… dann klappt's auch mit der Liebe - Victoria Dahl - E-Book

… dann klappt's auch mit der Liebe E-Book

Victoria Dahl

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Beschreibung

Erotische Lektüre macht Lori Appetit - auf den knackigen Architekten Quinn Jennings. Aber der hat nur seine Baupläne im Kopf...
Lori Love hat viele Autos, aber nur ein Laster: erotische Romane, die die Automechanikerin geradezu verschlingt. So viel Liebe, Lust und Leidenschaft macht auf Dauer Appetit. Zum Beispiel auf Quinn Jennings, ein Architekt mit Leib und Seele. Aber was für ein Leib! Unglaublich knackig und sexy. Genau der richtige Mann - leider nur für heiße Nächte. Denn mit Liebe hat Quinn nichts im Sinn. Erst als Lori Drohanrufe bekommt und um ihr Leben fürchtet, entwickelt er ungeahnte Beschützerinstinkte. Der coole Architekt zeigt plötzlich erstaunlich viel Gefühl...

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Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder

auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten.

Der Preis dieses Bandes versteht sich einschließlich der

gesetzlichen Mehrwertsteuer.

Umwelthinweis:

Dieses Buch wurde auf chlor- und säurefreiem Papier gedruckt.

Victoria Dahl

… dann klappt’s auch

mit der Liebe

Roman

Aus dem Amerikanischen von

Sarah Heidelberger

MIRA® TASCHENBÜCHER

erscheinen in der Harlequin Enterprises GmbH,

Valentinskamp 24, 20354 Hamburg

Geschäftsführer: Thomas Beckmann

Copyright © 2013 by MIRA Taschenbuch

in der Harlequin Enterprises GmbH

Titel der nordamerikanischen Originalausgabe:

Start Me Up

Copyright © 2009 by Victoria Dahl

erschienen bei: HQN Books, Toronto

Published by arrangement with

HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l

Konzeption/Reihengestaltung: fredebold&partner gmbh, Köln

Umschlaggestaltung: pecher und soiron, Köln

Redaktion: Daniela Peter

Titelabbildung: Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

Autorenfoto: © Harlequin Enterprises S.A., Schweiz

Satz: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN (eBook, EPUB) 978-3-86278-575-9

www.mira-taschenbuch.de

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eBook-Herstellung und Auslieferung: readbox publishing, Dortmundwww.readbox.net

Dieses Buch ist Bill gewidmet. Ich bin wild entschlossen,

dich diesmal dazu zu bringen, laut zu lachen. Aber ich

liebe dich auch, wenn du es nicht tust.

1. KAPITEL

Baby, das ist wirklich ein fantastischer Arsch.“

Lori Love ignorierte die Schmeicheleien und verpasste dem Befestigungsbolzen im Getriebe des alten Ford eine letzte Drehung, wofür sie sich mit ihrem ganzen Gewicht gegen den Schraubenschlüssel stemmen musste.

„Oh, yeah, zeig uns, was du draufhast, Schätzchen.“

Als der Bolzen fest genug saß, wackelte Lori mit dem fraglichen Körperteil und warf der Blondine hinter sich ein verführerisches Lächeln zu.

Ihre beste Freundin Molly grinste anzüglich und hob anerkennend die Augenbrauen. „Willst du dir bei Gelegenheit vielleicht mal meine Briefmarkensammlung anschauen, du heißes Gerät?“

Lori richtete sich wieder auf und schob den Schraubenschlüssel in ihren Werkzeuggürtel. „Ich wusste ja gar nicht, dass dich mein Anblick so auf Touren bringt.“ Dann warf sie Ben Lawson ein Lächeln zu, der hinter Molly stand und ziemlich konzentriert an die Decke starrte. „Schätze, du solltest dir einen Arbeitsoverall zulegen, Ben. Molly scheint ziemlich drauf abzufahren.“

Er verdrehte die Augen. „Könnten wir vielleicht endlich aufhören, uns über Loris Hintern zu unterhalten?“

„Hm, ich weiß ja nicht“, flötete Molly. „Er ist nämlich so niedlich und knackig. Musst du da nicht auch gleich dran denken, wie man …“

„Du“, unterbrach Ben sie, „bist die seltsamste Freundin, die ich jemals hatte.“

Lori nickte zustimmend. „Ja, sie ist schon ganz schön merkwürdig. Andererseits hast du aber auch dein Leben lang in diesem Kuhkaff gehaust. Da fehlt dir einfach der Maßstab. Also, Molly: Bist du bloß hier, um meinen Po zu beäugen, oder kann ich sonst noch etwas für dich tun? Darf es vielleicht ein Kanister Schmieröl sein?“

Molly und Lori brachen in schnaubendes Gelächter aus, während Ben angewidert die Augen zukniff und sich fragte, was in Gottes Namen er mit diesem pubertären Haufen zu tun hatte. Schließlich war er Polizeichef und damit wenigstens zu einem Minimum an innerer Reife verpflichtet.

„Eigentlich bin ich aus einem ganz anderen Grund hier“, antwortete Molly. „Quinn hat sich endlich eingestanden, dass er seinen Tiefbagger nicht selbst reparieren kann. Er braucht Hilfe. Und ich wollte dich bitten, mal bei ihm zu Hause vorbeizuschauen.“

Lori runzelte die Stirn. „Dein Bruder ist Architekt. Was zur Hölle will er denn mit einem Tiefbagger? Und wie kommt er darauf, dass er das Ding selber reparieren kann?“

Molly winkte müde ab. „Ach, du weißt schon, diese Genies halt. Bilden sich ein, dass sie alles können. Ich hab dir doch erzählt, dass er oben auf dem Pass ein Haus baut, oder? Na ja, und jetzt springt sein Bagger nicht an, aber er muss vor Wintereinbruch das Fundament ausheben. Im Frühjahr will er dann mit den Bauarbeiten anfangen.“

„Moment mal. Er will das Haus selber bauen? Ich dachte immer, er lässt sich ein Haus bauen!“

„Da kennst du Quinn schlecht. Er behauptet, dass handwerkliches Arbeiten für ihn Entspannung ist. Der alte Streber …“ Molly wirkte, als würde sie sich gleich in eine Tirade hineinreden.

Doch dazu kam sie nicht, denn Ben zog an einer ihrer blonden Locken und sagte beschwichtigend: „Es hat halt nicht jeder dein künstlerisches Talent.“ Dann warf er ihr ein warmes Lächeln zu, woraufhin sie sofort wieder gelassener wurde.

Molly verdiente ihren Lebensunterhalt mit dem Schreiben von Erotikromanen, was vor einer Weile zu einigen Spannungen in ihrer Beziehung geführt hatte. Mittlerweile hatte Ben sich aber offenbar mit dem Gedanken, mit einer Erotikschriftstellerin zusammen zu sein, angefreundet. Tatsächlich schien er es sogar ziemlich heiß zu finden.

Lori wandte sich unauffällig ab und fummelte an ihrem Werkzeuggürtel herum, um ihren Neid zu verbergen. Nicht dass sie an Ben interessiert gewesen wäre. Aber sie hätte einfach gerne selber mal wieder Sex gehabt. Ein Blick auf ihren grauen Arbeitsoverall reichte ihr jedoch, um zu erkennen, dass ihre Chancen gegen null gingen.

„Ich kann ihm diese Woche ja mal einen Besuch abstatten“, bot sie an. „Wie komme ich denn zu seinem Grundstück?“

„Seine Auffahrt geht gleich hinter dem Lawinenschutzgatter ab, auf der Aspen-Seite vom Pass. Du musst nur links abbiegen und dann noch ungefähr eine Viertelmeile weiterfahren.“

„Aspen! Nicht schlecht“, bemerkte Lori. Quinns Architekturbüro musste blendend laufen, wenn er sich mit gerade mal vierunddreißig Jahren ein eigenes Chalet leisten konnte. Aber wahrscheinlich war das keine große Kunst, wenn man den ganzen Tag lang Anwesen für Milliardäre entwarf.

Nachdem Lori sich für Freitagabend mit Molly in der Bar verabredet und von den beiden Besuchern verabschiedet hatte, konzentrierte sie sich wieder auf den alten Ford.

Es machte ihr Spaß, Autos zu reparieren. Wirklich! Als ihr Vater ihr zum ersten Mal einen Schraubenschlüssel in die Hand gedrückt hatte, war sie gerade mal sechs Jahre alt gewesen. Trotzdem hatte sie eigentlich nicht vorgehabt, eines Tages tatsächlich in der Werkstatt ihres Vaters zu arbeiten. Jedenfalls nicht für den Rest ihres Lebens. Als sie mit achtzehn weggezogen war, um aufs College zu gehen, hätte sie sich nicht einmal in ihren finstersten Träumen vorstellen können, dass die Werkstatt zu ihrer Werkstatt werden würde.

Aber jetzt gehörte all das ihr: die Gebäude, der Abschleppwagen, die Schneepflüge, die Altmetalldeponie hinter dem Haus. Ihr ungewolltes Mechaniker-Erbe.

Seufzend ließ sie die Motorhaube los, sodass sie krachend einrastete. Das Leben war nun mal nicht fair, und sie war ein großes Mädchen. Na ja, eigentlich war sie einen Tick zu klein für ihren Geschmack. Mit ihren ein Meter achtundfünfzig und ihrem zierlichen Körperbau fiel es ihr manchmal gar nicht so leicht, von den Fahrern und Mechanikern, die für sie arbeiteten, ernst genommen zu werden. Aber zum Glück war sie die Tochter ihres Vaters: stur, pragmatisch und nicht zum Jammern neigend. Deswegen hatte sie nach seinem Tod ja auch das College abgebrochen, die Nutzfahrzeuge lavendelfarben lackiert und sein Geschäft übernommen.

Als Lori den Zündschlüssel umdrehte, startete der Motor des Ford mit lautem Brüllen, was ihr ein trauriges Lächeln entlockte. Das hier war nun einmal ihr Beruf, sie machte ihn gut, basta.

Nachdem sie den Wagen rückwärts aus der Werkstatt gefahren und auf dem Vorplatz geparkt hatte, bemerkte sie, dass Ben zurückgekommen war. Und zwar alleine.

„Hey!“, rief sie. „Hast du deine Freundin verloren?“

„Nö, Molly ist einkaufen. Es gibt da noch etwas, worüber ich gerne mit dir reden würde. Aber wenn du gerade zu beschäftigt bist, kann ich auch morgen wiederkommen.“

„Nein, schieß los! Was gibt’s denn?“

Mit einer Kopfbewegung wies er aufs Haus. „Vielleicht wäre es besser, wenn wir reingehen und uns für einen Augenblick setzen.“

„Wieso das denn?“, fragte Lori und sah ihn irritiert an. Ihr Dad war tot und ihre Mutter weggelaufen. Ihre Großeltern waren so früh gestorben, dass sie sie kaum kennengelernt hatte. Irgendwo in Wyoming gab es noch einen Cousin, aber der lauerte garantiert nicht auf ihrem Privatgrundstück, um Gespräche zu belauschen. Beschwichtigend hob sie die Hände und grinste. „Hast du etwa herausgefunden, dass ich damals die Parkbank umgefahren habe? Das ist nämlich Jahre her! Eine Jugendsünde, sozusagen.“

Ben presste nur die Lippen zusammen und starrte Lori so lange schweigend an, dass sie schließlich die Schultern zuckte und sich auf den Weg ins Haus machte. Vielleicht hatte er ja einen ihrer Angestellten beim Autodiebstahl erwischt.

Kaum waren sie im Haus, wies Ben aufs Sofa.

„Ach, komm schon. Im Ernst?“, murrte Lori.

„Ich glaube wirklich, dass du dich besser setzen solltest.“

„Ben, das ist lächerlich. Jetzt rück schon einfach raus mit der Sprache!“

Widerwillig gab er nach. „Na gut. Ich habe mir die Akte von deinem Vater noch mal genauer angesehen …“

Loris Herz schien einen Salto zu schlagen, der mit einer ziemlich schmerzhaften Landung endete. „Welche Akte?“

Auffordernd blickte Ben noch einmal auf das schäbige Sofa, schien sich dann aber mit Loris Widerborstigkeit abzufinden und redete einfach drauflos. „Als dein Vater vor zehn Jahren angegriffen wurde, war die Polizeistation nicht gerade in … in sonderlich effizienten Händen. Der Fall ist zwar abgeschlossen, aber niemand hat sich die Mühe gemacht, die Akte zur Sammelstelle zu schicken. In den letzten Monaten bin ich alle alten Fälle noch mal durchgegangen, um etwas Ordnung zu schaffen. Und letzte Woche bin ich dann auf die Akte deines Vaters gestoßen.“

Plötzlich wünschte sich Lori von ganzem Herzen, sofort auf eine Couch sinken zu können. Sie musste sich regelrecht zum Sprechen zwingen, als sie fragte: „Und?“

„Und ich bin mir nicht sicher, was in jener Nacht wirklich geschehen ist.“

„Es war eine Kneipenschlägerei“, erwiderte Lori sachlich. „Eine von Dutzenden, die er in seinem Leben provoziert hat. Nur dass er sich bei dieser seinen Kopf auf einem Stein zertrümmert hat.“

Ben stemmte die Fäuste in die Hüften und sah kurz auf den abgetretenen Linoleumboden hinab. Dann suchte er wieder Loris Blick. „Ich glaube, es besteht die Möglichkeit, dass es sich um Vorsatz gehandelt hat. Und ich will den Fall wieder aufnehmen. Ganz unauffällig.“

„Was? Das ist doch lächerlich. Warum solltest du das tun?“

„Weil diese ganze Angelegenheit irgendwie verdächtig wirkt. Der Parkplatz ist nicht gerade übersät mit dicken Granitbrocken. Und wenn jemand mit einem Stein auf deinen Vater losgegangen ist, haben wir es hier mit Totschlag zu tun. Wenn nicht sogar …“

Mord. Er sprach das Wort nicht aus, aber Lori hörte es trotzdem. Langsam schüttelte sie den Kopf und schob sich in die Küche, wo sie die Hände auf den Tresen stützte. Die Cupcakes, die sie gestern gebacken hatte, leuchteten ihr so strahlend rosa entgegen, als wollten sie sie mit ihrer Fröhlichkeit verspotten.

Als Ben fortfuhr, hatte er sein Polizistengesicht aufgesetzt. Seine Stimme war jetzt frei von jeder Unsicherheit. „Wenn er noch auf dem Parkplatz gestorben wäre, hätte es eine gründliche Untersuchung und eine Autopsie gegeben. Sorgfältige Spurensicherung. Aber so lag der Fokus darauf, das Leben deines Vaters zu retten. An den Fotos lässt sich aber klar erkennen, dass nur dieser eine Stein auf dem Parkplatz gelegen hat. Es war der einzige Gegenstand dort, der zu einem Schädelbruch hätte führen können, und es klebte Blut daran. Es ist doch ein merkwürdiger Zufall, dass dein Vater genau auf diesen Stein gefallen sein soll. An seinen Händen waren keinerlei Verteidigungsspuren zu sehen, kein Hinweis auf einen Faustkampf. Außerdem lag er weit entfernt von seinem Wagen und vom Eingang der Bar. Wer macht sich denn schon die Mühe, sich für eine Prügelei in eine abgelegene Ecke zurückzuziehen? Normalerweise stolpern die Leute durch die Tür und legen los.“

„Ja, vermutlich“, murmelte Lori, schüttelte aber den Kopf.

„Der Autopsiebericht ist etwas unübersichtlich, wegen des abgeheilten Bruchs und dem Narbengewebe von der Operation. Aber ich werde ihn nach Denver weiterleiten und eine zweite Meinung einholen. Mal sehen, ob meine Bedenken bestätigt werden.“

Lori schluckte tapfer die Tränen herunter, die ihr plötzlich in den Augen brannten. „Was glaubst du denn, was passiert ist?“

„Ganz sicher bin ich mir nicht.“ Ben seufzte. „Aber ich halte es für möglich, dass dein Vater von hinten angegriffen worden ist. Vielleicht gab es vorher einen Streit, vielleicht wusste er aber auch gar nicht, dass jemand hinter ihm stand. In der Bar will keiner etwas gesehen haben, nachdem dein Dad gegangen ist. Und wenn man dem Polizeibericht trauen darf, hat er vorher mit niemandem gestritten. Ich werde natürlich neue Befragungen durchführen müssen, aber ich möchte die Sache gerne so lange wie möglich geheim halten.“

„Ich … okay … Und was soll ich tun?“

„Nichts“, erwiderte Ben hastig. „Im Augenblick gibt es nichts, was du tun könntest. Wie gesagt, ich will keinen Aufruhr verursachen. Ich stelle nur ein paar Nachfragen, versuche die Puzzlestücke zusammenzufügen. Aber ich dachte, du würdest es wissen wollen.“

„Er ist tot“, murmelte Lori. „Das Wie spielt keine Rolle mehr.“

Was es natürlich doch tat.

In dieser Nacht bekam Lori kein Auge zu. Stundenlang warf sie sich unruhig hin und her, und um halb fünf hatte sie das Gefühl, jeden Moment zu implodieren. Als ob die Gedanken, die in ihrem Kopf im Kreis herumrasten, gleich einen Kurzschluss auslösen würden. Ihr Vater, ihr Leben, ihre Wünsche und Ziele …

Irgendwann hielt sie es einfach nicht mehr aus und stand auf, duschte und machte sich auf in die Werkstatt, um die Treibstoffpumpe an Mr Larsens Chevy auszutauschen.

Die Luft war frisch und klar, trotzdem öffnete Lori das Werkstatttor nur gerade weit genug, um durchschlüpfen zu können. Eine Begegnung mit einem hungrigen Bären auf der Suche nach einem geeigneten Frühstück war im Augenblick nämlich das Letzte, was sie gebrauchen konnte.

Während sie die alte Pumpe aus dem Chevy ausbaute, wurden ihre Gedanken immer klarer – und leider noch schmerzvoller.

Was, wenn Ben Lawson recht hatte? Wenn ihr Vater tatsächlich absichtlich verletzt worden war? Sein Schädel zertrümmert, sein Gehirn beschädigt, sein Leben so vorzeitig beendet … Was, wenn all das Absicht gewesen war?

Sie griff nach einem Lumpen, wischte sich den Schweiß, bei dem es sich möglicherweise auch um Tränen handelte, vom Gesicht und beugte sich wieder über den Wagen.

Sie hatte sich nie über die Wendung beschwert, die ihr Leben genommen hatte. Unfälle passierten. Sie hatte das College sausen lassen und auch das Reisen und das Ausgehen, aber sie hatte es freiwillig getan. Für ihren Vater. Er hätte dasselbe für sie getan, vielleicht sogar noch mehr. Und deswegen hatte sie sich niemals darüber beschwert, dass sie so vieles aufgegeben hatte.

Aber etwas aus freien Stücken aufzugeben war etwas ganz anderes, als um etwas betrogen zu werden.

Als Teenager war Loris Leben vor allem von Büchern und Hoffnungen geprägt gewesen – und von der eisernen Entschlossenheit, eines Tages an ihrem Traumcollege aufgenommen zu werden. Und sie hatte es geschafft. Sie war aufs Boston College gegangen. Ihr Vater war außer sich vor Stolz gewesen. Dann war er schwer verletzt worden, woraufhin sie nach Tumble Creek zurückgekehrt war. All das war Jahre her, aber erst jetzt fing sie langsam an zu begreifen, dass sie viel mehr hinter sich gelassen hatte als ihre Ausbildung.

Ihre Gedanken waren um ihren Vater gekreist und darum, die Werkstatt am Laufen zu halten, um die Krankenhausrechnungen bezahlen zu können. Von einem Tag auf den anderen hatte Loris Leben aus Overalls, T-Shirts und Jeans bestanden und aus seltenen, kurzen und wenig aufregenden Affären.

Jahrelang hatte sie sich mit ihrem Leben arrangiert – bis vor Kurzem ein Gefühl der Rastlosigkeit in ihr aufgekommen war. Und jetzt, nach Bens Besuch, war dieses Gefühl so stark geworden, dass es fast unerträglich war.

Ja, sie konnte nicht einfach weg aus Tumble Creek. Konnte nicht ins nächstbeste Flugzeug steigen und wieder aufs College gehen. Über die Jahre hatten sich einfach zu viele Rechnungen aufgetürmt. Es war nicht gerade billig, für einen komatösen Angehörigen zu sorgen. Also konnte sie nicht einfach von hier verschwinden und ganz von vorne anfangen. Aber sie konnte ihr Leben im Kleinen verändern, und etwas in ihr schrie danach, endlich zur Tat zu schreiten. Vielleicht lag es allerdings nur daran, dass sie auf die dreißig zuging.

Als Lori bemerkte, dass das blassrosafarbene Licht vor den Fenstern einem leuchtenden Gelb gewichen war, warf sie einen Blick auf die Uhr. Halb acht. Sie schob das Garagentor ganz hoch. Das Rattern der Lamellen dröhnte durch die Werkstatthalle. Dann schlenderte sie in den strahlenden Sonnenschein und das fröhliche Vogelgezwitscher hinaus. Kies knirschte unter ihren schweren Stiefeln.

Vielleicht würde eine Affäre helfen.

Oder sie bestellte bei Mollys Lektorin einfach noch eine Ladung Bücher.

Auf jeden Fall würde sie heute Abend, gleich nachdem sie Quinn besucht hatte, ein langes Bad nehmen und eine von diesen ziemlich versauten Geschichten lesen. Dann würde sie überlegen, ob es nicht an der Zeit für ein Paar Peeptoes mit endlos hohen Absätzen war, die auf dem Boden klackerten, anstatt zu knirschen.

Das Läuten des Werkstatttelefons riss sie aus den Gedanken, und sie legte einen Spurt hin, um den Anrufer noch zu erwischen.

„Love’s Garage?“

„Ms Love?“

„Ja.“

„Hallo! Christopher Tipton am Apparat!“ Chris verkündete seinen Namen jedes Mal mit einem solchen Enthusiasmus, als würde er ihr mitteilen, dass sie im Lotto gewonnen hatte.

Lori ließ sich auf einen Stuhl sinken. „Hey, Chris!“ Sie kannte ihn zwar seit der Grundschule, aber sie hatte den starken Verdacht, dass er nicht anrief, um sie zum Klassentreffen einzuladen. „Was gibt’s?“

„Nun ja, ich wollte mal nachhaken, ob du schon Zeit hattest, über unser Gespräch im Februar nachzudenken. Du weißt schon, ob du die Landparzelle verkaufen willst.“

Die Landparzelle, das sagte er einfach so. Weil er keine Ahnung hatte, dass er vom größten Traum ihres Vaters sprach. „Also, Chris, es tut mir leid. Aber es ist doch erst ein paar Monate …“ Eigentlich stimmte das gar nicht mehr. Mittlerweile war es ein volles Jahr her, dass ihr Vater gestorben war. Gott. Wo war die ganze Zeit nur abgeblieben?

„Ich weiß, wie schwer es dir fällt, darüber nachzudenken. Aber ich glaube, dass Tipton & Tremaine ein wirklich großzügiges Angebot gemacht hat …“

„Ich kann das jetzt noch nicht entscheiden“, unterbrach Lori ihn mitten im Satz.

Er seufzte. „Ich verstehe. Aber bitte versprich mir, dass du kein anderes Angebot annimmst, ohne vorher mit mir gesprochen zu haben. Ich kann dir versichern, dass wir die natürliche Schönheit des Grundstücks erhalten werden. Wir reden hier nicht über eine große Wohnanlage mit zweihundert Einheiten, sondern von ein paar wenigen Cottages entlang des Flussufers.“

„Ja, das habe ich schon verstanden“, murmelte Lori unwirsch. Sie wusste genau, was für eine Art von „Cottages“ die Firma normalerweise baute. In der Regel erinnerten sie eher an Herrenhäuser, in denen problemlos sieben Familien auf einmal hätten wohnen können. Oder eben eine einzige, beträchtlich wohlhabende. Lori hatte es immer schon komisch gefunden, dass reiche Familien für ihre durchschnittlich eins Komma acht Kinder so fürchterlich viel Platz brauchten.

„Ich werde kein Angebot annehmen, ohne dich vorher anzurufen. Versprochen.“

„Okay, dann …“

„Bye.“ Lori legte auf und trat gegen den Stahlträger neben dem Telefon. Manchmal war es eben doch besser, keine Stilettos zu tragen.

Ach du liebes Lieschen, dachte Lori, als sie in Quinn Jennings’ sogenannte Einfahrt abbog, die eher dem Resultat einer Schlammlawine glich. Hätte sie das Schild nicht gesehen, das er an einen Zaunpfahl genagelt hatte, wäre sie wahrscheinlich einfach vorbeigefahren.

Die tief hängenden Äste der Drehkiefern am Wegrand kratzten über das Dach ihres Trucks. Die Luft duftete intensiv nach Espenlaub. Obwohl es August war, war die Luft im Schatten frisch und kühl. Gott, im Winter würde es ganz schön kalt werden hier oben! Ob Quinn tatsächlich vorhatte, das ganze Jahr über hier zu wohnen?

Als sich der Wald endlich lichtete, hob Lori überrascht die Augenbrauen. Nicht dass sie bestimmte Erwartungen an Quinns Haus gehabt hätte. Aber das hier hatte sie ganz sicher nicht erwartet. Am Rand einer von bunten Wildblumen gesprenkelten Wiese stand eine kleine Holzhütte. Wasserplätschern erfüllte die Luft – so laut, dass es selbst das Röhren von Loris Motor übertönte.

Als sie näher an die Hütte heranfuhr, entdeckte sie den Bagger. Er wirkte wie eine kranke Giraffe, die traurig den Kopf hängen ließ. Quinn sah sie erst, als sie den Wagen schon geparkt hatte und ausgestiegen war.

Er stand über einen Zeichentisch gebeugt da, den er auf der winzigen Veranda der Hütte aufgebaut hatte. Sein hellbraunes Haar schimmerte im Sonnenlicht. Lori wunderte sich nicht darüber, dass er nicht einmal aufsah, als sie die Trucktür zuschlug. Quinn hatte die seltene Gabe, den Rest der Welt einfach zu vergessen, wenn er in seine Arbeit vertieft war.

„Hey, Quinn!“, rief sie.

„Hey“, antwortete er gedankenverloren, ohne sie eines Blickes zu würdigen.

Lori warf ihm trotzdem ein Lächeln zu. „Ich seh nur mal eben nach dem Bagger.“

„Gern.“ Er blickte weiterhin nachdenklich auf den großen Bogen Zeichenpapier auf dem Tisch und zückte seinen Stift.

So wie er dastand, hätte man nicht gedacht, dass er über einen Meter achtzig groß war. Dafür wirkten seine Schultern allerdings breiter, als Lori sie in Erinnerung gehabt hatte. Und seine Hände bewegten sich noch immer mit derselben eleganten Präzision, die Lori schon als Teenager bewundert hatte.

Während sie beobachtete, wie diese schönen Hände über das Zeichenblatt glitten, musste sie unwillkürlich grinsen. Sie hätte stundenlang hier stehen und ihn beobachten können, ohne dass er es bemerkt hätte. Was Lori für einen ausgesprochen angenehmen Zug hielt. So störten nämlich keine bemühten Gesprächsversuche ihre Tagträume. Leider war es aber schon so spät, dass sie sich mit dem Bagger beeilen musste, wenn sie das Tageslicht ausnutzen wollte.

Sie schob sich eine widerspenstige braune Locke hinters Ohr und kletterte auf den Fahrersitz des Baggers. Es war ein altes, zitronengelbes Modell voller Rostflecken. Wahrscheinlich hatte Quinn diesen liebenswerten alten Dinosaurier einem der Handwerker abgeschwatzt, mit denen er zusammenarbeitete.

Der Schlüssel steckte schon. Als Lori ihn umdrehte, erklang ein leises elektrisches Summen, sonst tat sich allerdings nichts. Trotzdem verriet ihr das Geräusch, dass nicht alle Hoffnung verloren war.

Sie versuchte es erneut und hörte diesmal noch genauer hin. Sie war sich ziemlich sicher, dass der Anlasser das Problem war … Lori sprang aus dem Fahrerhäuschen und machte sich an die Arbeit.

Eine halbe Stunde später wischte sie sich die Hände an einem Lappen sauber und setzte sich hin, um die Ersatzteilnummern und -marken aufzuschreiben.

„Quinn, ich muss ein paar Teile bestellen. Mit ein bisschen Glück werden sie in ein paar Tagen geliefert. Ich komme wieder hier rauf, wenn ich alles habe, was ich brauche.“

Erst mal reagierte er nur mit einem „Super“, dann schob er hastig noch ein „Danke“ hinterher. Die Lichtung war noch immer in strahlenden Sonnenschein getaucht, doch Quinn saß mittlerweile in tiefem Schatten.

Lori schüttelte den Kopf. Keiner ihrer anderen Kunden hätte jemals einfach „Super“ gesagt, ohne sich nach den Kosten zu erkundigen. Andererseits arbeitete sie aber auch so gut wie nie auf der Aspen-Seite des Passes.

Sie gestattete sich einen letzten Blick auf Quinn, der sich gerade nachdenklich mit dem Daumen über die Unterlippe strich. Dann machte sie sich auf den Heimweg.

Quinn Jennings schreckte aus seinen Gedanken über Winkel und Sonnenlicht und Schatten und Baumaterialien auf und sah sich verwirrt um. Sein Blick fiel auf das Handy, das ganz am Rand des Zeichentischs lag. Nein, kein Anruf. Er sah sich noch einmal um und versuchte herauszufinden, was sich verändert hatte. Dann fiel ihm auf, was ihn so abgelenkt hatte: die Stille.

Der Bagger stand verlassen und noch immer reglos da. Lori Love war hier gewesen. Sie war auf die Maschine geklettert und hatte einen Riesenradau veranstaltet. Irgendwann musste sie gegangen sein. Quinn war sich ziemlich sicher, dass er nicht einmal Auf Wiedersehen gesagt hatte. Schuldbewusst verzog er das Gesicht und versuchte, sich genauer zu erinnern. Ach ja, sie hatte etwas von Ersatzteilen gesagt und dass sie in ein paar Tagen wiederkommen würde. Gut, dann konnte er ihr dann einen Kaffee anbieten und sich auch ansonsten zivilisiert benehmen.

In diesem Augenblick brach das Licht der untergehenden Sonne durch die Kieferkronen und das Espenlaub und warf scheckige, flirrende Schatten auf den großen Felsen im östlichen Winkel der Lichtung. Genau darauf, auf dieses Licht, diese Schatten, hatte Quinn gewartet.

Er verscheuchte die Gedanken an seine Besucherin und fing an, wie besessen draufloszumalen. Plötzlich wusste er ganz genau, wie der Eingangsbereich seines Hauses aussehen sollte. Es mochte ein hoher Preis sein, die Welt um sich herum zu vergessen – aber nur so konnte er die Bilder in seinem Kopf klar genug sehen, um sie exakt auf Papier übertragen zu können. Und wenn er sich stark genug konzentrierte, musste er nicht über den Rest seines Lebens nachdenken. Beziehungsweise über den chronischen Mangel an einem Leben jenseits der Arbeit.

2. KAPITEL

Der Mann– sie kannte seinen Namen nicht und wollte es auch gar nicht– zerrte ihr die Hose bis zu den Knien hinab. Dann drückte er sie mit dem Gesicht nach unten auf den Tisch.

„Ich will kein Wort von dir hören.“

Sie nickte und biss sich vor Vorfreude auf die Lippe. Als sich seine schwieligen, unvertrauten Hände um ihre Hüften legten, zuckte sie zusammen und keuchte auf. Eine fast unerträgliche Spannung baute sich in ihr auf, wie eine Schlange im Käfig auf der Suche nach einem Schlupfloch.

Der Mann hielt sie mit einer Hand fest, mit der anderen schob er seinen Schaft zwischen ihre Beine. Er verschwendete keine Sekunde mit Zärtlichkeiten oder Vorsicht, sondern stieß hart und tief zu. Es spielte keine Rolle, so feucht, wie sie war.

Marguerite schrie auf.

Lori legte das Buch weg und sah sich schuldbewusst um. Joe war zu einer Unfallstelle gerufen worden und noch nicht zurück. Trotzdem hatte Lori ein schlechtes Gewissen, denn sie saß hier in Love’s Garage, umgeben von den Werkzeugen ihres Vaters, und war erregt von ihrer schlüpfrigen Lektüre. Es war zwar Samstag, aber was sie hier machte, konnte man nicht mal im Entferntesten als professionelles Verhalten bezeichnen. Sie hätte wenigstens ins Haus gehen können. Vielleicht sogar ins Schlafzimmer. Doch ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass sie noch drei Stunden durchhalten musste. Andererseits war sie hier der Chef und …

Das Telefon klingelte. Lori nahm ab und warf mit der anderen Hand den Kurzgeschichtenband auf den Arbeitstisch. „Hallo?“

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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