dem Anschauen von Serien verbringe, statt an einem neuen Buch zu arbeiten? Er stellt dann immer nur eine Frage: Hattest du Spaß?

Max und ich kennen uns schon ewig und drei Tage. Um genau zu sein, seit der fünften Klasse. Zwischenzeitlich hatten wir zwar weniger Kontakt – er zog erst mit seiner Familie nach Magdeburg, später dann allein nach Stuttgart, während ich zum Studieren nach Berlin gegangen war –, aber wir haben uns nie aus den Augen verloren. Mindestens zweimal im Jahr fuhr ich nach Stuttgart, und er kam genauso oft nach Berlin. Irgendwann zog er dann der Arbeit wegen auch in die Hauptstadt, und es ergab sich schnell, dass wir uns jeden Donnerstagabend zum, wie wir es nennen, Geschäftsessen treffen. Tatsächlich gehen wir nicht essen (und geschäftlich schon gar nicht), sondern spazieren mit Wegbieren durch Friedrichshain, kehren in einer unserer Stammkneipen ein und bringen uns währenddessen gegenseitig auf den neuesten Stand der Dinge, die wir im Laufe der vergangenen Woche erlebt haben, oder reden einfach nur über Gott und die Welt.

Jedenfalls hatte er mit seiner Frage wieder einmal ins Schwarze getroffen. Es war ein sonniger Nachmittag an einem Sommerwochenende. Wir saßen draußen vor einer Bar am Ostkreuz, genossen das schöne Wetter und hatten bereits ein paar Bierchen intus, als wir aus mir heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen darauf kamen, dass ich in meinem Leben irgendwann mal einen Roadtrip durch die USA machen wollte. So, wie man das aus Filmen kennt: mit dem Auto einsame Highways entlangfahren, das Land entdecken, verrückte Leute kennenlernen, in Motels schlafen, ohne wirkliches Ziel irgendwann irgendwo ankommen. Die pure Freiheit also.

Nachdem lange geschwärmt, diskutiert, noch das eine oder andere Bier getrunken und beschlossen wurde, dass Max selbstverständlich ebenfalls mitzukommen habe, stellte er irgendwann die entscheidende Frage: Wenn nicht jetzt, wann dann?

Ja, wann sonst? Objektiv betrachtet war gerade der perfekte Zeitpunkt für solch ein spontanes Abenteuer. Wir befanden uns mit Anfang dreißig im richtigen Alter, hatten ausreichend Geld (was sich später als Irrtum herausstellen sollte) und keine Verpflichtungen – also keine Frau, Kinder, Haus, Hund und so weiter. So ein Zeitfenster schließt sich irgendwann. Die einzigen Gründe, die dagegen sprachen, waren die Angst vor dem Unbekannten und die Gefangenschaft in unserer Komfortzone.

Und beides galt es endlich einmal zu überwinden. Nur hatte ich so etwas noch nie gemacht. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch, ich war natürlich schon in Urlaub gewesen. Aber Europa hatte ich bis dahin noch nie verlassen und für solch eine lange Zeit schon gar nicht. Denn damit sich das Ganze richtig lohnte, war ein Trip von drei Monaten angedacht. Für mich jedenfalls. Mein damaliger Arbeitgeber bot langjährigen Mitarbeitern die Möglichkeit, ein Sabbatical zu nehmen. Über diesen Luxus verfügte Max bedauerlicherweise nicht, sodass folgendes Szenario entwickelt wurde: Max und ich würden drei Wochen lang gemeinsam die Ostküste der USA von New York bis Miami erkunden, danach würde ich allein bis nach San Francisco reisen.

Eine klassische Schnapsidee war geboren.

Völlig übermotiviert reichte ich am Anfang der folgenden Woche den Antrag auf das Sabbatical bei meinem Arbeitgeber ein. Wenn ich das nicht sofort gemacht hätte, dann hätte ich es niemals gemacht. So war das bei mir und meinen fixen Ideen immer. Ich wurde jedoch schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Denn so schnell und so einfach, wie ich mir das vorgestellt hatte, ging es natürlich nicht. Es bedurfte nämlich einer gewissen Vorlaufzeit, bis ich eine längere Auszeit nehmen konnte. Im Leben gibt es nichts geschenkt, und so war es auch hier. Ich musste ein halbes Jahr lang einen Teil meines Gehalts zurücklegen – was freundlicherweise mein Arbeitgeber ganz uneigennützig für mich übernahm –, damit ich dann während meiner Abwesenheit diesen gesparten Teil als Gehalt ausbezahlt bekam. Das war wichtig, denn dann wäre ich auch während meiner Zeit in den USA versichert. Dadurch verschob sich der einfältig für den Herbst geplante Starttermin jedoch ins Frühjahr des Folgejahres.

Im Nachhinein bin ich froh darüber, nicht überstürzt abgereist zu sein. Durch die vielen Monate Vorlauf hatte ich genug Zeit, um mich intensiv auf die Reise vorzubereiten, was auch bitter nötig war. Sie machen sich ja keine Vorstellung, worum man sich alles kümmern muss!

Als allererstes kaufte ich mir einen Reiseführer. Einen von den großen, Sie wissen schon, diese ganz erfolgreichen, bei denen die Autoren extra in das jeweilige Land reisen und nicht einfach übers Internet recherchieren, sich nicht beeinflussen lassen und alles genau so beschreiben, wie sie es vorfinden.

Wie sich herausstellte, war das eine gute Idee, denn darin stehen nicht nur nützliche Tipps für die Reise selbst, sondern auch, wie man sich richtig darauf vorbereitet. Ich habe ihn komplett verschlungen, mir ausgemalt, wohin ich überall reisen und was ich alles sehen würde, was ich alles erleben und was ich alles essen würde. Das Ding hatte über dreizehnhundert Seiten! So schnell hatte ich zuvor noch kein Buch gelesen. Jetzt, im Nachhinein, kann ich sagen, dass ich viele der Dinge, die ich mir vorgenommen hatte und die ich sehen wollte, tatsächlich auch getan und gesehen habe. Andere zu meinem Bedauern wiederum nicht. Aber eins nach dem anderen.

Zunächst benötigte ich einen Reisepass. Wie schon erwähnt, hatte ich Europa zuvor noch nie verlassen, und dank einer der größten Errungenschaften der europäischen Idee, der Freizügigkeit, hatte ich auch noch nie einen benötigt. Glücklicherweise hatte ich noch ein paar Monate Zeit. Für alle Leserinnen und Leser, die nicht in Berlin wohnen, sei erklärt: Die Terminfindung in einem der Berliner Bürgerämter ist aufgrund himmelschreiender Unterfinanzierung und -besetzung katastrophal. Die Ämter sind über Wochen und Monate ausgebucht.

Jedenfalls hatte ich einen Termin in sechs Wochen ergattern können, was gar nicht so weit in der Zukunft lag. Da ich auch einen internationalen Führerschein beantragen wollte, was in demselben Bürgeramt möglich war, freute ich mich (zu früh), alles in einem Abwasch erledigen zu können.

Der internationale Führerschein wäre prinzipiell eigentlich nicht nötig gewesen, da der deutsche in allen bis auf zwei Bundesstaaten der USA anerkannt wird. Meine geplante Route führte jedoch – Sie ahnen es vielleicht – genau durch diese beiden Bundesstaaten. Von daher war das Dokument also doch unabdingbar.

Sechs Wochen später – ich hatte extra Urlaub genommen, weil mitten am Tag – fand ich mich überpünktlich im Bürgeramt ein.

Am Schalter traf ich auf ein wenig freundliches und ebenso wenig kooperatives Mitglied des Bürgeramtkompetenzteams, dem ich mein Anliegen schilderte, Pass und Führerschein beantragen zu wollen. Ich war so naiv zu glauben (Sie erinnern sich: Ich hatte einen Termin vereinbart), das sei problemlos möglich. Selbstverständlich war beides gleichzeitig nicht möglich. Dafür hätte ich zwei Termine ausmachen müssen.

Ich versicherte mich, ob ich die Dame richtig verstanden hatte: In der ohnehin schon angespannten Terminsituation Berlins hätte ich also zwei Termine blockieren sollen?

Genau.

Ich gab zu bedenken, dass es gar keine zwei Termine hintereinander gäbe und ich schon Glück gehabt hätte, diesen einen so schnell zu ergattern.

Die hätte man mir schon hintereinandergelegt. Es würde ja auch nicht lange dauern, die beiden Dokumente zu beantragen.

Aha. Also könnten wir doch beides machen.

Nein, dafür würde ich zwei Termine benötigen.

Ich schloss für einen Moment die Augen. Dann erkundigte ich mich, wann der nächste Termin frei sei.

Sie blickte über den Rand ihrer Brille auf den Monitor vor sich. In sechs Wochen.

Natürlich.

Ob sie mich eintragen solle, hakte sie nach.

Ich bestätigte überfreundlich.

Während sie mir einen Zettel mit der Terminbestätigung überreichte, fragte sie, welches Dokument wir heute bearbeiten wollten.

Den Reisepass. Kopfschüttelnd setzte ich mich und wartete darauf, dass ich aufgerufen wurde. Am Platz der für mich zuständigen Sachbearbeiterin ließ ich meinen gesamten Charme spielen. Ich schilderte ihr die Situation mit ihrer Kollegin am Empfang sowie die Dringlichkeit meines Anliegens, da ich bald verreisen wollte. Zugegeben: Letzteres entsprach zwar nicht der Wahrheit, schließlich hatte ich noch Monate Zeit bis zum Abflug, verfehlte jedoch nicht seine Wirkung. Es war selbstverständlich gar kein Problem, heute beide Dokumente zu beantragen. Im Gegenteil! Sie war sogar dankbar, dass sie alles in einem Rutsch bearbeiten konnte. Klar, das sparte nicht nur meine, sondern auch ihre wertvolle Zeit.

Den Führerschein konnte ich sofort mitnehmen, den Pass durfte ich dann vier Wochen später, und damit früher als angenommen, abholen.

Freudestrahlend sagte ich meinen zweiten Termin unter dem ungläubigen Blick der Dame am Empfang gleich wieder ab und verließ das Gebäude.

Um sich offiziell in den USA aufhalten zu dürfen, gibt es zwei Möglichkeiten: entweder per Visum oder per Visa Waiver Program (VWP). Ein Visum zu beantragen, was mit erheblichem Aufwand verbunden ist, war in meinem Fall glücklicherweise nicht notwendig. Das VWP greift nämlich bei Menschen, die sich aus touristischen Gründen für bis zu maximal neunzig Tage pro Einreise in den USA aufhalten. Selbstverständlich sind vor den amerikanischen Behörden nicht alle Menschen gleich. Damals (die Vorschriften ändern sich ständig) durften sich Bürger aus achtunddreißig Ländern visumfrei in den USA aufhalten. Menschen aus dem Irak, Iran, Syrien usw. zählten nicht dazu. Selbst Bürger aus VWP-Staaten, die sich in einem dieser »problematischen« Länder aufgehalten hatten, durften am VWP nicht teilnehmen. Gott sei Dank bin ich Deutscher und hatte Europa bis dahin nicht verlassen.

Manche sind nun mal gleicher als andere.

Die Registrierung im Electronic System for Travel Authorization (ESTA) muss bei der US-Heimatschutzbehörde spätestens zweiundsiebzig Stunden vor der Einreise vorgenommen werden. Das funktioniert ganz bequem online, kostete damals übersichtliche vierzehn Dollar und ist zwei Jahre gültig.

Für die Buchung der Flüge sowie der ersten Unterkünfte brauchten Max und ich mehrere Anläufe. Wir konnten uns einfach nicht entscheiden, wann genau wir hin- und zurückfliegen und wo und wie genau wir unterkommen wollten. Mit fortschreitender Zeit stiegen selbstverständlich die Preise für Flüge und Unterkünfte, sodass wir irgendwann gezwungen waren, uns zusammenzureißen und endlich Nägel mit Köpfen zu machen.

Am Ende stand schließlich der Plan: Hinflug nach New York, Unterkunft in einem Hotel in Lower Manhattan für eine Woche, Unterkunft in einer Privatunterkunft in Washington D.C., Rückflug für Max von Miami nach drei Wochen und Rückflug für mich von San Francisco nach drei Monaten.

Ich hatte mich dazu entschlossen, einen Mietwagen für den Roadtrip zu buchen. Die Überlegung war pragmatisch: Ich hatte weder Lust noch Zeit, mich um die Beschaffung und Anmeldung eines privaten Pkw vor Ort zu kümmern, obwohl das wesentlich günstiger gewesen wäre. Außerdem wollte ich im Ernstfall ver- und abgesichert sein und mich um nichts kümmern müssen. Das war mir die Extrakosten allemal wert.

Ich hätte viel Geld sparen können, wenn ich nicht so stur gewesen wäre. Es gab nämlich ein Angebot, mit dem ich dreißig Prozent Rabatt auf den Buchungspreis erhalten hätte. Der Haken war, dass man dafür nur dreißig Tage am Stück buchen durfte. Da ich jedoch vorhatte, den Wagen während der Reise nicht zu wechseln (was ich im Endeffekt dennoch musste), nahm ich das Angebot nicht in Anspruch und buchte für teures Geld von Washington nach San Francisco. In New York wollte ich auf keinen Fall schon selbst fahren. In einem fremden Land mit eigenen Verkehrsregeln und dann auch noch in New York. New York! Himmel! Das war auf jeden Fall die richtige Entscheidung gewesen. Sie glauben ja nicht, was da los ist.

Dafür, dass ich den Wagen nicht am Abholort abgeben würde, berechnete man mir selbstverständlich noch freundliche fünfhundert Dollar zusätzlich.

Was man nicht vergessen darf, ist der Abschluss einer Auslandskrankenversicherung. Freilich haben die USA eine hervorragende Gesundheitsversorgung, keine Frage, doch ohne eine ordentliche Versicherung bedeutet eine Behandlung den finanziellen Ruin.

Genau aus diesem Grund dürfen Sie bei den meisten Versicherungen draufzahlen, wenn Sie in die Vereinigten Staaten reisen. Ich habe dann so ein Ding abgeschlossen mit allem Pipapo, damit ich im Ernstfall ordentlich versorgt werden konnte. Da zahlte ich im Vorfeld lieber einhundert Euro mehr als mich später dumm und dämlich.

Während der Vorbereitungszeit kamen mir immer wieder Zweifel, ob das, was ich vorhatte, nicht eine Nummer zu groß für mich war. Drei Monate allein in einem fremden Land, auf einem anderen Kontinent. Was, wenn mir etwas passierte? Oder ich eine Panne hätte? Würde ich immer eine Unterkunft finden? Götter, ich machte mir sogar Gedanken darüber, ob ich es schaffen würde, dort zu tanken! Das müssen Sie sich mal vorstellen: Ich sah mir YouTube-Videos an, in denen Menschen in den USA Autos betanken. Würde ich Leute kennenlernen oder die ganze Zeit einsam durchs Land ziehen? Wie sich herausstellte, war das das Einfachste auf der Reise. Egal wo ich war, ich musste nichts tun. Ich musste mich einfach an einen Tresen setzen und zehn Minuten warten. Entweder wurde ich angesprochen, weil Amerikaner generell offene Menschen sind, oder sie bekamen mit, dass ich Deutscher bin. Dann war ihr Interesse geweckt und ich wurde sie nicht mehr los.

Ich hatte Stunden damit zugebracht, im Internet zu recherchieren, habe Blogs gelesen und Vlogs geschaut, um meine Zweifel zu zerstreuen.

Meine Mutter hatte noch mehr Angst als ich. Sie versuchte zwar, sich so wenig wie möglich anmerken zu lassen, aber ganz verbergen konnte sie es nicht – und sie hat es letztlich auch zugegeben. Kurz vor Reiseantritt stattete ich meinen Eltern noch einen letzten Besuch ab. Sie leben nicht in Berlin, sondern in einer Kleinstadt im Norden der Altmark. Nehmen Sie den Punkt auf der Landkarte in Deutschland, der von allen Autobahnen am weitesten entfernt ist. Dort komme ich her.

Also blieb ich gleich ein paar Tage. An einem Nachmittag bestand meine Mutter darauf, dass wir meine geplante Route durch die Vereinigten Staaten in einen alten Schulatlas einzeichneten. Dann wüsste sie, wann ich mich wo gerade aufhielt.

Ich habe ihr damals nicht erzählt, dass diese eingetragene Route nur sehr grob war. Ich hatte doch selbst keine Ahnung, wann ich wo sein würde. Wie sich später herausstellen sollte, habe ich die Wegstrecke weder zeitlich noch räumlich eingehalten. Aber das war auch nicht wichtig, da ich meine Mutter während der Reise nahezu täglich via Sofortnachrichten auf dem Laufenden hielt.

Im Internet kaufte ich mir allerhand nützliches und unnützes Zeug. Nikotinpflaster und -kaugummis gehörten beispielsweise zum unnützen Zeug. Gut, ich konnte ja nicht wissen, dass ich Neun- und Dreizehnstundenflüge problemlos auf einer Arschbacke absitzen würde.

Der Reiseföhn war eine einzige Enttäuschung. Es handelte sich um ein Modell, das man genauso bei europäischer wie bei US-amerikanischer Netzspannung betreiben konnte. Bei einem Test im heimischen Badezimmer hatte er funktioniert wie ein erwachsener Föhn. In den Staaten hingegen führte die niedrige Spannung dazu, dass nur ein laues Lüftchen wehte. Als würde jemand durch mein Haar pusten. Mit zunehmender Reisedauer wurde das immer problematischer, da ich nicht zum Friseur ging und meine Haare immer länger und damit immer schwieriger zu bändigen wurden.

Das Reiseglätteisen hingegen war trotz seiner geringen Größe überraschend effektiv.

Unabdingbar sind Steckdosenadapter. Interessanterweise gibt es dort zwei Sorten von Steckdosen: die mit und die ohne Nupsi. Adapter ohne Nupsi passen auch in Steckdosen, die ein entsprechendes Loch haben. Umgekehrt passen Adapter mit Nupsi logischerweise nicht in Steckdosen, die kein entsprechendes Loch haben. Dass es unterschiedliche Arten gibt, fand ich aber erst heraus, als ich dort war. Durch Zufall hatte ich zwei unterschiedliche Adapter gekauft, sodass ich in dem Punkt jedenfalls keine Probleme hatte.

Was ich auf jeden Fall empfehlen kann, ist, eine Prepaid-SIM-Karte für die USA bereits in Deutschland zu kaufen. Das ist eine extrem komfortable Lösung, denn dann müssen Sie sich nach der Ankunft keine Gedanken darüber machen, wo Sie eine SIM-Karte herbekommen. Ich legte die mitgebrachte einfach ein, aktivierte sie, und schon war das Telefon einsatzbereit. Eine Gebrauchsanweisung lag praktischerweise dabei und war auch nötig, weil ich einige Einstellungen an meinem Telefon vornehmen musste, da dieses nicht ohne Weiteres im amerikanischen Handynetz funktionierte. Das war aber alles sehr einfach und kein Hexenwerk.

Es gibt noch so einige Dinge, die vor einer Reise in die USA wichtig sind, wie zum Beispiel für die ersten Tage Euro in Dollar zu wechseln, Kreditrahmen und Dispo zu klären, die EC-Karte für das Ausland freizuschalten und eine Reiseversicherung abzuschließen. Aber Sie lesen hier keinen Reiseführer.

Wenn Sie einmal die Gelegenheit haben, die USA zu besuchen – was ich uneingeschränkt empfehle –, dann müssen Sie sich damit sowieso detailliert auseinandersetzen. Solch eine Reise ist nicht mit einem Wochenendtrip in die Hauptstadt eines Nachbarlandes zu vergleichen. Sie sollten sich im Vorfeld am besten mehrmals in Ruhe hinsetzen und genau planen. Angefangen bei Flug- und Unterkunftsbuchung über Routenplanung bis hin zur Einreiseerlaubnis. Auch wenn es manchmal viel klingt – und machen wir uns nichts vor, es ist viel –, eine gründliche Planung ist entscheidend für eine entspannte Reise. Außerdem setzen Sie sich dabei mit dem Zielland auseinander. Im Internet finden Sie Seiten, auf denen alles haarklein aufgelistet ist, was Sie zu tun, zu beachten und zu lassen haben. Da haben sich Menschen viel Mühe gegeben. Nutzen Sie diese Seiten, und Sie sind auf der sicheren Seite.

Max und ich dachten, dass wir ausgezeichnete Sitzplätze gebucht hätten, solche mit Beinfreiheit, wo keine Sitzreihe davor ist. Tatsächlich befanden sie sich direkt am Klo des Fliegers. Die ausklappbaren Monitore an ihrem wackeligen Gestänge waren aufgrund der Nähe zu den ohrenbetäubend lauten Triebwerken nicht zu gebrauchen. Man konnte keine Filme gucken, da man kein einziges Wort verstand.

Ich schaute eine Doku über Eisenbahnen, da war das gesprochene Wort belanglos. Oh, und es gab Road Runner und Wile E. Coyote. Das war lustig. Die anderen Passagiere sahen mich zeitweise ungläubig an, weil ich Tränen lachte.

Die meiste Zeit verbrachten Max und ich jedoch stehend am Klo. Was das anging, waren diese Plätze wirklich von Vorteil. Wir konnten stehen und hatten vergleichsweise viel Platz dabei. Wirklich angenehm bei neun Stunden Flug. So standen wir da und bestellten Bier, wenn eine der Stewardessen vorbeikam.

Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal Bier im Flugzeug getrunken haben, aber es ist so, dass der Geschmackssinn in Reiseflughöhe leidet. Die Wissenschaft geht davon aus, dass das ein Grund dafür ist, dass so viele Menschen in Flugzeugen Tomatensaft bestellen, den Sie auf der Erde niemals auch nur angucken würden.

Jedenfalls schmeckte das Bier nach nichts, kostete dafür aber fünf Euro pro Dose. Kleine Dose. Ich weiß nicht genau, wie viel jeder hatte.

Im Nachhinein betrachtet war das keine so gute Idee, da wir nach der Landung noch durch die Passkontrolle mussten. US-Grenzbeamte sind mit umfangreichen Befugnissen ausgestattet und haben jederzeit das Recht, die Einreise zu verweigern. Die ganze Geschichte hätte am New Yorker Flughafen bereits enden können. Monate der Planung wären umsonst gewesen, Tausende Euro in den Sand gesetzt.

Dazu kam es zum Glück nicht. Sonst hätte dieses Buch auch sehr viel weniger Seiten und wäre nicht wirklich lesenswert.

Mein Grenzbeamter war nicht sehr freundlich. Er war geradezu grimmig. Er musste wahrscheinlich auf harter Knochen machen. Aber es verlief alles reibungslos: Er fragte nach meinem Reisegrund und ob ich über ausreichend Geldmittel verfüge. Die erste Frage beantwortete ich stolz, fast angeberisch, mit dem geplanten Roadtrip.

Der Mann blieb unbeeindruckt.

Die zweite Frage bejahte ich einfach nur. Dann wurde ich durchgewunken.

Bei Max lief es ebenso unproblematisch. Von unserem kleinen Dusel haben die wahrscheinlich nichts gemerkt. Oder Max hatte recht, als er es später zusammenfasste: Stell dir vor, da kommen Deutsche an und die sind nüchtern. Die glauben doch sofort, dass das Terroristen sind.

New York, New York

Offizieller Spitzname des Staates: The Empire State

Wir waren endlich in New York. Nach sechs langen Monaten waren wir am Ziel, das genau genommen erst der Start der Reise war.

Über die Stadt im Allgemeinen muss ich Ihnen ja nichts erzählen. Jeder kennt sie. Sie ist mit ungefähr achteinhalb Millionen Einwohnern die bevölkerungsreichste Stadt der Vereinigten Staaten, einer der bedeutendsten Wirtschaftsräume und Handelsplätze überhaupt und das kulturelle, Mode- und Restaurantzentrum der Welt. Von ärmsten Hütten bis zu den prachtvollsten Wolkenkratzern, von schäbigen Spelunken bis zu den edelsten Clubs, von den dunklen Ecken der Bronx bis hin zum hell erleuchteten Time Square hat diese Stadt einfach alles zu bieten. Sie ist aufregend, laut, schmutzig, wunderschön, hektisch und stinkt. Ach, Sie müssen sie einfach selbst erleben.

Das Schöne und zugleich Schreckliche am Reisen ist ja, dass man, egal wo man sich auf der Welt aufhält, immer auf Deutsche trifft. So erging es Max und mir schon am Flughafen, als wir versuchten, ein Taxi zu rufen. Das war mit Warteschlangen, Absperrbändern, undurchsichtiger Preisgestaltung und genereller Ahnungslosigkeit unsererseits ein schwieriges Unterfangen. Glücklicherweise waren zwei junge Damen aus Deutschland ebenso planlos, aber bald hatten wir es mit vereinten Kräften geschafft, dass wir alle zusammen ein Taxi bestiegen. Das Ziel der Frauen lag im Grunde auf unserem Weg. Und falls Sie sich das fragen: Nein, wir verabredeten uns nicht mit ihnen. Das Letzte, was wir wollten, war, die ersten Tage in den USA mit noch mehr Deutschen als uns selbst zu verbringen.

Es war schon dunkel, als wir mit dem Taxi vom John F. Kennedy-Flughafen Richtung Innenstadt fuhren. Wir waren abends in Berlin losgeflogen und sind abends in New York angekommen. Wenn man es genauer betrachtet, war für uns kaum Zeit vergangen, obwohl wir natürlich tatsächlich neun Stunden unterwegs gewesen waren. Zeitreisen sind echt kompliziert, die bringen immer nur Probleme mit sich.

Nach einer belanglosen Konversation mit unserer weiblichen Begleitung, die unter anderem ihre und unsere Herkunft sowie ihre und unsere Ziele der Reise beinhaltete, setzten wir die Damen in Brooklyn ab. Von dort aus war es nicht mehr weit bis nach Manhattan, und wir hatten bald einen spektakulären Blick auf die leuchtende Skyline der Halbinsel. Wir klebten mit unseren Gesichtern förmlich an den Scheiben des Wagens und sogen so viele Eindrücke in uns auf, wie wir nur konnten. Schließlich erreichten wir unser Ziel: Das SoHo Garden Hotel in der Canal Street. Keine exklusive Unterkunft, aber zumindest eine exklusive Lage im Süden Manhattans. Es befand sich inmitten von SoHo, Tribecas erstklassigem Einkaufsviertel und den von Bäumen gesäumten Reihenhäusern des West Village. Das neunstöckige Gebäude mit gusseiserner Fassade, das den Stil dieses historischen Stadtteils von Manhattan repräsentierte, war 1828 erbaut worden. Obwohl die Architektur an die Vergangenheit erinnerte, war das Hotel mit allen modernen Technologien und Annehmlichkeiten ausgestattet.

Das Taxi zu bezahlen, stellte die nächste Herausforderung dar. Das entsprechende Terminal befand sich an der Rückseite des Vordersitzes. Objektiv betrachtet ist es kinderleicht: Kreditkarte rein, Trinkgeld auswählen, fertig. Wenn man das aber nicht kennt, dann ist man erst mal vollkommen überfordert (jaja, die Deutschen und ihr geliebtes Bargeld …). Der Taxifahrer erklärte uns geduldig die Funktionsweise, und irgendwann hatten wir es dann geschafft.

Im Hotel erwartete uns eine Überraschung: Der ausgesprochen freundliche Mitarbeiter am Empfang wollte nach dem Einchecken plötzlich einen Haufen Geld von mir. Ich machte ihn darauf aufmerksam, dass ich das Hotel bereits im Voraus bezahlt hätte, aber er ließ sich nicht beirren. Nach einer gründlichen Untersuchung meiner Buchungsunterlagen stellte sich heraus, dass ich lediglich die erste Nacht im Voraus bezahlt hatte. Die jetzt fälligen, außerplanmäßigen achthundert Dollar gab das Reisebudget eigentlich nicht her. Aber was sollten wir machen? Auf der Straße schlafen? Zähneknirschend überreichte ich ihm meine Kreditkarte. Er konnte nichts dafür. Ich ärgerte mich vielmehr über meine eigene Dummheit.

Die Zimmer waren nichts Aufregendes. Zwei Betten, ein Bad, kein weiterer Platz. Für unsere Bedürfnisse vollkommen ausreichend. Wir wollten dort schließlich nicht wohnen, sondern nur übernachten. Für sieben Tage in Ordnung.

Obwohl wir mittlerweile fast vierundzwanzig Stunden auf den Beinen waren, waren wir viel zu aufgekratzt, als dass wir jetzt schon hätten schlafen gehen können. Außerdem waren wir hungrig. Bis auf den, nennen wir es mal, Lunch an Bord des Flugzeugs, hatten wir nicht viel zu uns genommen. Also gingen wir auf die Straße und hielten nach einem Etablissement mit etwas Essbarem Ausschau.

Es war schweinekalt. Erwähnte ich das schon? Es war wirklich schneidend. Und es schneite. Da der Berliner März zur Zeit unseres Abflugs ungewöhnlich warm war, waren wir nur unzureichend vorbereitet, was unsere Winterkleidung betraf. Das muss man sich mal vorstellen: Wir haben diesen Trip sechs Monate lang mehr oder weniger minutiös geplant, aber vor der Abreise nicht nachgesehen, wie das Wetter im Zielland sein würde. Anfänger.

Gleich um die Ecke gab es einen McDonald’s, und, na ja, wegen der Kälte hatten wir nicht vor, mehr Zeit als nötig draußen zu verbringen. Also kehrten wir dort ein. Die Klientel war gewöhnungsbedürftig und die Portionen überraschend mächtig. Also stopften wir das gute Zeug in uns hinein und verließen den Laden schnell wieder. Nebenan entdeckten wir einen 7-Eleven. Das war unser Glück, denn der sollte uns in der kommenden Woche mit allem Nötigen versorgen. Und er war nur drei Gehminuten vom Hotel entfernt.

Es handelt sich dabei um die weltweit größte Kette von Einzelhandelsgeschäften – kleine, einfach gehaltene Gemischtwarenläden, die Dinge des täglichen Bedarfs zu halbwegs günstigen Preisen anbieten – mit über zehntausend Filialen allein in Nordamerika. Ähnlich wie die Spätis, Büdchen oder Kioske, die Sie vielleicht aus Ihrer jeweiligen Region kennen, nur etwas größer.

7-Eleven würde mich auf der ganzen Reise begleiten, damit ich überlebte.

Wir schnappten uns Wasser und ein paar Bierchen, keine Ahnung welches, irgendein günstiges, und gingen zurück auf unser Zimmer. Die Müdigkeit kam langsam durch, und so verbrachten wir die erste Nacht im Hotel.

Das erste Mal Duschen war seltsam. Ich dachte, ich sei im Schwimmbad. Natürlich hatte ich davon gelesen, dass das Wasser in den USA gechlort wird, aber von der Intensität war ich überrascht. Man gewöhnt sich jedoch daran, und irgendwann nahm ich es gar nicht mehr wahr.

Frühstückskaffee gab es gleich im Café, das sich im Haus befand. Dank einer Kooperation mit dem Hotel erhielten Gäste fünfzehn Prozent Rabatt. Nett, aber der Kaffee war trotzdem teuer. Aber er war gut, das kann man nicht anders sagen. Bezahlt wurde mit Karte, für das Trinkgeld gab es während des Bezahlprozesses wieder Auswahlmöglichkeiten. Ich finde das enorm praktisch.

Sie kennen das vielleicht, wenn Sie einmal mit einem Uber gefahren sind. Am Ende der Fahrt bittet die App darum, die Fahrt zu bewerten, und man erhält drei Möglichkeiten zur Auswahl von Trinkgeld.

Zu Fuß ging es den Broadway entlang in Richtung Süden. Die vorherrschende Kälte machte den Spaziergang etwas unangenehm, aber wir waren hier, um die Stadt zu entdecken, da waren ein paar Minusgrade zweitrangig.

Ich konnte mich an den Häusern nicht sattsehen. Unterschiedlichste Architekturstile reihten sich aneinander, riesige Hochhäuser neben alten Lagerhäusern, teuren Lofts und Industriegebäuden, dazwischen drei- bis vierstöckige Wohnhäuser aus Backstein mit Feuerleitern an den Fronten. Genauso wie im Film. Es war beeindruckend.

An der südlichen Spitze der Halbinsel hatten wir einen schönen Blick auf die Upper New York Bay im New Yorker Hafen und die Freiheitsstatue. Aufgrund des doch recht frischen Wetters, das an der Küste von eisigem Wind begleitet wurde, entschieden wir uns gegen eine Bootstour zur Liberty Island und beließen es bei der Aussicht von Manhattan aus.

Auf unserem Weg zurück in Richtung Norden kamen wir am National September 11 Memorial vorbei. Ein beeindruckendes Mahnmal, das an die rund dreitausend Opfer der Terroranschläge auf das World Trade Center erinnert und sicherlich der andächtigste Ort der Stadt ist. An den Stellen der zerstörten Zwillingstürme befinden sich heute zwei riesige Wasserbecken, in denen das Wasser jeweils neun Meter in ein Untergeschoss fällt. Es sind die größten von Menschen geschaffenen Wasserfälle der USA. Gleich daneben reckt sich das höchste Gebäude der westlichen Hemisphäre in den Himmel: das One World Trade Center. Sicherlich hätte die Aussichtsplattform in vierhundertsechs Metern Höhe einen atemberaubenden Blick auf die Stadtlandschaft geboten, doch aufgrund des stolzen Preises von zweiunddreißig Dollar pro Person und langer Wartezeiten entschlossen wir uns, darauf zu verzichten.

Wir schlenderten weiter durch die Häuserschluchten Manhattans und landeten irgendwann mehr zufällig im McSorley’s Old Ale House, allgemein bekannt als McSorley’s. Es handelt sich dabei um die älteste irische Taverne in New York City. Sie wurde Mitte des neunzehnten Jahrhunderts gegründet und befindet sich im heutigen East Village.

Ich sage Ihnen, das muss man erlebt haben, sonst glaubt es einem keiner. Wenn Sie einmal in New York sind, müssen Sie hier auf jeden Fall vorbeischauen. Außer Sie mögen nur Schickimicki, dann sind Sie falsch. Aber wenn Sie auf der Suche nach einer ehrlichen Kneipe sind, dann sind Sie hier genau richtig.

Ihr rustikaler Charme sprang mir sofort ins Auge. Alte Fotos, Kunstwerke und Zeitungen zierten die mit dunklem Holz getäfelten Wände. Selbstgebrautes Bier gab es zum kleinen Preis. Der Boden war mit Sägespänen bedeckt. Ich wunderte mich zu Anfang darüber, aber schnell wurde klar, dass die Sägespäne einen wichtigen Zweck erfüllten. Es wurden nicht nur große Mengen an Bier ausgeschenkt, sondern auch ausgeschüttet. Die Sägespäne saugten es einfach auf.

Der Laden war gerammelt voll. Ich gebe zu bedenken, dass wir am frühen Nachmittag dort waren. Aber es war eigentlich nicht verwunderlich, da die Kneipe schon lange kein Geheimtipp mehr ist. Die meisten Gäste waren Touristen.

Die Stimmung war ausgelassen und heiter. Wir wurden beim Eintritt sofort von einem der echten irischen Kellner in Empfang genommen und an einem Tisch platziert, an dem bereits andere Gäste saßen. Es war auch gar nicht anders möglich. Eine gute Gelegenheit, Menschen kennenzulernen.

Und jetzt kommt der Clou: Wenn man ein Bier bestellt, bekommt man automatisch zwei. Und sobald man einmal bestellt hat, wird automatisch nachgeliefert, bis man Stopp sagt. Das Personal war dabei sehr aufmerksam.

An dem runden Holztisch saßen eine junge Frau, ihre Eltern und ihr Bruder. Sie wohnte in Washington und war zu Besuch bei ihrer Familie in New York. Sie konnte uns mit wertvollen Tipps für unseren bevorstehenden Besuch der Hauptstadt versorgen. Zufälle gibt es.

Von denen wird auf dieser Reise noch öfter die Rede sein.

Eine Unterhaltung war aufgrund des Lärmpegels etwas schwierig, aber nicht unmöglich. Am Tisch herrschte ein ständiges Kommen und Gehen. Wenn Sie den Biermengen etwas länger standhalten können, dann haben Sie im McSorley’s die Möglichkeit, viele Leute kennenzulernen.

Irgendwann hatte Max es geschafft, in einer ungeschickten Bewegung das gesamte Bier zu verschütten. Jetzt konnten die Sägespäne ihre volle Wirkung entfalten. Ein Kellner versorgte den gesamten Tisch sofort und anstandslos mit Nachschub – kostenlos. Zwei pro Person, versteht sich.

Ein Ehepaar wurde zu uns gesetzt, beide Anfang fünfzig, schätzte ich. Es hatte ein heftiges Unwetter gegeben, dort, wo die beiden herkamen. Sie waren deshalb nach New York »geflohen« und hatten das gleich mit einem Urlaub verbunden. Der Mann hatte damals in New York studiert, deshalb war das nicht sein erster Besuch im McSorley’s. Die beiden haben uns gnadenlos unter den Tisch gesoffen.

Als wir nach ungefähr zwei Stunden das Lokal verließen, hatten wir ganz schön einen im Tee.

Bald darauf machten wir das erste Mal Bekanntschaft mit Shake Shack, einer Fast-Casual-Restaurantkette, die im Verlauf der Reise noch eine bedeutende Rolle spielen sollte. Ich habe keine Ahnung, was sie dort richtig machen, denn die Burger schienen auf den ersten Blick Standard zu sein, aber sie schmeckten ausgezeichnet. Ich war völlig überrascht. Gut, das Ganze hatte auch seinen Preis: Burger plus Pommes und ein Getränk kosteten gerne zwanzig Dollar. Doch sie waren es wert. Wenn Sie die Gelegenheit haben, dann dinieren Sie einmal dort.

New York. Regen. Die Frisur hält.

Wir nutzten das schlechte Wetter für einen Tag drinnen. Aber natürlich nicht im Hotel. Wir beschlossen, das Hauptquartier der Vereinten Nationen und das Museum of Modern Art zu besichtigen.

Um dorthin zu gelangen, nahmen wir die U-Bahn, die praktischerweise direkt unter unserem Hotel hielt. Fahren Sie U-Bahn! Obwohl die New Yorker U-Bahn Platz drei der meistbenutzten Untergrundbahnen der Welt belegt, waren wir erstaunt darüber, wie leer die Wagen waren. Bei so vielen Menschen auf einem Haufen hatten wir eigentlich erwartet, dass sie völlig überfüllt wären. Zugegeben, fast das gesamte Netz ist auf dem Stand von vor hundertzwanzig Jahren. Es wurde in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts errichtet, Bauten und Technik blieben seither beinahe unverändert und gelten als komplett veraltet. Viele Stationen sind stark verschmutzt und heruntergekommen, und das gesamte U-Bahn-System wirkt bisweilen altertümlich und marode.

Das hohe Alter ist überall offensichtlich. Sie fährt jedoch rund um die Uhr und ist oft die schnellste und verlässlichste Art, um in der Stadt voranzukommen. Eine Wochenkarte war mit etwas über dreißig Dollar darüber hinaus sehr günstig. Die MetroCard galt außerdem zugleich in allen Bussen New Yorks. Die U-Bahn war unser favorisiertes Transportmittel in dieser Woche.

Wir stiegen an der Grand Central Station aus, dem bekannten New Yorker Bahnhof, den Sie schon in etlichen Filmen gesehen haben. Sehenswert sind die große Haupthalle mit ihrer gläsernen Galerie und die Gewölbedecke mit den Sternenkonstellationen als Wandgemälde. Im Zentrum der gigantischen Eisenbahnkathedrale befindet sich der berühmte Kiosk mit seinen vier Uhren.

Wir passierten das Chrysler Building, den Art-déco-Wolkenkratzer, der sich ein Jahr lang höchstes Gebäude der Welt nennen durfte, und erreichten nach kurzem Fußmarsch das Ufer des East Side River, an dem sich das Areal der Vereinten Nationen befindet, das durch den Status des internationalen Territoriums eigentlich Niemandsland und gleichzeitig Staatsgebiet der damals hundertdreiundneunzig Mitgliedsstaaten ist.

Bevor wir das Gebäude betreten konnten, mussten wir einen Sicherheitsausweis vom Check-in-Büro abholen, das sich auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet. Das ist unkompliziert. Wichtig ist, dass Sie an Ihren Reisepass denken. Ohne geht gar nichts.

Vor und im Besucherzentrum gibt es Kunstwerke zu sehen, die von den verschiedenen Mitgliedsstaaten gespendet wurden. Unter anderem auch die Bronzeskulptur »Sphere Within Sphere« des italienischen Bildhauers Arnaldo Pomodoro, von der Sie verschiedene Versionen an vielen Orten der Welt finden können.

In der Lobby warteten wir bei kostenlosem WLAN auf den Start der von uns gebuchten Führung. Einige Likes später begann unsere kurze Reise durch die Korridore der internationalen Diplomatie. Die kompetente Reiseleiterin brachte uns dabei die Geschichte und die Arbeit der Vereinten Nationen näher.

Wir besuchten die berühmte Assembly Hall der Generalversammlung, wo im Herbst die alljährliche Vollversammlung der Mitgliedsstaaten stattfindet. Zufälligerweise wurde gerade eine (andere) Sitzung abgehalten und wir durften ein wenig zusehen. Außerdem waren wir in der Kammer des Sicherheitsrates, die man oft im Fernsehen sieht.

Wussten Sie, dass die sechs Amtssprachen der Vereinten Nationen Arabisch, Chinesisch, Englisch, Französisch, Spanisch und Russisch sind? Ich auch nicht.

Nach ungefähr einer Stunde war die Führung leider schon vorüber.

Im Souvenir-Shop kaufte Max sich einen coolen UN-Hoodie, ich Schokolade, was total dämlich war, da ich erstens noch knapp drei Monate Reise vor mir hatte und diese mich zweitens durch die Wüste führen würde, in der es bekanntermaßen schon im Frühjahr recht warm sein kann. Egal, ich habe sie dann irgendwann, nachdem sie durch mehrfache Schmelzprozesse zu einem undefinierbaren Klumpen mit unansehnlichen weißen Ablagerungen geworden war, kurzerhand selbst gegessen, da sie in diesem Zustand als Geschenk nicht mehr viel hermachte.

Der Himmel hatte sich in der Zwischenzeit wieder aufgeklart. Wir liefen die East 42nd Street zurück, bis sie auf die weltbekannte Fifth Avenue traf, der wir dann in Richtung Norden folgten. Das Empire State Building im Rücken, schlenderten wir die exklusive Einkaufsmeile entlang, die in zahlreichen Filmen und Liedern verewigt worden war. Hier reihten sich Luxushotels an Nobelgeschäfte, wobei auch Spezialgeschäfte wie Zara oder Uniqlo dazwischen waren, die Sie auch aus deutschen Fußgängerzonen kennen.

Der Trump Tower wird den Fotos übrigens gerecht. Er ist in echt genauso hässlich.

Im Museum of Modern Art, dem Superstar der modernen Kunstszene, verbrachten Max und ich viel getrennte Zeit miteinander. Was Kunst angeht, ist er bewanderter als ich – oder zumindest tut er so. Jedenfalls habe ich wenig Ahnung. Ich gebe zu, da waren ein paar tolle Gemälde dabei. Picasso, Matisse, natürlich. Klimts auch. Degas kann man sich angucken. Warhol nicht. Mit dem konnte ich noch nie etwas anfangen.