Da helfen nur Küsse - Penny Jordan - E-Book

Da helfen nur Küsse E-Book

Penny Jordan

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Beschreibung

Die Wahrheit ist schrecklich, und doch ist die Liebe, die Lacey für ihren Ex-Mann Lewis empfindet, stark genug, um einen neuen Anfang mit ihm zu machen! Denn jetzt weiß sie endlich, warum er sich damals von ihr scheiden ließ, und sie kann ihm verzeihen: Lewis hatte erfahren, dass er an einer seltenen, vererbbaren Bluter-Krankheit leidet.

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Seitenzahl: 184

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IMPRESSUM

Da helfen nur Küsse erscheint in der Verlagsgruppe HarperCollins Deutschland GmbH, Hamburg

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Katja Berger, Jürgen WelteLeitung:Miran Bilic (v. i. S. d. P.)Produktion:Christina SeegerGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© 1991 by Penny Jordan Originaltitel: „A Cure for Love“ erschienen bei: Mills & Boon Ltd., London Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe JULIA EXTRA, Band 172 Übersetzung: Michaela Rabe

Umschlagsmotive: FlamingoImages / Getty Images

Veröffentlicht im ePub Format in 10/2022

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783751520379

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, TIFFANY

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1. KAPITEL

„Bist du fertig, Ma? Ehrlich, ich bin so aufgeregt, als müsste ich die Rede halten.“

„Ich halte keine Rede, sondern übergebe nur Dr. Hanson den Scheck“, erwiderte Lacey Robinson auf die Frage ihrer Tochter.

Im Grunde war sie doch nervös. Geld zu sammeln für die Erforschung dieser seltenen und schrecklichen Krankheit, Hämophilie oder Bluterkrankheit, war eine Sache. Aber vor den Augen der Öffentlichkeit dem Krankenhaus das gesammelte Geld zu überreichen, war etwas ganz anderes.

Sie hatte bereits versucht, sich zu sagen, dass eine solche Nervosität völlig verrückt war, jedenfalls für eine Achtunddreißigjährige, die eine Tochter von neunzehn Jahren hatte.

„Ich bin so stolz auf dich, Ma“, sagte Jessica, durchquerte die Küche und nahm ihre Mutter in die Arme. Jessica überragte ihre Mutter um ein paar Zentimeter, aber sie ähnelte ihr. Beide besaßen das gleiche seidige dunkle Haar, die vollen Lippen, auch wenn sich in Laceys Gesicht Verletzlichkeit ausdrückte. Ihre Tochter war lebhafter, robuster.

„Ich selbst habe doch gar nichts getan“, wehrte Lacey ab. „Es waren die Leute, die auf unseren Aufruf hin Geld gespendet haben. Ihnen gebührt Anerkennung und Lob.“

„Ja natürlich. Aber du hast alles organisiert, hast zuerst einen Spendenaufruf verfasst.“

„Erst nachdem ich während der Arbeit von dem kleinen Michael Sullivan gehört habe. Es ist mir so ans Herz gegangen. Ich weiß immer noch nicht, wie Declan und Cath mit dieser Tragödie zurechtgekommen sind. Zuerst verlieren sie zwei Kinder durch diese Krankheit, und nun ist der kleine Michael …“

„Kann Michael jemals geheilt werden?“

„Nein, geheilt nicht, aber mit dem gespendeten Geld können weitere Forschungen finanziert werden. Und nun, wo man das Gen isolieren konnte, das die Krankheit verursacht … Also, mit den neuen Techniken, mit denen das Geschlecht eines Embryos schon sehr früh erkannt werden kann, könnten sich die Eltern entscheiden, nur Mädchen zu bekommen. Du weißt, Mädchen geben diese Krankheit nur weiter an männliche Nachkommen, erkranken aber selbst nicht.“

„Du meinst, die Sullivans können jetzt entscheiden, nur Töchter zu bekommen?“

„Ja.“

„Also, egal was du sagst, ich bin froh, dass das Geld jetzt übergeben wird, wo ich gerade zu Haus bin.“

Jessica war das erste Jahr in Oxford, und sie würde eine exzellente Ausbildung erhalten. Jessica war nicht nur stolz auf ihre Mutter, sondern Lacey war genauso stolz auf ihre Tochter.

Das Leben war nicht leicht für sie gewesen, als Einzelkind, vaterloses Kind … Dennoch, sie war von Anfang an ein fröhliches, glückliches Kind gewesen.

Es war typisch für Lacey, dass sie es nicht sich anrechnete, wie gut Jessica in ihren schulischen Leistungen und im Sport war. Ihren Freunden gegenüber behauptete sie immer, diese Eigenschaften, die wie Geschenke seien, hätte Jessica von ihrem Vater mitbekommen.

„He, komm zurück, Ma! Wo bist du mit deinen Gedanken gewesen?“, neckte Jessica sie und fuchtelte mit der Hand vor ihrem Gesicht herum.

„Weißt du, woran ich denke?“, meinte Jessica zehn Minuten später, als sie beide in ihrem kleinen Wagen Richtung Stadthalle fuhren, wo die Spende übergeben werden sollte. „Ich glaube, Dr. Hanson hat viel für dich übrig, Ma.“

Lacey errötete. Sie konnte nichts dagegen tun. Es war der Fluch ihres blassen Teints.

Jessica bemerkte es und lachte, bevor sie halb im Ernst fragte: „Warum hast du eigentlich nie wieder geheiratet, Ma? Ich meine, ich weiß, du hast ihn geliebt, aber nachdem er dich verlassen hat, als dann alles vorüber und du geschieden warst … hast du niemals mehr … gab es keine …?“

„Anderen Männer?“, meinte Lacey trocken.

Sie war ihrer Tochter gegenüber immer offen und ehrlich gewesen, so weit sie konnte. Und auch wenn sie über dieses Thema noch nie geredet hatten, spürte sie, Jessica stellte sich zunehmend mehr Fragen nach der Vergangenheit ihrer Mutter. Jetzt, wo sie nicht mehr bei ihr wohnte, verglich sie Laceys Leben offenbar mit dem anderer Frauen ihres Alters.

„Nun, zuerst war ich zu … zu …“

„Enttäuscht“, half ihr Jessica aus. „Ich weiß, er ist mein Vater, aber wie hat er dir so etwas antun können?“

„Es war eigentlich nicht seine Schuld, Jessica. Er liebte mich einfach irgendwann nicht mehr, das ist alles. So etwas kommt vor.“

„Und du hast nie überlegt, ihm von mir zu erzählen? Ich meine …“

„Ja, doch, das habe ich“, bekannte Lacey aufrichtig. „Aber er hatte mir bereits deutlich gemacht, dass er mich nicht mehr liebte, dass er die Ehe beenden wollte. Erst als er fortgegangen war, erfuhr ich, dass ich schwanger war. Vielleicht hätte ich es tun sollen …“

„Nein, nein, Ma. Du hast richtig gehandelt“, versicherte ihr Jessica rasch und lächelte sie warm an. „Glaub niemals, dass es nicht so war. Ich kenne Paare, die nur der Kinder wegen zusammenbleiben. Es muss furchtbar sein, in einer solchen Atmosphäre aufzuwachsen. Nein, ich mag nur dich gehabt haben, aber ich habe niemals, niemals daran gezweifelt, dass du mich liebst und mich hast haben wollen.“

Die beiden Frauen sahen sich voller Wärme und gegenseitigem Respekt an, dann erinnerte Jessica ihre Mutter schlau: „Aber du hast mir immer noch nicht meine Frage beantwortet.“

„Nein. Also, wie ich schon sagte, damals war es das Letzte, woran ich dachte, und als du älter wurdest …. Offen gesagt, Jessica, ich habe keinen Mann kennen gelernt, mit dem ich wieder zusammen sein wollte.“

„Vielleicht hattest du Angst, wieder verletzt zu werden, wenn du jemanden näher an dich heranlassen würdest. So wie mein Vater dich verletzt hat …“, überlegte Jessica.

„Vielleicht.“

„Aber das hätte gar nicht geschehen können, weil du überhaupt nicht die Gelegenheit dazu hattest!“, fügte Jessica sehr direkt hinzu.

Sie lachte, als Lacey wieder errötete.

„Ma, manchmal habe ich das Gefühl, als wärst du das kleine Mädchen. Sieh dich doch an! Ich habe oft genug die Blicke der Männer bemerkt, mit denen sie dich angesehen haben. Und das liegt nicht nur daran, dass du so sexy aussiehst.“

Lacey wollte protestieren, aber Jessica schnitt ihr das Wort ab.

„Nein, wenn du es noch so sehr abstreitest, du bist es. Aber du hast auch noch etwas … anderes. Es hat damit zu tun, dass du so zierlich und … verletzlich wirkst.“

„Nun, ich mag nicht gerade groß sein, aber ich bin doch deswegen noch lange nicht verletzlich.“

Aber sie wusste, sie wirkte verletzlich und konnte auch nichts dagegen tun. Freunde hatten es ihr gesagt. Frauen … und Männer. Es hatte etwas mit ihrer Ehe zu tun, oder besser gesagt, mit dem Ende ihrer Ehe. Heute Abend jedoch wollte sie nicht über die Vergangenheit nachdenken.

Selbst jetzt gab es noch Momente, wo sie davon träumte … von ihm … und sich in diesen Träumen erinnerte. Wachte sie dann auf, konnte sie deutlich noch seine Hand auf ihrem Körper fühlen. Und es gab auch andere Träume … Träume, in denen sie weinte, einfach nicht glauben wollte, und wenn sie aufwachte, war ihr Gesicht tränenfeucht.

Und seltsamerweise hatten diese Träume zugenommen, seit Jessica auf der Universität war.

Zuerst hatte sie es darauf zurückgeführt, dass Jessica ihr fehlte, dass sie zum ersten Mal seit rund zwanzig Jahren ganz allein war, wirklich allein. Und doch, sie saß nicht untätig herum, hatte einen guten Job, gute Freunde. Und seit sie sich um Spenden für den kleinen Michael Sullivan kümmerte, schien sie kaum einen Moment für sich selbst zu haben.

Heute Abend war der Höhepunkt vieler Monate harter Arbeit. Das Schicksal des kleinen Jungen würde durch die Medien gehen und weitere Spendengelder für die Bluterforschung bringen.

Die kleine Stadt, in der Lacey wohnte, hatte zum Glück ein hervorragendes Krankenhaus, und nun, wo das Geld vorhanden war, konnten weitere Forschungen angestellt werden. Aber den Sullivans bringt es ihre beiden Söhne nicht zurück, dachte sie traurig, als sie vor der Stadthalle parkten.

Sie hatten gerade den halben Parkplatz überquert, da packte Jessica plötzlich ihren Arm. Sie lachte leise. „Siehst du, schon wieder ist es geschehen: Der Mann, der gerade aus dem schicken Wagen dort gestiegen ist, hat richtig zu dir hingeglotzt!“

„Jessica!“, protestierte Lacey „Ehrlich. Ich …“

„Okay, okay, aber ich finde es überhaupt nicht gut, dass du allein bist, Mum. Du bist erst achtunddreißig. Du solltest wieder heiraten. Ich fände es schrecklich, wenn du den Rest deines Lebens allein bleiben würdest. Einer meiner Tutoren hat vor kurzem gesagt, heutzutage gibt es Karrierefrauen, die erst mit Ende dreißig heiraten und Kinder bekommen … dass es immer normaler werden würde, dass sie sich wegen der Kinder im zunehmenden Alter nicht so isoliert fühlen würden … und …“

„Aha, ich verstehe, worauf du hinauswillst. Du hast Angst, dass ich dir auf meine alten Tage zur Last falle. Aber ich habe eine Neuigkeit für dich, meine liebste Tochter: Um Kinder zu bekommen, brauche ich keinen Ehemann.“

„Nein, aber du brauchst einen Mann“, kam die unverblümte Antwort. „Allmählich nämlich beginne ich zu begreifen, was dir alles entgangen ist, und ich fühle mich schuldig, wenn ich ehrlich sein soll, Ma. Wenn ich nicht gewesen wäre, hättest du …“

„Hör auf der Stelle damit auf“, unterbrach Lacey sie bestimmt. „Wenn du nicht gewesen wärst, hätte ich sehr wahrscheinlich aufgegeben und etwas sehr, sehr Dummes getan“, sagte sie ruhig und offen. Ihre Tochter starrte sie schockiert an. „Du warst meine Rettungsleine, Jessica. Nur deinetwegen habe ich weitergelebt. Ohne dich …“

„Hast du ihn wirklich so sehr geliebt?“ Jessica überlief ein Frösteln. „O Gott, Ma, niemals werde ich zulassen, dass ich so abhängig von einem Mann werde.“

Lacey sank das Herz. Sie hatte es befürchtet. Befürchtet, dass ihre Aufrichtigkeit Jessicas Einstellung zur Liebe beeinträchtigen könnte.

„Wenn man jemanden liebt, ist man immer verletzlich, Jess, aber das heißt nicht, dass es schlimm ist.“ Sie strich Jessica eine Strähne aus dem Gesicht und lächelte sie an. „Du wirst dich auch verlieben. Und wenn es geschehen ist, dann wirst du dich fragen, wieso du jemals glauben konntest, es würde nicht geschehen. Ich verspreche es dir.“

Sie hoffte sehr, dass es so sein würde, und Jessica nicht wegen der Erfahrungen ihrer Mutter sich von dem Glück der Liebe ausschloss.

Und schließlich hätte ich ja eine andere Beziehung beginnen, ein zweites Mal heiraten können, dachte Lacey. Aber … sie hatte einfach nicht den richtigen Mann dazu kennen gelernt.

Oder hatte sie es nur nicht zugelassen, dass sie solche Gefühle für einen anderen Mann entwickelte?

Hastig schob sie den Gedanken beiseite. Es gab Wichtigeres im Augenblick zu tun, als über die Vergangenheit nachzugrübeln. Schließlich war es zwanzig Jahre her, dass ihre Ehe zerbrochen war. Zwanzig Jahre. Ein halbes Leben, und doch, manchmal … manchmal sah sie einen Mann in der Entfernung, und irgendetwas an seinen Bewegungen erinnerte sie an Lewis. Ihr Herz raste, der Magen krampfte sich zusammen. Die Erleichterung, die Verzweiflung, die Freude … der Schmerz, der Unglauben und die Wut …

Sie war unbewusst stehen geblieben, und erst als Jessica ihren Arm ergriff, wurde es ihr bewusst.

„Es bringt nichts, Ma“, neckte Jessica sie. „Jetzt ist es zu spät, um sich noch zu verdrücken. Sie warten alle dort drinnen auf dich.“ Sie besah sich kritisch Laceys elegantes marineblaues Kleid mit dem weißen Spitzenkragen und fügte hinzu: „Ich bin immer noch der Meinung, diese Shorts und das schicke kleine Jackett mit den Goldstreifen hätte super an dir ausgesehen …“

Lacey dachte an das ziemlich auffällige Outfit und musste lächeln. „Für jemanden in deinem Alter mit endlos langen Beinen vielleicht – aber niemals für mich!“

Die Stadthalle war bis auf den letzten Platz gefüllt, ein Gesichtermeer wandte sich Lacey zu, als sie sie betrat. Einen Moment lang ergriff sie Panik, obwohl sie sich innerlich vorbereitet hatte.

Hätte Jessica nicht hinter ihr gestanden und ihr den Rückweg blockiert, wäre sie in Versuchung geraten, sich umzudrehen und zu flüchten.

Gott sei Dank, dass Jessica dabei war. Wie peinlich wäre es gewesen, wenn sie dem dummen kindlichen Impuls nachgegeben hätte. Und nun kam Ian Hanson auf sie zu, lächelte sie an.

Wie Jessica erst vor kurzem richtig bemerkt hatte, würde er sicherlich nichts dagegen haben, wenn ihre Beziehung etwas persönlicher wurde.

Sie mochte ihn, so wie sie ihren Chef Tony Aimes mochte, aber für beide empfand sie nicht mehr, weder sexuell noch emotional. Beide waren geschieden, hatten Kinder, waren nette, attraktive Männer, aber beide ließen sie innerlich völlig kalt.

Weil sie absichtlich nichts empfinden wollte? Weil sie Angst hatte? Ärgerlich über den Weg ihrer Gedanken, erinnerte sie sich daran, weswegen sie heute Abend hier war.

Heute Abend war Michaels Abend. Michaels Abend und der all derjenigen, die so großzügig gespendet hatten.

Sie war vom Spendenkomitee auserwählt worden, den Scheck zu überreichen, und sie hatte sich anfangs schwer damit getan, dann aber doch eingewilligt.

Tony Aimes hatte vorgeschlagen, hinterher noch etwas essen zu gehen, aber sie hatte seine Einladung freundlich abgelehnt. Mit der gleichen Begründung wie die Einladung von Ian Hanson – dass sie so wenig von ihrer Tochter sah, seit sie in Oxford studierte. Den Abend wollte sie gern mit ihr zusammen verbringen.

Tony Aimes kannte sie schon seit vielen Jahren. Seit sie nach dem Scheitern ihrer Ehe hierher gezogen war.

Das Wohnen hier war damals relativ günstig gewesen, und das war für Lacey, mit einem Kind im Bauch und sehr wenig Geld in der Hand, ein wichtiger Entscheidungsgrund gewesen.

Jessicas Vater hatte ihr das Haus angeboten, in dem sie beide wohnten, er wollte nur seine Freiheit. Aber Lacey hatte ihren Stolz gehabt, so verkaufte sie es nach der Scheidung und überwies die Hälfte des Erlöses an seinen Notar.

Eine Bestätigung hatte sie niemals erhalten, aber auch nicht damit gerechnet. Seit dem Tag, wo er in die Küche gekommen war und ihr erklärte, dass er sie nicht länger liebte und aus ihrem Leben gegangen war, hatten sie nur noch über den Anwalt verkehrt.

Die Leute in der Halle begannen zu klatschen, als sie auf die kleine Bühne zugingen. Wieder fühlte sie das Blut ins Gesicht steigen.

Sie schien die Letzte zu sein, die anderen befanden sich schon oben auf dem Podest, einschließlich des aufgeregten Michael Sullivan in seinem Stuhl.

Als er sie anlächelte, schossen ihr unwillkürlich die Tränen in die Augen – nicht vor Traurigkeit, sondern vor Freude über die Großzügigkeit und Wärme der Menschen. Und über Michaels unschuldige Freude am Leben.

Im Augenblick befand er sich in einer positiven Phase, aber wie lange sie anhalten würde, wusste keiner.

Sie beugte sich vor und gab ihm einen Kuss auf den Kopf. Dabei betete sie zum Himmel, dass ein Wunder geschehen möge und Michael gerettet würde. Aber es gab so viele andere Kinder auf der Welt, die …

Sie nahm sich zusammen und erinnerte sich daran, dass solche gefühlvollen Gedanken Michael nicht helfen würden.

Zusammen mit den anderen setzte sie sich hin und schaute auf die Menge im Saal. Sie konnte Jessica in der ersten Reihe sehen, nicht weit von Tony Aimes entfernt.

War es wirklich schon zwanzig Jahre her, dass sie als Tonys Sekretärin angefangen hatte? Wo waren nur die Jahre geblieben?

Während dieser Zeit hatte Tony geheiratet und sich wieder scheiden lassen. Jessica war vom Baby zu einer jungen Frau geworden. Und sie – was hatte sie mit ihrem Leben gemacht? Was hatte sie erreicht, im Privatleben?

Sie hatte finanzielle Sicherheit, einen sehr angenehmen Lebensstil, und sie wusste, manche Leute beneideten sie. Aber es gab auch andere, denen sie Leid tat, weil sie allein und ohne Mann lebte.

Das aber hatte sie nie interessiert. Lieber allein und in Frieden leben, als unter der Qual zu leiden, wenn die Liebe nicht erwidert wurde.

Der Vorsitzende des kleinen Komitees erhob sich und erklärte, zu welchem Zweck diese Spenden gesammelt worden waren. Während Lacey auf ihren eigenen Part wartete, zog sich ihr vor Nervosität der Magen zusammen.

Immer wieder hatte sie die wenigen Sätze geübt und war sicher, sie ohne Stocken herauszubringen. Sie musste sich eigentlich nur dem Dank des Vorsitzenden anschließen und dann den Scheck an Ian überreichen.

Am Ende der Halle waren die Leute des örtlichen Radio- und Fernsehsenders eifrig damit beschäftigt, das Ereignis aufzunehmen. In der Kameralinse spiegelte sich kurz das Licht, es blendete Lacey und sie wandte den Blick ab, schaute ins Publikum.

Und sie sah ein Gesicht, das sie seit zwanzig Jahren nicht mehr gesehen hatte. Eigentlich war es unmöglich, dass sie ihn sofort erkannte. Aber mit unerschütterlicher Klarheit wusste sie, er war es.

Lewis war hier. Hier in der Stadthalle. Hier in ihrer Stadt. Hier an diesem Ort, an dem sie ihr Leben so entschlossen aufgebaut hatte, um ihn davon auszuschließen. Alles von ihm auszuschließen.

Alles, außer dem Kind von ihm, das er ihr gegeben hatte. Und den Schmerz, den sie durch ihn erleiden musste.

Lewis Marsh … ihr Ehemann … ihr Liebhaber. Der einzige Mann, den sie jemals geliebt … und gewollt hatte. Der Mann, von dem sie angenommen hatte, dass er ebenso für sie empfand. Der Mann, der ihr gesagt hatte, dass er sie liebte, der sie angefleht hatte, ihn zu heiraten, der ihr versprochen hatte, sie würden immer zusammenbleiben, im Leben und bis in alle Ewigkeit.

Ewigkeit! Ihre Ehe hatte gerade gut ein Jahr gedauert.

Sie begann schrecklich zu zittern, ihr Herz hämmerte wie verrückt, während ihr Gehirn sich weigerte zu glauben, was ihre Augen sahen.

Es musste ein Irrtum sein. Es konnte unmöglich Lewis sein.

Aus Schock und Selbstschutz hatte sie hastig den Blick abgewandt, aber nun, wie ein Kind, das im Dunkeln furchtsam den Raum nach einem eingebildeten Monster absucht, glitt ihr Blick wieder über die Menschen.

Zwanzig Jahre waren schließlich eine lange Zeit. Lange genug, um sich irren zu können. Ihre Erinnerung konnte sie täuschen. Den Lewis, an den sie sich erinnerte, gab es längst nicht mehr. So wie sie selbst, würde er sich verändert haben, älter geworden sein.

Sie verspürte eine leichte Übelkeit. Wenn sie ihn erkannt hatte, dann musste er sie auch …? Sie brach ihre Suche ab, weil ihr der Kopf schwirrte.

Was, wenn er es doch war? Selbst wenn er sie erkannt hatte, würde er nicht aufstehen, zum Podest kommen und erklären, dass er früher ihr Mann gewesen war, oder? Warum fürchtete sie sich so sehr?

Es ist keine Furcht, versuchte sie sich einzureden. Nur der Schock, die Überraschung. Und sie musste sich verguckt haben. Es konnte einfach nicht Lewis sein. Sie musste es sich eingebildet haben, weil sie so nervös wegen der Scheckübergabe war.

Die Scheckübergabe! Entsetzt bemerkte sie, dass der Vorsitzende seine Rede beendet hatte, und sie innerhalb weniger Sekunden aufstehen und ihn überreichen musste.

„Und nun möchte ich Ihnen die Frau vorstellen, ohne die der gesamte Spendenaufruf gar nicht stattgefunden hätte – Lacey Robinson.“

Lacey erhob sich. Nach der Scheidung hatte sie ihren Mädchennamen wieder angenommen, und aus irgendeinem seltsamen Grund schaute sie schuldbewusst hinunter ins Publikum. So als erwarte sie, dass Lewis sich erheben und ihr vorwerfen würde, unter falschem Namen aufzutreten …

Diesmal aber entdeckte sie kein vertrautes männliches Gesicht, kein autokratisches Profil, keine glatten dunklen Haare. Niemanden, der sie auch nur im Mindesten an den Mann erinnerte, den sie geheiratet hatte. An den Mann, mit dem sie Jessica gezeugt, den sie geliebt hatte, bis er sie verließ. Und derentwegen sie weitergemacht hatte, des Kindes wegen, von dem er nicht gewusst hatte, dass sie es in sich trug. Das Kind, das er sowieso nicht gewollt hatte.

„Du willst Häuslichkeit … Kinder … ich nicht“, hatte er rundweg erklärt und sich nicht um ihren schwachen Versuch gekümmert, ihn zu unterbrechen und an seine früheren Worte von Liebe, Familie und Kinder zu erinnern …

Irgendwie schaffte sie es, ihre kurze Rede zu halten und den Scheck zu übergeben. Aber ihre Hände zitterten heftig, als Ian ihn entgegennahm.

Hinterher, als alles vorbei war, kam Jessica zu ihr geeilt und fragte sie, ob alles in Ordnung sei.

„Du hast so seltsam ausgesehen, als du dort oben warst. Für einen Moment dachte ich tatsächlich, du würdest aufstehen und einfach davongehen. Ich weiß, du warst nervös, aber mir war nicht klar … Aber jetzt ist es ja geschafft“, tröstete sie sie.

Lacey lächelte schwach.

„Macht nichts, Mum, du warst trotz deiner Nervosität Klasse“, fuhr Jessica fort und hakte sich bei ihr ein. „Und was ist mit dem versprochenen Essen, bevor einer deiner Verehrer dich überredet, mit uns zu kommen?“

Lacey hätte im Augenblick keinen Bissen herunterbekommen. Ihr war schlecht, und sie war verwirrt, wie jemand, der einen echten Schock erlitten hatte. Sie versuchte sich zu sagen, dass es Unsinn sei, so zu reagieren. Sie war eine erwachsene Frau, und es ging nicht, dass sie so in Panik geriet, nur weil sie einen Mann zu sehen geglaubt hatte, den sie vor zwanzig Jahren schon aus ihrem Leben hätte streichen sollen.

„Schnell!“, zischte da Jessica. „Tony kommt auf uns zu.“ Während sie zum Ausgang strebten, fuhr sie trocken fort: „Ehrlich, Ma, ich weiß nicht, warum du den armen Tony nicht heiratest. Er verehrt dich, und so war es schon immer. Denk doch nur an das Leben, das du führen könntest – er würde dir jeden Wunsch von den Augen ablesen!“

„Ich mag ihn, liebe ihn aber nicht“, erklärte Lacey und war überrascht, als ihre Tochter abrupt stehen blieb und sie anstarrte. „Ist es so schockierend, dass ich in meinem Alter Liebe als Vorbedingung für eine Ehe voraussetze?“, verteidigte sie sich.