Danke, Freunde! - Markus Becker - E-Book

Danke, Freunde! E-Book

Markus Becker

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Beschreibung

Über 100 goldene Schallplatten, neunmal Nummer eins in den Album-Charts, ausverkaufte Konzerte in Deutschland, Österreich und der Schweiz: Die Amigos sind das erfolgreichste Schlagerduo aller Zeiten. Der Durchbruch ließ jedoch auf sich warten. 35 Jahre lang spielten die Brüder aus der hessischen Provinz auf Geburtstagen, Hochzeiten und Dorffesten. Im selbstgebauten Studio nahmen sie ihre Songs auf, doch was sie ernteten war Hohn und Spott. Bis eines Tages ein Wunschkonzert im Radio die Türen öffnete und eine Welle der Begeisterung die beiden Amigos ganz nach oben spülte. Der Bierbrauer und der Lkw-Fahrer haben danach in nicht einmal zehn Jahren sage und schreibe fünf Millionen CDs verkauft. Heute sind sie Superstars, auch wenn sie dieses Wort nicht gern hören. Dieses Buch erzählt die Geschichte von Bernd und Karl-Heinz Ulrich von der Kindheit bis in die Gegenwart. Es berichtet von Höhen und Tiefen, von Freundschaft und Schicksalsschlägen. Und es beleuchtet die Gründe für ihren anhaltenden Erfolg im Haifischbecken der Musikszene. Es ist eine der märchenhaftesten Geschichten im deutschen Musikgeschäft. Es ist: die unglaubliche Amigos-Story.

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Danke, Freunde!

Markus Becker / Klaus Kächler

Danke, Freunde!

Die unglaubliche

Amigos-Story

Bild und Heimat

eISBN 978-3-95958-781-5

1. Auflage

© 2019 by BEBUG mbH / Bild und Heimat, Berlin

Umschlaggestaltung: BEBUG mbH / Bild und Heimat, Berlin

Umschlagabbildung: Kerstin Joensson

Ein Verlagsverzeichnis schicken wir Ihnen gern:

BEBUG mbH / Verlag Bild und Heimat

Alexanderstr. 1

10178 Berlin

Tel. 030 / 206 109 – 0

www.bild-und-heimat.de

Wie im Märchen

»Das Leben, das wir derzeit führen, gleicht dem Schweben auf einer Wolke.«

Es waren einmal zwei Brüder, die machten für ihr Leben gern Musik. Sie tingelten mit ihren Instrumenten über die Lande, spielten auf Hochzeiten, Geburtstagen und Dorffesten. Ruhm und Geld waren ihnen nicht wichtig. Sie waren vielmehr immer mit ihrem ganzen Herzen bei der Sache. Irgendwann fingen sie an, ihre Lieder aufzunehmen, um sie unter die Leute zu bringen. Aber die Plattenriesen wollten ihre Musik nicht haben. Mehr noch: Die beiden Brüder wurden belächelt und verspottet. Doch sie machten weiter und freuten sich über jeden, der sie hören wollte. Eines Tages – es waren schon viele Jahrzehnte vergangen – wurden sie im ganzen Land bekannt und für ihre Plackerei belohnt. Plötzlich wollten auch die Riesen ihre Freunde sein. Ihre Platten wurden vergoldet und jeder kennt heute den Namen der Brüder: die Amigos.

Erfolg fällt bekanntlich nicht vom Himmel. Man muss ihn sich erarbeiten. Auf niemanden trifft diese Lebensweisheit mehr zu als auf die Amigos. Es ist ein bisschen wie bei Frau Holle. Die Fleißigen werden am Ende belohnt.

Nur dass in dieser Geschichte Frau Holle keine nette alte Dame ist, bei der man Brote aus dem Backofen holen, Äpfel ernten oder Betten aufschütteln muss.

Im Amigos-Märchen ist Frau Holle der hart umkämpfte Schlagermarkt. Ein brutales Geschäft, in dem mit harten Bandagen gekämpft wird. Um von den Managern, Plattenlabels, Radio- und TV-Stationen überhaupt beachtet zu werden, braucht man ordentliche Verkaufszahlen und am besten ein strahlend-jugendliches Aussehen. Beides hatten die Amigos damals nicht. Dafür haben sie die Herzen ihrer Fans erobert, die alles dafür tun sollten, dass ihre Idole endlich den verdienten Erfolg bekommen.

Der Musikfan nämlich will ernst genommen werden. Und er möchte für sein Geld auch etwas bekommen. Viele Stars und Sternchen beherzigen das nicht, sie verlieren die Bodenhaftung und machen auf dicke Hose. Nach dem Motto: Was wollt ihr eigentlich? Ich bin doch die oder der aus der Castingshow, mit dem Hit in den Charts. Kennt ihr mich nicht von den Titelseiten der bunten Blättchen?

Die Amigos aber verstellen sich nicht, sie sind echt. Das ist es, was die Fans schätzen, weil sie sich mit der Musik und ihren Interpreten identifizieren können. Und zwar – das merkt man spätestens auf einem der legendären Amigos-Konzerte – zu hundert Prozent.

Diese Musik schenkt Emotionen. Sie gibt Kraft. Viele, gerade ältere Amigos-Fans haben in ihrem Leben schon zahlreiche Verletzungen und Verluste hinnehmen müssen. Die Musik hilft ihnen, über den Schmerz hinwegzukommen.

Die Menschen sagen sich nicht: »Es ist aber schön, wie die beiden über das Leben singen. Sie sagen: Die Amigos sprechen mir aus dem Herzen. Sie drücken mit ihren Liedern meine Emotionen aus.«

So werden Fans und Stars eins. Und mit dem Kauf der Tonträger und den Besuchen der Konzerte werden die Musiker entlohnt. So wie bei Frau Holle, wenn am Ende das Gold auf die fleißige Marie regnet, die sich für keine Mühe zu fein ist.

Spricht man mit Karl-Heinz und Bernd Ulrich, so merkt man schnell: Die beiden wissen ganz genau, wem sie ihren Erfolg zu verdanken haben. Sie geben sich bescheiden und dankbar. Seit mittlerweile fünfzig Jahren stehen sie als Amigos auf der Bühne und haben ihr ganzes Herzblut und ihre Kraft immer der Musik und den Fans gewidmet. Auch dann, wenn ihre Karriere geprägt war von Schicksalsschlägen und heftigem Gegenwind. Jetzt werden sie mit Gold und Platin überschüttet.

Von null auf eins – so wie sich ihre Musikalben regelmäßig gegen jede Konkurrenz an die Spitze der Charts katapultieren – so hat sich das Leben der beiden Brüder vom Lande seit 2006 plötzlich schlagartig verändert, als schon niemand mehr damit rechnete. Der Bierbrauer und der Lkw-Fahrer haben in zwölf Jahren sage und schreibe an die sechs Millionen CDs verkauft. Heute sind Bernd und Karl-Heinz Ulrich das erfolgreichste volkstümliche Schlager-Duo aller Zeiten. Sie sind Superstars, auch wenn sie dieses Wort nicht gern hören. Es ist eine der märchenhaftesten Geschichten im deutschen Musikgeschäft. Es ist: die unglaubliche Amigos-Story.

Markus Becker und Klaus Kächler

1. Der helle Wahnsinn

»Unsere Welt ist der Schlager.«

Sonntag, 15. Oktober 2017, Esperantohalle Fulda.

Die Sitzreihen in der schmucklosen Konzertstätte irgendwo in der deutschen Provinz sind bis zum letzten Platz gefüllt. An den Rändern parken in Reih und Glied zahllose Rollatoren. Vor der Bühne liegen Gehhilfen. Hier und da sieht man ein paar junge Gesichter, doch die dominierende Haarfarbe ist Grau, wie bei einem gemütlichen Kaffeekränzchen.

Das Licht geht aus. Auf der Videoleinwand wird das erfolgreichste Schlager-Duo aller Zeiten angekündigt: die Amigos.

Der Countdown läuft. Noch zehn Sekunden. Das Pu­blikum zählt mit. Wer Hüttenzauber und Strohballen-Romantik erwartet hat, reibt sich die Augen.

Mit einem visuellen Feuerwerk im Rücken betreten Bernd und Karl-Heinz die Bühne. Sie haben noch keine Zeile gesungen, da ist der ganze Saal schon aus dem Häuschen. Der helle Wahnsinn.

Satte Bässe und melodischer Discofox-Beat füllen den Raum. Mit den ersten Tönen startet auch eine perfekte Lichtshow: Zwei grelle Spots direkt auf die Künstler, grüne, blaue, gelbe und rote Laserstrahlen wandern im Rhythmus der Musik über Bühne und Publikum.

Das ist es, was die Amigos-Fans wollen. Sie hängen ihren Ulrich-Brüdern an den Lippen. Jeder Hit wird von der ersten Strophe an mitgesungen: Ob ein »Tag im Paradies«, »Ein Boot, das Liebe heißt«, »Santiago Blue« oder die aktuelle Hitsingle »Sommer ’65«.

Zwischen den Liedern werden Späßchen gemacht. Bernd hat das Publikum fest im Griff. Es wird herzlich gelacht, vor allem über sich selbst. Karl-Heinz muss einiges einstecken. Und das, obwohl er sowieso schon gebeutelt ist. Denn an diesem Nachmittag steht er tatsächlich mit kaputtem Schlüsselbein und gebrochener Rippe auf der Bühne.

Vor dem Auftritt hat sich der Neunundsechzigjährige mit Armschiene und Schmerzmitteln für die Show präpariert: »Ich muss an unsere Fans denken. Ihnen bin ich das schuldig.«

Wenige Minuten später, im Rampenlicht, lässt er sich nichts anmerken und singt wie immer sauber seinen Part. Nur auf die Gitarre muss er verzichten, die kommt ausnahmsweise auch von Band. Vom Publikum wird er für seinen Einsatz gefeiert.

Bernd hebt derweil einen Zettel auf: »Oma Erna wird heute achtundachtzig Jahre alt«. Sie sitzt im Publikum und wird mit Applaus bedacht. Es ist, als wäre man Teil eines großen Familientreffens. Jetzt geben die Brüder auf der Bühne Vollgas, mal stimmungsvoll, mal nachdenklich. Wenn die beiden »Ich seh dich noch, als wär es heut und gerade erst passiert« singen, wird es still im Saal und viele der längst ergrauten Pärchen halten sich fest an den Händen.

Es sind diese besonderen Momente, von denen viele schwärmen, die einmal die Amigos live erlebt haben. So auch bei der Liebeserklärung der Ulrichs an ihre Frauen, Doris und Heike. Bei »Weißt du, was du für mich bist?« bewegen sich im Saal wieder tausendfünfhundert Lippenpaare mit.

Doch es kommt noch besser. Zum furiosen Finale wird es richtig laut. Wenn Tonmeister »Semmi« Semmler zum legendären Hitmix die Regler des Mischpultes hochzieht, bringen die Amigos sprichwörtlich Lahme zum Gehen: Dann füllt sich unerwartet der Platz vor der Bühne. Wie bei einem Teenie-Konzert recken sich die Hände nach oben und die beiden Amigos werden frenetisch gefeiert.

Später dann, nach der letzten Zugabe, noch im durchgeschwitzten Bühnenoutfit, erfüllen Bernd und Karl-Heinz ihren Fans Autogrammwünsche. Die Warteschlange reicht quer durch das riesige Hallenfoyer. Selbst nach zweieinhalb Stunden Konzert halten die beiden noch durch, bis auch das letzte Selfie gemacht ist.

So, wie sie sich verabschieden, sind sie auch gekommen. Ohne Starallüren, ganz auf ihren Auftritt fixiert. Anders als so manch anderer Künstler haben die Amigos keine Extrawünsche.

Allerdings muss gequalmt werden dürfen. Für die Amigos machen die meisten Konzertagenturen gern eine Ausnahme. Das hat Manager Wilfried Emig sogar in den Verträgen mit den lokalen Veranstaltern fixieren lassen.

Im Backstage-Bereich gibt es auch bei der Verpflegung der Amigos-Crew nichts Besonderes, höchstens vielleicht auf ganz besonderen Wunsch von Karl-Heinz eine Schweinshaxe. »Gute Hausmannskost essen sie gerne«, erzählt Patrick Engelke, der die Amigos seit 2016 auf längeren Touren begleitet. »Wie bei Mutti eben. Ich wurde auch schon Tour-Mutti genannt.«

Eines darf allerdings auf keinen Fall fehlen: Auf dem Tisch steht eine große Flasche Maggi. »Damit schmeckt’s wie früher«, lacht Karl-Heinz.

Für den Sound auf der Bühne ist wie immer Wolfgang Semmler verantwortlich. Der Ostthüringer weiß, was die Amigos wollen und was beim Publikum ankommt. »Weiche Sounds lassen die unverwechselbaren Stimmen der beiden besonders zur Geltung kommen.« Aber: »Hin und wieder soll ich auch mal aufdrehen und Gas geben.« Der gelernte Elektriker, der sogar für die IHK im Prüfungsausschuss sitzt, ist kein Unbekannter in der Schlagerszene. Er hat schon mit anderen Show-Größen wie Helene Fischer, Andrea Berg oder Semino Rossi zusammengearbeitet. Jetzt geht er nur noch mit den Amigos auf Tour und genießt ihr grenzenloses Vertrauen:

»Solange wir auf der Bühne stehen, sitzt du am Mischpult.«

Du bist der helle Wahnsinn

Refrain

Du bist der helle Wahnsinn, wenn ich deine Augen seh,

dann fang ich an zu träumen und wünsche mir die Zeit bleibt stehn.

Du bist der helle Wahnsinn, so was wie dich vergisst man nie.

Ich möchte mit dir fliehen ins Land der Fantasie.

Diese Nacht, sie darf nicht zu Ende gehen,

denn ein Wunder ist für mich geschehn.

Niemals hab ich im Leben so gefühlt.

Es ist unendlich schön, dass es dich gibt.

Refrain

Du bist der helle Wahnsinn, wenn ich deine Augen seh,

dann fang ich an zu träumen und wünsche mir die Zeit bleibt stehn.

Du bist der helle Wahnsinn, so was wie dich vergisst man nie.

Ich möchte mit Dir fliehen ins Land der Fantasie.

Wo ich auch bin, du bist stets bei mir.

Du bist mein Stern in jeder Nacht.

Alles was du willst, ich schenke es dir,

wenn ich dich in meiner Nähe spür.

Refrain

Du bist der helle Wahnsinn, wenn ich deine Augen seh,

dann fang ich an zu träumen und wünsche mir die Zeit bleibt stehn.

Du bist der helle Wahnsinn, so was wie dich vergisst man nie.

Ich möchte mit dir fliehen ins Land der Fantasie.

Du bist der helle Wahnsinn, so was wie dich vergisst man nie.

Ich möchte mit dir fliehen ins Land der Fantasie.

Ich möchte mit dir fliehen ins Land der Fantasie.

Auch mit gebrochenem Schlüsselbein gibt Karl-Heinz alles.

2. Die wahre Geschichte

»Zum Erfolg gehört auch Glück.«

Der Erfolg hat viele Väter. So ist auch die Liste der vermeintlichen Entdecker lang. Doch im Umfeld der Amigos gibt es tatsächlich eine Handvoll Menschen, die in besonderer Weise die Weichen für die außergewöhnliche Karriere der beiden Brüder aus Mittelhessen mit gestellt haben. Es tauchen immer wieder neue Versionen über den späten Aufstieg des Gesangsduos in den Schlager-Olymp auf. Die Wahrheit der unglaublichen Amigos-Story ist aber noch viel spannender und kurioser …

Wir schreiben das Jahr 2004: Die Amigos tingeln seit 1970 fleißig durch ihre mittelhessische Heimat. In Dorfgemeinschaftshäusern und Festzelten verkaufen sie ihre selbstproduzierten Tonträger. Schlager-Deutschland kennt sie noch nicht, denn Plattenfirmen reagieren seit Jahren ablehnend auf ihre Demobänder.

Gisela und Karl Stiehler aus dem hessischen Mücke-Merlau gehen gern tanzen und freuen sich immer, wenn die Amigos auf der Bühne stehen. Gleichzeitig sind sie große Fans von Radio Melodie. Der Sender ist bekannt für sein buntes Schlagerprogramm. Besonders beliebt ist das Wunschkonzert. Hörer können sich ihr Lieblingslied wünschen, müssen aber zehn Euro bezahlen. Dafür werden alle mitgeschickten Grüße und Wünsche ausführlich vorgelesen. Die beiden Moderatoren Lydia Huber und Sebastian Bachl sind Ikonen der Radio-Melodie-Familie.

Als Sebastian Bachl im Februar plötzlich stirbt, sind auch die Stiehlers sehr betroffen. Karl Stiehler wünscht sich mehr Informationen über den tragischen Tod des Moderators. Er kommt auf die Idee, bei Lore Swientek aus Nürnberg nachzufragen. Er kennt sie nicht persönlich, hat aber mitbekommen, dass sie beim Wunschkonzert am 2. März von vielen anderen Hörern zum Geburtstag gegrüßt wurde. Vielleicht weiß sie ja mehr. Er macht ihre Telefonnummer ausfindig und ruft an. Lore Swientek kann ihm zwar nicht weiterhelfen, aber die beiden kommen ins Gespräch über Schlagermusik. Dabei fällt der Satz: »Ei, bei uns in Hessen gibt es auch gute Musiker.«

Spontan stellt Karl eine CD mit Amigos-Hits zusammen und schickt sie nach Nürnberg. Lore, ihr Mann Joachim und Tochter Liane Swientek sind sofort begeistert und machen wiederum ihre Bekannten auf die Lieder der Brüder aus Hessen aufmerksam, darunter Hannelore und Karl Liedl aus Regenstauf sowie Resi und Heinrich Bohnert aus Hünxe in Nordrhein-Westfalen.

Nur wenige Wochen später will Radio Melodie ein ex­tra­­langes Wunschkonzert zum Gedenken an den kürzlich verstorbenen Sebastian Bachl ausstrahlen. Im Vorfeld wollen die Familien Swientek, Liedl, Stiehler und auch die Bohnerts gemeinsam ein passendes Lied für diesen Anlass aussuchen. Ihre Wahl fällt auf die Amigos.

Es ist bemerkenswert: Um einen Titel auszuwählen, treffen sich die Swienteks und die Bohnerts auf einer Autobahnraststätte in der Mitte zwischen Nürnberg und Hünxe. Auf einem Recorder hören sie gemeinsam den von Karl Stiehler zusammengestellten Amigos-Sampler. Es dauert nicht lange, dann steht fest: Ihr Lied für das Trauer-Wunschkonzert auf Radio Melodie soll »Land hinterm Wind« sein.

Als an jenem Sonntag »Land hinterm Wind« zum ersten Mal über den Äther geht, steht das Telefon in der Redaktion von Radio Melodie nicht mehr still. Das Lied der Amigos trifft den Nerv der trauernden Hörer.

»Alle wollten wissen: Wer sind diese Amigos? Also haben auch wir vom Sender Kontakt aufgenommen und bei ihnen nach CDs gefragt. Und da gab es tatsächlich noch mehr Material.« Moderatorin Lydia Huber erinnert sich noch ganz genau an den Moment, als die Lawine losgetreten wurde: »Danach gab es kein Wunschkonzert mehr, bei dem nicht drei- bis viermal die Amigos gespielt wurden. Lieder wie ›Land hinterm Wind‹, ›Dann kam ein Engel‹ oder ›Mein Elternhaus‹ waren zwar damals noch nicht perfekt produziert, aber diese Musik ging den Hörern schlicht unter die Haut.«

Massenweise kommt Post zum Sender.

»Wie oft hatte ich einen Kloß im Hals, wenn ich die Briefe der Hörer zu den Liedern der Amigos in meiner Sendung vorgelesen habe. Ergreifend erzählen die Fans darin, wie sehr die Texte ihnen in schweren Zeiten Trost spenden oder bewegende Erinnerungen wecken.«

Auch Lydia Huber, selbst Sängerin, gerät in den Bann der Brüder: »Ich habe damals schon Feuer gefangen, bin noch immer ein großer Fan. Sie können Gefühle so wunderbar in Musik verpacken.«

Gestylt von Kopf bis Fuß

Etwa zur selben Zeit, rund fünfhundert Kilometer nordwestlich: Der gefragte Hobby-Discjockey Herbert Dropmann stöbert in einem Plattenladen in Rheine nach tanzbarer Musik.

»Ich suchte nach Material, was sonst keiner hat, und habe mir deshalb auch schon immer gerne das angehört, was weiter hinten im Regal steht.« Das Motto des Beamten aus Wettringen lautet nämlich: Musik muss aus dem Herzen kommen.

Er entdeckt die beiden Amigos-Platten Liebe und Sehnsucht und Alles Liebe, alles Gute. Schon bei seinen nächsten Engagements füllen sich die Tanzflächen, wenn er die Amigos auflegt. Der passionierte Schallplattensammler wird neugierig: Auf dem Cover von Liebe und Sehnsucht aus dem Jahr 1989 steht die Telefonnummer von Bernd in Villingen. Dropmann greift spontan zum Hörer.

»Hallo, habt ihr noch mehr für mich?«

Bernd, der gerade wieder eine Absage von einer Plattenfirma bekommen hat: »Wer will denn das schon hören?«

Dropmann: »Das ist doch tolle Musik.«

Der Beginn einer folgenreichen Freundschaft: Dropmann legt eines Tages in einem Gasthof im niedersächsischen Freren auf. Das Tanzlokal gehört dem Konzertveranstalter Reinhold Woeste.

»Reinhold, die Amigos musst du mal mit auf Tour nehmen. Dat is mal was fürs Herz.«

Darauf Woeste: »Die beiden Jungs sehen ja so aus wie Deep Purple.«

Dropmann entgegnet: »Willst du Leute, die gut aussehen, oder Menschen, die Musik aus dem Herzen machen. Was willst du?«

Woeste: »Ich will die Halle voll haben.«

Dropmann: »Dann musst du die Amigos mitnehmen.«

Er konnte damals noch nicht ahnen, was sein beharrliches Nachfragen einmal für die Karriere der Amigos bedeuten sollte.

Jahre später: Die Brüder Ulrich absolvieren eine Tournee nach der anderen und suchen einen Produzenten für ihre Alben.

Karl-Heinz: »Wir konnten ja gar nicht mehr selbst aufnehmen. Um selbst alles abzumischen, hatten wir gar keine Zeit mehr.«

Wieder ist es Dropmann, der die richtigen Leute zusammenbringt: »Ich kenne nur einen, der eure Musik produzieren kann. Michael Dorth. Der hat dieses Faible, dieses ganz besondere Gespür. Der kann eure Musik veredeln. Eine Musik mit Wärme und mit Druck.«

Als Discjockey und Musikexperte gefällt ihm der Dorth-Sound, den er von Nic und dessen Version von »Einen Stern« kennt. Wenn er ihn auflegt, springen die Leute auf und die Tanzfläche füllt sich sofort.

Ein Termin wird vereinbart. Die Amigos wollen sich mit Dorth im Studio treffen. Dropmann soll dabei sein. Bernd: »Herbert, du musst mit.«

Schon beim ersten Treffen wird klar: Die Chemie zwischen den Musikern und dem Produzenten stimmt.

Maggi statt Muscheln

Land hinterm Wind

Du bist gegangen,

leider viel zu früh. Da gab es noch Fragen,

doch ich erfahr sie nie. Die Zeit mit uns beiden,

sie war wunderschön. Aber einen Trost hab ich,

ich werde dich wieder sehn.

Refrain

Denn wir sehen uns wieder

in dem Land hinterm Wind.

Wir sehen uns dort,

wo viele Freunde schon sind.

Uns kann nichts mehr trennen,

weil vereint wir da sind.

Wir bleiben für immer

in dem Land hinterm Wind.

Das ewige Leben,

so wird es genannt.Kein Neid und kein Streben,

man geht Hand in Hand. Die Zukunft, sie war schon.

Es wird niemals Nacht. Man zählt keine Stunden,

du wirst nie ausgelacht.

Refrain

Denn wir sehen uns wieder

in dem Land hinterm Wind.

Wir sehen uns dort,

wo viele Freunde schon sind.

Uns kann nichts mehr trennen,

weil vereint wir da sind.

Wir bleiben für immer

in dem Land hinterm Wind.

Bei Lydia Huber am Dachstein

3. Bonbons für einen Pfennig

»Die gestrickten Strümpfe haben gekratzt, wir hatten Ferkel im Stall und kleine Katzen.«

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