Dancing Towards You - Johanna Marquardt - E-Book

Dancing Towards You E-Book

Johanna Marquardt

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Beschreibung

NIEDRIGER EINFÜHRUNGSPREIS NUR FÜR KURZE ZEIT! »Wenn du tanzt, bist du frei und wenn du frei bist, kannst du tanzen.«  Wenn man Judys Verlobten Aleks fragt, steht der Hochzeit des Jahres nur eins im Wege: Judys Unfähigkeit zu tanzen. Um ihn nicht zu blamieren, willigt sie daher ein, Privatunterricht beim renommierten Tanzlehrer Karlo Sander zu nehmen. Karlo dagegen stimmt nur zu, da er das Geld für sein Tanzstudio braucht – auch wenn es aus der Tasche seines alten Feindes Aleks kommt. Zwischen Provokationen und Bissigkeit werden Lehrer und Schülerin auf die Probe gestellt. Doch Tanzen beruht auf Vertrauen, und mit jedem Schritt und jeder Drehung wird das Knistern zwischen ihnen stärker. Im Takt von hitzigen Auseinandersetzungen und sinnlichen Bewegungen steuern die beiden geradewegs auf skandalöse Folgen zu …   Forbidden Love trifft auf He Falls First! Persönliche Leseempfehlungen:  »Wie ein modernes Dirty Dancing! Judy & Karlo haben sich auf direktem Weg in mein Herz getanzt!« Stefanie Santer, Autorin  »Dancing Towards You hat mich von der ersten Seite in seinen Bann gezogen und das gesamte Spektrum an Emotionen durchleben lassen – ganz große Leseempfehlung!« Marilena Sommer, Autorin  //»Dancing Towards You« ist ein in sich abgeschlossener Einzelband.// 

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Johanna Marquardt

Dancing Towards You

»Wenn du tanzt, bist du frei und wenn du frei bist, kannst du tanzen.«Wenn man Judys Verlobten Aleks fragt, steht der Hochzeit des Jahres nur eins im Wege: Judys Unfähigkeit zu tanzen. Um ihn nicht zu blamieren, willigt sie daher ein, Privatunterricht beim renommierten Tanzlehrer Karlo Sander zu nehmen. Karlo dagegen stimmt nur zu, da er das Geld für sein Tanzstudio braucht – auch wenn es aus der Tasche seines alten Feindes Aleks kommt. Zwischen Provokationen und Bissigkeit werden Lehrer und Schülerin auf die Probe gestellt. Doch Tanzen beruht auf Vertrauen, und mit jedem Schritt und jeder Drehung wird das Knistern zwischen ihnen stärker. Im Takt von hitzigen Auseinandersetzungen und sinnlichen Bewegungen steuern die beiden geradewegs auf skandalöse Folgen zu …

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Vita

Danksagung

© Inga Dörge

Johanna Marquardt wurde im April 1997 geboren, sie lebt und schreibt bei Hannover. Seit ihrer Kindheit ist das Schreiben ein wesentlicher Bestandteil ihrer Persönlichkeit, der nicht mehr wegzudenken ist. Wörter, die wie der Mond und das Meer aufeinandertreffen, verzaubern sie. Sie liebt verregnete Tage im Sommer, gemütliche Cafés und die Hansestadt Hamburg.Instagram: @johannamar.autorin.}

Für Ida.In Licht und in Dunkelheit.Immer.

Kapitel 1

Karlo

»Du bist der beste Tanzlehrer Hamburgs. Ich bezahle dir, was immer du willst, wenn du Judy beibringst, sich halbwegs anständig zu bewegen.«

»Wozu? Taugt sie dir beim Vögeln nicht?«

Aleksander Skrypczak bleckt die Zähne und lässt sich mit einer Antwort Zeit. Ein letztes Mal kreist er den Holzspieß in der klaren Flüssigkeit, bevor die martinigetränkte Olive dem Verderben geweiht ist und in seinem Rachen verschwindet.

Ich verabscheue Skrypczak. Und seine falschen Gesichter. Er gehört zu den reichsten Männern der Stadt, hält sich für den nächsten Leonardo DiCaprio und suhlt sich im Geld.

»Das interessantere Vögeln, wenn sie ihren Körper endlich vernünftig einsetzen kann, wäre ein netter Nebeneffekt.« Skrypczak lacht verächtlich auf und richtet seine Armbanduhr, die mehrere Tausender wiegen muss. »Aber machen wir uns nichts vor – der eigentliche Grund ist mein Ansehen. Ich habe alles versucht und schaffe es einfach nicht, ihr Rhythmus und Taktgefühl beizubringen. Judy ist eine schöne Frau, doch wie sieht ein Mann, der sein Geld durch den geschmeidigen Körpereinsatz verdient, neben einer Litfaßsäule aus?«

Harte Worte dafür, dass Judy und Aleksander sich kürzlich – ganz zum Entsetzen vieler anderer Frauen und einiger Männer, die auf den einzigartigen Schauspieler abfahren – verlobt haben. »Mir steht eine Hochzeit bevor. Die Öffentlichkeit wird alle Augen auf uns, das neue Traumehepaar, richten. Judy muss einfach tanzen können!« Skrypczaks Hand ballt sich energisch zur Faust, zeitgleich stellen sich mir bei so viel Selbstverherrlichung die Haare auf und ein Würgereiz bahnt sich an. »Was habe ich damit zu tun?«

»Karlo, ich werde dir kein weiteres Mal Honig ums Maul schmieren. Liege ich in der Annahme richtig, dass dir ein netter Nebenverdienst sehr entgegenkäme?«

Und wie ich ihn hasse.

Meine verdrießliche Miene deutet er als Zustimmung.

»Mir war klar, dass wir uns einigen. Alte Freunde lassen sich nun einmal nicht hängen … Hey, Sexy! Noch mal zwei davon.« Skrypczak deutet auf seinen Martini, um den letzten Schluck vor den Augen der Kellnerin hinunterzustürzen.

Was aus dem Munde eines Normalbürgers als aufdringlich bewertet werden würde, lässt die junge Frau selbstzufrieden in Aleksanders Richtung grinsen. Sie streicht mit angehobenem Kinn durch ihren Pferdeschwanz und widmet sich stolz den Oliven.

»Ich bin teuer«, sage ich mit hartem Tonfall, hasse es, mich dabei wie ein Prostituierter zu fühlen, der sich an ein aufgeblasenes Arschloch verkauft.

»Und ich bin reich.«

Aleksander wendet sich mir zu. Seine graublauen Augen funkeln auf eine Weise, die mir die Gänsehaut über den Körper jagt.

»Offensichtlich wird es da also keine Probleme geben. Du wirst Judy bis zur Hochzeit mindestens zweimal wöchentlich unterrichten. Schaffst du es öfter, wird sich das selbstverständlich positiv auf deinen Lohn auswirken. Ich erwarte, dass ihr hart trainiert und du das Beste aus ihr rausholst … Auch wenn die Hoffnung erbärmlich gering ist.«

»Weiß sie davon?«

Ohne die Kellnerin noch eines Blickes zu würdigen, nimmt Skrypczak die zwei Gläser entgegen und schiebt eines in meine Richtung. Ich hasse Martini. Und unter diesen Umständen auch Oliven. Bestimmt schiebe ich das Getränk aus meinem Sichtfeld.

»Sie wird es erfahren. Und mir danken. Welche Frau blamiert sich schon gern?«

Judy

»Du weißt selbst, wie unsinnig das Ganze ist.« Meine Gedanken überschlagen sich und ich lehne mich mit verschränkten Armen an die Kochinsel. Holz und Sandstein geben mir Rückhalt. Bewahren mich vor dem sich ausbreitenden Schwindel, was wesentlich mehr romantisches Flair entfacht als diese Konversation mit meinem Freund.

»Einen Versuch ist es wert. Ich hoffe, du wirst dich anstrengen.« Er knöpft sein weißes Hemd auf und öffnet das Band seiner Uhr, die kurz darauf mit einem dumpfen Klacken auf dem Esstisch landet.

Ich wünschte, er würde mich ansehen. »Aleks?«

Ein genervter Ausdruck, nur ein minimales Zucken, huscht über sein Gesicht. Vielleicht belanglos, aber trotzdem ausreichend, um mir mittels unsichtbarer Schlinge die Kehle zuzuschnüren.

»Was denn, Laleczko? Es ist doch alles gesagt.«

»Was hast du da?« Erst als ich mich ihm langsam nähere, hebt er seinen Blick. »Halt still!« Mit einer Hand ziehe ich ihn am Nacken zu mir herunter, mit der anderen zupfe ich etwas Undefinierbares aus seinem vollen blonden Haar, bis ich es kurz darauf in die Höhe halte. Und prusten muss.

»Scheiße!« Aleks reißt mir den Gegenstand aus den Fingern, der verdächtig nach einem Spieß aus seinem geliebten Martini aussieht. »Wenn er nicht noch hilfreich sein könnte, würde ich Karlo auf direktem Wege in die Hölle schicken!«

Obwohl ich es wirklich versuche, kann ich das Kichern für einen kurzen Moment nicht aufhalten und beobachte, wie Aleks den Holzstab zwischen Daumen und Zeigefinger entzweibricht.

»Sei nicht so hart. Ihr habt euch schon eine Kindergartengruppe geteilt.« Sanft streichle ich über sein ernstes Gesicht und die geschwungenen Lippen, die mir so vertraut sind. Kann für eine Millisekunde sogar ein Lächeln darauf erahnen. Ich sehe es viel zu selten.

»Dein schlaues Köpfchen vergisst auch nichts, oder?«

»Wie sollte es?« Aleks’ Haut unter meinen Handflächen fühlt sich trocken und strapaziert an. Manchmal glaube ich, dass das Maskenbildnerteam und die Foodstylisten am Ende des Drehtages einfach all ihre Produkte zusammenwürfeln und sie liebevoll miteinander mischen. »Ich weiß auch, dass eure Erzieherin Dana hieß und Jette dich mal stundenlang in der Ritterburg gefangen hielt.«

Er schnaubt und endlich schaffe ich es, seinen Blick aufzufangen.

»Wie schwach von mir«, flüstert er. Und während er sich auf meine Augen konzentriert, offenbar in ihnen zerfließt, legt sich für einige Atemzüge Weichheit über seine Miene.

Von diesen Zeiträumen lebe ich. Sie zeigen mir, dass er noch nicht gänzlich an seinem Erfolg zerbrochen ist und dass irgendwo unter all den Schichten aus Ehrgeiz, Druck und Robustheit die Seele liegt, in die ich mich damals verliebt habe.

»Schwäche ist menschlich«, erwidere ich. Beobachte jede seiner Regungen, um abzusehen, in welche Richtung sich seine Laune entwickelt.

»Ich will dich im Bett sehen«, haucht Aleks nach einer Weile. »Wenn wir uns beeilen, schaffen wir noch einen Quickie, bevor mein neuestes Interview im TV ausgestrahlt wird. Und einen Joint.«

***

»Ist nicht dein Ernst. Ich kenne wirklich keinen Typen, der seine Verlobte – auch noch für Geld – an einen anderen Mann weiterreicht. Macht man solche Kurse nicht normalerweise gemeinsam als Paar?« Viola schüttelt ungläubig den Kopf und lässt den Zigarettenqualm zwischen ihren vollen Lippen entweichen.

»Vi, wir tanzen nur.«

»Nur tanzen?« Ein übertriebenes Prusten hält meine beste Freundin von einem weiteren Zug ab und weil ich keinen Schimmer habe, was so lustig ist, errichtet schlagartig ein Kloß sein Quartier in meiner Kehle. Kaum etwas fühlt sich beschissener und verzweifelter an, als auf dem Schlauch zu stehen. Außer natürlich in einer Gruppe, bestehend aus fremden Menschen, auf dem Schlauch zu stehen. Wenn alle anderen den Witz verstanden haben und man sich trotz grenzenlosen Unverständnisses um ein überschwängliches Lachen bemüht, das sich am Ende so falsch anfühlt wie das kurzzeitige Verhältnis zwischen Jenny Humphrey und Chuck Bass.

»Du weißt schon, wie Karlo aussieht?«, fragt Viola, als sie sich endlich beruhigt hat.

»Nein. Woher sollte ich das wissen?«

Sie hebt die linke Augenbraue und zieht an der Zigarette, ohne mich aus dem Blick zu lassen. Die Lucky Strike vermischt sich mit Hamburgs klarer, warmer Nachtluft, die uns hier oben auf dem Balkon um die Nasen weht. Produziert einen herben, vertrauten Duft.

Viola raucht seit acht Jahren. Seit sie neunzehn ist und ihr Vater bei einer Exkursion sein Leben ließ. Nur noch entfernt entsinne ich mich, dass es davor Zeiten gab, in denen sie ohne ihre Luckys auskam. Fast, als würde ich ein Gemälde aus dem Mittelalter betrachten und mir sehr mühevoll vorstellen, dass die Welt tatsächlich mal so ausgesehen hat. Kutsche statt Porsche, lange gedeckte Tafeln mit gebratenen Schweinen in Lebensgröße statt angesagter Veggie-Bowls to go.

Mit ihrer ersten Zigarette war auch mein altes Lebensgefühl verglüht. Aleks wurde an der besten Schauspielakademie Deutschlands angenommen und schmiss dafür in einer Nacht-und-Nebel-Aktion sein Jurastudium, das von Anfang an nur als Alibi vor seiner Familie gegolten hatte. Während Herr und Frau Skrypczak der halben Stadt erzählten, ihr einziger Sohn erklimme jetzt die ganz hohe Karriereleiter, schrieb er Bewerbungen, besuchte heimliche Übungsgruppen und unterzeichnete erste Verträge für kleine Rollen. Ihren Wutausbrüchen und Vorwürfen nach dem großen Knall entkam er schließlich auf der Sternschanze. Genauer: in Violas und meiner allerersten WG, wo sich übergangsweise zu dauerhaft transformierte. Und in einer Zeit, in der Aleks niemanden mehr hatte, unterstützte ich ihn mit aller Kraft, ermutigte ihn und merkte erst spät, dass unserer gewöhnlichen Freundschaft ein jähes Ende gesetzt war. Es existierte jetzt ein Wir. Aleks und Judy – das Dreamteam – bekam so leicht niemand klein. Bis heute sind wir in der Lage, an Träumen, in diesem Fall seinen, festzuhalten und allen Widerständen zu trotzen.

Zwar hat unsere Girls-WG unter der stürmischen Art und Weise des Neubeginns nachgegeben, bis sie verblasste wie ein Polaroid, das in der Mittagssonne vergessen wurde, doch die Freundschaft zwischen Viola und mir zerrüttete sich keinen Millimeter. Sie ist mein Fels in der Brandung, mein Ankerpunkt in einer überwiegend illoyalen Welt.

»Hallo, Erde an Judy?«, unterbricht sie meine Gedanken-Achterbahn und knipst die warmweiße Lichterkette an, die sie einst um das metallene Geländer gewunden hat. »Er ist heiß! Man munkelt, dass er gern mal mit seinen Schülerinnen in die Kiste springt. Und … glaub mir, das ist kein Wunder!«

»Wer ist heiß?«

Ihr theatralisches Augenrollen hilft mir auf die Sprünge.

»Vi, der kann machen, was er will. Ich hoffe, er kriegt meine zwei linken Füße in den Griff, und dann bin ich mit ihm fertig.«

Viola schmunzelt. Legt keinen Wert darauf, die hochgezogene Augenbraue wieder zu senken. »Dumm …«, meint sie und drückt die Zigarette aus. »Aleksander Skrypczak ist dümmer, als ich es ihm zugetraut habe.«

Kapitel 2

Karlo

Es regnet in Strömen, als Skrypczaks nagelneuer Benz vor meinem Studio hält und er seine Freundin absetzt, als wäre sie ein unliebsamer Welpe.

Kurz kommt mir der Gedanke, die Tür zu öffnen und ihr mit einem Regenschirm auszuhelfen, doch die Vorstellung an eine durchweichte Elite amüsiert mich viel zu sehr. Von meinem Platz am Tresen kann ich hervorragend beobachten, wie sie sich im letzten Moment die Handtasche aus dem Fußraum greift und die Tür zuschlägt, bevor Aleksander mit prolligem Reifenquietschen das Weite sucht.

Dass er ein dermaßen schäbiger Partner ist, vertuscht er offensichtlich regelmäßig mit seinem Geld. Frauen, die sich in dieser Fake-Masche suhlen, kann ich grundsätzlich nicht ausstehen.

Es klopft. Sie schaut durch das bodentiefe Fenster und macht ungehaltene Armbewegungen. Ich lasse mir Zeit, mich vom Barhocker zu erheben. Beiße noch einmal entspannt in den Apfel, den ich mir als kleinen Snack organisiert habe. Ihre Anwesenheit provoziert mich, ehe ich sie überhaupt reingelassen habe, und kurz denke ich darüber nach, ob Skrypczaks finanzielle Mittel diesen ganzen Zirkus jemals aufwiegen können.

Als mir die alten Boxen, die durchaus mal ein Upgrade gebrauchen könnten, ins Auge fallen, öffne ich entschlossen die Tür.

Aleksanders Verlobte, deren Name mir entfallen ist, zögert nicht lange und tritt ein. Die Spur aus Wasser, die sie mit jedem Schritt auf meinem teuren Tanzboden verteilt, macht schmerzhaft deutlich, dass ich die Intensität des Schauers unterschätzt habe. Hektisch schnappe ich mir das Handtuch von der Fensterbank, das ich sowieso zum Waschen mit nach Hause nehmen will, und wische hinter ihr her. Zentimeter für Zentimeter, bis ihre Fußspitzen in meinem Sichtfeld auftauchen.

Beim Aufblicken empfangen mich zwei tobende Seen und drohen, mich zu ertränken.

»Danke für den herzlichen Empfang.« Ihre Stimme erinnert an eine exzellent geschärfte Schwertklinge, während wir jetzt Angesicht zu Angesicht stehen.

Ungehalten durchdringt mich das Silberblau ihrer Augen weiter und jagt mir eine Gänsehaut über den gesamten Körper.

»Danke, dass du meinen hochwertigen Fußboden demolierst«, erwidere ich nüchtern und bemühe mich um meinen kühlsten Gesichtsausdruck. Obwohl sie mindestens eineinhalb Köpfe kleiner ist als ich, besitzt sie eine beängstigende Aura. Durch das klitschnasse Haar hängt der süßliche Himbeerduft ihres Shampoos zwischen uns und die wirren Locken sind das maximale Gegenteil zu Skrypczaks gestriegeltem Look. Insgesamt hat der Regen sie anscheinend von der Maske befreit, die sie in der Klatschpresse so konsequent trägt.

»Wenn du mir rechtzeitig geöffnet hättest, wäre es nicht dazu gekommen!« Sie zuckt mit den Schultern und besitzt die Frechheit, mich ebenfalls böse anzufunkeln.

Kurz presse ich die Kiefer zusammen. »Hat man in euren Kreisen noch nie etwas von einer Höflichkeitsetikette gegenüber Lehrkörpern gehört?« Ich spüre, wie mir das Blut in den Ohren rauscht, und werde das Gefühl nicht los, dass sie mich absichtlich auf die Palme bringt. Am liebsten würde ich diese Frau sofort wieder aus meinem Areal bugsieren.

»Ist das dein Ernst?« Sie beugt sich noch ein Stückchen vor, als wollte sie mich bedrohen. »Was man sät, das erntet man! Schon mal davon gehört?«

Die wenigen Zentimeter zwischen uns sind mit pulsierender Energie aufgeladen. Wir atmen die gleiche Luft, während sich unsere Augen bekämpfen. Die Fronten sind geklärt.

Mein Körper reagiert mit schwerfälliger Atmung und es fuckt mich ab, dass sich plötzlich eine Härte anbahnt, die meine Shorts zu eng werden lässt.

Ich hasse abgehobene Weiber.

Ich hasse Skrypczak.

Und ich werde unter keinen Umständen die Frau attraktiv finden, die mit diesem aufgeblasenen Arschloch ihr Leben teilen will!

Judy

Viola hat nicht übertrieben.

Mister Grumpy alias Karlo Sander hat widerspenstiges dunkles Haar und einen scharfen, durchdringenden Blick. Das Olivgrün seiner Augen schießt Pfeile in meine Brust, die mich unangenehm durchzucken, und einzig zwei Grübchen, die auf seinen Wangen auftauchen, sobald die Mundwinkel sich heben, verleihen ihm zumindest einen kleinen Hauch von Sympathie.

Klitzeklein. So klein, dass es das abschätzige Grinsen dahinter keinesfalls wettmachen kann und in meinem Kopf Leuchtplakate und Schilder aufploppen, die mich darauf hinweisen, dass mit dieser Person Vorsicht geboten ist.

Achtung. Danger. Betreten auf eigene Gefahr.

»Warum bist du hier?«, fragt er mit rauer Stimme, pfeffert das durchweichte Handtuch von sich und trifft einen der hohen Pflanzentöpfe, die den Raum zieren. Er wackelt verdächtig, doch Karlo schenkt ihm keine Beachtung. Obwohl ich gar nicht will, mustere ich sein dunkelgrünes Hemd – vermutlich Lyocell – und stelle beeindruckt fest, dass seine Chino im exakt gleichen Ton wie sein Haar gehalten ist.

»Aleks hat bereits mit dir gesprochen.«

»Das ist mir egal. Ich frage dich.« Er streckt einen Arm nach mir aus, weshalb ich erwarte, dass er mich gleich zur Unterstreichung seiner Worte anstupst, doch kurz vorher hält sein Finger inne. »Warum bist du hier?«

Die Pfeile prasseln ununterbrochen weiter auf mich ein und bringen mein Herz zum Flackern. Karlo rückt nicht eine Millisekunde mit seinem Blick von mir ab, was mich nervös werden lässt. Er ist sauer und ich hätte wissen können, dass diese Aktion in einer von Aleks' Schnapsideen wurzelt, die grundsätzlich zum Scheitern verurteilt sind.

»Weil ich nicht tanzen kann.«

»Und es ist dein Wunsch, tanzen zu können?«

Wie durchtrieben. Was wird das hier? Karlos Tonfall ist erschreckend klar und erwartungsvoll.

»Es ist mehr Aleks’ Wunsch.«

Kaum ist das ausgesprochen, schüttelt er den Kopf und durchquert mit energischen, ungehaltenen Schritten den Saal. Lichtdurchflutet, von beigefarbenen Wänden und geschmackvollen bodentiefen Gardinen umsäumt, ist dieser viel einladender und harmonischer als sein Inhaber, der nun die Tür aufhält. Ein Schwall an sturmgepeitschten Regentropfen sucht sich erneut seinen Weg auf den Tanzboden.

»Dann hat es keinen Sinn, sorry. Du kannst gehen.«

Lange habe ich mich nicht so ausgeladen und fehl am Platz gefühlt wie in diesem Moment. Das Angebot, einfach wegzulaufen und nie wieder an diesen Ort zurückzukehren, klingt wahnsinnig verlockend, und dennoch rühre ich mich keinen Zentimeter.

»Ich bleibe.«

Trotz der Entfernung kann ich sehen, wie Karlo gereizt seine Schultern anspannt. Er umfasst die Klinke so fest, dass die Hand regelrecht verkrampft, und es dauert einige Atemzüge, bis die Tür wieder ins Schloss knallt. Ich habe es kommen sehen und zucke dennoch vor Schreck zusammen.

Jap. Der Name Mister Grumpy könnte sich definitiv etablieren.

Als Karlo das durchweichte Tuch erneut aufhebt und es auf den klatschnassen Boden schmeißt, muss ich mir eine Hand auf den Mund pressen, um nicht loszukichern.

»So eine Scheiße!«, flucht er und stellt meine Selbstkontrolle durch sein grundlos aggressives Verhalten auf den Prüfstand. Er sieht aus wie ein wild gewordener Stier und fuchtelt mit dem nassen Stofffetzen auf dem Fußboden herum.

Erst als er sich kurzerhand sein Hemd auszieht, um es zweckentfremdend in die Pfütze zu werfen, bleibt mir das Lachen schlagartig in der Kehle stecken. Karlos Oberkörper schimmert in einem sonnengeküssten Farbton. Gibt unmissverständlich zu verstehen, dass ihm sein Beruf bereits in Fleisch und Blut übergegangen ist. Unter der glatten Haut zeichnen sich einzelne definierte Muskeln ab … Wie es wohl aussieht, wenn er so halb nackt seine Moves ausübt?

Ohne Zweifel ist er rein kräftetechnisch imstande, seine Partnerinnen wie ein Alphatier über die Tanzfläche zu führen, und wäre er dabei mit einem freundlicheren Charakter ausgestattet, kämen einige von ihnen sicher auf den ein oder anderen unanständigen Gedanken.

Definitiv zu spät sickert die Erkenntnis in mein Bewusstsein, dass ich ihn anstarre. Nämlich nachdem er schon fertig mit dem Aufwischen ist und mich mit einem schiefen Grinsen mustert. Da wird mir klar, dass ich mich aufführe, als gehörte ich ebenfalls zu seinen potenziellen Anbeterinnen. So, als wäre er der gelb-, blau- und pinkfarbene Himmel in der Silvesternacht oder ein kleines Kind, das mit seinem glockenhellen Lachen ein gesamtes Café berührt.

Doch er ist nichts von beidem. Nicht mal etwas Artverwandtes.

Er ist nur Karlo. Mister Grumpy. Niemand, der mein Starren auch nur ansatzweise verdient hätte.

Gerade noch registriere ich, dass die Härte aus seinem Ausdruck verschwunden ist, ehe ich blitzartig einen anderen Punkt im Tanzstudio fixiere.

Karlo

»Welche Musik macht dich an?«

»Bitte?«

»Bei welcher Musik kannst du locker werden, weil sie dich völlig mitreißt und dich wild durch den Raum tanzen lässt?«

»Ich tanze niemals wild durch den Raum.«

Diese Frau hat ein Verhältnis mit Skrypczak. Ihre langweilige Art sollte mich um Himmels willen nicht wundern, aber dennoch zermartert sie meine Geduld. Als ich entnervt durchatme, rümpft Judy nur die Nase und verschränkt die Arme unter ihrer Brust, die von einer engen, hochgeschnittenen schwarzen Bluse auch ohne diese Geste schon stark betont wird.

»Es gibt Menschen, die keine Zeit für solchen Firlefanz haben.«

»Stimmt, diese Menschen verbringen ihre Zeit lieber mit Theaterspielchen. Das ist natürlich wesentlich geistreicher.«

»Schauspiel, meinst du. Karlo, ich habe keine Ahnung, was genau dein Problem mit Aleks ist. Aber ich bin nicht er.« Während sie die linke Hand zur Faust ballt, fällt mein Blick zum ersten Mal auf den roségoldenen Verlobungsring und ich kann ein verächtliches Schnauben nicht unterdrücken. Immerhin gelingt es mir, mir in letzter Sekunde auf die Zunge zu beißen und einige unverfrorene Worte hinunterzuschlucken, die die feine Lady und ihren Prinzen zur Schnecke machen würden.

Musik. Ich brauche Musik.

»Wir fangen mit einem einfachen Discofox an, damit ich ein Bild davon kriege, wo du stehst«, bestimme ich, ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen. Dieses Mal ist es Judy, die verächtlich schnaubt, doch ihre Missgunst perlt von mir ab. »Hast du vernünftige Schuhe dabei?«, hake ich nach, obwohl ich mir die Antwort schon denke.

»Ja, weil Tanzen meine absolute Leidenschaft ist, habe ich nur für dich mein professionellstes Schuhwerk herausgesucht.« Ihre Stimme vibriert inzwischen geladen und abfällig, was mich amüsiert und davon zeugt, dass zumindest ein kleines Feuer in ihr brennt. Damit werde ich arbeiten können.

»Zieh deine Sneakers aus und stell dich auf Höhe der Discokugel.«

Sie fügt sich unter erneutem Murren, während ich die Boxen per Fernbedienung einschalte und durch meine Playlist scrolle. »Starships oder Dirty Dancer?«

»Starships«, antwortet sie direkt.

Wer hätte es gedacht?

»Und kannst du dir bitte wieder was überziehen?«

»Mein Hemd ist nass.«

»Das ist mir egal.«

Als ich sie ungläubig anschaue, steht Judy mit verschränkten Armen auf der Tanzfläche und blitzt mich abschätzig an.

»Du verlangst ernsthaft, dass ich das Ding wieder anziehe, mit dem ich soeben den Boden gewischt habe?«

»Fragt der Typ, der mich dazu bringt, hier barfuß zu laufen? Zieh dir was über oder ich werde nicht mit dir tanzen.«

Stille.

Mit schmalen Augen will ich jede ihrer Regungen beobachten, doch da kommt nichts. Wie eine hundertjährige Kastanie steht sie da, keine Miene verziehend.

Es ist ihr absoluter scheiß Ernst. Und mir macht das rein gar nichts aus. Null Komma null. Nein, null Komma null, null, null.

Null.

Zum Beweis, dass es mich so wenig tangiert, beschließe ich, ihr Spielchen mitzuspielen. Wende mich auch dann nicht von ihr ab, als ich das Oberteil ganz langsam von der Erde aufhebe.

Was. Für. Ein. Abfuck.

Judy

Mal abgesehen davon, dass es ohnehin schon schräg ist, bei einem fremden Typen privaten Tanzunterricht zu nehmen, triggert mich Mister Grumpys sturköpfige Art.

Ich habe auf dem Niveau eines Meisters gelernt, wie man Menschen liest, um mich in dieser Welt zurechtzufinden, aber es gibt einige Fälle – so wie ihn –, die es mir schwer machen. Mal trägt er eine wütende Miene, mal umspielt ein weiches Lächeln seine Lippen. Ich habe absolut keine Ahnung, was er wirklich denkt oder fühlt, und sein ausgefeiltes Pokerface macht mich ärgerlich.

Als plötzlich das gesamte Tanzstudio von Musik erfüllt wird, zucke ich zusammen. Gleichzeitig schlägt mein Herz einen Takt schneller.

Karlo tritt in mein Blickfeld. Mit einer Hand umschließt er meine Hand, die andere legt er mir gezielt und bestimmt auf die Hüfte. Schlagartig beginnen die Körperzonen, die er berührt, zu glühen, und trotz der klammen Klamotten wird mir heiß.

»Mach dich locker«, raunt er.

Sehr witzig, denke ich.

Jeder seiner Schritte ist geschmeidig und taktvoll, wir sind einander so nah, dass mir sein holziges Parfum fast die Sinne vernebelt.

Solch eine Nähe teile ich sonst nur mit Aleks und in seiner Gegenwart bin ich wenigstens sicher. Weiß, was ich tue, wohingegen Mister Grumpy mir das Gefühl verleiht, ungeschickt und unsicher zu sein. Ich spüre nur zu genau, wie kläglich mich sein Talent in den Schatten stellt.

»Entspann dich«, flüstert er erneut.

»Ich kann nicht.« Das Herz schlägt mir inzwischen bis zum Hals und mein deplatziertes Gefühl lässt sich nicht eindämmen. »Lass uns aufhören, ich bin dazu nicht geeignet.«

Während Karlo weiterhin konsequent die Tanzschritte vorgibt und ich ihm im Gegenzug regelmäßig auf die Füße trample, bin ich der Verzweiflung nahe. Alle Muskelgruppen in mir verkrampfen sich und ich spüre, dass ich mit jeder verstreichenden Minute so beweglich werde wie ein Felsbrocken.

Auf einmal teleportieren mich meine Gedanken in den Schulunterricht zurück und zementieren damit mein Scheitern. Eine Zeitreise in die Mathestunden, in denen der Lehrer Aufgaben gestellt hat, jemanden aufrief und dieser Person dann einen Ball zuwarf. Wer den Ball bekam, musste die richtige Antwort abliefern.

Alle haben zugehört. Alle haben gesehen und gespürt, wer in diesem Bereich ein Genie war und wer schonungslos aufgelaufen ist.

Weil Rechenaufgaben immer meine volle Konzentration erfordert haben, zählte ich im Zusammenhang mit der Angst, vor der ganzen Klasse sprechen zu müssen, zur Minderheit, die sich in diesem Spiel nicht über Wasser halten konnte.

Ich kam an meine Grenzen, brachte keinen Ton mehr heraus. Und jetzt versage ich wieder.

Völlig versteift hoffe ich, dass meine jüngste Blamage ein Ende findet. Dass die Musik ausfällt vielleicht. Oder dass ich mir den Knöchel verstauche.

Als Karlo von mir ablässt, wage ich vor lauter Scham nicht, ihm ins Gesicht zu blicken. Ich erwarte einen entnervten Spruch. Die Aussage, dass ich’s mit dem Tanzen gar nicht weiter probieren brauche. Stelle mich darauf ein, ein hoffnungsloser Fall zu sein.

»Ist dir kalt? Deine Klamotten sind noch ganz feucht.« Karlo regelt die Musik leiser und weil ich so überrascht über seine Frage bin, treffen sich unsere Augen nun doch.

In seinem Blick ist nichts Gemeines. Die ätzende Art von vorhin scheint gänzlich verschwunden.

»Warte hier, ich müsste noch einen trockenen Pullover im Auto haben.«

Karlo

Ich habe alles gesehen, was ich wissen muss.

Judy gehört zur Sorte Frauen, die nicht tanzen kann, weil sie ein absolut verschobenes Verhältnis zum eigenen Körper hat und einfach derbe verkopft ist.

Das sind die schwierigsten Fälle und ich habe es mir schon gedacht, als Skrypczak mit seiner Anfrage herausgerückt ist. Im Normalfall halte ich mich mit so was nicht auf – mir gefällt es eher, wenn meine Tanzpartnerinnen bereits feuriges Temperament in sich tragen und regelrecht darauf brennen, von mir zu lernen.

Mit Judy ist es anders. Bei ihr stimmt nun mal der Preis.

»Tut mir leid, dass ich so eine Niete bin«, murmelt sie, als könnte sie meine Gedanken studieren. Dass sie eine Niete ist, weil sie genau das von sich hält, spare ich mir zu sagen.

»Das kriegen wir schon hin.« Judy steckt in meinem Pullover, der an ihrem Körper aussieht wie ein Sack –, ihre hängenden Schultern verstärken den Effekt zusätzlich und das Haar, welches vorhin noch feucht war, steht jetzt gekräuselt in alle Richtungen ab. Unter anderen Umständen hätte ich diesen Anblick vielleicht süß gefunden.

»Jetzt mal ohne Witz, Karlo. Die Hochzeit ist in fünf Monaten. Wie sollen wir das bitte schaffen?«

»Hast du vergessen, dass wir uns hier in einer Akademie für Tanz befinden? Was wäre ich für ein mieser Lehrer, würde ich dich direkt aufgeben?«

Die erblühende Hoffnung in ihrem Ausdruck löst dank meiner verdorbenen Motive ein schlechtes Gewissen aus, das ich jedoch konsequent wieder verbanne.

Sie braucht mein Mitleid nicht. Sie hat alles Geld der Welt. Ansehen. Einen erfolgreichen Verlobten. Und darüber hinaus nur zwei linke Füße, die ihr schon keinen Zacken aus der Krone brechen werden.

»Hast du eigentlich noch Angestellte oder ist das alles hier ganz allein dein Verdienst?«

Ich beobachte, wie Judy ihren Blick schweifen lässt, bin auf der Suche nach etwas Abwertendem in ihrer Frage, doch werde nicht fündig.

»Es gibt nur Eloise und mich.«

»Eloise?«

Ihre geweiteten Augen schmeicheln mir auf eine sonderbare Weise, die mich dazu bringt, die Antwort etwas hinauszuzögern. Ich schnappe mir zwei Kristallgläser aus der Bar und fülle sie mit Mineralwasser. Registriere aus dem Augenwinkel, dass Judys Blick nicht von mir ablässt.

»Eloise leitet hier zweimal die Woche den Kindertanzkurs und begleitet manchmal meinen Unterricht, wenn ich den Schülerinnen und Schülern neue Figuren vorführen will. Ich hatte erst kein Interesse an Mitarbeitern, aber die Frau ist hartnäckig.«

»Oh, das ist toll.« Judys Stimme färbt sich unerwartet mit einer Begeisterung ein – verrät mir, dass die Reaktion aufrichtig ist.

»Vielleicht hätte ich lieber auch als Kind schon mit dem Tanzen beginnen sollen.«

»Hattest du da etwa auch schon einen Verlobten, der mit deiner Körperbeherrschung unzufrieden war?«

Zu schnell verlässt der Satz meine Lippen und als ich mir auf die Zunge beiße, ist es längst zu spät. Ein abfälliger dunkler Schatten legt sich über Judys Miene.

Kapitel 3

Judy

»Sorte Arschloch«, maule ich und kann die Beifahrertür von Violas rotem Mini nicht schnell genug hinter mir zuschlagen. Sie kichert und reckt den Kopf, vermutlich in der Hoffnung, Karlo noch zu sichten. »Fahr endlich!«

»Ist ja gut.« Beherzt tritt sie aufs Pedal und das hämische Grinsen, das ihre Mundwinkel umspielt, wird sekündlich breiter. »Dafür, dass er ein Arschloch ist, bist du ihm ja relativ schnell an die Wäsche gegangen, wie es aussieht.«

»Was?«

»Oder ist das nicht sein Pullover an deinem Leib?« Viola denkt gar nicht daran, ihre Heiterkeit zu zügeln, als mir für die Dauer eines Atemzuges der Mund offen stehen bleibt.

»Scheiße, Vi, mein Oberteil … Was wird Aleks denken?«

»Dass ihr euren Spaß hattet, natürlich.« Während sie aus dem Prusten nicht mehr herauskommt, fahre ich einen verzweifelten Film.

»Jetzt mal ehrlich! Meine Sachen waren nass. Wegen des Regens. Ich meine, natürlich wegen des Regens, warum auch sonst? Und dann hat er mir völlig unerwartet – weil er ja, wie schon gesagt, ein Mistkerl ist – dieses Ding hier gegeben.« Ich rede mich um Kopf und Kragen. »Himmel, was soll ich tun?«

»Ich kann umdrehen.«

»Bloß nicht.«

»Dann nimm halt mein Shirt.« Viola zuckt die Schultern. »Oder du behältst dieses Teil an und erklärst deinem Mann, was Sache ist. Sollte nicht so schwer sein, oder?«

»Du kennst Aleks. Und du weißt, dass es schwer ist.« Auch wenn er Emotionen sonst nicht gern an sich heranlässt: Hat er den Eindruck, dass jemand unaufgefordert sein Revier betritt, wird er salty. Sehr, sehr salty.

Zur Antwort verdreht Viola ihre Augen und pustet sich eine ihrer glatten, dunklen Haarsträhnen aus dem Gesicht. Dann dreht sie die Musik lauter. Es läuft JuVi, unsere Playlist, die wir über viele Jahre hinweg gemeinsam bestückt haben und die mit der Zeit länger und länger wird.

Ich lasse mich in die Lehne sinken und lausche Copines von Aya Nakamura.

Immer wieder steigt mir der Duft von Karlos Pulli in die Nase und bestärkt mich in dem Vorhaben, daheim erst mal lange unter die Dusche zu steigen.

***

»Na, wie war’s?«

Als ich die Wohnung betrete, sitzt Aleks bereits am Küchentisch und dreht sich einen Joint. Die schwarzen Ränder unter seinen Augen erzählen von seinem stressigen Tag und versetzen meinem Herzen einen Stich.

Wie sehr wünschte ich, dass er wieder mehr strahlen würde.

»Grausam wäre noch untertrieben.«

»Karlo halt.«

»Hmmh.«

Weil Aleks nicht ein einziges Mal aufschaut, bemerkt er gar nicht, dass ich noch immer im Pullover von Mister Grumpy höchstpersönlich stecke.

»Ich springe schnell unter die Dusche. Der Regen hat mich vorhin doch noch ziemlich erwischt.«

»Mach das.«

Einen Augenblick halte ich noch inne. Beobachte, wie er mit seiner Zunge das Longpaper anfeuchtet und den Joint einige Male auf die Tischplatte sinken lässt.

Die Zeiten, in denen wir gemeinsam geraucht und gefeiert haben, sind lange vorbei. Inzwischen tut Aleks das, um von seinem Stresslevel runterzukommen und zu vergessen, welcher Druck ihn unentwegt im Griff hat. Ihn einnimmt wie rote Schlieren von Früchtetee das kochende Wasser. Und obwohl mich die Erinnerung an vergangene Phasen schmerzt – bei seiner vollen Agenda fällt es mir leicht, Verständnis aufzubringen.

»Laleczko?«, fragt er, als ich schon hinter der Badezimmertür verschwunden bin.

»Ja?«

»Hat er dich unanständig angefasst?«

Mein genervter Gesichtsausdruck bleibt ihm zum Glück verwehrt. Ich presse die Augen zusammen und nehme einen tiefen Atemzug. »Nein, Aleks. Er hat sich gut benommen.«

Karlo

»Ich dachte schon, du lässt mich hängen.« Emely schlängelt sich zwischen etlichen Menschen hindurch, von denen die meisten viel zu große pastellfarbene Leinenhosen tragen oder Röcke, die mich an Wald erinnern.

Fast bilde ich mir ein, dass es sogar ein bisschen nach Laubbaum riecht, da fällt sie mir mit einem dicken Knutscher auf die Wange um den Hals.

»Beleidige mich nicht so. Habe ich dich je hängen lassen?«

»Sei nicht gleich grumpy. Natürlich nicht.« Sie küsst mich erneut – dieses Mal auf die andere Wange.

»Eben.« Theatralisch verschränke ich beide Hände über dem Herzen und lege den Kopf schief. »Was gibt es für mich als Legastheniker schließlich Schöneres als eine Vorstellung rund ums gesprochene Wort?«

Ein Spruch, der sie auflachen lässt und mich einen Knuff in die Seite kostet.

»Du spinnst! Nur weil du eine Lese-Rechtschreib-Schwäche hast, kannst du doch trotzdem Gefallen an einem Poetry-Slam finden.« Mahnend hält Emely mir ihren Zeigefinger entgegen. »Es gibt sogar erfolggekrönte Autorinnen und Autoren mit Legasthenie – also ruhe dich bloß nicht darauf aus!«

Meine Antwort ist nichts weiter als ein halbherziges und amüsiertes Nicken, aber es scheint ihr auszureichen.

»Hast du noch Unterricht gegeben?«

Ich denke an Judy. Und an unsere wenig nutzbringenden Stunden, die, wenn ich nicht aufpasse, an meinem Ego kratzen könnten. Doch was würde es über meine Disziplin und Beherrschung aussagen, könnte ich diese Lappalie nicht überspielen? »Jap, deshalb die kleine Verspätung.«

Emely legt für zwei Sekunden den Kopf schief, um mich anzuschauen, als wäre ich ein bunt gefiederter Papagei, der in seinem Käfig mysteriöse Botschaften von sich gibt, dann tätschelt sie mir hektisch den Oberarm. »Alles gut. Bis jetzt hast du nur die obligatorische Einstiegsrede verpasst. Ich bin froh, dass du da bist.« Meine Schwester nimmt mich bei der Hand und zieht mich durch den kleinen Veranstaltungssaal, in dem die Leute bereits eng an eng stehen und der sich trotzdem noch weiter füllt. Schnell atmen wir neben dem Waldduft auch die Gerüche von zusammengewürfeltem Parfüm und Erdbeersekt ein und was in Summe ziemlich befremdlich auf mich wirkt, ist genau Emelys Ding. Sie mag es ausgefallen, ihre eigene kleine Wohnung teilt sich praktisch die Atmosphäre mit diesem Event und die Schnittmenge ihrer Interessen und die der anderen Gäste ist schätzungsweise relativ hoch. Obwohl wir im gleichen Umfeld großgeworden sind und von exakt demselben Elternpaar erzogen wurden, haben wir uns unterschiedlich entwickelt. Sie hält nichts von der glamourösen Welt. Sie liebt es einfach gestrickt, ist eine Vollblut-Veganerin und setzt sich in ihrer Freizeit, wenn sie mich nicht gerade zu kulturellen Events zwingt, für unsere Umwelt ein.

»Ich bin schon den ganzen Tag total aufgeregt«, wispert Emely und wirft mir dabei einen verheißungsvollen Blick über die Schulter zu. In diesem Moment dreht sich eine Brünette neben uns um und klatscht mir versehentlich ihren Pferdeschwanz ins Gesicht.

Holy. Fuck. Ich kann nichts mehr sehen.

»Sorry, sorry, sorry!«, ruft mir die Unbekannte hinterher.

Emely kichert und während meine Augen so stark brennen, dass sie tränen, zieht sie mich einfach weiter.

»Ihren Blick hättest du sehen sollen. Die hat dich so angeschmachtet, als hätte sie es am liebsten mit ein wenig Sex wiedergutgemacht.«

Nicht einmal, als sich mein Fuß mit irgendwas auf dem Boden verhakt und mich zum Stolpern bringt, wird eine Pause für nötig gehalten. »Oh, das wäre jetzt vielleicht die ansprechendere Beschäftigung für mich.« Augenreibend remple ich durchgehend fremde Menschen an und lasse mich von meiner Schwester bis vor die Bühne zerren.

»Als würdest du nicht genug Chancen dazu kriegen«, kontert sie spöttisch und zeigt keinerlei Interesse daran, dass meine Augen zwei Feuerbällen ähnlich sind.

Ich zucke die Schultern. Schlicht erleichtert darüber, angehalten zu haben und mich wieder berappeln zu dürfen.

»Und heute sind wir eben mal nur für meine Herzensdame hier.«

Um haargenau zu wissen, dass sie zufrieden übers komplette Gesicht lächelt, ist eine klare Sicht nicht wesentlich. »Emely.« Ich drücke mir ein Taschentuch in die Augenwinkel. »Felizitas Clemenz ist hetero.«

»Halt einfach die Klappe, Karlo.«

»Bezaubernd wie immer«, grummle ich noch in meinen Dreitagebart und denke an all die Dinge, die ich an diesem Freitagabend hätte tun können, stünde ich nicht inmitten dieser ganzen dichtkunstbegeisterten Ökos.

***

Als wir zwei Stunden später noch in der Schlange stehen, um ein Autogramm von Felizitas zu ergattern, die tatsächlich die Fähigkeit besitzt, das gesprochene Wort wie Kunst aussehen zu lassen, fühle ich mich beobachtet. Eine Frau, die bereits ziemlich weit vorn wartet, dreht sich immer wieder zu uns um und ich kann nicht eindeutig sagen, ob ihr Blick meiner Schwester oder mir gilt.