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Ein romantisch veranlagter Literatur-Nerd trifft in einem Stripclub auf eine junge Barkeeperin, es bedarf nur weniger Worte und ein Feuer entfacht zwischen ihnen. Er mit einer Bilderbuch Kindheit und sie mit einer überaus schwierigen Vergangenheit, diese doch so unterschiedlichen Welten prallen aneinander. Trotz allem, merkt Jake das er zum ersten Mal ehrlich und nur er selbst sein kann und verliebt sich Hals über Kopf in Lilly. Doch fühlt sie ebenso, oder braucht sie nach ihrer mysteriösen Kündigung nur eine kostenlose Bleibe? Ein dramatisches und chaotisches Hin und Her der Gefühle. Werden sie sich wirklich näher kommen oder werden die Intrigen und Lügen eine zu schwere Last für ihre fragile Freundschaft.
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Seitenzahl: 211
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Auf ewig mit dir Lenny
Kapitel 1: Nur ein einziges Mal
Kapitel 2: Funkstille
Kapitel 3: Der Morgen davor
Kapitel 4: Das ersehnte Treffen
Kapitel 5: Ein weiterer Abend allein
Kapitel 6: Ein neuer Tag
Kapitel 7: Ein Essen zu zweit
Kapitel 8: Eine Nacht voller Gedanken
Kapitel 9: Die Angst vor Nichts
Kapitel 10: Der Pakt
Kapitel 11: Flashback
Kapitel 12: Überraschender Wohnraum
Kapiteln 13: Große Gefühle von Angst bis Liebe
Kapitel 14: Und plötzlich ist alles anders
Kapitel 15: Gedankenkarussell und Müdigkeit
Kapitel 16: Kopfzerbrechen und nackte Haut
Kapitel 17: Manchmal müssen es doch Taten sein
Kapitel 18: Das Problem mit dem großen Herz
Kapitel 19: Vorsichtige Schritte zur Besserung
Kapitel 20: Naivität und Nervosität
Kapitel 21: Was sind Freunde
Kapitel 22: Bettgeflüster
Kapitel 23: Viel Gerede und endlich kehrt der Alltag ein
Kapitel 24: Neue Wege
Kapitel 25: Geheime Mission
Kapitel 26: Ich glaube dir nicht
Kapitel 27: Der erste Streit
Kapitel 28: Krank
Kapitel 29: Ich will nicht mehr
Kapitel 30: Irgendwie wie früher
Kapitel 31: Was ist hier los
Kapitel 32: Verlangen
Kapitel 33: Manchmal sind wir alle doch nur dumm, oder?
Kapitel 34: Stille
Kapitel 35: Endlich
Kapitel 36: Zeit
Quellen:
Impressum
Die Liebe hemmet nichts; sie kennt nicht Tür noch Riegel. Und dringt durch alles sich; Sie ist ohn Anbeginn, schlug ewig ihre Flügel, Und schlägt sich ewiglich ~Matthias Claudius
Ich schlucke schwer. Die Hände tief in meinen Jackentaschen versteckt frage ich mich, ob diese Idee wirklich so gut ist, wie Leon meint.
Natürlich ist er dafür, dass ich heute Nacht zum ersten Mal einen Stripclub besuchen soll, was für ein grandioser Einfall! Ich wäre viel lieber zu Hause, würde endlich Sturm und Drang zu Ende lesen und dann gemütlich einen Film sehen. Doch ich und mein "Kumpel" meinen uns ja hier treffen zu müssen.
Leon ist ja echt nett, aber normalerweise trafen wir uns außerhalb des Fitnessstudios nicht. Ich weiß, das klingt jetzt schräg, Klassiker lesen und Fitnessstudio, obwohl ich eine Leseratte bin, heißt das ja nicht, dass ich nicht auf mein Aussehen achten kann.
Ich wurde zur Seite gedrängt und ein breit gebauter Typ geht durch die Tür, vor der ich schweigend in Gedanken versunken stehe. Ich versuche abzuwägen, ob ich mich jetzt nicht einfach umdrehen und nach Hause gehen könnte, doch ich weiß nur zu genau, dass Leon mir das übel nehmen wird, er ist ziemlich nachtragend.
Also entschließe ich mich lieber einen Abend in diesem Club zu verbringen, als zu riskieren, dass er eingeschnappt ist. Ich atme noch einmal tief durch, bevor ich durch die Tür gehe.
Drinnen schlägt mir eine übel riechende Duftmischung aus billigem Alkohol, Zigarettenrauch und Schweiß entgegen. Ich sehe mich wahrscheinlich etwas verzweifelt wirkend, um. Auf zwei runden Podesten "tanzen" beziehungsweise rekeln sich zwei relativ hübsche Frauen. Sie sind sicher erst um die Mitte 20, doch ihre Gesichter sehen verlebt aus. Beide haben wenig an und es wirkt, als würden sie bald auch ihre restlichen Stücke Stoff ablegen.
Ich drehe mich auf der Suche nach einer Bar um, dort würde Leon sicher aufschlagen, egal ob er jetzt schon da ist oder noch kommt. Erleichtert atme ich auf, als ich die Bar in einer dunklen Ecke erspähe.
Ich gehe mit einem Umweg über die Garderobe, zur Bar und setze mich auf einen Hocker. Eine junge Frau steht hinter der Bar, sie hat dunkles Haar und auch wenn ich es im Halbdunklen schwer erkennen kann, dunkelgrüne oder vielleicht auch blaue Spitzen.
Auf ihrem jung wirkenden Gesicht liegt ein sympathisches Lächeln, das durch ihre Grübchen noch besser zur Geltung kommt. Passend zu ihren, mit feinem Lidstrich verzierten, dunklen mandelförmigen Augen ist die Farbe des Lippenstifts.
Endlich nimmt sie mich wahr und legt das Handtuch weg, mit welchem sie gerade ein Glas poliert hatte. „Hey!“, begrüßt sie mich halb lachend halb schreiend, weil die Musik relativ laut ist. „Was möchtest du trinken?“. „Ein Wasser bitte“, gebe ich kleinlaut zurück.
Die ganze Umgebung ist mir unangenehm, ich will eigentlich nur schnellstmöglich Heim, doch Leon ist noch immer nicht zu sehen. Die Barkeeperin lacht laut auf: „Neu hier, oder?“, fragt sie mich ungeniert, als sie mir ein Wasser hinstellt.
Nun lache auch ich: „Ist das so auffällig?“ Sie grinst mich an: „Sagen wir so, ich hatte noch nie eine Bestellung in der nur Wasser geordert wurde. Es kam eher Mal vor, dass ich gefragt wurde, ob ich auch Sex anbiete.
Leicht schockiert über ihre Offenheit, trinke ich einen Schluck Wasser. „Oh!“, meine ich nur, „aber ja, es stimmt, ich bin heute zum ersten und auf jedem Fall zum letzten Mal hier.“ „Echt? So schlimm?"
Ich nicke: „Der Geruch und die Stimmung hier sind“, ich denke kurz darüber nach, welche Formulierung hier wohl am geeignetsten wäre, „sagen wir Mal ungewohnt für mich.“, ein leichtes Grinsen stiehlt sich auf meine Lippen. „Na dann solltest du an die frische Luft, oder bestenfalls gleich heimgehen.“, meinte die Frau, deren Name ich nicht kannte.
„Ich kann nicht, ich bin mit einem Freund hier verabredet.“ „Ist er auch noch nie hier gewesen?", frage sie. „Nein, er ist im Allgemeinen etwas anders als ich, er besucht solche Schuppen öfter Mal.“, sage ich und trinke noch einen Schluck.
Das Gespräch zwischen uns war so ungezwungen und leicht, dass ich fast vergesse, dass ich es hier gar nicht leiden konnte.
Plötzlich vibriert mein Handy in meiner Hosentasche, eine Nachricht von Leon. Etwas genervt gebe ich ein Geräusch von mir das eine Mischung aus Stöhnen und Schnauben ist. „Was los?“, fragt sie und legt mitfühlend eine Hand auf den Tresen. „Der Kerl, mit dem ich mich hier treffen wollte, hat mich versetzt. Sagt er hat was Besseres zu tun.“, beschwere ich mich bei ihr.
„Das ist deine Chance, du kannst jetzt sofort heimgehen, das Wasser geht auf mich.“ Ich grinse und suche trotzdem meinen Geldbeutel. Sie sieht mich an, sagt jedoch nichts, also zücke ich einen fünf Euroschein und reiche ihn ihr über den Tresen, doch sie greift nicht nach ihm. „Ich sagte das Wasser geht auf mich.“
Ich bin geschmeichelt von ihrer Zuwendung, trotzdem brülle ich über die laute Musik hinweg: „Dann ist das halt Trinkgeld.“ Ich wedelte mit dem Schein in der Luft. „Spinnst du?“, sie lacht, „Das sind über hundert Prozent Trinkgeld!“ Ich antworte ihr nicht und halte ihr einfach nur den Schein hin. Seufzend steckt sie ihn ein, trotzdem kann man in ihren Augen lesen das ihr das nicht wirklich gefällt.
Dankend erhebe ich mich von meinem Hocker und gehe zur Garderobe, es ist ziemlich eng, darum komme ich nur schwer durch die Menschenmasse hindurch. Im Augenwinkel sehe ich, wie die Barkeeperin ihrem Kollegen etwas sagt und sich dann eine Jacke schnappt. Es dauerte eine Weile, bis ich mich mit vielen Entschuldigungen und einigen Remplern bis zur Garderobe geschlängelt habe. Erstaunlich wie viel hier los ist.
Als ich endlich meine Jacke bekomme und mich auf den Weg nach draußen mache, denke ich noch einmal über das nette Gespräch von eben nach. Draußen angekommen atme ich erst mal tief die frische Luft ein, Gott tut das gut. Ich bin kein Fan von großen Menschenmaßen oder von dieser Lautstärke. Es tut einfach gut, da raus zu sein, auch wenn ich mich gerne etwas länger mit der Barkeeperin unterhalten hätte.
Hinter mir ertönt eine mir bekannte Stimme: „Hey warte! Du da warte! Fuck!" Ich drehe mich um und sehe, wie sie etwas außer Atem sich zwischen zwei muskelbepackten Männern am Eingang hindurchquetscht. Die letzten Schritte zu mir sind langsamer trotzdem wirkt es als hätte sie rennen müssen.
„Hey!“, keucht sie atemlos, „ich weiß nicht Mal, wie du heißt.“, meint sie lächelnd, während sich ihre Atmung nach und nach wieder normalisiert. Ich lächle zurück: „Ich bin Jake und du?“ „Lilly, aber die meisten nennen mich nur Lil“ „Musst du nicht arbeiten?", fragte ich und merke, wie unhöflich das klingen muss.Sie lacht: „Willst du mich etwa loswerden?“. Ich schüttel nur leicht beschämt den Kopf. ,,Ne ich habe kurz Pause.“, sagt sie, während ich noch verzweifelt dabei bin irgendwie die Röte aus meinem Gesicht zu bekommen. „Ich wollte halt fragen, ob, na ja, weil wir uns ja so gut verstanden haben.“, sie bricht ab, ihr ganzes Selbstvertrauen scheint wie weggeblasen zu sein. „Na ja, ob wir vielleicht, also ob du mir halt deine Nummer geben könntest oder so.“ Ich runzle die Stirn, ist das eine gute Idee?
Klar, wir verstehen uns gut und sie scheint auch echt nett zu sein, aber ich weiß nicht, ob das so clever ist. Erwartungsvoll schaut sie mich an und ich kann einfach nicht anders und nicke. Was ist denn schon dabei, vielleicht geht man ja mal einen Kaffee trinken.
Erleichtert sucht sie in ihrer Jackentasche nach etwas, als sie es findet und aus der Tasche herauszieht, ist es ein kleiner blauer Zettel mit den Öffnungszeiten des Stripclubs. Verwirrt schaue ich sie an, doch dann zieht sie einen zu kurzen Bleistift aus der anderen Jackentasche, das ich schmunzeln muss. Mit zitternden Händen und in krakeliger Schrift schreibt sie ihre Nummer auf die Rückseite und faltet den Zettel einmal.
Ich nicke und stecke den Zettel ein. „Also meldest du dich dann Mal?“, fragt sie. „Bestimmt.“, erwidere ich und schaue auf die Uhr. Auch ihr Blick wandert zur Uhr: „Mist! Ich muss wieder rein. War schön dich kennenzulernen, melde dich ruhig Mal bei mir. Bye“, sie hob noch kurz die Hand und verschwindet dann schnellen Schrittes durch die Tür. Leicht enttäuscht drehe ich mich wieder um und setze meinen Heimweg fort.
Auf dem halben Weg heim merke ich das ich in der Jackentasche mit dem Zettel spiele, ich habe die Befürchtung ihn unleserlich zu zupfen, also nehme ich ihn heraus, um die Nummer in mein Handy zu übernehmen. Auf dem Zettel steht ihre Nummer und darunter ihr Name mit einem kleinen Herzen dahinter, irgendwie süß.
Die Liebe, wenn sie neu, braust wie ein junger Wein: Je mehr sie alt und klar, je stiller wird sie sein‘ ~ Angelus Silesius
Nun ist es fast einen Monat her, dass ich sie angeschrieben habe. Damals noch sehr zögerlich, immerhin kannte ich sie kaum. Doch seitdem herrscht Funkstille. Wir hatten nur zwei Tage lang Small Talk geführt und auch das eher schlecht als recht. Erstaunlicherweise bekomme ich sie einfach nicht mehr aus meinem Kopf, gerne hätte ich mehr über sie erfahren, doch traue ich mich einfach nicht, sie erneut anzuschreiben.
Ich starre auf mein Handy und hoffe, dass mich jemand von meiner Langeweile erlöst. Ich öffne Instagram und Twitter, nur um beides nach kürzester Zeit wieder zu schließen. Ich scrolle durch YouTube, bleibe jedoch an keinem Video hängen, also schließe ich auch diese App wieder.
Genervt von mir selbst schmeiße ich das Handy aufs Bett, die Federung wird durch die dicke Decke abgedämpft, sodass es nur wenige Zentimeter von seinem Aufprallort liegen bleibt. Langsam erhebe ich mich aus meiner halb liegenden, halbsitzenden Position und gehe zu meinem Bücherregal.
Ich habe das Bedürfnisse nach mir bekannten, tröstenden Worten, also greife ich entschlossen nach dem Roman „Herr der Fliegen“. Das Buch ist schon von mir und meinem Vater so zerlesen, dass der Einband ganz glatt ist. Trotz sorgsamer Pflege sind manche Seiten leicht eingerissen und die meisten auch schon vergilbt. Die Geschichte ist an sich nicht wirklich tröstend, aber trotzdem verbinde ich etwas Positives mit ihr.
Ich lasse mich in meinen Sessel fallen und schlage die erste Seite auf. Ich versinke vollständig ins Buch und bin doch froh, nicht in derselben Welt gefangen zu sein, wie die Charaktere, deren Geschichte ich zum wahrscheinlich 30. Mal verfolge.
Plötzlich vibriert mein Handy und ich springe auf, sehr untypisch für mich, da ich meistens das Vibrieren oder gar das Klingeln meines Telefons ausblende, wenn ich lese. In der Hoffnung Lilly hat geschrieben, greife ich zum Handy. Doch es ist nur Leon, der fragt, warum ich die Woche wieder nicht ins Studio gekommen bin. Ich entschuldige mich mit den Worten, ich müsse für meine Seminare in der Uni so viel lernen. Ich versinke wieder in meine Gedanken. Warum schreibt sie mir nicht? Oder besser warum trau ich mich nicht ihr zu schreiben? Ich klicke auf ihr Profilbild und komme dabei versehentlich auf das Telefonsymbol.
Auflegen oder telefonieren? Klar könnte ich mir ein sehr unangenehmes Gespräch ersparen, wenn ich einfach auflege und sage, es sei ein Versehen gewesen, doch wie erkläre ich dann, dass ich in unserem Chat war. Vielleicht geht sie ja nicht ran. Noch während ich denke und abwäge, nimmt sie ab.
„Ja?“, sie klingt verwirrt und auch etwas verschlafen, dabei war es doch gerade mal sechs Uhr abends. „Hey ich bin's...“, murmle ich. „Jake?“, fragt sie. „Genau, also ich wollt Mal fragen, ob wir uns treffen wollen“. Ich weiß nicht, woher das kommt aber jetzt, wo ich es ausgesprochen habe, finde ich die Idee gar nicht so schlecht.
„Ehm ... Klar. Die Frage ist nur wann?“, man kann ihr lächeln in ihrer Stimme hören, jedoch auch ihre Verwirrtheit. „Wann du Zeit hast. Alles kein Problem!“. „Vielleicht morgen? So gegen ... Sagen wir drei?“. Ich freue mich, dass sie so schnell Zeit für mich finden konnte: „Super! Wo?“. „Such du aus.“, meint sie. „Vielleicht ein Café?“, schlage ich vor. Dort wäre es nicht zu privat und nicht zu unangenehm. „Geht klar, ich kenn da ein gutes.“
Wir klären noch die letzten Sachen ab und legen dann auf. Ich freute mich richtig auf das Treffen. Ich schweife in Gedanken ab, wie lange habe ich sie jetzt schon nicht mehr gesehen? Seit einem Monat? Warum mache ich mir jetzt wieder Gedanken darüber? Ich schüttel energisch meinen Kopf und schaue auf die Uhr. Verdammt! Es war Mal wieder spät geworden und ich musste morgen noch schnell in die Buchhandlung zu meinem Studentenjob, um die Bestellungen, die ich heute nicht geschafft habe, fertigzumachen.
Ich springe also auf und suche mir Klamotten für morgen zusammen, wie immer entscheide ich mich für Dunkle, wie auch nicht, wenn man nur solche in seinem Schrank habe. Da es morgen kalt werden soll, hole ich einen schwarzen Hoody und eine dunkelblaue Jeans heraus. Mein Kleidungsstil war immer schon sehr simpel und dunkel, auch heute lief ich gemütlich, aber komplett in schwarz gekleidet in meiner drei Zimmer Wohnung herum.
Schnell springe ich unter die Dusche und mache mich zum Schlafengehen bereit. Müde lege ich mich ins Bett und schließe meine Augen, doch mein Hirn fängt an zu rattern. Gedanken über Gedanken, wie das morgige Treffen ablaufen würde, überfluteten meinen Kopf.
Wieso kann ich mich nicht einfach darauf freuen und das war's dann? Wieso muss ich Stunden meines wertvollen Schlafes damit vergeuden, mir Gedanken über etwas zu machen über das ich sowieso keine Macht habe. Es wird so kommen wie das Schicksal es vorherbestimmt, da kann ich noch so viel grübeln und planen, meine Meinung ist unwichtig.
Ich wälze mich von links nach rechts und wieder zurück. Es erschien mir wie Stunden als ich wieder auf die Uhr schaue, doch es ist gerade Mal eine halbe Stunde vergangen.
Genervt seufze ich auf und stehe wieder auf. Alles in mir schreit „müde“ und befiehlt mir, wieder ins Bett zu gehen, außer mein Kopf, der lieber sinnlos rumspinnt, als mich schlafen zu lassen.
Ich gehe in die Küche, um mir einen Tee zu machen, welcher mich für gewöhnlich immer schläfrig macht. Normalerweise falle ich spätestens nach einer Tasse in einen komatösen Schlaf. Es dauerte seine Zeit, bis der Wasserkocher endlich anfing, vor sich hin zu blubbern, der kleine Kocher rumpelt auf der Kochstation hin und her und das Wasser sprudelt kochend in seinem Bauch.
Mit einem leisen Klickgeräusch stellt sich der Strom ab und der Wasserkocher hört auf zu wackeln, das Wasser sprudelt immer weniger, bis sich das Wasser nur noch sacht bewegt. Ich nahm eine Tasse und suche nach einem beruhigenden Tee.
Ich gieße das dampfende Wasser in die Tasse und es verfärbt sich augenblicklich zu einem immer dunkler werdenden Rotton. Müde nippe ich an dem heißen Tee und gehe zurück in mein Schlafzimmer.
Als mich auch der Tee nicht wirklich müder machte, greife ich wieder zu meinem Buch. Ich lese einige Seiten und trinke meinen Tee. Nach ungefähr einer Stunde lassen mich meine Gedanken so weit in Ruhe, dass ich denke, schlafen zu können und ich stelle die leere Tasse und das Buch zur Seite, um mich in meine Decke zu kuscheln und bald schon einzuschlafen.
Komm her und setz dich nieder auf meinen Schoß, weil ich dir was erzählen muss, denn meine Liebe zu dir ist so groß, dass ich sie dir nun schenke mit einem Kuss. ~Unbekannt
Genervt tastet meine Hand nach meinem Wecker, blindlings klopfe ich auf meinem Nachttisch herum und fege den Wecker von diesem herunter. Leider beendet das nicht das nervige Geräusch, das von jenem ausging. Mit einem Auge zugekniffen, schiele ich nach dem Wecker. Dieser ist nur auf den schönen, dunklen Holzboden gekracht und hinterlässt eine kleine, fast unscheinbare Macke. Irgendwie schön. Erschöpft und etwas genervt schließe ich die Augen.
Macken machen eine Wohnung zu einem Zuhause, es gibt Geschichten zu erzählen, von Partys, auf denen damals die Flasche ohne Schaden zu nehmen auf dem Boden landete, aber die Fließe jetzt einen Sprung hat. Von dem Einzug, bei dem wir gleich einmal die Tür eines neu eingebauten Schrankes aus seiner Verankerung rissen und jetzt der weiße Lack einen kleinen Schaden hat. Geschichten, die diese teure und so unpersönliche Wohnung zu meinem Zuhause machen.
Erneut öffne ich meine Augen und suche den Boden nach dem immer noch klingelnden Wecker ab. Ich habe ihn gefunden und drücke den Schalter herunter, augenblicklich verstummt der Wecker und ich schaue auf die Uhr.
Verdammt! Wie kann es legal sein, so früh aufstehen zu müssen? Ich war wirklich kein Morgenmuffel, aber wieso sollte irgendwer freiwillig um sechs Uhr morgens aufstehen? Ich schnaube genervt und stelle den Wecker auf seinen vorhergesehenen Ort.
Morgens aufstehen ist nicht mein Problem, mein Problem ist es nicht aus freien Stücken zu machen, wenn ich mir selbst den Plan setze, morgen früh aufzustehen, dann ist dies auch kein Problem. Das Problem ist es aufzustehen, wenn etwas anderes als mein Wille es mir befiehlt, sei es die Uni, mein Job oder einfach nur ein Zug, den ich erwischen muss.
Ich stehe auf und schnappe mir meine Klamotten, die ich ja am Abend zuvor vorbereitet habe und schlüpfe in diese. Danach gehe ich in die Küche und schalte meine Kaffeemaschine an, einen Luxus, den ich mir neben dieser Wohnung während meines Studiums leisten kann. Es ist nicht typisch, sich als Student so viel leisten zu können.
Apropos Kaffee, ich habe mal einen Studenten kennengelernt, welcher extra zwei Euro jeden Tag ausgab, um sich beim Bäcker eines dieser Heißgetränke zu holen. Nicht weil er dort am besten schmeckte oder er zu faul war, sich seinen eigenen Kaffee zu brühen. Er tat es nur, um jeden Tag wenigstens fünf Minuten draußen zu sein und erstaunlicherweise weniger Koffein zu sich zu nehmen.
Er erklärte mir, dass er, wenn er Kaffee im Haus hatte, bis zu vier Tassen davon am Tag trank, das war einfach zu viel und er verbannte den Kaffee aus seiner Wohnung, jedoch nicht aus seinem Morgen. Der Kaffeevollautomat beginnt die Bohnen laut, knirschend und rumpelnd zu mahlen. Während die dunkle Brühe langsam den Weg in meine Tasse findet, beiße ich herzhaft in meine Breze. Mit der halben Breze in der Hand und meinem Kaffee in der anderen stelle ich mich an das große Fenster in meiner Küche. Vor mir geht einer der atemberaubenden Sonnenaufgänge meiner Heimatstadt auf. Ein sanftes Spiel von Rosa, Rot und den verschiedensten Gelbtönen zog sich über den noch in einem dunklen Blau erstrahlendem Himmel. Ich versinke wieder einmal in meine Gedanken und realisiere erst, wie spät es ist, als ich versuche, an meiner leeren Tasse zu nippen. Ich starre desillusioniert auf die Uhr, seit einigen Tagen ist mein Zeitgefühl wirklich beschissen! Ich stelle seufzend meine Tasse ab.
Jeden Tag fällt es mir schwerer, mich zu konzentrieren, Zeitabläufe, die ich seit Jahren fest in meinen Alltag integriert habe, funktionieren nicht mehr, ich weiß auch nicht, was los ist. Dennoch packe ich meine Tasche, ziehe meine Schuhe an und verlasse meine Wohnung.
Auf dem Weg durch das Treppenhaus begegnet mir meine Nachbarin: „Oh hallo Jake. Man hat Sie lange nicht mehr gesehen. Waren Sie krank?“ Ich seufze leise in mich hinein, eigentlich habe ich dafür jetzt keine Zeit: „Nein Frau Gerber ich hatte nur viel zu tun.“ Sie nickt: „Na dann passen Sie auf, dass Sie es nicht werden, zurzeit geht wieder die Grippe rum." Ich bedanke mich herzlichst, verabschiede mich lächelnd und führe meinen Weg zur Arbeit weiter fort. Zum Glück kam ich da jetzt schnell raus, so nett sie auch ist, Frau Gerber ist eine Quasselstrippe vor dem Herrn.
Draußen angekommen ziehe ich meine Lederjacke enger, es war über Nacht sehr kalt geworden und bald werde ich meine Winterjacke auch tagsüber tragen müssen. Bisher habe ich sie nur getragen, wenn ich spät abends oder nachts unterwegs war, aber scheinbar muss ich sie jetzt auch tragen, wenn ich morgens das Haus verlasse.
Die Sonne wärmt nicht Mal mehr mich, obwohl ich normalerweise gar nicht kälteempfindlich bin, aber es war auch sehr warm in den letzten Wochen für einen November gewesen. Wenn ich genau nachdachte, war es im Oktober sogar eine Zeit lang kälter. Das Wetter spinnt völlig, heiße Märze, kalte Juni, manchmal, aber dann schneit es bis in den April, soll das mal einer verstehen.
Mit schnellen Schritten durchquere ich die engen Straßen der Innenstadt, um zu einer kleinen Buchhaltung zu gelangen. Sie war bisher Familien geführt, bis sie mich einstellten, damit ich die Onlinebestellungen überprüfte und fehlende Bücher nachbestellte.
Ein Job, für den die rüstige ältere Dame, die meine Chefin ist, nicht mehr den Nerv hat. Mit durchgefrorenen Fingern komme ich an dem Laden an und stoße mit dem Ellenbogen die gläserne Schwingtür auf.
Drinnen werde ich von einem bekannten Duft begrüßt, es riecht nach frischem Kaffee und bedrucktem Papier. Ich liebe diesen Duft, es gibt mir ein Gefühl von Heimat und von Zuhause, so hatte es immer im Büro meines verstorbenen Vaters gerochen. Als Kind lag ich oft nachts wach, dann stahl ich mich in das kleine Zimmer und legte mich auf den dicken, kuschligen Teppich und roch die verschiedenen Düfte, die für mich Geborgenheit ausstrahlten. Der alte Ledersessel, die Bücher und die Druckertinte, manchmal bildete ich mir sogar ein noch schwach, das Aftershave meines Vaters wahrzunehmen.
Alte Bücher, Klassiker und bekannte Werke, aber auch unbekannte Perlen sind in der kleinen Buchhandlung vertreten. Manche von ihnen so alt, dass die Buchstaben und aufwendigen Verzierungen noch per Hand gemalt wurden. Viele dieser Zeichnungen waren so filigran, dass ich mich über den Pinsel wunderte, mit welchem diese Werke geschaffen wurden.
Mein Vater war einmal mit mir in einem Museum, welches diese Kunst darstellte, Bücher aus Pergament und Pinsel so dünn wie ein einzelnes Haar waren ausgestellt. Er erklärte mir, dass er, als er so alt war wie ich damals, unbedingt das Handwerk lernen wollte. Doch seine Träume waren nur Zeitverschwendung, denn ihm wurde schnell klar, dass man damit kein Geld verdienen würde. Trotzdem sah ich ihn manchmal auf Papier wunderschöne, filigrane Buchstaben und Zeichnungen aus dem nichts erschaffen.
Frau Schmidt steht schon am Tresen und wischt ihn ab, sie besteht darauf, alles selbst zu putzen, damit niemand ihre besonderen Schätze, die sie oft Mals nicht einmal verkaufen will, aber es nun Mal muss, anrührte. Nur über die normalen Werke, die in den Regalen stehen, ließ sie auch mich und die Putzfrau gelegentlich wischen.
In den Vitrinen, die sie mit großer Sorgfalt putzt, sind besonders hübsche und gut erhaltene Klassiker von hohem Wert. Viele davon stehen schon so lange hier, wie es den Läden gibt. Besonders die, die schon lange in ihrem Besitz sind, verkauft sie nur mit großem Widerwillen.
„Hallo Jake.“ „Grüß Gott Frau Schmidt.“, Grüße ich die rüstige Dame charmant zurück. „Es sind neue Bestellungen eingetrudelt um die sie sich heute dringend kümmern sollten und wenn sie die Zeit finden, ich fühle mich heute nicht so gut, könnten sie bitte die Regale und die Bücher abstauben.“, meint sie in ihrem strengen Tonfall, der an eine Lehrerin erinnert. Also nicke ich und gehe zügig an die Arbeit.
Nach zwei Stunden habe ich sowohl die neuen Bestellungen als auch die, die ich gestern nicht geschafft habe, erledigt. Ich beeile mich alles abzustauben, damit ich bis zwei Uhr alles erledigt habe, ich wollte doch rechtzeitig zu dem Treffen kommen, das ich während der Arbeit fast vollständig aus meinen Gedanken verbannt hatte.
Trotz der Eile, die ich an den Tag lege, wandern meine Gedanken immer wieder zu den Romanen, welche ich mit einem trockenen Lappen abwische. Ich hatte beinahe alle gelesen, auch wenn viele meiner Freunde dies nie erfahren würden, sie mochten mich eher aufgrund meiner "maskulineren" Seite, jene Seite, welche mich zum Sport und feiern überredet.