Dame mit Hündchen - Claudia J. Schulze - E-Book

Dame mit Hündchen E-Book

Claudia J. Schulze

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Beschreibung

In diesen Erzählungen wird das einzigartige Verhältnis zwischen alter Dame und kleinem Hündchen in den Mittelpunkt gestellt. Kleine Miniaturen, liebevoll und so zart wie die jeweiligen Protagonisten, dabei nicht im Alltäglichen verweilend. Doch lassen Sie sich die Geschichten am besten selbst erzählen. Ob die von "Paulchen", von "Adele und Chopin" oder von den anderen ,welche winzige, feine Einblicken in eine einmalige Beziehung gewähren. Der bereits in einer anderen Erzählung verwandte Titel soll und wird nicht zu Verwechslungen führen; da bin ich guter Dinge. Dass dergleichen Möglichkeit sich bald in Luft auflöst, dafür wird bereits ein subtiler Hinweis darauf ausreichen, dass es sich in der von mir nachfolgend geschilderten Begebenheit um eine durchaus betagte Dame handelt. Nach eigenen Angaben ging sie bereits auf die Hundert zu, und dass es ihrem geliebten Hund, zumindest beim Zugrundelegen des Multiplikationsfaktors, mit dem man Hundejahre berechnet, ähnlich erging wie ihr. (Ausschnitt)

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Seitenzahl: 59

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Nach manchen Gesprächen mit Menschen hat man den

Wunsch einen Hund zu streicheln, einem Affen zuzulächeln und

vor einem Elefanten den Hut zu ziehen!

(Maxim Gorki)

Inhalt

Dame mit Hündchen

Paulchen

Kinobesuch der alten Dame

Fleur von Sternberg

Alexandr Alexandrowitsch

Ungewollt

Adele und Chopin

Jamais sans mon chien

Bonus

Nachwort und Informationen

Dame mit Hündchen

Der bereits in einer anderen Erzählung verwandte Titel soll und wird nicht zu Verwechslungen führen; da bin ich guter Dinge.

Dass dergleichen Möglichkeit sich bald in Luft auflöst, dafür wird bereits ein subtiler Hinweis darauf ausreichen, dass es sich in der von mir nachfolgend geschilderten Begebenheit um eine durchaus betagte Dame handelt, und es auch ansonsten in dieser, meiner Geschichte nicht von besonders liebevollem Verhalten ausgegangen werden darf. Zurück zu der betagten Dame. Nach eigenen Angaben ging sie bereits auf die Hundert zu, und dass es ihrem geliebten Hund, zumindest beim Zugrundelegen des Multiplikationsfaktors, mit dem man Hundejahre berechnet, ähnlich erging wie ihr. Es handelte sich also um eine ungewöhnlich alte, fragile Frau mit den Augen einer Leinwandgöttin und mephistophelischem Kinn. Ihr Hund war klein und graumeliert. (In der Frisur ähnelten sie sich und entsprachen hiermit der weitverbreiteten Vermutung, das sich Hunde und Herrchen-respektive Frauchenmit der Zeit einander anzugleichen pflegten). Doch zurück zu den markanten Attributen des Damen-Kopfes. Auffallend waren ihre großen, junggebliebenen Augen, die wie von einem Meister seines Faches gemalt wirkten. Ich kann mich kaum erinnern jemals schönere Augen gesehen zu haben. Fast wirkten sie zu schön um wahr sein zu können. Ihre Nase war gerade und klassisch geschnitten, etwa wie man es sich bei einer griechischen Statue vorgestellt hätte. Ihre Haut war hell, besonders zart und das Kinn von so ausdrucksstarker Ausladung, dass es ihre Schönheit durchbrochen hätte, wenn man nicht, wie es bei ihr eindeutig der Fall war, automatisch immer wieder den Blick zu ihren Augen hin schweifen lassen musste. So lief sie brav mit ihrem winzigen Hündchen in der Hauptstraße Badenweilers entlang, trippelte gar ein wenig geziertder Eleganz wegen. Derweil war sie in Gedanken an ihren Mann versunken, einem, (wie ich bei einem späteren Gespräch erfuhr), feinfühligen und in der Kunst der Diplomatie ausgebildeten Herrn mit einer tiefen Liebe für Russland, welcher, zu ihrem Bedauern, am Genfer See zurückgeblieben, sie allein auf diese Reise geschickt hatte. Sein Gesundheitszustand war nicht von der Art, die ihm erlaubt hätte Reisen zu unternehmen, schon gar nicht wenn es sich um Reisen außerhalb des Landes handelte.

Die Dame flanierte also, in Gedanken bei ihrem Mann und mit stolzem Blick auf ihr eben erst beim Hundefriseur so trefflich herausgeputztes Hündchen Dmitri Nikolajewitsch. Es muss auf der Höhe der Apotheke gewesen sein, als eine harte, knarrende Stimme sie wie ein Faustschlag traf: „Nehmen Sie den Köter weg!“ Er hatte sich vor ihr aufgebaut. Mittelgroß, dunkelblond und auf eine unvorteilhafte Art schwitzend. Bevor die Dame noch imstande war zu antworten, wandte er sich an die vorbeipromenierenden Kurgäste und ließ verlauten, dass eben diese Person samt ihres räudigen Köters aus den „Baracken“ stammte. Nun konnte sich der durchschnittliche Badenweilener Tourist eher wenig unter dieser Ortsbeschreibung vorstellen. Dennoch drängte sich die Assoziation, auf es handele sich bei der Dame um einer böswillige Bettlerin, welche sich mit ihrem listigen Begleiter unter die anständigen Leute gemischt habe, um sie zu bedrohen, ihnen von ihrem verschlagenen Hündchen verwegen die Hosenbeine und Nylonstrümpfe aufschlitzen zu lassen, vielleicht Schlimmeres. Ein, zugegebenermaßen, durchaus geschickter Schachzug des Mittelgroßen, da nun niemand, der es zuvor möglicherweise erwogen haben könnte ihr und Dmitri Nikolajewitsch zur Hilfe zu eilen, nun noch etwas davon wissen wollte. Die Dame, ob solcher Unverschämtheiten nun ihrerseits in haltlose Rage versetzt, begann den Mittelgroßen zu beschimpfen, ihm gar Schläge anzudrohen. Ihre Erziehung auf einem schamlos teuren Schweizer Internat, (auch hiervon sollte ich noch erfahren), war unversehens ins Hintertreffen geraten, nachdem man sowohl sie als auch ihr Hündchen auf solcherlei Art geschmäht hatte. Der Mittelgroße musterte sie hämisch und stellte siegessicher fest, dass sie ja durchaus nicht mehr die Jüngste sei, ganz im Gegenteil. So handle es sich bei ihr um ein besonders widerwärtiges Exemplar einer überflüssigen alten Schachtel. Das volle Geschütz ihrer Augen, kombiniert mit dem bereits oben erwähnten Kinn verfehlten ihre Wirkung indes nicht. So veränderte sich seine Haltung sogestalt, dass ihm die Angst vor einer präzis gesetzten Rechten der hageren Greisin anzusehen war. Er trollte sich als habe er die angedrohten Schläge tatsächlich bereits erhalten, und ließ die noch immer aufgewühlte Dame zurück, die einfach nicht verstand was sich da zugetragen hatte. „Es gefällt mir hier nicht mehr hier, ich möchte nach Hause“, schluchzte sie, sich Trost suchend an mich wendend. Zugleich presste sie den armen Dmitri Nikolajewitsch, welchen sie mittlerweile hochgenommen hatte, fest an die bebende, schmale Brust.

Das Beben hörte gar nicht mehr auf, so sehr ich auch bemüht war ihr gut zuzusprechen. „Mon coeur“, flüsterte sie ihrem Hündchen hierbei beschwörend zu. Wir waren mittlerweile, etwas von der Apotheke abgedrängt, vor einer Konditorei gelandet. Einer Eingebung folgend, lud ich sie ein. Schwarzwälder Torte mit feinen Kirschen hat bestimmt noch niemandem geschadet, der gerade auf das Schändlichste beleidigt worden war.

Interessiert beobachtete ich wie sie Stückchen für Stückchen auf ihre Gabel schob und hoffte dabei auf eine Transformation durch die Ausschüttung von Glückshormonen zuverlässig begünstigt durch die Torte. Dem perfekten Glück aus lockerer Sahne, Alkohol, Schokolade und Kirschen war kaum zu widerstehen. Ich war recht guter Dinge, ihrer verständlichen Verstörung auf diese Weise beizukommen. Ihrem Hündchen war vom Kellner derweil ein Schälchen mit Wasser offeriert worden, wobei er es zugleich mit zahlreichen Kosenamen bedachte, was, wie ich hoffte, die frisch geschlagenen Wunden wieder schließen würde. Doch war es, wie ich feststellen musste, nicht so leicht. Noch immer bekümmert verabschiedete sich die Dame nach etwa einer Stunde von mir. Am nächsten Tag sah ich sie wieder- genau an der gleichen Stelle vor der Apotheke. Diesmal jedoch wirkte sie nicht mehr traurig, auch nicht verstört und keinesfalls ängstlich. Vielmehr hatte sie ihr übergroßes Kinn nach vorn gereckt. Sie patrouillierte! Ganz klar.

Ein Blick in ihre blitzenden, schönen Augen verriet mir, dass sie auf ihn wartete. Auf ihn, um ihm die versprochene Abreibung zu verpassen. Wir blickten uns kurz an, und ich wusste was sie vorhatte. Sie wusste wiederum, dass ich es wusste. „Wie soll ich sie nur davon abhalten?“ überlegte ich hilflos.

Währenddessen fiel mir unvermittelt auf, dass selbst das Hündchen sein Kinn kämpferisch streckte. Es war entschieden. Ich würde sie nicht davon abhalten. Ich würde es noch nicht einmal versuchen. Zum Abschied zwinkerte ich Dmitri Nikolajewitsch aufmunternd zu.

Ihr jedoch gab ich ganz feierlich die Hand.

Paulchen

Hilda trieb es die Tränen in die Augen, als sie ihre Stasiakte las, die sie – leicht zitternd – geöffnet hatte. Schwarz auf weiß war dort zu lesen, dass sie nicht hübsch und für die Männerwelt unattraktiv sei. An diesem Tag reichte eine solche Information.