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Fachwissen aus erster Hand: Factor Investing ist die Avantgarde eines Trends, der die Börse der Zukunft maßgeblich prägen wird.
Die Kapitalmärkte haben sich in den vergangenen Jahren tiefgreifend verändert. Auch hier beherrschen Computer das Geschehen: Unmengen von Daten, die heute in eine Entscheidung einfließen, werden systematisch ausgewertet um bessere Anlageergebnisse zu erzielen. Diese Strategien firmieren unter dem Begriff Factor Investing.
Durch den Einsatz von Computern können Investoren Emotionen und Kurzschlussreaktionen ausschalten und ihre Entscheidungen an der Börse auf klar definierte Regeln aufbauen, systematisch eben.
- Profitieren Sie von langjährigen Erfahrungen aus der Praxis:
Bernhard Langer und Michael Fraikin, Deutschland-Geschäftsführer der amerikanischen Fondsgesellschaft Invesco, zählen international zu den Pionieren des Factor Investing.
- Erkennen Sie die Zusammenhänge:
Das Interview-Buch spannt einen Bogen von der Rolle des Computers für unseren Alltag und unsere Gesellschaft über die moderne Finanzökonomie und erkenntnistheoretische sowie ethische Aspekte bis hin zur Zukunft von Geldanlage und Börse.
- Folgen Sie einem kurzweiligen Frage-Antwort-Ping-Pong:
Die beiden Investmentprofis stellen sich den Fragen der Publizisten und Sachbuchautoren Christian Hiller von Gaertringen (FAZ, Die Welt, Wirtschaftswoche) und Dr. Peter Zolling (früher ARD- und SPIEGEL-Journalist).
Für alte Hasen ebenso wie für Neueinsteiger – dieses Interview-Buch liefert Ihnen fundiert und verständlich einen Überblick über die Entwicklung, die Möglichkeiten und die Grenzen von Factor Investing.
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Veröffentlichungsjahr: 2017
Christian Hiller von Gaertringen
COMPUTER SIND AUCH NUR MENSCHEN
Bernhard Langer und Michael Fraikin im Gespräch über systematische, faktorbasierte Geldanlage
Alle in diesem Buch enthaltenen Informationen, Verfahren und Darstellungen wurden nach bestem Wissen zusammengestellt und mit Sorgfalt getestet. Dennoch sind Fehler nicht ganz auszuschließen. Aus diesem Grund sind die im vorliegenden Buch enthaltenen Informationen mit keiner Verpflichtung oder Garantie irgendeiner Art verbunden. Autoren und Verlag übernehmen infolgedessen keine juristische Verantwortung und werden keine daraus folgende oder sonstige Haftung übernehmen, die auf irgendeine Art aus der Benutzung dieser Informationen – oder Teilen davon – entsteht.
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© 2017 Invesco Asset Management Deutschland GmbH An der Welle 5 60322 Frankfurt am Main Erschienen im Carl Hanser Verlag München www.hanser-fachbuch.de
Herstellung: Thomas Gerhardy Umschlagdesign: Stephan Rönigk Umschlagmotiv: Invesco Asset Management Deutschland GmbH
ISBN 978-3-446-45402-6 E-Book ISBN 978-3-446-45403-3 ePub ISBN 978-3-446-45541-2
Verwendete Schriften: SourceSansPro und SourceCodePro (Lizenz) CSS-Version: 1.0
Titelei
Impressum
Inhalt
Vorwort
1 Einleitung Faktorbasiertes Investieren – wie und warum funktioniert es?
2 Computer in der Finanzwelt: Deus ex Machina oder Werkzeug des Menschen?
3 Der persönliche Weg zur quantitativen Methode
4 Die Königsdisziplin – Factor Based Investing (FBI)
5 Risikosteuerung in einer Welt ohne Zinsen
6 Die Bilanz – „Kein Hexenwerk, sondern höhere Mathematik“
Einführung in die Theorie des Factor Investing
Faktorbasiertes Investieren im Rentenbereich
ETF-Pioniere in Faktor-Strategien
Glossar
Die Gesprächspartner
Die Herausgeber
Vorwort
Wir bei Invesco setzen uns dafür ein, Menschen eine Anlageerfahrung zu bieten, die es ihnen ermöglicht, mehr aus ihrem Leben zu machen. Unser ganzes Unternehmen hat sich einem einzigen Ziel verschrieben: unseren Kunden zu helfen, ihre Anlageziele zu erreichen. Diese konsequente Ausrichtung prägt unser Unternehmen seit vielen Jahren.
Wir sind aktive Investmentmanager mit gleichermaßen tiefer und breiter Expertise. Auf diesem Fundament bauen wir auf, um langfristig hohe Anlageerträge zu erwirtschaften. Unsere Expertise im aktiven Investmentmanagement und der faktorbasierten Anlage fließt in eine Vielzahl unterschiedlicher Anlagevehikel ein, durch die wir unseren Kunden weltweit helfen, ihre Anlageziele zu erreichen.
Unsere aktiven und faktorbasierten Investmentstrategien sind so angelegt, dass unsere Kunden damit ihre spezifischen Anlageziele erreichen können. Damit gehen sie weiter als traditionelle, benchmarkorientierte aktive und passive Strategien. Dieser sehr unabhängige und aktive Ansatz ist eine wichtige Grundlage präziserer und wirkungsvollerer Portfolioanalysen und -strategien.
Das Anlegerinteresse an passiven und faktorbasierten Strategien als Ergänzung zu aktiven Anlagestrategien nimmt seit einigen Jahren deutlich zu. Als Pionier der faktorbasierten Anlage treibt Invesco seit 40 Jahren Innovationen in diesem Bereich voran und verwaltet hier inzwischen ein Anlagevermögen von mehr als 150 Milliarden US-Dollar für Kunden in aller Welt.
Wir verfügen über eine herausragende Erfolgsbilanz in der Umsetzung unterschiedlicher, langjährig bewährter und auf unterschiedlichste Anlegerbedürfnisse abgestimmter Anlagestrategien. Unser Fondsangebot in den USA umfasst bereits seit 1975 faktorbasierte Smart-Beta-Strategien. Unser Quantitative Strategies Team setzt seit 1983 faktorbasierte Strategien um. Und unser PowerShares Team gehört seit 2003 zu den Vorreitern faktorbasierter Smart-Beta-Lösungen. So hat Invesco in den vergangenen 13 Jahren das umfassendste Angebot an Smart-Beta- und Faktor-ETFs in der gesamten Branche aufgebaut, das Investoren ein Engagement an den Aktien- und Anleihemärkten ermöglicht und Zugang zu alternativen Anlagen bietet.
Im Rahmen unseres Engagements für die Weiterentwicklung der faktorbasierten Anlage haben wir vor Kurzem den Factor Investing Council ins Leben gerufen. Mit dieser Institution möchten wir Investoren Zugang zu den neuesten Erkenntnissen und Einblicke in wichtige Marktentwicklungen im Bereich der faktorbasierten Anlage geben. Außerdem haben wir die Ergebnisse unserer umfassenden Befragung zu faktorbasierten Investmentansätzen unter mehr als 60 institutionellen Kunden in aller Welt veröffentlicht.
Unsere führende Positionierung in faktorbasierten Anlagestrategien und Smart Beta spiegelt die Tiefe unserer Erfahrung und Expertise wider, auf deren Grundlage wir immer wieder innovative Lösungen entwickeln – um den sich ändernden Bedürfnissen unserer Kunden gerecht zu werden.
Faktorbasierte Anlagestrategien können ein wirkungsvolles Instrument darstellen – um für eine breitere Portfoliodiversifikation zu sorgen oder Ihnen zu helfen, bestimmte Anlageziele zu erreichen. Bernhard Langer und Michael Fraikin beschäftigen sich bereits seit mehr als 20 Jahren mit faktorbasierten Anlagestrategien. Langer baute von 1992 an zunächst bei der Bayerischen Vereinsbank, die heute Teil der Hypo-Vereinsbank ist, den Bereich Quantitative Anlagestrategie auf und entwickelte diesen Bereich bei der Investmentgesellschaft Invesco weiter. Fraikin ging nach seinem Studium 1991 zur Commerzbank und war dort im Bereich Quantitative Aktienanalyse tätig. Beide Spezialisten arbeiten inzwischen seit vielen Jahren für Invesco im Bereich der Quantitativen Anlagestrategie, Langer seit 1994, Fraikin seit 1997. Und beide sind Praktiker im besten Sinne des Wortes: Sie haben sich ihr Wissen um quantitative Strategien in jahrelanger Praxiserfahrung erworben und – ähnlich wie ein Ingenieur einen Motor – ihre Modelle immer wieder verfeinert und verbessert.
Das Interview mit den beiden Experten in diesem Buch gibt Ihnen sehr persönliche Einblicke in die Welt der Quant-Manager und die faszinierende Evolution einer Anlagestrategie mit immer noch revolutionären Auswirkungen auf unsere Branche.
Wir hoffen, dass diese Einblicke für Sie nützlich sind und Ihnen vielleicht neue Wege in der sich ständig weiterentwickelnden Investmentlandschaft aufzeigen. Wir freuen uns darauf, Sie auch in Zukunft dabei zu unterstützen, Ihre Anlageziele zu erreichen.
Marty Flanagan
Präsident und CEO, InvescoLtd.
Faktorbasierte Strategien gehören zu den einflussreichsten Anlagekonzepten der letzten Jahre. Insbesondere institutionelle Investoren haben erkannt, dass ihnen dieser Ansatz die Möglichkeit gibt, ihre Anlagestrategien präzise und systematisch auf bestimmte Anlageziele auszurichten.
Faktorbasiertes Investieren, auch als „Smart Beta“ oder „Alternative Beta“ bekannt, ist ein systematischer Investment-Ansatz, der verschiedene Wertpapiermerkmale jenseits von Marktkapitalisierung, Region oder Sektor berücksichtigt. Der Ansatz hat zwar erst in jüngster Zeit erhebliche Aufmerksamkeit durch Anleger und Medien erfahren, wird aber bereits seit den 1970er Jahren erforscht und hat sich inzwischen über mehrere Jahrzehnte bewährt. Invesco implementiert seit mehr als 30 Jahren faktorbasierte Anlagestrategien.
Der Faktoransatz profitiert von Fortschritten in der Datenverarbeitung und Technologie, durch die Analysten ihr Verständnis des Ansatzes schnell weiterentwickeln und ihre Erkenntnisse durch die Ergebnisse fundierter wissenschaftlicher Untersuchungen untermauern können. Letztere zeigen, dass faktorbasierte Anlagestrategien nicht nur eine langfristige Outperformance ermöglichen können, sondern auch eine bessere risikoadjustierte Performance.
Grund dafür ist die Tatsache, dass die Märkte ineffizient sind und Anleger von Natur aus nicht immer rational handeln. Faktorbasierte Strategien setzen auf die Ausnutzung dieser Marktineffizienzen und Verhaltensmuster. Außerdem zielen sie auf die Vereinnahmung von Faktor-Prämien für das gegenüber dem breiten Markt zusätzlich eingegangene Risiko.
Quantifizierbar und wissenschaftlich belegt
Factor Investing wird häufig als dritter, alternativer Investmentansatz neben passiven Anlagestrategien und aktiv gemanagten Fonds betrachtet. Die sogenannten Faktoren, die im Mittelpunkt des Ansatzes stehen, sind quantifizierbare Eigenschaften eines Vermögenswerts mit nachweislich großem Einfluss auf dessen Performance. Anders ausgedrückt: Mit Hilfe von Faktoren können Investoren die Wertentwicklung einzelner Wertpapiere auf quantifizierbare Anlagethemen zurückführen.
Beim faktorbasierten Investieren wird in Gruppen von Aktien mit ähnlichen Merkmalen investiert, um eine bessere Wertentwicklung als marktbreite, nach der Marktkapitalisierung gewichtete Indizes zu erzielen. Traditionelle Faktoren sind Momentum (positive relative Wertentwicklung), Bewertung bzw. Value (relative Attraktivität gemessen an Bewertungskennzahlen wie dem Kurs-Buchwert-Verhältnis oder dem Kurs-Gewinn-Verhältnis), Qualität bzw. Quality (Kennzahlen wie eine stabile Profitabilität, eine starke Cash-Generierung und eine vergleichsweise geringe Verschuldung) oder Volatilität bzw. Volatility (typischerweise gemessen anhand der Fluktuation der Aktienkurse).
Beim Momentum-Faktor zum Beispiel wird in Vorjahresgewinner investiert, während Vorjahresverlierer leerverkauft werden. Dahinter steht das verhaltenspsychologische Argument, dass Investoren auf gute Nachrichten tendenziell weniger stark reagieren als auf schlechte. Der Value-Faktor dagegen stellt auf die Neigung der Investoren ab, Informationen zu stark in die Zukunft fortzuschreiben. Dadurch notieren bestimmte Anlagewerte gemessen an ihrem inneren Wert auf einem sehr günstigen Niveau.
Jeder einzelne Faktor gründet auf belastbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen oder wiederholtem, gut dokumentiertem Anlegerverhalten. Dabei eignen sich faktorbasierte Ansätze nicht nur für Aktien. Faktoren wirken auch an den Anleihemärkten, den Devisenmärkten etc., weil Investoren die gleichen verhaltenspsychologischen Neigungen zeigen, ganz egal, wo sie anlegen.
Bessere Kalibrierung von Rendite und Risiko
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass Faktoren einen Großteil der Ertrags- und Risikoeigenschaften eines Portfolios erklären. Dabei können faktorbasierte Anlagestrategien auf ein Engagement in einem einzelnen Faktor oder einer Kombination von Faktoren abstellen. Durch eine Kombination mehrerer Faktoren können verschiedene Marktszenarien berücksichtigt und potenzielle Diversifikationsvorteile genutzt werden. Da Faktoren ihren eigenen Zyklen unterliegen, ist die Diversifizierung bei faktorbasierten Investments ebenso wichtig wie bei jeder anderen Anlagestrategie. Multi-Faktor-Ansätze können temporäre Schwächephasen einzelner Faktoren ausgleichen.
Die Aussicht auf eine Aufschwungphase mit wiederholten kurzfristigen Rückschlägen zum Beispiel könnte für eine Kombination von Value und Low Volatility sprechen. Am größten ist der Diversifikationsvorteil bei einer Kombination von Faktoren mit kaum korrelierten Überrenditen wie zum Beispiel Momentum und Low Volatility, die sich in der Vergangenheit sehr unterschiedlich verhalten haben. Insgesamt gilt, dass ein auf Basis eines Multi-Faktor-Modells sorgfältig austariertes Risiko-Ertrags-Profil helfen kann, bestimmte Anlageziele treffsicherer zu erreichen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass ein quantitativer Ansatz wie Factor Investing überdurchschnittliche Renditen abwirft, ist umso höher, je weniger effizient ein Markt ist. Wenn zum Beispiel Value-Aktien einfach zu identifizieren sind und alle Marktteilnehmer überzeugt sind, dass diese Titel künftig überdurchschnittliche Renditen abwerfen werden, fällt ein möglicher Vorteil des Faktoransatzes schnell weg.
Gerade angesichts der zuletzt hohen Korrelationen zwischen verschiedenen Märkten ist ein für Investoren besonders interessanter Aspekt die minimale Abhängigkeit der Faktorstrategien von der Marktrichtung und ihre geringe Korrelation mit traditionellen Anlageklassen. Dadurch leisten Faktorstrategien nicht nur einen Beitrag zu einer echten Portfoliodiversifikation, sondern können auch helfen, das Verlustrisiko zu begrenzen.
Auf die systematische, evidenzbasierte Aktienauswahl nach dem Faktoransatz setzen inzwischen auch viele passive Anlageinstrumente wie Smart-Beta-Indizes oder -ETFs. Aktives faktorbasiertes Investieren bei Invesco Quantitative Strategies (IQS) sieht anders aus und geht über den Einzelfaktor-Ansatz hinaus. Unsere Faktorstrategien setzen auf ein breit diversifiziertes Engagement in mehreren Faktoren mit unterschiedlichen zyklischen Merkmalen, um eine stabilere Performance zu erzielen. Vor allem aber liegt der Fokus des IQS-Faktoransatzes auf der Bottom-Up-Aktienselektion. Anders ausgedrückt: Beim Aufbau von Multi-Faktor-Portfolios werden explizit Alpha- (und Risiko-) Erwartungen im Rahmen eines umfassenden Risikomanagements berücksichtigt.
Herr Langer, in dem Science-Fiction-Film Colossus aus dem Jahr 1970 prophezeien Roboter einem Menschen: „Mit der Zeit wirst du mich nicht nur mit Respekt und Ehrfurcht betrachten, sondern mit Liebe.“ Sind wir heute, knapp ein halbes Jahrhundert später, so weit, dass uns Computer mehr oder weniger beherrschen und uns Menschen auch emotional unterworfen haben?
Langer: Selbstverständlich ist es verlockend, in diese Richtung zu denken. Das Thema ist ja gerade für Buchautoren und Filmemacher spannend. Aber für mich ist der Computer ein technisches Hilfsmittel, ein Werkzeug, das natürlich in gewisser Hinsicht intelligent ist und mir ermöglicht, eine große Menge an Informationen zu verarbeiten. Vielleicht bin ich in dieser Hinsicht zu nüchtern. Und möglicherweise ist meine Einstellung ja auch schon ein Zeichen dafür, dass der Computer mich längst beherrscht. Kennen Sie den Thriller Angst des britischen Romanautors Robert Harris? Darin übernimmt gerade in unserer Welt, in der Anlagewelt, der Computer die Regie und lernt eigenständig. Schließlich entwickelt er sich zu einem Monster, das die Kontrolle an sich reißt. Von solchen Horrorszenarien sind wir in unseren Anwendungen weit entfernt. Das ist fast schon ernüchternd, wie wir den Computer technisch „nur“ als Hilfsmittel einsetzen. Mitnichten würde ich behaupten, dass er uns steuert oder gar kontrolliert. Der Computer ist und bleibt ein reines Hilfsmittel.
Fraikin: Die Vorstellung, der Computer könne uns steuern, ist so, als hätte man früher von der Diktatur der Schreibmaschine gesprochen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Menschen eine derartige Maschine jemals mit Ehrfurcht und Liebe betrachten. Ich glaube: In manche Bereiche unseres Lebens haben sich Software oder Computer schon eingeschlichen. Dort dominieren sie es auch. Doch tatsächlich nehmen wir das gar nicht richtig wahr. Denken Sie zum Beispiel an den Routenplaner, der für Sie Ihre Fahrten berechnet unter Berücksichtigung der Verkehrsinformationen. Ich glaube nicht, dass die Leute darüber nachdenken und sich bewusstmachen, dass sie ihre Reisen einem Computer anvertrauen. Wenn man tatsächlich einmal darüber nachdenken würde, dann kämen wir rasch an Fragen, die uns unangenehm sein könnten. Der Punkt ist also: In welchen Bereichen wollen wir uns dem Computer anvertrauen und in welchen nicht?
Bleiben wir noch einen Augenblick bei Ihrem Beispiel des Routenplaners. Hat der Computer hier nicht doch einen Einfluss auf unser Gefühlsleben? Schließlich wählen Frauen ja gerne eine Herrenstimme aus dem Computer und Männer eine Frauenstimme.
Langer: Klar ist, auch im Umgang mit Computern spielen psychologische Aspekte eine große Rolle für unser Verhalten. Aber von einer Kontrolle über unsere Emotionen sind Computer nach wie vor weit entfernt. Nehmen Sie Deep Blue, diesen grandiosen Schachcomputer, den IBM konstruiert hatte. Deep Blue konnte mehr als 100 Millionen Schachzüge berechnen, pro Sekunde. Der Computer war auch schon lernfähig. Aber im Grunde war er einfach so programmiert, dass die Maschine diese Spielzüge vorausdenken konnte. Und genau so funktioniert Go.
Was meinen Sie mit Go?
Langer: Ich meine das Spiel Go, die asiatische Version eines Strategiespiels ähnlich wie Schach. Aber Schach ist im Grunde einfach. Es hat 32 Figuren, die sich auf acht mal acht Feldern bewegen, also auf 64 Feldern. Go dagegen wird auf 19 mal 19 Feldern gespielt. Das sind 361 Schnittpunkte, auf die die Spieler ihre Steine setzen können, deren Zahl im Prinzip unbegrenzt ist. Go ist also um ein Vielfaches komplexer als Schach. Anders als beim Schach kann sich ein Go-Spieler, der in Bedrängnis gerät, immer wieder erholen. Computerprogrammierern ist es gelungen, auch diese Komplexität abzubilden. Deshalb ist der Computer aber nicht intelligenter. Er ist und bleibt ein rationales Hilfsmittel. Der Computer kennt keine Emotionen.
Wenn wir feststellen, dass ein Schachcomputer nahezu alle menschlichen Spieler schlagen kann, ist dann nicht doch die These begründet, dass der Computer den Menschen mit seinen eigenen Waffen schlägt?
Langer: Ja. Autonomes Fahren ist ein Beispiel dafür. In U-Bahnen brauchen wir den Fahrer auch schon längst nicht mehr. Der ist nur noch dazu da, dass sich die Fahrgäste wohlfühlen. Unsere Abhängigkeit von Computern spüren wir spätestens dann, wenn wir einen Stromausfall erleben. Unser gesamtes Leben wird von Computern gesteuert, selbst die Wasserversorgung, alles. Trotzdem glaube ich nicht, dass wir den Maschinen ausgeliefert sind. Wenn etwas schiefgeht, handelt es sich genauso um ein technisches Problem wie bei einer Reifenpanne. Nur erreicht ein IT-Defekt schnell eine höhere Dimension, wenn beispielsweise wie im Sommer 2016 bei einer großen Fluggesellschaft der Computer ausfällt. Davon waren Tausende Passagiere betroffen, die ihren Flug nicht antreten konnten, und ganze Flughäfen versanken im Chaos. Wenn ein Computer ausfällt, liegt schnell das System darnieder. Insofern herrscht da eine Abhängigkeit, aber ich würde sie immer noch als technisch bezeichnen.
Im Finanzgeschäft gibt es ja immer noch diese Bilder einer gewissen Börsenromantik, von Händlern, die auf dem Börsenparkett rumschreien, wild gestikulieren und einem Herzinfarkt nahe scheinen. Die Realität in der Finanzwelt heute ist ja eine ganz andere. Da sitzen die Marktteilnehmer in Großraumbüros an ihren Computern und arbeiten konzentriert. Wann würden Sie sagen begann dieser Veränderungsprozess?
Fraikin: Der Einzug der Computer in die Börsenwelt hat etwa Anfang der 60er Jahre im vergangenen Jahrhundert eingesetzt. Ein großer Meilenstein in Richtung Computerisierung der Finanzmärkte war dann das Black-Scholes-Modell von 1973. Das ist ein finanzmathematisches Modell zur Berechnung von Finanzoptionen, das sich auf Computer stützt. Die Berechnung komplexer Derivatgeschäfte ist überhaupt nur mit Computern möglich. Dann kam im weiteren Verlauf der 1970er Jahre das BARRA-Risikomodell hinzu. Mit seiner Hilfe lassen sich Risiken für Aktien, aber auch andere Finanzinstrumente, viel besser prognostizieren. Damals wurden erstmals quantitative Risikomodelle gebaut, die auf einer akademischen Theorie basierten.
Was waren für Sie die markanten Punkte bezüglich des Einzugs von Computern in die Finanzwelt?