John Sinclair 2035 - Rafael Marques - E-Book

John Sinclair 2035 E-Book

Rafael Marques

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Beschreibung

Mein nächster Fall sollte zu einem ganz besonderen Abenteuer werden. Denn ich wurde ausgerechnet aus Australien um Hilfe gebeten! Offenbar hatte sich mein Ruf bis nach Down Under herumgesprochen.

Doch auch wenn der geheimnisvolle Kontinent immer eine Reise wert war, würde der Ausflug nach Australien mit Sicherheit kein Urlaub werden. Angesichts der Tatsache, dass ich mich auf die Suche nach einem Mörder machen sollte, wollte bei mir keine wirkliche Urlaubsstimmung aufkommen.
Denn ich bekam es mit einem besonders hartnäckigen Gegner zu tun. Es war der Totengeist von Townsville ...

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Seitenzahl: 137

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Totengeist von Townsville

Briefe aus der Gruft

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Néstor Taylor/Bassols

eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-5063-0

„Geisterjäger“, „John Sinclair“ und „Geisterjäger John Sinclair“ sind eingetragene Marken der Bastei Lübbe AG. Die dazugehörigen Logos unterliegen urheberrechtlichem Schutz. Die Figur John Sinclair ist eine Schöpfung von Jason Dark.

www.john-sinclair.de

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Totengeist von Townsville

von Rafael Marques

Wie verloren saß Sam Tucker im Sand und blickte auf das Meer hinaus.

Die Sonne war längst am Horizont verschwunden. Doch auch so war die Aussicht einmalig. Durch das Licht des Mondes angestrahlt, glitzerten die Wellen wie funkelnde Sterne. Sam konnte hunderte Kilometer in die Ferne sehen. Zu seiner rechten Seite erkannte er noch einige Ausläufer von Magnetic Island.

Sein Urlaub in Townsville dauerte nun schon zwei Wochen an. Zeit, in der er wieder zu sich gefunden und sich Gedanken um seinen Job gemacht hatte. Irgendwann war er an dem Punkt angelangt, an dem er überlegte, ob es nicht noch wichtigere Dinge gab. Aber eine Entscheidung hatte er noch nicht getroffen.

Wenn es nach ihm gegangen wäre, wäre er sofort nach Townsville umgezogen. Oder nach Pallarenda, dem Vorort der australischen Touristenmetropole, in dem auch sein Hotel lag.

Tief sog er die klare Meeresluft ein. Als eine kühle Brise über den Strand wehte, begann er doch zu frösteln …

Kurz blickte Sam auf die Uhr und sah, dass es zwei Stunden vor Mitternacht war. Er atmete tief durch. »Na ja, morgen ist auch noch ein Tag«, murmelte er und stand auf. Seinen Rucksack, der neben ihm im Sand gelegen hatte, warf er sich über die Schulter.

Der Strandabschnitt, an dem er sich aufhielt, lag etwas abseits. Bis zu den hölzernen Gehsteigen, die zu den Strandbars und Szenekneipen führten, waren es gut zwei Meilen Fußweg. Am Tage war ihm der Weg wie zehn Schritte vorgekommen. Jetzt in der Nacht merkte er jedoch, dass er ein gutes Stück hinter sich gelassen hatte.

Um ihn herum war es fast totenstill. Etwa zweihundert Meter entfernt, hinter den teils mit Gras bewachsenen Dünen, bewegten sich die Bäume leicht im Wind. Nur das leise Rauschen der Brandung drang an seine Ohren.

Noch einmal wandte sich Sam dem Meer zu. Wieder huschte ein Lächeln über sein Gesicht, als er den Blick in die Ferne genoss. Ohne die diese kühle Brise wäre er sicher noch länger geblieben. Allerdings begann sich auch langsam sein Magen zu melden. Wenn er am nächsten Tag wieder hierherkam, würde er sich noch eine Jacke und etwas zu essen mitnehmen.

Schließlich drehte er sich wieder um – und zuckte zusammen. Etwa fünfzig Meter vor ihm stand eine Frau!

»Das gibt’s doch nicht«, entfuhr es ihm. So lange konnte er doch nicht aufs Meer hinausgeblickt haben, dass sich die Frau ihm unbemerkt genähert haben konnte. Und selbst wenn sie aus dem Wald gekommen und durch die Dünen gelaufen war, hätte er das hören müssen. Auch von einem Boot oder ähnlichem war nichts zu sehen.

Und dennoch war die Frau da. Ihr blondes Haar kräuselte sich leicht im Wind. Sam konnte ihr Gesicht nicht erkennen. Allerdings war er sich sicher, dass sie jünger als er war. Vielleicht Anfang Zwanzig.

»Sie haben mich etwas erschreckt, Miss«, sprach er die Fremde an. »Sind Sie allein hier?«

Die Frau gab keine Antwort. Sie stand einfach nur da und zeigte ihr Gesicht im Profil. Sam lächelte schmal. Anscheinend bot ihr der Ausblick auf das Meer dieselbe Faszination wie ihm.

Langsamen Schrittes ging er auf sie zu. Noch immer war von ihrem Gesicht nichts zu erkennen. Eine dünne Schleierwolke hielt die strahlende Mondscheibe bedeckt. Der Wind würde sie sicher in einigen Sekunden vertreiben.

»Hey, Miss!«, rief Sam erneut.

Wieder erntete er keine Reaktion. Dennoch gab er nicht auf. Er hatte in den Tagen, die er in und um Townsville verbracht hatte, schon einige Frauen angesprochen und mit einer sogar die Nacht verbracht. Aber diese war anders. Von ihr ging eine unausgesprochene Faszination aus, der er sich nicht entziehen konnte.

Sein Herz klopfte schneller. Plötzlich kam er sich wie ein kleiner Junge vor, der zum ersten Mal verliebt war und sich trotzdem nicht traute, den letzten Schritt zu gehen und ein Mädchen anzusprechen.

Die Fremde wirkte so unnahbar, selbst als er sie fast erreicht hatte. Über ihrem Gesicht hing noch immer ein Schatten. Das änderte sich, als die Wolke am Mond vorbeizog und der Erdtrabant sein Licht wieder auf den Strand abstrahlte.

Da drehte sich die Frau zu ihm um!

Sam Tucker erstarrte. Sein Mund klappte auf, ohne dass ein Ton herauskam. Er wollte schreien, doch der Schock saß zu tief. So etwas Grauenvolles hatte er in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen! Das Blut gefror ihm in den Adern.

»Nein, nein …« murmelte er und versuchte, einen Schritt zurück zu machen.

Doch er kam nicht weit. Geisterhaft huschte die Fremde auf ihn zu und legte ihre Hände auf seinen Oberkörper. Für einen Augenblick spürte er eine Kälte, wie sie eigentlich nur der Tod selbst ausstrahlen konnte.

Dann kamen die Schmerzen! Ein furchtbarer Schrei drang aus Sams Kehle. Gleichzeitig spürte er, wie ihm das Leben buchstäblich aus dem Körper gerissen wurde.

***

»Betrachten Sie die Reise einfach als Urlaub mit gewissen dienstlichen Verpflichtungen, Oberinspektor Sinclair. Townsville ist zu dieser Jahreszeit ein einmaliges Erlebnis.«

Ich verzog das Gesicht, während die Worte des Anrufers in meinen Ohren nachklangen. Ein Urlaub würde der Ausflug nach Australien mit Sicherheit nicht werden. Auch wenn Down Under eine Reise wert war.

Angesichts der Tatsache, dass ich mich auf die Suche nach einem Mörder machen sollte, wollte bei mir keine wirkliche Urlaubsstimmung aufkommen. Da brauchte ich mir nur die Fotos anzusehen, die ich vor mir auf der Tischplatte verteilt hatte. Sie zeigten einen Toten, der einmal Samuel Duncan Tucker geheißen hatte.

Von dem lebenslustigen Mann, wie ich ihn auf einem Bild aus besseren Tagen gesehen hatte, war nichts mehr übrig geblieben. Stattdessen blickte ich auf eine verschrumpelte Mumie mit grauer Haut, die sich wie dünnes Pergamentpapier über die Knochen spannte.

Niemand konnte sich erklären, wie es zu dieser schrecklichen Veränderung gekommen war. Genau deshalb hatte man mich gebeten, nach Australien zu reisen. Wobei gebeten der falsche Ausdruck war. Der britische Secret Intelligence Service, kurz SIS hatte mit Nachdruck meine Dienste bei Sir James angefordert. Und das nicht ohne Grund: Der Tote war ein Mitglied ihrer Behörde gewesen. Kein Agent für Außeneinsätze, eher ein Schreibtischtäter.

Der britische Auslandsgeheimdienst wusste nur zu gut, wie real mein Kampf gegen die Mächte der Finsternis war. Ich erinnerte mich dunkel an einige Fälle, in denen seine Agenten kräftig mitgemischt hatten.

Allerdings hatte man tatsächlich nur mich angefordert. Einen Unterschied hätte es auch nicht gemacht, denn angesichts der großen Distanz zwischen England und Australien musste Suko so oder so in London die Stellung halten. Mein Partner hatte das schnell, wenn auch mit geringer Begeisterung akzeptiert. Wir würden uns sicherlich noch einige Male am Telefon über den Fall austauschen.

Ich sah zum Fenster hinaus. Der Blick hinunter aufs Meer war schier atemberaubend. Durch meinen Job vergaß ich oft, die Faszination der freien Natur in mich aufzunehmen.

Längst hatte der Privatjet, in dem mich der SIS bis nach Brisbane flog, einen Großteil des indischen Ozeans hinter sich gelassen. Bis zu den ersten Ausläufern des Festlands konnte es nicht mehr weit sein.

Gut die Hälfte des Flugs hatte ich geschlafen, ansonsten in einem Buch gelesen und einigen Zeitschriften durchgeblättert. Ganz automatisch wanderten meine Gedanken immer wieder in die Vergangenheit. Meine letzte Reise nach Down Under lag eine gefühlte Ewigkeit zurück. Damals war ich nach Australien gelockt worden, damit man mir den silbernen Bumerang stehlen konnte. Dieser Fall war jedoch schon lange abgeschlossen und die Gegner von damals vernichtet.1)

Allgemein wunderte es mich, warum die Mächte der Finsternis bisher einen so großen Bogen um den südlichen Kontinent gemacht hatten. Zumindest ging ich davon aus, dass es so war. Natürlich konnten sich dort auch seit Jahrzehnten schwarzmagische Kräfte gehalten haben, von denen ich nicht einmal die leiseste Ahnung hatte.

»Sind Sie noch dran, Mister Sinclair?«, hörte ich erneut die Stimme von Jack Myers, dem Leiter der Außenstelle des SIS in Australien. Er war es auch gewesen, der meine lange Reise organisiert hatte. Ich konnte den Mann schlecht einschätzen. Von unseren Gesprächen her kam er mir recht kompetent und eloquent vor, aber das konnte täuschen. Mein Vertrauen in Mitglieder des Geheimdienstes war nicht allzu hoch. Meistens erzählten sie einem nur einen Teil der Wahrheit und behielten den Rest für sich.

Myers’ Frage hatte mich völlig aus den Gedanken gerissen. »Natürlich«, antwortete ich nach kurzem Zögern.

»Gut. Sie haben sich bereits die Fotos angesehen, nehme ich an. Was sagen Sie dazu?«

»Da kann ich nicht viel sagen«, gab ich ehrlich zu. »Eine natürliche Ursache wird diese Veränderung wohl kaum haben. Aber mehr fällt mir da auf Anhieb auch nicht ein. Wurde die Leiche denn eingehend untersucht?«

»Dessen können Sie sich sicher sein. Die Gerichtsmedizin hat festgestellt, dass dem Toten jegliche Körperflüssigkeiten entzogen wurden. Wie einer Leiche, die wochenlang in der Sonne gelegen hat. Sam Tucker ist allerdings am Abend vor seinem Tod noch von Hotelmitarbeitern lebend gesehen worden. Also kann man das ausschließen. Die Ärzte konnten zudem nicht eine Verletzung feststellen und stehen deshalb vor einem Rätsel. Deshalb wird die Leiche auch für sie aufbewahrt. Falls Sie mit ihr noch einen … Test durchführen wollen.«

Angesichts der Art, wie Myers den letzten Satz formuliert hatte, bekam ich einen Eindruck davon, wie gut der SIS über mich informiert war. Ich konnte mich nicht genau erinnern, ob einer ihrer Agenten einmal dabei gewesen war, während ich einen schwarzmagischen Gegenstand mit meinem Kreuz getestet hatte, ausschließen wollte ich es jedoch auch nicht.

»Daran hatte ich auch schon gedacht«, erwiderte ich.

»Das dachte ich mir. Ich wollte Sie außerdem noch darüber informieren, dass Sie nicht wie ursprünglich geplant nach Brisbane, sondern direkt nach Townsville fliegen werden. Dort werden Sie bereits von Sergeant Adam Sikorsky erwartet. Er ist leitender Ermittler in dem Mordfall. Allerdings ist er nicht darüber informiert, dass Tucker ein Mitglied unserer Behörde war. Ich würde Sie bitten, dafür Sorge zu tragen, dass das auch so bleibt.«

»Wenn Sie meinen.«

Myers ignorierte den wenig begeisterten Unterton meiner Antwort. »In Townsville ist bereits alles geklärt. Am Terminal erwartet Sie ein Leihwagen. Wie mir Sergeant Sikorsky mitteilte, will er Sie in einem Café in Rowes Bay treffen.«

»Okay«, sagte ich leise und fügte angesichts meiner Vergangenheit mit Geheimdienstlern noch eine Frage hinzu: »Gibt es noch etwas, dass Sie mir über den Fall sagen möchten?«

Die Antwort kam schnell, vielleicht etwas zu schnell. »Nicht dass ich wüsste. Sie haben doch den Bericht vorliegen. Darin finden Sie alle relevanten Informationen.«

Ich verzog das Gesicht. Typische Allgemeinplätze. Ich war mir fast sicher, dass es noch einige nicht relevante Informationen gab, die durchaus wichtig für mich sein könnten. Dennoch beließ ich es dabei. Unser Gespräch lief aus, und ich steckte das Smartphone wieder weg.

***

Etwa zwei Stunden später setzte der Jet auf dem Townsville International Airport auf. Die Landung verlief ohne Probleme. Der Flieger kam etwas außerhalb der Landebahnen für Passagierflugzeuge zum Stehen.

Auf der Rollbahn hatte mich bereits eine schwarze Limousine erwartet. Der Fahrer – wahrscheinlich auch ein Agent – brachte mich zum Terminal und sorgte dafür, dass ich meinen Leihwagen bekam, einen Ford Mustang. Zum Abschied drückte er mir noch eine Landkarte und die Wegbeschreibung zu dem Café in die Hand, in dem mich Adam Sikorsky erwarten sollte.

Vom Flughafen war es wirklich nur ein Katzensprung bis nach Rowes Bay. Dennoch versuchte ich, so viel wie möglich von der Umgebung aufzunehmen. Man sah dem Viertel an, dass es vor allem auf Touristen ausgerichtet war. Zahlreiche Apartmenthäuser und Hotels säumten die Straße, an deren Rand sich mir eine Allee künstlich angepflanzter Palmen präsentierte.

Im Rückspiegel baute sich der Castle Hill auf, ein gut 300 Meter hoher bewaldeter Hügel, der wie ein Fremdkörper inmitten einer Großstadt wie Townsville wirkte.

Die Fahrt zu dem Treffpunkt dauerte nicht einmal zwanzig Minuten. Schließlich lenkte ich den Ford direkt vor einem Souvenirgeschäft in eine der wenigen freien Parklücken.

Als ich ausstieg, warf ich noch einen längeren Blick auf den gut gefüllten Strand, der – laut Glendas Beschreibungen, die hier selbst einmal Urlaub gemacht hatte – neben Castle Hill eines der Wahrzeichen der Stadt war. Inmitten des endlos wirkenden Ozeans erkannte ich eine größere Insel, bei der es sich wahrscheinlich um Magnetic Island handelte.

Als ich daran dachte, dass Glendas Berichten nach auch diese Insel einmal von Aborigines bewohnt worden war, fragte ich mich wieder, ob dieser Fall – wenn es denn einer für mich war – auch mit der Magie der australischen Ureinwohner zu tun hatte. Aber das war und blieb Spekulation. Wichtiger war, erst einmal das Café ausfindig zu machen.

Laut der Karte musste ich durch zwei Seitenstraßen gehen, um das Lokal zu erreichen. Es lag an der Grenze zu einem weiteren Stadtteil, Belgian Garden.

Hin und wieder blickte ich mich um. Das Viertel war wirklich voll auf den Tourismus ausgerichtet. Wohin man auch sah, überall sprangen einem Strand- und Cocktailbars, Souvenirläden und natürlich Hotels ins Auge.

Auch an der Promenade flanierten dutzende Menschen. Für einen Augenblick stockte ich. Täuschte ich mich, oder standen dort mitten im Gedränge zwei dunkelhäutige Männer und starrten mich direkt an?

Auf meinen Armen bildete sich eine Gänsehaut. Ich sah nur die Gesichter, nicht mehr. Ich ging davon aus, dass es Aborigines waren. Doch als sich die Menschen weiterbewegten, war die Stelle, an der die beiden Männer gestanden hatten, leer.

Ich wischte über meine Augen. Hatte ich bereits jetzt einen Sonnenstich? So heiß war es eigentlich gar nicht. Ich war mir jedenfalls sicher, mir die beiden Aborigines nicht eingebildet zu haben. Mein Kreuz hatte sich nicht gemeldet. Natürlich nicht, schließlich entstammten sie einer völlig fremden Mythologie.

Als ich in die Seitenstraße trat, spürte ich sofort, wie ich den Trubel des Strandes und der Promenade hinter mir ließ. Die hohen Mauern ließen das Stimmengewirr verstummen. Ich genoss die mich umgebende Stille.

Auch hier gab es Geschäfte und Bars, aber es war längst nicht so viel los wie auf der Hauptstraße. Die Häuser wirkten auch eher wie solche, in denen tatsächlich Einheimische wohnen könnten und nicht nur Touristen. Sogar einige etwas ältere und mit Graffiti bemalte Bauten entdeckte ich. Nur die beiden Aborigines sah ich nicht wieder.

Die Straße, in der das Café lag, war noch einmal eine Stufe ruhiger. BRIAN’S DINER stand in großen Lettern über dem Lokal. Die Einrichtung wirkte auf den ersten Blick etwas bieder und unscheinbar. Vor dem Café waren einige Tische und Stühle aufgestellt worden. Mehre Sonnenschirme spendeten etwas Schatten.

Nur drei der Tische waren besetzt. Ich passierte einen älteren Mann, der gerade eine Zigarre rauchte, sowie zwei junge Frauen und bewegte mich auf den hintersten der Tische zu. Dort saß ein dunkelhaariger Mann und blätterte in einem Buch. An seiner linken Hand erkannte ich einen Ehering.

Als ich an ihn herantrat, drehte mir der Mann sein Gesicht zu, an dem vor allem der dichte Vollbart auffiel. Ich erkannte, dass mein Gegenüber ein paar Jahre jünger war als ich. Ein schmales Lächeln umspielte seine Lippen.

»John Sinclair?«, fragte er mit klarer Stimme.

»Der bin ich.«

Der Mann legte sein Buch zur Seite, stand auf und reichte mir die Hand, die ich ohne zu zögern ergriff. »Sergeant Adam Sikorsky. Aber Sie können mich gerne Adam nennen. Ich gebe nicht viel auf Förmlichkeiten.«

»Ich auch nicht, Adam«, erwiderte ich. »Nenn mich John.«

»Gut, dass wir das schon mal geklärt haben.« Er wies auf den Stuhl auf der gegenüberliegenden Seite des Tisches.

Ich ließ mich auf dem weichen Polster nieder und musterte meinen australischen Kollegen. Adam Sikorsky strahlte eine Energie aus, von der sich einige verknöcherte Beamte im guten alten England eine Scheibe abschneiden konnten. Andererseits wirkte er mit seinem braunen Designerhemd, der dunkelblauen Cordhose und den schwarzen Lederschuhen so gar nicht wie ein Polizist. Aber das machte ihn vielleicht sympathischer.

»Wie war die Reise?«, fragte er und lehnte sich etwas in seinem Stuhl zurück.

»Lang.«

Adam lächelte schmal. »Das dachte ich mir schon. Du wirst die freie Zeit wahrscheinlich genutzt haben, um dir alle Details des Falles genau einzuprägen. Zumindest hätte ich das gemacht.«

»Ja, das habe ich. Gibt es in dem Mordfall schon etwas Neues?«

»Mordfällen