Das Bildnis des Dorian Gray - Oscar Wilde - E-Book

Das Bildnis des Dorian Gray E-Book

Oscar Wilde

0,0
1,99 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

In Oscar Wildes meisterhaftem Roman "Das Bildnis des Dorian Gray" wird die schillernde Geschichte eines jungen Mannes erzählt, dessen Schönheit und Jugend ihm den Verlockungen der Dekadenz aussetzen. Der Roman thematisiert die gefährlichen Verwicklungen von Ästhetik und Moral, während das Porträt Dorian Grays als Katalysator für seine geistige und moralische Zersetzung dient. Wildes scharfer Witz und Sprachstil spiegelt die Kultur des viktorianischen Englands wider und fordert die Leser dazu auf, über die Grenzen von Kunst und Leben nachzudenken. Die Verbindung von philosophischen Fragen zu Ethik und der Suche nach individueller Freiheit prägt das Werk und verleiht ihm einen zeitlosen literarischen Kontext. Oscar Wilde, ein herausragender Vertreter des ästhetischen Bewegung des 19. Jahrhunderts, zeichnete sich durch seine scharfen Beobachtungen der Gesellschaft und seine Fähigkeit aus, tiefgründige Themen mit einer blitzenden Ironie zu verbinden. Sein eigenes Leben, geprägt von Skandalen und dem Streben nach Kunst um ihrer selbst willen, spiegelt sich in der Charakterentwicklung Dorian Grays wider. Wildes Faszination für Schönheit und die Konsequenzen von Hedonismus und Moralverfall lassen sich aus seiner Biographie ableiten und verleihen diesem Werk eine autobiographische Dimension. "Das Bildnis des Dorian Gray" ist ein unverzichtbares Leseerlebnis für jeden, der sich für die Abgründe der menschlichen Natur und die Fragilität von Anstand und Schönheit interessiert. Wilde fordert den Leser heraus, sich mit der eigenen Ethik auseinanderzusetzen und bringt ihn dazu, die eigene Beziehung zu Kunst und Moral zu hinterfragen. Dieses Buch ist nicht nur ein literarisches Meisterwerk, sondern auch eine tiefgehende Reflexion über die menschliche Existenz. In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen: - Eine prägnante Einführung verortet die zeitlose Anziehungskraft und Themen des Werkes. - Die Synopsis skizziert die Haupthandlung und hebt wichtige Entwicklungen hervor, ohne entscheidende Wendungen zu verraten. - Ein ausführlicher historischer Kontext versetzt Sie in die Ereignisse und Einflüsse der Epoche, die das Schreiben geprägt haben. - Eine Autorenbiografie beleuchtet wichtige Stationen im Leben des Autors und vermittelt die persönlichen Einsichten hinter dem Text. - Eine gründliche Analyse seziert Symbole, Motive und Charakterentwicklungen, um tiefere Bedeutungen offenzulegen. - Reflexionsfragen laden Sie dazu ein, sich persönlich mit den Botschaften des Werkes auseinanderzusetzen und sie mit dem modernen Leben in Verbindung zu bringen. - Sorgfältig ausgewählte unvergessliche Zitate heben Momente literarischer Brillanz hervor. - Interaktive Fußnoten erklären ungewöhnliche Referenzen, historische Anspielungen und veraltete Ausdrücke für eine mühelose, besser informierte Lektüre.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2023

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Oscar Wilde

Das Bildnis des Dorian Gray

Bereicherte Ausgabe. Eine sündhafte Verführung und ihr unheimlicher Preis in einem zeitlosen Klassiker der englischen Belletristik
In dieser bereicherten Ausgabe haben wir mit großer Sorgfalt zusätzlichen Mehrwert für Ihr Leseerlebnis geschaffen
Einführung, Studien und Kommentare von Wren Sharp
Bearbeitet und veröffentlicht von Good Press, 2023
EAN 8596547676508

Inhaltsverzeichnis

Einführung
Synopsis
Historischer Kontext
Autorenbiografie
Das Bildnis des Dorian Gray
Analyse
Reflexion
Unvergessliche Zitate
Notizen

Einführung

Inhaltsverzeichnis

Ein Gesicht bleibt makellos, doch irgendwo verdunkelt sich eine Leinwand. In dieser einprägsamen Gegenüberstellung von unversehrter Oberfläche und verborgenem Verfall bündelt sich die zentrale Idee von Das Bildnis des Dorian Gray: Schönheit als Versprechen und als Prüfung. Oscar Wildes Roman führt in einen Spiegelraum, in dem Anziehungskraft und Verantwortung, Genuss und Gewissen einander belauern. Eine schillernde Gesellschaft, kunstvolle Räume, duftende Gärten und scharfe Gespräche bilden den Rahmen, in dem ein junger Mann lernt, dass jedes Begehren eine Spur hinterlässt. Der Blick auf das Bild wird zum Blick in eine Seele, die sich im Glanz der Jugend zu verlieren droht.

Als einziger Roman eines der brillantesten Dramatiker des Fin de Siècle gilt Das Bildnis des Dorian Gray zu Recht als Klassiker. Das Werk vereint die Eleganz der ästhetischen Bewegung mit der Unruhe der viktorianischen Moraldebatten und eröffnet einen Dialog, der Literatur und Gesellschaft bis heute beschäftigt. Seine Mischung aus Gesellschaftsroman, philosophischer Parabel und Schauerliteratur prägte Vorstellungen von Doppelgängermotiv, Dekadenz und psychologischer Selbsterkundung. Nachfolgende Autorinnen und Autoren fanden in Wildes Kunstanspruch und seiner Ironie ein Modell, wie man Verführungskraft und Kritik zugleich entfalten kann. Der Roman gehört zum Kanon, weil er zeitlose Fragen stellt und mit unverbrauchter Formulierungskraft beantwortet.

Das Bildnis des Dorian Gray stammt von Oscar Wilde und erschien erstmals 1890 in Lippincott’s Monthly Magazine. 1891 veröffentlichte Wilde eine erweiterte Buchfassung mit einem programmatischen Vorwort, in dem er die ästhetischen Prämissen seiner Kunst reflektierte. Entstanden ist das Werk im späten viktorianischen London, im Spannungsfeld von Aestheticism, Dandytum und moralischer Reglementierung. Die Überarbeitung vertiefte Figuren und Themen, ohne den Kern zu verändern: die Verknüpfung von Schönheit, Begehren und Verantwortung. Diese Entstehungsgeschichte erklärt sowohl die Schärfe der damaligen Debatten als auch die nachhaltige Wirkung des Romans, der zwischen künstlerischer Unabhängigkeit und gesellschaftlicher Erwartung produktiv oszilliert.

Im Zentrum steht der junge Dorian Gray, dessen ungewöhnliche Anmut den Maler Basil Hallward zu einem Porträt inspiriert. Ein charismatischer Bekannter, Lord Henry Wotton, konfrontiert Dorian mit einer hedonistischen Philosophie der Augenblicke. In dieser Atmosphäre entsteht der Wunsch, dass Dorian jung bleiben möge, während die Spuren von Zeit und Taten anderswo sich niederschlagen. Das Gemälde wird zur geheimen Instanz, die nicht nur Alter, sondern Veränderung sichtbar macht. Von hier aus entfaltet sich eine Geschichte über Verführung, Selbstinszenierung und die Folgen scheinbar folgenloser Entscheidungen – erzählt ohne moralisierenden Zeigefinger, doch mit unbestechlichem Blick für Ambivalenzen.

Wilde entwirft nicht bloß eine Handlung, sondern eine Versuchsanordnung: Was geschieht, wenn Schönheit als höchstes Gut anerkannt wird, ohne dass die ethische Dimension von Handeln verschwindet? Sein Anspruch ist es, Kunst als autonome Sphäre zu verteidigen und zugleich zu prüfen, inwiefern Kunst Menschen formt. Die berühmte Vorrede des Romans formuliert eine Ästhetik der Distanz, doch der Text beobachtet, wie Nähe – zu Bildern, Worten, Blicken – Wirklichkeit verändert. Wildes Ziel ist nicht die Moralpredigt, sondern die Schärfung der Wahrnehmung: Leserinnen und Leser sollen die verführerische Macht von Stil erfahren und deren Preis reflektieren.

Formal überzeugt der Roman durch elegante Prosa, pointierte Dialoge und eine fein dosierte Atmosphäre, die zwischen Salonglanz und Schattenräumen wechselt. Wilde nutzt das Arsenal des Gothic – das verhüllte Geheimnis, das belebte Objekt, die Verdopplung des Selbst – und verbindet es mit dem Witz des Gesellschaftsromans. So entstehen Szenen, in denen Paradoxien funkeln und zugleich leise Unruhe wächst. Der Erzählrhythmus setzt auf Kontrast: sinnliche Stillleben stehen neben Gesprächen, die Ideen wie Klingen kreuzen. Diese stilistische Choreographie macht das Buch zu einem ästhetischen Erlebnis, dessen Form die Themen intensiviert, statt sie bloß zu illustrieren.

Im thematischen Zentrum stehen Jugend, Schönheit und Zeit – Kräfte, die beflügeln und verführen. Der Roman fragt, wie Identität sich bildet, wenn äußere Wirkung zur Leitwährung wird. Doppelleben, Masken und Spiegel reflektieren den Abstand zwischen Erscheinung und Innerem. Zugleich erkundet Wilde die Dynamik von Einfluss: Worte können betören, Bilder können prägen, Räume können Haltungen erzeugen. Der moralische Kompass der Figuren verschiebt sich nicht durch Predigten, sondern durch Reize, Gewohnheiten und kleine Entscheidungen. Damit zeigt das Buch, wie Ethik und Ästhetik ineinandergreifen, und wie das Streben nach Intensität Gefahren birgt, die erst spät erkennbar werden.

Intertextuell leuchtet die Tradition der Versuchungserzählungen auf, von mythischen Spiegelungen bis zum Motiv des Pakts, ohne dass der Roman in Allegorie aufgehen würde. Das Bild fungiert als stiller Zeuge, als Gegenüber und Gewissen, ein Objekt, das die Grenze zwischen Kunstwerk und Leben problematisiert. In Dorians Kult der Jugend spiegelt sich die Faszination des Fin de Siècle für das Außerordentliche ebenso wie die Angst vor innerem Verfall. Wilde steigert diesen Widerstreit, indem er das Schöne nicht verteufelt, sondern ernst nimmt – als Macht, die erhebt und benebelt, als Maßstab, der begehrt und gefährlich verabsolutiert wird.

Die Veröffentlichungsgeschichte ist Teil der Wirkung: Die Magazinversion von 1890 rief rasch Kontroversen hervor; die erweiterte Buchausgabe von 1891 verschob Akzente und vertiefte Deutungsräume. Das Werk wurde früh als Herausforderung an moralische Standards gelesen und zugleich als glänzende Verteidigung künstlerischer Freiheit gefeiert. Diese Ambivalenz trug zu seiner anhaltenden Präsenz in Debatten über Zensur, Kunst und Verantwortung bei. Im Laufe der Jahrzehnte gewann der Roman an Ansehen, wurde ediert, interpretiert, adaptiert und als Schlüsseltext der Dekadenzliteratur verankert. Seine Lesarten bleiben vielfältig, gerade weil das Buch die Eindeutigkeit verweigert.

Der Einfluss des Romans reicht in zahlreiche Literaturen und Künste. Motive wie das kompromittierte Bild, der geteilte Selbstentwurf und die ästhetische Verführung fanden Widerhall in Erzählungen des modernen Doppellebens, im psychologischen Roman und in Spielarten des Schauer- und Horrorgenres. Bühnen-, Film- und Bildadaptionen zeigen, wie anschlussfähig das Werk ist: Es liefert ikonische Szenen und Gedankenfiguren, die sich neu arrangieren lassen. Autorinnen und Autoren griffen Wildes Verbindung von Stilkult, ethischer Fragwürdigkeit und urbangerichtetem Blick auf, um die Spannungen der Moderne zu untersuchen – zwischen Öffentlichkeit und Intimität, Oberfläche und Tiefe.

Gerade heute, in einer Kultur der Bilder, in der Profile glänzen und Algorithmen Oberflächen glätten, erscheint Das Bildnis des Dorian Gray überraschend gegenwärtig. Der Roman beleuchtet Mechanismen der Selbstinszenierung und fragt, was geschieht, wenn Anerkennung zur Hauptwährung wird. Er sensibilisiert für die Verantwortung hinter dem ästhetischen Urteil und für die Spuren, die Entscheidungen hinterlassen – auch wenn sie zunächst folgenlos scheinen. In Zeiten beschleunigter Jugendlichkeitsnormen und digitaler Spiegelräume lädt Wilde dazu ein, Blick und Gewissen zu schärfen: Welche Rolle spielt Schönheit, und wo beginnt die Pflicht gegenüber dem eigenen Inneren?

Dieses Buch bleibt fesselnd, weil es die Lust am Stil mit der Ernsthaftigkeit moralischer Erkundung verbindet. Es bietet die Eleganz einer makellosen Oberfläche und die Spannung eines gesellschaftlichen Labyrinths, in dem Freiheit, Einfluss und Verantwortung ausgehandelt werden. Leserinnen und Leser begegnen einer Erzählkunst, die verführt, ohne zu schmeicheln, und prüft, ohne zu richten. Die dauerhafte Anziehungskraft liegt in der Offenheit des Textes: Er legt keine Antwort fest, sondern rüstet mit Sensibilität. So zeigt sich, warum Das Bildnis des Dorian Gray ein Klassiker ist – ein Werk, das schön glänzt und klug beunruhigt, gestern wie heute.

Synopsis

Inhaltsverzeichnis

Das Bildnis des Dorian Gray spielt im London des späten 19. Jahrhunderts und verbindet Gesellschaftssatire mit einem psychologischen Porträt. Im Atelier des Malers Basil Hallward entsteht das titelgebende Bildnis eines außergewöhnlich schönen jungen Mannes. Basils Bewunderung für Dorian wird zum Motor der Handlung. Als Lord Henry Wotton die Szene betritt, bringt er verführerische Ideen von Genuss, Jugend und Freiheit ins Spiel. Von Anfang an stehen Kunst, Einfluss und moralische Verantwortung im Spannungsfeld. Die Begegnung dreier Figuren eröffnet Fragen nach Identität und Wirkung von Schönheit. Das Bild wird nicht nur Kunstwerk, sondern ein geheimnisvoller Spiegel des inneren Lebens.

Beim Porträtsitzen entfaltet Lord Henry seine Theorien über flüchtige Jugend und das Recht, jede Erfahrung zu suchen. Dorian, bisher unbeschwert, wird empfänglich für diese Maximen. Der Anblick des vollendeten Bildnisses macht ihm die Vergänglichkeit bewusst. In einem impulsiven Wunsch bittet er um einen Tausch der Last: Möge nicht er altern, sondern das Gemälde. Diese Vorstellung bleibt unausgesprochen magisch, aber sie setzt die Prämisse der Geschichte. Fortan bewundert die Gesellschaft den strahlenden jungen Mann. Gleichzeitig verankert das Bild, verborgen in seinem Hintergrund, die Frage, welche Spuren Entscheidungen hinterlassen. Das Zusammenspiel von äußerer Schönheit und innerem Zustand gewinnt an Gewicht.

Dorian stürzt sich in Londons Vergnügungen und wird zu einer schillernden Figur der Salons. Er idealisiert eine junge Schauspielerin, deren Kunst ihn begeistert und deren Unschuld er verehrt. Die Verbindung der beiden wird zum Prüfstein seiner Vorstellungen von Liebe und Perfektion. Als ein Abend seine Erwartungen erschüttert, reagiert Dorian hart und verletzend. Zurück in seinen Räumen bemerkt er eine feine Veränderung am Gesichtsausdruck des Gemäldes. Diese erste Spur legt nahe, dass das Bildnis Empfindungen und Handlungen registriert. Der Fund verunsichert ihn, zieht ihn aber zugleich an. Er beginnt, das Bild zu verbergen, und betrachtet es als geheimen Maßstab seines Lebens.

Gestärkt durch Bewunderung und Lord Henrys Schlagfertigkeit, vertieft Dorian einen Lebensstil der Reize und Sammlungen. Er experimentiert mit Musik, Düften, Stoffen und exotischen Objekten, immer auf der Suche nach neuen Eindrücken. Gerüchte über fragwürdige Bekanntschaften und zerstörte Beziehungen begleiten ihn, doch sein Erscheinungsbild bleibt makellos jung. Während Freundschaften zerbrechen, verdichtet sich der Mythos um seine Unberührtheit. Das verborgene Bild wird zur stummen Chronik. Jeder Blick darauf scheint eine neue Nuance der Veränderung zu zeigen. Dorian trennt zunehmend äußere Fassade und inneres Empfinden. Das Wechselspiel von Ruf, Maskerade und Gewissen wird zum zentralen Spannungsfeld seines Daseins.

Basil, der Maler, sucht Dorian auf und konfrontiert ihn mit den kursierenden Gerüchten. In einem ernsten Gespräch bittet er um Klarheit über Charakter und Seele seines einstigen Muses. Dorian, getrieben von einer Mischung aus Trotz und Bedürfnis nach Anerkennung, entscheidet sich, dem Freund das verborgene Bild zu zeigen. Die Enthüllung vertieft die Kluft zwischen Selbstbild und Wirklichkeit. Eine heftige Auseinandersetzung folgt, die einen Wendepunkt markiert, ohne unmittelbar ausgesprochen zu werden. Von da an gewinnt Dorians Geheimhaltung eine neue Dringlichkeit. Die Szene verdeutlicht, wie Kunst zum Gewissensspiegel wird, und wie Blick und Urteil anderer die eigene Selbsterzählung destabilisieren.

Dorian versucht, die Folgen seiner Entscheidungen zu kontrollieren, und verstrickt andere in sein Geheimnis. Dabei verschieben sich Loyalitäten und Gewissenserleichterungen in gefährliche Grauzonen. Begegnungen in finsteren Vierteln, diskrete Abmachungen und ein wachsendes Bedürfnis nach Vergessen prägen seinen Alltag. Zugleich tritt eine Figur auf, die mit leidenschaftlicher Entschlossenheit nach Aufklärung sucht und Dorian zu verfolgen beginnt. Diese Bedrohung von außen verstärkt seine innere Unruhe. Die parallel laufenden Spannungsstränge verdichten das Gefühl, dass sein doppeltes Leben kaum aufrechtzuerhalten ist. Der Druck von Gerücht, Erinnerung und unmittelbarer Gefahr lässt die fragile Balance zwischen Fassade und Wahrheit weiter erodieren.

Lord Henry bleibt ein permanenter Einflussfaktor und liefert aphoristische Deutungen, die Genuss über Reue stellen. Dorian beginnt dennoch, die Tragweite seiner Wahlverwandtschaft zu hinterfragen. Ein Versuch, besser zu handeln, soll beweisen, dass Wandel möglich ist. Doch die Reaktion des Bildes bleibt ambivalent und lässt offen, ob gute Absichten frühere Taten aufwiegen können. So verschiebt sich der Blick von äußerem Skandal hin zu innerer Bilanz. Die Erzählung erkundet Verantwortung, Selbsttäuschung und die Macht von Ideen. Dorian steht zwischen dem verlockenden Versprechen eines erneuerten Lebens und der Einsicht, dass Konsequenzen sich nicht beliebig aus der Welt schaffen lassen.

In der Abgeschlossenheit eines verriegelten Zimmers wächst Dorians Besessenheit vom Bild. Es wird zum Kompass seines Selbstverständnisses und zugleich zur Quelle anhaltender Furcht. Der Kontrast zwischen unversehrtem Äußeren und der sich wandelnden Darstellung schafft eine klaustrophobische Atmosphäre. Rückblicke auf frühe Reinheit und auf Begegnungen, die Weichen stellten, schärfen das Bewusstsein für verpasste Alternativen. Einsamkeit und Misstrauen isolieren ihn von echten Bindungen. Die Zeit scheint an ihm vorbeizuziehen, ohne ihn zu berühren, doch die stumme Chronik widerspricht der Illusion der Folgenlosigkeit. Damit bereitet die Handlung eine Entscheidung vor, die nicht länger aufgeschoben werden kann.

Am Ende drängt die Logik der Ereignisse Dorian zu einem endgültigen Schritt im Umgang mit seinem Geheimnis. Was als ästhetisches Spiel begann, mündet in eine ernste Abrechnung mit dem eigenen Gewissen. Die Auflösung wahrt die innere Konsequenz der Prämisse, ohne die Faszination des Rätsels zu zerstören. Deutlich wird die zentrale Aussage des Romans: Schönheit ohne Moral birgt Zerstörung, Einfluss formt Verantwortung, und Selbstbild kann Wahrheit nicht dauerhaft ersetzen. Das Bildnis des Dorian Gray verknüpft Kunst, Ethik und Identität zu einer konzentrierten Studie über Verführung und Wahl. Die Geschichte endet konsequent dort, wo Entscheidung und Spiegelbild zusammenfallen.

Historischer Kontext

Inhaltsverzeichnis

Das Bildnis des Dorian Gray ist im London der späten viktorianischen Epoche angesiedelt, einem Zentrum imperialer Macht, industriellen Reichtums und scharfer sozialer Gegensätze. Die Handlung bewegt sich zwischen den luxuriösen Salons des West End – Mayfair, Grosvenor Square, Pall Mall – und den dunklen, feuchten Straßen nahe den Docks im East End, wo Opiumhöhlen und billige Theater gedeihen. Gaslicht, dichter Nebel und neue städtische Infrastrukturen erzeugen eine Atmosphäre, in der Diskretion und Doppelrollen lebenswichtig sind. Dorian verfügt zudem über ein Landgut (Selby Royal), was die Verbindung von städtischer Dekadenz und ländlicher Erbtradition im Großbritannien der 1890er Jahre spiegelt.

Zeitlich stehen die Magazinveröffentlichung 1890 und die erweiterte Buchausgabe von 1891 am Ende von Queen Victorias Regierungszeit (1837–1901). London war damals eine Megastadt, deren West End mit Clubs, Kunsthändlern und Auktionshäusern der Aristokratie und wohlhabenden Bürgerschaft diente, während der East End Armut, Migration und Kriminalität bündelte. Der Fluss der kolonialen Waren – Gewürze, Textilien, Edelsteine und Opium – prägte Lebensstil und Konsum der Eliten. Theater im Umfeld von Covent Garden und auf Nebenbühnen boten Unterhaltung, aber auch moralische Angriffsflächen. Diese Orte sind nicht bloße Kulisse, sondern Kondensate konkreter sozialgeschichtlicher Spannungen.

Die moralische Reglementierung des Körpers prägte das Großbritannien der 1860er bis 1890er Jahre. Die Contagious Diseases Acts (1864, 1866, 1869) erlaubten polizeiliche Zwangsuntersuchungen mutmaßlicher Prostituierter in Garnisonsstädten; die Frauenrechtlerin Josephine Butler mobilisierte dagegen eine landesweite Kampagne. 1886 wurden die Gesetze aufgehoben, doch der Druck der Social Purity Movement blieb. Diese Politik schuf eine Kultur der Überwachung, die Frauen in Unterhaltung und Dienstleistung stigmatisierte. Im Roman trifft Dorian auf die junge Schauspielerin Sibyl Vane in einem heruntergekommenen Theater – eine Konstellation, die den zeitgenössischen Verdacht gegen Bühnenberufe und die Gefährdung weiblicher Reputation im urbanen Vergnügungssektor reflektiert.

Die Zensurpraxis folgte dem Hicklin-Test aus dem Urteil Regina v. Hicklin (1868): Ein Werk galt als obszön, wenn es tendenziell jene „verderben“ konnte, die am leichtesten beeinflussbar seien. Dieses weit gefasste Kriterium beeinflusste Verlage, Leihbibliotheken und Buchhändler. W. H. Smith und Mudie’s Select Library (gegründet 1842) setzten moralische Standards, indem sie „anstößige“ Titel boykottierten. Lippincott’s Monthly Magazine (Philadelphia) druckte Dorian Gray am 20. Juni 1890 in einer von Redakteur J. M. Stoddart gekürzten Fassung, um britischen und amerikanischen Obszönitätsnormen zu genügen. Die spätere Buchausgabe 1891 wurde von Oscar Wilde überarbeitet – eine Reaktion auf den juristisch aufgeladenen öffentlichen Diskurs.

Am stärksten prägte die Kriminalisierung männlicher gleichgeschlechtlicher Kontakte das Umfeld des Romans. Der Criminal Law Amendment Act von 1885, insbesondere Section 11 (der sogenannte Labouchere-Zusatz, benannt nach Henry Labouchere), stellte „grobe Unzucht“ zwischen Männern – selbst im Privatbereich – unter Strafe von bis zu zwei Jahren Zuchthaus mit harter Arbeit. Das Gesetz wurde am 14. August 1885 verabschiedet, als Teil eines Pakets, das auch das Schutzalter für Mädchen von 13 auf 16 Jahre anhob. Diese rechtliche Verschärfung erzeugte eine Atmosphäre latenter Angst und Erpressbarkeit in Metropolen wie London. Der Roman evoziert diese Gefahr in Dorians doppelt geführtem Leben, das Diskretion, Codes und Rückzugsräume verlangt.

Die Cleveland-Street-Affäre (1889) verschärfte den moralischen Alarm. In einem Haus in der 19 Cleveland Street, Fitzrovia, betrieb Charles Hammond ein männliches Bordell, in dem Telegraphenboten als Prostituierte dienten. Ermittlungen der Metropolitan Police deckten ein Netz von Kunden auf, das bis in die oberen Klassen reichte; der Name Lord Arthur Somerset kursierte, und es gab hartnäckige Gerüchte über Verbindungen zum Umfeld von Prinz Albert Victor. Obwohl vieles vertuscht wurde, blieb die Botschaft unmissverständlich: London beobachtete, notierte, skandalisierte. Diese Affäre, nur ein Jahr vor Dorians Erstveröffentlichung, bildet den historischen Resonanzraum für die im Roman dargestellte Furcht vor öffentlicher Bloßstellung und sozialem Ruin.

1895 eskalierte die Repression im Fall Oscar Wilde. Nachdem der Marquess of Queensberry ihn der „Posing as a sodomite“ bezichtigt hatte, scheiterte Wildes Verleumdungsklage am 5. April 1895. Er wurde noch am selben Tag verhaftet; die Strafverfahren Regina v. Wilde & Taylor (April–Mai 1895) endeten am 25. Mai mit zwei Jahren Zuchthaus. Passagen aus Dorian Gray wurden vor Gericht verlesen, um moralische Verderbnis zu insinuieren. Obwohl die Romanfassung von 1890/91 vorausging, prägten das 1885er Gesetz und die Skandalmechanik der 1890er Jahre seine Entstehung und Rezeption. Dorians Angst, seine Netzwerke und Zufluchtsorte spiegeln konkret die Risiken, die Männer in Wildes sozialem Radius real tragen mussten.

Die Whitechapel-Morde von 1888, dem „Jack the Ripper“ zugeschrieben, erschütterten London. Zwischen dem 31. August und 9. November 1888 wurden mindestens fünf Frauen – Mary Ann Nichols, Annie Chapman, Elizabeth Stride, Catherine Eddowes und Mary Jane Kelly – im East End brutal getötet. Die Metropolitan Police (CID seit 1878) stand unter massivem Druck; die Boulevardpresse verstärkte Panik und Voyeurismus. Die Verbrechen machten die soziale Kluft zwischen West und East End sichtbar. Dorians nächtliche Wege in Opiumhöhlen nahe den Docks rufen genau dieses Milieu wach: ein Labyrinth aus Armut, Gewalt und Anonymität, das die respektable Fassade der West-End-Gesellschaft scharf kontrastiert.

Die Präsenz von Opiumhöhlen in London war eine Folge imperialer Handelsströme. Nach dem Ersten (1839–1842) und Zweiten Opiumkrieg (1856–1860) erzwang Großbritannien mit Verträgen wie Nanking (1842) Handelsprivilegien in China; Hongkong wurde britische Kolonie. Opium aus Britisch-Indien und globaler Warenverkehr förderten Konsum und Missbrauch im Empire. In Stadtteilen wie Limehouse und entlang der Docks entstanden Etablissements, die das Exotische vermarkteten. Dorians Fluchten in solche Räume verbinden persönliche Dekadenz mit imperialen Ökonomien: Der Rausch ist nicht nur psychologisch, sondern historisch vermittelt durch Kolonialpolitik, Handelskompanien und die Verfügbarkeit einschlägiger Substanzen im viktorianischen London.

Politisch war das Königreich durch Reformen im Umbruch. Der Third Reform Act (1884) und der Redistribution of Seats Act (1885) erweiterten das Wahlrecht für männliche Hausvorstände in Städten und ländlichen Gebieten und veränderten Wahlkreiszuschnitte. Dennoch behielt die Aristokratie über Vermögen, Grundbesitz und das Oberhaus großen Einfluss. Primogenitur und Erbgesetze sicherten Landgüter wie Dorians fiktives Selby Royal. Die Handlung zeigt Privilegien: Diskrete Clubs, Kunsthandel, Jagdsaisons. Dorians Status gewährt Schutz vor Konsequenzen, die weniger Begüterte vernichten würden. So spiegelt die Figur die politische Realität einer Schicht, die trotz Demokratisierung weitgehend unangetastete soziale Immunität genoss.

Oscar Wilde stammte aus Dublin (geb. 1854) und war Zeitzeuge des irischen Verfassungskonflikts. Die Landkrise und der Land War (1879–1882) destabilisierten Irland; 1882 erschütterten die Phoenix-Park-Morde Dublin. Die Home-Rule-Bewegung mündete in Gesetzesinitiativen 1886 und 1893, beide scheiterten am Oberhaus. Der Fall Charles Stewart Parnell – zunächst 1890 durch eine Affäre diskreditiert, 1891 gestürzt und im selben Jahr verstorben – offenbarte, wie moralische Skandalisierung politische Karrieren zerstören konnte. Dieses Muster der öffentlichen Tugendpose gegenüber privater Verfehlung rahmt Dorian Gray: Das Buch zeigt, wie Ruf und Macht von moralischen Kampagnen abhängen, die selektiv und klassengebunden wirken.

Zeitgenössische Debatten über „Degeneration“ verbanden Medizin, Kriminalistik und Sozialpolitik. Francis Galton prägte 1883 den Begriff Eugenik; Cesare Lombroso popularisierte seit 1876 die Idee angeborener Kriminalität. Max Nordaus Degeneration (1892–1893) attackierte städtische Nervosität, Luxus und vermeintliche Entartung als gesellschaftliche Krankheit. Diese Diskurse legitimierten Überwachung, Disziplinierung und Aussonderung „gefährlicher“ Klassen. Dorians unversehrtes Äußeres bei innerer Verderbnis spiegelt die Obsession mit Zeichen des moralischen Zustands. Das „Porträt“ fungiert als makabre Gegenphysiognomie: Nicht Gesicht und Körper, sondern ein verborgenes Bild trägt die Spuren des Lasters – eine ironische Kommentierung pseudowissenschaftlicher Gewissheiten.

Die Theaterwelt des späten 19. Jahrhunderts stand unter Aufsicht des Lord Chamberlain (Theatres Act 1843), der Stücke lizenzierte und zensierte. Obwohl Stars wie Henry Irving (geadelt 1895) und Ellen Terry das Renommee des Berufes hoben, galten Schauspielerinnen in niederen Häusern als moralisch gefährdet. Geringe Gagen, unsichere Engagements und Abhängigkeit von Impresarios prägten das Milieu. Im Roman symbolisiert Sibyl Vane diese Prekarität: Ihr Talent kollidiert mit Armut, männlicher Kontrolle und öffentlicher Bewertung. Dorians und Lord Henrys souveräne West-End-Perspektive auf die Bühne verdeutlicht die Klassengrenze, die kulturellen Genuss ermöglicht, aber die Lebensrisiken der Darbietenden unsichtbar macht.

Die Konsumkultur explodierte in den 1880er/90er Jahren. Kaufhäuser wie Liberty (gegründet 1875) und expandierende Luxusgeschäfte in der Bond Street befeuerten Begehrlichkeiten für Textilien, Parfums, Juwelen und Kunsthandwerk. Das South Kensington Museum (ab 1852, später Victoria and Albert Museum) förderte das Sammeln dekorativer Künste. Koloniale und mittelalterliche Objekte strömten auf den Markt. Dorians Sammeltrieb – Edelsteine, Instrumente, Stoffe, liturgische Gewänder – verweist auf reale Handelskanäle und Auktionskultur. Die materielle Üppigkeit im Roman ist politisch: Sie hängt an imperialen Ausbeutungsstrukturen und einer Ökonomie der Sichtbarkeit, die Status in Warenform kleidet und moralische Fragen ästhetisch kaschiert.

Die Presse- und Vertriebslandschaft regulierte Inhalte faktisch. Mudie’s Select Library und W. H. Smith entschieden durch Ankaufspolitik über Reichweite; moralische Skandale trieben Auflagen. Lippincott’s Monthly Magazine, ein US-Blatt mit Londoner Redaktion, gewann 1889 in einer bekannten Langham-Hotel-Runde Aufträge von Arthur Conan Doyle und Oscar Wilde; Dorian Gray erschien am 20. Juni 1890. Britische Rezensenten attackierten das Werk als „unanständig“, was die 1891er Buchfassung mit einem programmatischen Vorwort und Änderungen beantwortete. Diese Infrastruktur – transatlantische Magazine, Leihbibliotheken, Zensurrisiken – formte nicht nur die Veröffentlichung, sondern beeinflusste inhaltliche Entscheidungen, Anspielungsdichte und Diskretion.

Der Roman fungiert als Diagnose einer Gesellschaft, die Respektabilität juristisch und sozial durchsetzt, aber strukturelle Heuchelei belohnt. Er legt offen, wie Klassenvorteile – Vermögen, Clubs, private Häuser – Schutz vor Nachforschungen bieten, während Armut sichtbar, kontrollierbar und strafbar bleibt. Die Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher Begegnungen (1885) und der moralische Voyeurismus der Presse rahmen Dorians Angstökonomie. Zugleich kritisiert das Buch die imperiale Konsumkette: Exotische Rauschmittel und Luxusgüter verschönern das Leben der Eliten, während die Kosten in den Kolonien und den Slums anfallen. Die Differenz zwischen öffentlicher Tugend und privater Ausschweifung wird als Systemfehler kenntlich.

Als politische Intervention entlarvt das Werk die Gewalt einer Norm, die Sexualität, Klasse und Geschlecht ungleich sanktioniert. Sibyl Vanes Absturz verweist auf die Verwundbarkeit arbeitender Frauen in einem paternalistischen Rechts- und Sittensystem. Dorians Straflosigkeit kontrastiert mit der Post-1885-Justiz, die „grobe Unzucht“ drakonisch ahndet und zugleich männliche Aristokraten abschirmt. Die Topografie – West End gegen East End – übersetzt soziale Ungleichheit in Stadtraum. Indem das Porträt die verborgenen Kosten von Luxus, Schönheitskult und imperialem Zugriff sichtbar macht, kritisiert der Roman die politische Ökonomie seiner Zeit: ein Regime der Fassade, das Leid externalisiert und Moral als Herrschaftstechnik benutzt.

Autorenbiografie

Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Oscar Wilde (1854–1900) war ein irischer Dramatiker, Romanautor, Lyriker und Essayist, dessen blendender Witz und ästhetische Radikalität das britische und europäische Fin de Siècle prägten. Bekannt wurde er vor allem durch The Picture of Dorian Gray sowie durch die Bühnenkomödien Lady Windermere's Fan, An Ideal Husband und The Importance of Being Earnest. Wilde verband formale Eleganz, Paradoxie und Satire zu einer unverwechselbaren Kunst der Pointierung. Öffentliche Verehrung schlug später, infolge von Prozessen und Haft, in moralische Ächtung um. Gleichwohl behielt sein Werk nachhaltige Wirkung: Es steht für die Autonomie der Kunst, urbane Ironie und die intellektuelle Freiheit des Einzelnen.

Bildung und literarische Einflüsse

Wilde wurde in Dublin geboren und besuchte die Portora Royal School in Enniskillen, bevor er am Trinity College Dublin Klassische Philologie studierte. Herausragende Leistungen trugen ihm Stipendien und Auszeichnungen ein, darunter der Newdigate Prize für das Gedicht Ravenna. Ein weiteres Studium am Magdalen College in Oxford vertiefte seine Kenntnisse der Antike und der Renaissance. Prägend wirkten dort die Lehrveranstaltungen von John Ruskin, der die soziale Verantwortung von Kunst betonte, und die Schriften Walter Paters, die den Kult der Schönheit und der Intensität des Erlebens formulierten. In Oxford entwickelte Wilde seine Haltung als Dandy und Ästhet in bewusster Opposition zur viktorianischen Nützlichkeitsmoral.

Seine intellektuelle Formierung speiste sich aus der griechischen Klassik, aus Renaissance-Humanismus und aus zeitgenössischem Ästhetizismus. Wilde bewunderte eine stilbewusste, kunstvolle Prosa und pflegte die Tradition des Dialogs, in dem Ideen als glänzende Konstellationen erscheinen. Der Einfluss Paters schärfte seinen Sinn für das autonome Kunstwerk, während Ruskin ihn lehrte, ästhetische Fragen im Licht gesellschaftlicher Verhältnisse zu betrachten. Hinzu kamen französische Strömungen der Dekadenz und Symbolik, deren kultivierte Künstlichkeit und Sinn für das Paradoxe er produktiv aufnahm. Aus diesen Quellen formte Wilde eine Haltung, die moralische Urteile suspendiert, um dem Stil, der Maske und der Imagination Primat zu gewähren.

Literarische Laufbahn

Nach dem Studium etablierte sich Wilde in London als Autor, Vortragender und scharfsinniger Kulturbeobachter. Mit der Gedichtsammlung Poems profilierte er sich zunächst als Lyriker. Eine ausgedehnte Vortragsreise durch die Vereinigten Staaten und Kanada in den frühen 1880er-Jahren machte ihn als Anwalt des Ästhetizismus einem breiten Publikum bekannt. Neben Essays und Rezensionen übernahm er die Redaktion der Zeitschrift The Woman's World, die er intellektuell ambitionierter ausrichtete. Wildes öffentliche Persona als Dandy – sorgfältig inszeniert, geistreich und widersetzlich gegenüber Konventionen – wurde dabei zum integralen Bestandteil seiner literarischen Marke.

Seine Prosawerke kombinierten Märchenhaftes, Ironie und moralische Ambivalenz. The Happy Prince and Other Tales vereinte kunstvoll komponierte Erzählungen, die Mitgefühl und ästhetische Strenge verbanden; A House of Pomegranates variierte dieses Verfahren mit dunklerer Tonlage. The Picture of Dorian Gray erschien zunächst in einer Zeitschriftenfassung und später erweitert als Buch. Das Werk löste Debatten über Dekadenz, Kunst und Moral aus. Wilde verteidigte die Autonomie der Fiktion, etwa in einem prägnanten Vorwort voller Aphorismen. Die Spannung zwischen ethischer Anfechtung und stilistischer Brillanz machte den Roman zu einem Schlüsseltext des europäischen Ästhetizismus.

In den 1890er-Jahren wandte sich Wilde mit großem Erfolg dem Theater zu. Lady Windermere's Fan, A Woman of No Importance, An Ideal Husband und The Importance of Being Earnest verbanden funkelnde Epigramme mit fein kalibrierten Plots. Sie entlarvten gesellschaftliche Konventionen, ohne psychologische Glaubwürdigkeit preiszugeben. Kritiker lobten die perfekte Form, das dialogische Tempo und die schneidende Satire; das Publikum honorierte den Witz und die elegante Oberflächenkunst. Besonders The Importance of Being Earnest gilt als komisches Meisterstück, in dem Identität, Maske und Wahrheit kunstvoll gegeneinander ausgespielt werden. Wilde avancierte damit zum führenden Dramatiker der Londoner Bühne.

Parallel zu den Bühnenarbeiten verfeinerte Wilde seine ästhetische Theorie in essayistischen Dialogen wie The Decay of Lying und The Critic as Artist. Dort trat er für Erfindungskraft, Stil und den Vorrang der Imagination gegenüber „faktischer“ Wirklichkeit ein. Während der literarische Erfolg wuchs, wurde die öffentliche Wahrnehmung ambivalenter: Dorian Gray provozierte moralische Einwände, die Komödien hingegen fanden breite Zustimmung. In der Mitte der 1890er-Jahre führten Prozesse wegen sogenannter Unzucht zu seiner Verurteilung und unterbrachen die Karriere abrupt. Aufführungen wurden beeinträchtigt, und die Reputation erlitt schweren Schaden. Das Werk selbst entfaltete jedoch, jenseits der Skandale, weiterhin Wirkung.

Überzeugungen und Engagement

Zentral für Wilde war die Überzeugung, dass Kunst ihrer eigenen Logik folgt und nicht als moralisches Lehrmittel zu dienen hat. Sein Ästhetizismus ist kein bloßer Luxus des Stils, sondern eine Philosophie der Wahrnehmung: Kunst schafft die Formen, in denen Wirklichkeit erkennbar wird. In dialogischen Essays verteidigte er die Fiktion gegen einen reduktiven Realismus und erhob das Paradox zur kritischen Technik. Der kultivierte Schein, die Maske, wird bei Wilde zur Wahrheit eigener Art. Diese Haltung prägt die scharfe Pointierung seiner Komödien ebenso wie die ambivalente Ethik von Dorian Gray.

In The Soul of Man Under Socialism entwarf Wilde eine provokante Variante des Individualismus. Er kritisierte karitative Alibis, die strukturelle Not verfestigen, und entwarf eine Gesellschaft, in der Zwangsarbeit und entwürdigende Armut abgeschafft sind. Kunst und Persönlichkeit sollten in Freiheit gedeihen, nicht als Prestigeobjekte, sondern als Ausdruck schöpferischer Selbstentfaltung. Diese Gedanken verbinden ästhetische Autonomie mit sozialer Sensibilität. Sie erklären, weshalb Wilde öffentliche Moralismen misstraute, jedoch menschliches Leid – besonders institutionell erzeugtes – scharf verurteilte. Sein Ideal zielte auf Bedingungen, unter denen Kreativität und Mitgefühl nicht im Widerspruch stehen.

Wildes öffentliches Auftreten verband Witz und Widerstand. Mit Epigrammen attackierte er die Heuchelei des späten Viktorianismus und behauptete das Recht auf Selbstbestimmung. Nach der Haft artikulierte er, in Briefen und literarischen Arbeiten, eine eindringliche Kritik an den Zuständen im Gefängnissystem. Die Ballad of Reading Gaol gab den Entrechteten eine Stimme und machte grausame Routinen sichtbar. Ohne programmatische Kampagnen zu organisieren, prägte er Debatten über Freiheit der Ausdrucksformen, sexuelle Selbstbestimmung und die humane Behandlung von Gefangenen. Sein Engagement lag in der Macht des Wortes und in der Darstellung von Leid, das politische Aufmerksamkeit erzwingt.

Letzte Jahre und Vermächtnis

Die Verurteilung 1895 zu zwei Jahren Zuchthausarbeit zerstörte Wildes Gesundheit und Lebensumstände. Während der Haft, unter anderem in Reading, entstand der lange Brief, der später als De Profundis bekannt wurde. Nach seiner Entlassung lebte er überwiegend auf dem europäischen Festland, zurückgezogen und finanziell eingeschränkt. Die Ballad of Reading Gaol erschien kurz darauf unter dem Kürzel C.3.3. und fand große Beachtung. Das Gedicht vereint formale Disziplin mit einer ethischen Anklage gegen entwürdigende Strafpraxis. Trotz einzelner Unterstützer blieb die gesellschaftliche Rehabilitierung aus; doch literarisch zeigte Wilde, dass sein Ton und sein moralischer Ernst geschärft zurückgekehrt waren.

Wilde starb 1900 in Paris. Zeitgenössische Reaktionen schwankten zwischen Mitleid, Befangenheit und anhaltender Distanz. Im Verlauf des 20. Jahrhunderts setzte eine umfassende Neubewertung ein: Die Komödien gehören zum Kanon des englischsprachigen Theaters, Dorian Gray wurde weltweit diskutiert und vielfach adaptiert, die Ballad prägte die Literatur über Gefängnis und Recht. Wildes Leben und Werk wurden für Debatten über künstlerische Autonomie, moderne Identitätskonzepte und die Geschichte der Verfolgung homosexueller Menschen bedeutsam. Spätere Generationen bewunderten seine Kunst der Pointe, die Eleganz des Dialogs und den Mut, gegen normierende Moral ästhetische Freiheit zu behaupten.

Das Bildnis des Dorian Gray

Hauptinhaltsverzeichnis
Vorbekenntnis
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebentes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Siebzehntes Kapitel
Achtzehntes Kapitel
Neunzehntes Kapitel
Zwanzigstes Kapitel

Vorbekenntnis

Inhaltsverzeichnis

Der Künstler ist der Schöpfer schöner Dinge.

Kunst zu offenbaren und den Künstler zu verbergen, ist die Aufgabe der Kunst.

Ein Kritiker ist, wer seinen Eindruck von schönen Dingen in eine andere Form oder in einen anderen Stoff zu übertragen vermag.

Die höchste wie die niederste Form der Kritik ist eine Art Autobiographie.

Wer in schönen Dingen einen häßlichen Sinn findet, ist verderbt, ohne anmutig zu sein. Das ist ein Fehler.

Wer in schönen Dingen einen schönen Sinn findet, hat Kultur. Er berechtigt zu Hoffnungen.

Das sind die Auserwählten, für die schöne Dinge lediglich Schönheit bedeuten.

Ein moralisches oder unmoralisches Buch gibt's überhaupt nicht. Bücher sind gut oder schlecht geschrieben. Sonst nichts.

Die Abneigung des neunzehnten Jahrhunderts gegen den Realismus ist die Wut Calibans, der sein eigenes Gesicht im Spiegel erblickt.

Die Abneigung des neunzehnten Jahrhunderts gegen die Romantik ist die Wut Calibans, der sein eigenes Gesicht im Spiegel nicht sieht.

Das sittliche Dasein des Menschen liefert dem Künstler einen Teil des Stoffgebietes, aber die Sittlichkeit der Kunst besteht im vollkommenen Gebrauch eines unvollkommenen Mittels.

Kein Künstler empfindet das Verlangen, etwas zu beweisen. Selbst Wahrheiten können bewiesen werden.

Kein Künstler hat ethische Neigungen. Eine ethische Neigung beim Künstler ist eine unverzeihliche Manieriertheit des Stils.

Kein Künstler ist an sich krankhaft. Der Künstler kann alles aussprechen.

Gedanken und Sprache sind für den Künstler Werkzeuge einer Kunst.

Laster und Tugend sind für den Künstler Stoffe einer Kunst.

Was die Form betrifft, so ist die Kunst des Musikers die Urform aller Künste. Was das Gefühl betrifft, so ist der Beruf des Schauspielers diese Urform.

Alle Kunst ist gleichzeitig Oberfläche und Symbol.

Wer unter der Oberfläche schürft, tut es auf eigene Gefahr.

Wer das Symbol herausdeutet, tut es auf eigene Gefahr.

In Wahrheit wird der Betrachter und nicht das Leben abgespiegelt.

Meinungsunterschiede über ein Kunstwerk beweisen seine Neuheit, Vielfältigkeit und Lebenskraft.

Sind die Kritiker uneinig, so ist der Künstler einig mit sich selbst.

Man kann einem Menschen verzeihen, daß er etwas Nützliches schafft, solang er es nicht bewundert. Die einzige Entschuldigung für den, der etwas Nutzloses schuf, besteht darin, daß es äußerst bewundert wird.

Alle Kunst ist völlig nutzlos.

Erstes Kapitel

Inhaltsverzeichnis

Das Atelier schwamm in einem starken Rosendufte, und wenn der leichte Sommerwind die Bäume im Garten wiegte, so floß durch die offene Tür der schwere Geruch des Flieders herein oder der zartere Duft des Rotdorns.

Aus der Ecke seines Diwans[2] mit persischen Satteltaschen, auf dem Lord Henry Wotton lag und wie gewöhnlich unzählige Zigaretten rauchte, konnte er gerade noch den Schimmer der honigsüßen und honigfarbigen Blüten eines Goldregenstrauches wahrnehmen, dessen zitternde Zweige nur seufzend die Last einer so flammenden Schönheit zu tragen schienen, und dann und wann huschten die phantastischen Schatten vorbeifliegender Vögel über die langen bastseidenen Vorhänge, die vor das große Fenster gezogen waren. Das gab einen Augenblick lang eine Art japanischer Stimmung und ließ den Lord an die bleichen, nephritgelben Maler der Stadt Tokio denken, die mit Hilfe einer Kunst, die notwendigerweise erstarrt genannt werden muß, das Gefühl von Schnelligkeit und Bewegung hervorzubringen suchen. Das tiefe Gesumme der Bienen, die ihren zweifelnden Flug durch das hohe, ungemähte Gras nahmen oder mit eintöniger Zähigkeit um die bestaubten Goldtrichter des wuchernden Geißblattes kreisten, ließ die Stille noch drückender scheinen. Das dumpfe Brausen Londons murrte dazu wie die Baßtöne einer fernen Orgel.

In der Mitte des Gemaches stand auf einer hoch aufgestellten Staffelei das lebensgroße Bildnis eines außerordentlich schönen Jünglings, und ihm gegenüber, ein paar Schritte entfernt, saß sein Schöpfer, der Maler Basil Hallward, dessen plötzliches Verschwinden vor einigen Jahren bei der Menge so viel Aufsehen gemacht und zu so vielen seltsamen Vermutungen Anlaß gegeben hatte.

Während der Maler die anmutige und liebenswürdige Gestalt betrachtete, die seine Kunst so prachtvoll wiedergespiegelt hatte, huschte ein freudiges Lächeln über sein Gesicht und schien dort verweilen zu wollen. Plötzlich aber fuhr er auf, schloß die Augen und preßte die Lider mit den Fingern zu, als fürchte er, aus einem absonderlichen Traume zu erwachen, und als suche er ihn im Gehirn einzuschließen.

»Es ist dein bestes Werk, Basil, das beste, was du jemals gemacht hast[1q]«, sagte Lord Henry schläfrig-müde. »Du mußt es nächstes Jahr unbedingt ins Grosvenor[1] schicken. Die Akademie ist zu groß und zu gewöhnlich. Jedesmal, wenn ich hinging, waren entweder so viele Leute da, daß ich die Bilder nicht sehen konnte, und das war schlimm, oder so viel Bilder, daß ich die Leute nicht sehen konnte, und das war noch schlimmer. Das Grosvenor ist der einzig richtige Platz.«