Dark Land - Folge 019 - Rafael Marques - E-Book

Dark Land - Folge 019 E-Book

Rafael Marques

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Beschreibung

Gerade als Wynn in sein Sandwich beißen wollte, setzte sich eine junge Kollegin auf seinen Tisch. Er kannte sie vom Sehen. Wenn er sich nicht ganz irrte, hieß sie Corinna.
"Willst du etwas?", fragte Abby, der nicht entgangen war, dass Corinna Wynn schon mehrfach eindeutige Blicke zugeworfen hatte. "Oder wolltest du dich nur mal in Erinnerung rufen?"
"Keine Sorge, Abby, ich nehme dir deinen Wynn schon nicht weg. Jemand hat für deinen Freund angerufen und möchte ihn sprechen."
"Ach ja?", fragte Wynns Freundin mit sarkastischem Unterton. "Wer denn?"
"Keine Ahnung. Er hat mir seinen Namen nicht genannt. Der Typ meinte, dass er wichtige Informationen hätte, die er nur Wynn weitergeben wollte ..."

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Inhalt

Cover

Impressum

Was bisher geschah

Das Schwarze Buch

Leserseite

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

»Geisterjäger«, »John Sinclair« und »Geisterjäger John Sinclair« sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Timo Wuerz

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-5163-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Was bisher geschah

Johnny Conolly hat seine Mutter verloren. Sie wurde von einem Schnabeldämon brutal ermordet. Als dieser Dämon durch ein Dimensionstor flieht, folgt Johnny ihm.

Kurz darauf wird das Tor für immer zerstört, sodass es für Johnny keine Möglichkeit zur Rückkehr gibt. Das Dimensionstor spuckt ihn schließlich wieder aus – in einer anderen Welt. Er ist in Dark Land gelandet, genauer gesagt in Twilight City, einer Stadt voller Geheimnisse.

Menschen und Dämonen leben hier mehr oder weniger friedlich zusammen, und doch ist Twilight City voller Gefahren. Die Stadt ist zudem von einem dichten Nebelring umgeben, den kein Einwohner jemals durchbrochen hat. Niemand weiß, was hinter den Grenzen der Stadt lauert …

In dieser unheimlichen Umgebung nennt sich Johnny ab sofort Wynn Blakeston – für den Fall, dass irgendjemand in Twilight City mit seinem Namen John Gerald William Conolly etwas anfangen kann und ihm möglicherweise Übles will. Schließlich wimmelt es hier von Dämonen aller Art – und die hat Wynn in seiner Heimat immer bekämpft.

Wynn findet heraus, dass der Schnabeldämon Norek heißt und skrupelloser und gefährlicher ist als alle seine Artgenossen, die sogenannten Kraak.

Noreks Fährte führt ihn in einen Nachtclub, wo er mit der Polizei aneinandergerät. Er wird abgeführt und zu einer Geldstrafe verurteilt – die er allerdings mangels hiesiger Mittel nicht begleichen kann. Daraufhin wird aus dem Bußgeld eine Haftstrafe: Fünfzig Jahre soll er einsitzen!

Doch der geheimnisvolle Sir Roger Baldwin-Fitzroy zahlt das Bußgeld für Wynn und nimmt ihn in bei sich auf – warum, das weiß Wynn nicht.

Er lernt Sir Rogers Tochter Abby und seinen Diener Esrath kennen, die auch in Sir Rogers Villa leben. Er freundet sich mit Abby an, sie wird schon bald zu seiner engsten Vertrauten in dieser mysteriösen Welt. Abby hilft Wynn bei der Suche nach Norek, und so wird sie immer wieder in Wynns gefährliche Abenteuer mit hineingezogen.

Doch auch Sir Roger und Esrath sind auf der Suche nach Norek, denn Sir Roger hat noch eine Rechnung mit dem Dämon offen.

Als es Sir Roger schließlich gelingt, Norek zu schnappen, verrät er Wynn davon nichts. Er sperrt Norek in eine Zelle tief verborgen in der geheimnisvollen Villa, wo niemand ihn jemals finden soll.

Denn Sir Roger weiß: Wenn Wynn zu seiner Rache an Norek kommt, gibt es keinen Grund mehr für ihn, in Twilight City zu bleiben. Er wird einen Weg zurück in seine Welt suchen, und das will Sir Roger um jeden Preis verhindern. Er braucht Wynn noch …

Als es Norek jedoch fast gelingt, zu fliehen, weiß Sir Roger, dass er handeln muss. Er liefert den Kraak dem Wissenschaftler Dr. Shelley aus, der gleichzeitig Leiter des Sanatoriums Dead End Asylum im Deepmoor ist. Dieser verpflanzt Noreks Gehirn in einen anderen Körper und sperrt Norek in seinem Sanatorium ein.

Sir Roger aber präsentiert Wynn Noreks toten Körper, sodass der glaubt, der Kraak wäre für immer besiegt.

Doch einen Ausweg aus Dark Land scheint immer noch in weiter Ferne, und Wynn muss sich mit dem Gedanken anfreunden, dass sein Aufenthalt in dieser Welt wohl noch länger andauern wird. Mit Abbys Hilfe hat er inzwischen einen Job beim Twilight Evening Star ergattert, der größten Zeitung von TC. Als man dort erkennt, dass er für Größeres bestimmt ist, steigt er vom Archivar zum Reporter auf.

Und schon bald stellt Wynn fest, dass noch ganz andere Aufgaben in TC auf ihn warten …

Währenddessen ist Abby dem Geheimnis ihrer verstorbenen Mutter ein Stück näher gekommen. Offenbar war diese eine Hexe, und Sir Roger scheint eine düstere Vergangenheit zu haben. Nun fragt Abby sich, ob das Erbe ihrer Mutter auch in ihr schlummert …

Das Schwarze Buch

von Rafael Marques

»Sehr appetitlich, wirklich!«

Abby Baldwin-Fitzroy hob die Schultern. »Deine Schuld«, entgegnete sie. »Ich war es nicht, die das Mittagessen aus der Kantine an den Schreibtisch verlegen wollte. Dann musst du eben damit rechnen, dass wir auch über die Arbeit reden.«

Wynn wischte sich mit der Serviette einige Krümel vom Mund. Das reich belegte Sandwich, von dem er nicht wusste – oder vielleicht gar nicht wissen wollte –, mit welchem Fleisch es belegt war, schmeckte ausgezeichnet. Selbst Abbys wenig magenfreundlicher Bericht über einen Autounfall, bei dem ein Assistent des Bürgermeisters durch die Frontscheibe und gegen einen Laternenpfahl geschleudert worden war, hielt ihn nicht vom Essen ab.

Er gönnte ihr ja ihre Story, andererseits gab es sicher pietätvollere Wege, sie zu erzählen …

»Eigentlich wollte ich nur ein bisschen Ruhe beim Mittagessen haben. Die Kantine ist immer so überfüllt. Außerdem kann ich darauf verzichten, dass mir Bill Brody da wieder auf die Schulter klopft. Wie dieser Kerl noch frei herumlaufen kann, nachdem er mich fast erschossen hat, ist mir ein Rätsel.«[1]

Abby hob einen Zeigefinger an. »Ein guter Reporter weiß immer ausreichend viel über seine Feinde, um sie im Notfall erpressen zu können.«

»Also möchtest du, dass wir so werden wie Bill?«

Seine Freundin wiegte den Kopf hin und her. »Na ja, vom Erfolg her schon. Nur auf diese mörderischen Triebe könnte ich verzichten.«

Wynn musste grinsen. Er genoss es, einmal etwas mehr Zeit in Ruhe mit Abby auf der Arbeit verbringen zu können. Selbst nach seinem Aufstieg aus dem Archiv in den Rang eines Jung-Reporters des Twilight Evening Star sahen sie sich den Tag über nicht allzu oft. Und am Abend, zu Hause in Baldwin House, waren sie beide meist so geschafft, dass sie kaum zum Reden kamen.

Wie Abby hatte er nur die Hälfte eines Schreibtischs zugeteilt bekommen. Sein Sitzpartner wechselte allerdings laufend. Im Moment hatte er das Glück, neben einem sehr umgänglichen Teufel namens Garon zu sitzen, der zudem die meiste Zeit nicht da war. So hatte er den ganzen Tisch für sich allein.

Gerade als sich Wynn noch einmal zu Abbys wenig erbaulichem Bericht über das Unfallopfer äußern wollte, setzte sich eine junge Frau auf seinen Tisch. Er kannte sie vom Sehen. Wenn er sich nicht ganz irrte, hieß sie Corinna, wurde aber von einigen Kollegen aus unerfindlichen Gründen auch ›Prinzessin‹ genannt.

Die Reporterin war etwas kleiner als er und von zierlicher Statur, wenn auch alles andere als unattraktiv. Im Gegensatz zu den meisten Kollegen trug sie keine normale Straßenkleidung, sondern einen Hosenanzug. Sie grinste, fuhr sich durch die langen, dunkelblonden Haare und rückte ihre Brille zurecht.

»Willst du etwas?«, fragte Abby, der nicht entgangen war, dass Corinna Wynn schon mehrfach eindeutige Blicke zugeworfen hatte. »Oder wolltest du dich nur mal in Erinnerung rufen?«

»Keine Sorge, Abby, ich nehme dir deinen Wynn schon nicht weg. Na ja, zumindest nicht für immer. Jemand hat für deinen Freund angerufen und möchte ihn sprechen.«

»Ach ja?«, fragte Wynns Freundin mit sarkastischem Unterton. »Wer denn?«

»Keine Ahnung. Er hat mir seinen Namen nicht genannt. Der Typ meinte, dass er wichtige Informationen hätte, die er nur Wynn weitergeben wollte. Anscheinend ist er sehr beliebt.«

Abby lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Anscheinend.«

»Na dann werde ich mal los«, sagte Wynn, ließ sein Sandwich liegen und stand auf.

Vorsichtig schielte er zunächst zu Corinna herüber, dann zu Abby. Die Reaktionen der beiden Frauen hätten kaum unterschiedlicher ausfallen können. Bevor es zu Handgreiflichkeiten kommen konnte, lief er schnell zum Schreibtisch seiner Kollegin herüber und nahm den abgelegten Hörer vom Tisch.

Dabei fragte er sich, warum jemand von allen Journalisten der Zeitung ausgerechnet ihn sprechen wollte. Und woher derjenige seinen Namen kannte. Mal abgesehen davon, dass kaum jemand wusste, dass er kürzlich zum Reporter aufgestiegen war.[2]

»Wynn Blakeston. Sie wollten mich sprechen?«

»Das stimmt«, drang es aus der Ohrmuschel. Die Stimme klang leicht verzerrt. »Danke, dass Sie für mich Zeit gefunden haben. Ich habe da einen Tipp für Sie. In einem Haus der Cellar Lane liegt ein Toter. Ziemlich übel zugerichtet, wenn Sie mich fragen. Für eine Handvoll Beads verrate ich Ihnen sogar die Hausnummer.«

Es lag Wynn auf der Zunge, den geheimnisvollen Anrufer danach zu fragen, woher er ihn kannte und warum er ausgerechnet ihm ein paar Beads entlocken wollte. Andererseits wollte er den Kerl am anderen Ende der Leitung auch nicht verschrecken. Einen Informanten zu haben war schließlich schon ein guter Anfang.

»Okay, abgemacht.«

»Dann treffen wir uns an Hausnummer 67. Ich warte hier.«

Bevor Wynn noch etwas sagen konnte, legte der Sprecher auf. Etwas irritiert legte er den Hörer zurück auf die Gabel. Irgendwie kam ihm der Anruf verdächtig vor. Schon allein, weil der Informant nur ihn sprechen wollte.

»Und?«, fragte Corinna, die noch immer auf seinem Schreibtisch saß.

In knappen Worten berichtet Wynn ihr von der Unterhaltung.

»Das klingt doch super«, sagte sie lächelnd und erhob sich wieder. Geradezu tänzerisch spazierte sie an ihm vorbei, strich beiläufig über seinen Arm und ließ sich wieder an ihrem Platz nieder.

»Das klingt doch super«, äffte Abby ihre Kollegin leise nach. Kurz darauf wurde sie wieder ernst. »Aber andererseits klingt das wirklich nicht schlecht.«

»Meinst du? Ich finde es eigenartig, dass der Anrufer ausgerechnet mich sprechen wollte. Warum nicht Corinna? Da ist doch irgendwas faul.«

»Hm, vielleicht hast du recht. Wie viele Leute wissen schon, dass du Reporter bist? Deine Visitenkarten liegen ja nicht überall in der Stadt aus. Andererseits, könnten Bill Brody oder Nigel Night dafür gesorgt haben, dass ihre Informanten dir ein paar Storys zuschustern. Jedenfalls bleibt dir wohl keine andere Wahl, als hinzufahren und es herausfinden. Du wirst schließlich kein großer Reporter, indem du dir im Büro den Hintern breitsitzt.«

Wynn seufzte. Abby hatte ja recht. Dennoch, sein ungutes Gefühl blieb bestehen.

***

Schweigend saß Wynn auf der Rückbank des Taxis und ließ seinen Blick über die dicht an dicht aufragenden Gebäudefassaden streifen. Abby hatte ihm beschrieben, dass die Cellar Lane im Hafenviertel lag. Genauer gesagt bildete sie die Rückseite einiger selbst nicht wirklich einladender Bars und anderer Kaschemmen.

Entsprechend sah die Gegend aus. Die Innenstadt mit ihren sauber herausgeputzten Ladenzeilen und den weit in den Himmel aufragenden Wolkenkratzern und zahllosen Büros lag weit hinter ihm.

Mittlerweile hatte er längst das Hafengebiet erreicht, in dem deutlich zu spüren war, dass hier andere Gesetze herrschten. Die meisten Fassaden waren verschmiert und viele Fenster entweder eingeschlagen oder so schmutzig, dass man nicht mehr hindurchsehen konnte. Vor den Häusern stapelten sich Müllsäcke und anderer Unrat. Hinzu kamen die düsteren Gestalten, die über die Gehwege schlichen. Sie versuchten erst gar nicht, ihre verbrecherischen Absichten zu verschleiern. Ein froschköpfiger Dämon trug sogar ganz offen eine Waffe am Hosenbund.

Wynn hatte das Hafengebiet jetzt schon einige Male erlebt. Es hatte den Anschein, als hätte die Polizei ihre Präsenz in dem Viertel auf ein absolutes Minimum beschränkt. Um hier wieder Ordnung zu schaffen, hätte es schon einen Großeinsatz mit einigen Hundertschaften an Einsatzkräften gebraucht. Das Twilight City Police Department machte jedoch nicht den Eindruck, als hätte es daran ein höheres Interesse.

Die Cellar Lane, die Wynn selbst nur aus Abbys Beschreibungen kannte, machte einen besonders heruntergekommenen Eindruck. Kein Wunder, schließlich luden die Besitzer der Bars hier offensichtlich ihren Müll ab – der wohl auch nicht allzu häufig abgeholt wurde.

Allmählich fragte er sich, ob es sich wirklich lohnte, hier nach einem Toten zu sehen. Wer hier lebte, war es bestimmt nicht wert, dass ihm ein Sensationsblatt wie der Twilight Evening Star einen ganzen Artikel widmete. Es sei denn, es handelte sich um einen besonders grausamen und widerwärtigen Mord. Aber darauf konnte er auch sehr gut verzichten.

»So, Cellar Lane 67, wie gewünscht«, meldete sich der Taxifahrer zu Wort und bremste ab. Den Motor ließ er jedoch laufen. »Bitte schnell bezahlen. Ich habe keine Lust, dass mein Wagen hier ausgeschlachtet wird.«

»Ja, schon gut.«

Wynn gab dem Mann einige Beads und stieg aus. Schon nach dem ersten Schritt empfing ihn eine übel riechende Nebelwolke, die von einem Stapel mit Plastiksäcken ausging. Die Lebensmittelreste lagen anscheinend schon einige Tage hier draußen. Wenigstens die Fliegen schien es zu freuen.

Während das Taxi mit stark überhöhter Geschwindigkeit davonbrauste, sah sich Wynn etwas um. Das Haus Nummer 67 machte ebenfalls keinen wirklich einladenden Eindruck. Die zumindest noch intakten Fenster waren mit Brettern vernagelt. Die Eingangstür hing mehr oder weniger lose in den Angeln. Wie viele Parteien in dem sechsstöckigen Bau wohnten, war von hier draußen nicht zu erkennen. Ohne seinen Informanten konnte es einige Zeit dauern, die richtige Wohnung zu finden. Wenn überhaupt.

Wie auf ein Stichwort hin erhob sich hinter einigen überquellenden Mülltonnen eine Gestalt. Es war ein Dämon. Wynn kannte diese Art mittlerweile recht gut. Die Kreatur hatte ein einziges, übergroßes Auge, das den Großteil seines Gesichts einnahm. Nase, Mund und Ohren wirkten dagegen klein und zierlich. Der Ankömmling trug die Uniform eines Taxifahrers. Allerdings war kein weiteres der gelben Fahrzeuge in der Nähe zu sehen.

Irgendwie kam ihm der Dämon sogar bekannt vor. Er wusste im Moment nur nicht, woher.

»Na, erkannt?«, zischte der Einäugige.

Wynn griff in die Hosentasche und zog einige Beads hervor. »Sie sind der Informant.«

Der Dämon erstarrte. Sein Lid verengte sich, so als wäre er über irgendetwas sehr wütend.

»Nein, das meine ich nicht«, fuhr er ihn an. »Wir sind uns schon einmal begegnet. Erinnerst du dich nicht? Ich sollte dich vor einer Weile zum Hafen fahren, dich und deine Freundin mit den silberblonden Haaren. Dann kam das Schiff der Toten – und ihr habt mir das Taxi geklaut!«

Plötzlich fiel es Wynn wie Schuppen von den Augen. Natürlich, dieser Dämon hatte Wynn und Abby bis an den Kai des Hafens gebracht, wo die unzähligen meist unbewohnten Schiffe vor Anker lagen. Damals hatte er auf der Molly Monroe, dem Hausboot eines Mannes namens Largo, der anscheinend mehr über die Verschwörerbande um Norek gewusst hatte, nach Informationen suchen wollen. Allerdings war das Boot da schon wie vom Erdboden verschluckt gewesen. Zu allem Überfluss war auch noch das Schiff der Toten aufgetaucht.[3] Mit dem in der Wolke versteckten Wesen, dem Richter, und insbesondere seinen Helfern hatte er es danach noch einige Male zu tun bekommen.

Der Einäugige kam Wynn bedrohlich nahe. Sein kleiner Mund war vor Hass und Wut verzerrt. Spitze Zähne blitzten zwischen den schmalen Lippen auf. Seine dünnen Hände packten Wynns Jacke.

»Ich will mein Taxi zurück, Kleiner. Die Beads sind mir egal. Seit ich mich von deiner hübschen Freundin überreden ließ, euch an den Hafen zu fahren, bin ich arbeitslos. Ich habe mich in einem der Lagerhäuser versteckt, als ich gespürt habe, dass die Wolke zurückkehrt. Dass ich dabei meinen Wagen zurückgelassen habe, sollte kein Freifahrtschein für euch sein, ihn zu klauen. Also, wo ist er? Wenn du mir nicht gleich sagst, was du mit ihm gemacht hast, ergeht es dir wie dem alten Whitehurst.«

Um seine Drohung zu unterstreichen, zog er mit seiner linken Hand ein Messer mit leicht geschwungener Klinge hinter dem Rücken hervor.

»Ich bin normalerweise ein friedlicher Googlyn, aber auch ich habe meine Grenzen. Ohne das Taxi bin ich völlig aufgeschmissen, verdammt.«

Wynns Gedanken rasten. Weniger wegen des Messers und des Dämons. Trotz der scharfen Klinge und der harten Worte schien es ihm, als ginge von seinem Gegenüber keine wirklich große Gefahr aus. Dennoch überlegte er fieberhaft, was mit dem Taxi geschehen war.

»Wir haben das Taxi auf der Hauptstraße in der Innenstadt abgestellt«, fiel es ihm schließlich wieder ein. »Danach sind wir weg. Was dann mit dem Wagen passiert ist, keine Ahnung.«

Die riesige Pupille des Dämons schrumpfte zusammen. Der Anblick war geradezu hypnotisch, wenn auch auf eine ziemlich bizarre Weise. »Keine Ahnung? Du hast KEINE AHNUNG?«, brüllte er ihn an. »Dafür schneide ich dir die Zunge raus.«

»Wie dem alten Whitehurst? Hast du einen Mord begangen, nur um mich hierherzulocken?«

»Ach … das habe ich nur so gesagt. Siehst du an dem Messer etwa Blut? Ich habe ihm nichts getan. So etwas könnte ich überhaupt nicht. Ich wohne nur oben im ersten Stock Tür an Tür mit ihm. Als ich gesehen habe, dass seine Tür schon länger aufstand, habe ich eben mal nachgesehen.«

»Und woher hattest du meine Nummer?«

»Von meinem Bruder. Er heißt Jocks und arbeitet bei der Polizei. Er hat mir von dir erzählt, als du im Archiv des TES einen Toten hinterlassen hast. Danach hat es etwas gedauert, deine Nummer herauszufinden. Erst habe ich mich nicht getraut, aber als ich den toten Jobe gefunden habe, habe ich mich endlich überwunden. Aber jetzt reicht es, genug geplaudert. Jetzt wirst du büßen!«

Drohend hob er das Messer an und ließ es auf Wynns Gesicht zuwandern. Langsam wurde es doch brenzlig. Allerdings hatte er in der ganzen Zeit, die er jetzt schon in Twilight City zugebracht hatte, zahlreiche gefährliche Situation überstanden. Deshalb blieb er zunächst ruhig.

Plötzlich schlug er zu. Das riesige Auge war gar nicht zu verfehlen. Seine Faust wühlte sich tief in die schleimige Pupille, die von der Wucht leicht nach innen gedrückt wurde.

Im nächsten Moment schloss sich das Lid. Der Dämon heulte auf, zuckte zurück und ließ das Messer fallen. Er jammerte wie ein kleines Kind und taumelte über den Gehweg. Dann fuhr er herum und rannte einfach davon. Erst als der Einäugige um die Straßenecke lief und verschwand, atmete Wynn auf.

Das war geschafft. Erst jetzt merkte er, dass sein Herz doch etwas schneller schlug. Es beruhigte sich aber bald wieder. Den einäugigen Dämon verdrängte er schnell aus seinen Gedanken. Immerhin gab es da noch den Toten, der anscheinend wirklich existierte und nicht nur als Ausrede gedient hatte, um Wynn herzulocken. Sein ziemlich klobiger tragbarer Fotoapparat hing noch immer über seiner Schulter.

Als er das Mietshaus betrat, stellte er fest, dass es von innen genauso aussah, wie es von außen den Anschein gemacht hatte. Nur ungern erinnerte sich Wynn daran, dass er, kurz nachdem er in Twilight City angekommen war, selbst für einige Zeit in solchen Verhältnissen gelebt hatte.

Auch in den Fluren hatte sich der Müllgestank festgesetzt. Hier drinnen hatte er sich jedoch mit Schweiß und anderen menschlichen Ausdünstungen vermischt.