Das dicke Ende - Burkhard Jahn - E-Book

Das dicke Ende E-Book

Burkhard Jahn

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Beschreibung

Schon wieder ein Buch übers Dicksein? Steht davon nicht schon eine ganze Phalanx in den Buchhandlungen? Eines wie dieses eben nicht. Sonst gäbe es bereits deutlich weniger Dicke. Ein Leben mit massivem Übergewicht bringt massive Beeinträchtigungen mit sich: Von alltäglicher Diskriminierung und schlechten Chancen auf dem Arbeits- und Partnermarkt bis hin zu ernsten gesundheitlichen Problemen und ­einer deutlich reduzierten Lebens­erwartung. Das dicke Ende nimmt neben der medizinischen auch die soziale, wirtschaftliche und emotionale Komponente ins Visier. Es verbindet den argumentativen Weitblick und die thematische Tiefe eines Sachbuchs mit dem Nutzwert eines Ratgebers, indem es nicht nur zum Umdenken anregt, sondern dort, wo es angebracht und sinnvoll ist, konkrete Hilfestellungen bietet.

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Dr. med. Burkhard Jahn

Das dicke Ende

Warum Sie dick sind.Warum es nicht so bleiben darf.Wie Sie abnehmen.

DR. MED. BURKHARD JAHN

DAS DICKE

ENDE

Warum Sie dick sind. Warum es nichtso bleiben darf. Wie Sie abnehmen.

In den Fallbeispielen aus der Praxis sind immer mehrere Patientengeschichten zusammengeflossen. Die Namen der Personen wurden vom Autor geändert.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde auf die Anführung von Quellenverweisen im Fließtext verzichtet. Eine Aufstellung der zitierten Werke finden Sie im Anhang.

Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Datensind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung und Verbreitung sowie der Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme gespeichert, verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden.

1. Auflage 2015© 2015 Braumüller GmbHServitengasse 5, A-1090 Wien

www.braumueller.at

Lektorat: Senta WagnerCoverillustration: © Giovanni Cancemi / shutterstockISBN Printausgabe: 978-3-99100-148-5ISBN E-Book: 978-3-99100-149-2

Gewidmet meiner Frau Ingrid, die mich fürdas Thema „Übergewicht“ in all seinen Facettenerst sensibilisiert hat und ohne deren Hilfe undMitarbeit dieses Buch nie erschienen wäre.

Inhalt

Vorwort

IWARUM SIE DICK SIND. WARUM ES NICHT SO BLEIBEN DARF.

Was Sie Ihrem Körper wirklich antun

Tacheles reden

Voll auf die Knochen

Der Mount Everest vor der Wohnungstür

Zuckermäulchen und süßes Blut

Zum Aus-der-Haut-Fahren

Doppeltes Risiko

Es sind nicht immer die Hormone oder die Gene

Die Schilddrüse als Ursache: kann sein, muss aber nicht!

Die Ausrede mit den Genen gilt nicht mehr

Der Schwindel mit dem Body-Mass-Index

Macht Stress dick?

Sage mir, was du isst – und ich sage dir, was du wiegst!

Partnerschaft und sexuelle Anziehungskraft

Partnerspiele

Das Gesetz der Proportionen

Der erste Eindruck

Fett im Bett

Lady in Black

Klamotten, Gaffer und soziale Ausgrenzung

Nadelstiche

Mit Dicken will keiner spielen

Dicke sind doch selbst schuld!

XXXXL

Der einzige Ausweg

Berufsleben und Karriereleiter

Vom Babyspeck zum Kummerspeck

Der Fettleibigkeitseffekt

Abschwungmasse

Noch eine Chance für Wonneproppen

Wie Übergewicht die Geldbörsen sprengt

Alles extra

Am Rande des Zusammenbruchs

Darf’s ein bisschen mehr sein?

Einer für alle, alle für einen?

IIWIE SIE ABNEHMEN.

Seele repariert Körper

Der Zug des Lebens

Symptome der Seele

Ungehörte Hilferufe

Die Visualisierung

Was ist Ihr Ziel?

Ihr Lebensbuch

Schritt für Schritt

Sie brauchen keine Diät

Die Kunst des Abnehmens

Im Diätfieber

Warum alle Diäten FdH-Diäten sind

Ultima Ratio?

Schnitt ins Leben

Warum Sie es nicht allein schaffen

Tunnelblick versus Überblick

Der Coach ist kein Dompteur

Treppenmodell oder zyklisches Modell?

Sieg der Stehaufmännchen

Keine willenlose Gliederpuppe

So essen Sie sich schlank

Feind Insulin

Ihr Leben als Kohlenhydrate-Esser

Ihr Freund, das Eiweiß

Keine Angst vor Fett

Vielfalt auf dem Teller

So bleiben Sie dauerhaft schlank und gesund

Das Fett – eine Karriere

Die Sünden der Ernährung

Was heißt eigentlich bio?

Nicht ohne Vitamine und Mineralstoffe

Sekundäre Pflanzenstoffe als Genussmittel

Sport ist Mord ist Quatsch

Schluss

Weiterführende Literatur

Vorwort

Dieses Buch ist anders. Sie haben keinen Diätratgeber in der Hand, in dem ich Ihnen erzähle, wie Sie Ihre Ernährung umstellen müssen, um endlich abzunehmen. Nein, ich werde mit Ihnen in diesem Buch zum Kern des Problems Übergewicht bzw. Dicksein vordringen.

Denn worum geht es wirklich? Es geht doch darum, glücklich zu sein – glücklich und gesund. Schlanksein ist dafür eine wesentliche Voraussetzung, ob Ihnen das gefällt oder nicht.

Klar, Veränderungen auf dem Speiseplan spielen eine Rolle, wenn Sie abnehmen, wenn Sie schlank, gesund und glücklich werden wollen.

Sie sind dabei aber eben nur ein Teil.

Die wirkliche Ursache für das Dicksein liegt oft nicht oder nicht nur in der falschen Ernährung. Und genau deshalb führt eine Umstellung der Ernährung in vielen Fällen auch nicht zum Erfolg. Stress kann ein Grund für Übergewicht sein. Manchmal liegt die Ursache jedoch auch in der Seele. Dann wird der Körper, unser Kleid, zum Panzer.

Bevor wir gemeinsam nach der Ursache für Ihr Dicksein suchen, kommen Sie jedoch um eine Bestandsaufnahme nicht herum. Um eine Bestandsaufnahme dessen, was in Ihrem zu schweren Körper wirklich passiert und wie Dicke und damit letztlich Sie im privaten und beruflichen Alltag von anderen Menschen gesehen werden.

Dieses Buch wird für Sie an vielen Stellen unbequem sein. Aber wenn Sie wollen, werden wir gemeinsam den Schlüssel zum Kern Ihres Dickseins und Ihren Weg zu einem schlanken und gesunden Körper finden. Und damit die Basis für ein glückliches Leben. Genau darauf haben Sie ein Recht!

Ihr

I WARUM SIE DICK SIND. WARUM ES NICHT SO BLEIBEN DARF.

Was Sie Ihrem Körper wirklich antun

Wenn Sie dieses Buch lesen, sind Sie dick. Ich weiß nicht, wie dick Sie sind, aber Sie wiegen definitiv mehr, als Sie wollen, mehr, als gut für Sie ist, und das macht Ihnen Probleme. Ich vermute: heftige Probleme. Darum wollen Sie ja auch abnehmen.

Sie und ich wissen, dass Abnehmen nicht einfach ist. Wenn es einfach wäre, dann hätten Sie längst eine Traumfigur. Abnehmen und auf Dauer schlank sein ist vielleicht die größte und schwierigste Herausforderung in Ihrem Leben. Aber einige Ihrer Zeitgenossen sagen trotzdem Sätze wie: „Dann musst du halt weniger essen …“ Noch viel mehr Ihrer Zeitgenossen sagen solche Sätze nicht – aber sie denken sie! Alles in allem glauben sehr viele Menschen um Sie herum im Stillen, dass Sie einfach aufhören könnten, dick zu sein, wenn Sie nur nicht so faul und so gierig wären.

Dicksein wird von vielen Schlanken als Zeichen charakterlicher Schwäche ausgelegt. Natürlich, das ist unfair. Ich stimme Ihnen zu. Und es macht Ihnen das Leben noch schwerer, als es ohnehin schon ist. Aber so werden Sie gesehen. Das ist Ihre Realität.

Sie wissen das selbst am besten, denn diese Meinung spiegelt sich in den Gesichtern der Menschen wider. Wenn Sie kurzatmig eine Treppe hochschnaufen, sind die Atemnot, die Schmerzen in den Knien und im Kreuz und das Schwitzen zwar unangenehm, aber viel schlimmer sind die Blicke um Sie herum, die Ihrer Mühsal unfreiwillig beiwohnen. Das ist sehr verletzend und nagt an Ihrem Selbstvertrauen.

Wenn ich nun mit Ihnen in diesem Kapitel Klartext spreche über das, was in Ihrem kranken Körper vor sich geht – ja, krank, alle Dicken sind definitiv krank –, dann tue ich das nicht, um Ihnen Ihr Selbstvertrauen weiter zu rauben. Ich konfrontiere Sie einfach deshalb mit der nackten Wahrheit, weil nur das Ihnen hilft, gesund zu werden.

Tacheles reden

Wissen Sie, ich bin Arzt. Entgegen anderslautender Gerüchte wird heute der hippokratische Eid von Ärzten nicht mehr abgelegt. Dennoch steckt hinter ihm eine Ethik, der ich mich verpflichtet fühle. Dazu gehört folgender Satz aus dem originalen Wortlaut des Hippokrates: Ich werde ärztliche Verordnungen treffen zum Nutzen der Kranken nach meiner Fähigkeit und meinem Urteil, hüten aber werde ich mich davor, sie zum Schaden und in unrechter Weise anzuwenden.

Und das bedeutet in Ihrem Fall für mich ganz konkret: Milde, Mitleid, Schönreden und Nachsicht schaden Ihnen und verstärken Ihre Krankheit. Ich sehe Sie nicht als gemütlichen Moppel, sondern als kranken Menschen. Ich rede nicht verharmlosend über ein paar überflüssige Pfunde, sondern über Ihren entgleisten Stoffwechsel und Ihre schlechte Lebensqualität. Ich rede nicht über eine Diät, sondern über Heilung und Gesundwerden.

Fakt ist: Sie sind dick. Medizinisch heißt Ihre Krankheit Adipositas, das heißt Fettleibigkeit; das lateinische Hauptwort „adeps“ bedeutet schlicht Fett. Wenn also der Volksmund umgangssprachlich sagt: Sie sind fett, dann ist das genau die gleiche Wahrheit, die der Arzt ausspricht, wenn er Sie adipös nennt.

Ihre Krankheit ist aber vielschichtiger. Wenn Sie nur zu viel Fett im Körper hätten, dann könnte man es einfach absaugen oder wegschneiden und alles wäre gut. Ist es aber nicht. In Ihrem Körper stimmen viele Abläufe nicht mehr, Ihre Lebensqualität ist beeinträchtigt, Ihnen geht es deutlich schlechter als Schlanken, sowohl psychisch als auch körperlich. Die übliche, politisch korrekte Verharmlosung des Dickseins macht mich deswegen wirklich wütend.

Heilung beginnt mit Ehrlichkeit. Und Ehrlichkeit fängt mit der Sprache an. Darum bitte ich Sie: Hören Sie als Erstes auf, sich „übergewichtig“ zu nennen – Sie könnten sonst einfach auch sagen: Ich bin untergroß. Das Wort „Übergewicht“ ist bereits eine gewisse Distanzierung von der Wahrheit. Jeder Schwergewichtsboxer hat auch Übergewicht – aber ist topfit und hat kaum ein Gramm überschüssiges Fett am Körper. Übergewicht ist nur eine aus der Norm geratene Maßzahl des Körpers. So wie Ihr hoher Blutdruck (ich wette, er ist zu hoch!) einfach nur eine Zahl ist, die den Zustand einer Körperfunktion beschreibt. Für Ihre Psyche ist so eine Zahl ganz weit weg und darum gut zu ertragen. Wenn ich aber sage, dass Sie dick sind, dann sage ich das, was auch ein Kind zu Ihnen sagen würde. Und Kindermund tut Wahrheit kund.

Wenn es Ihnen unangenehm ist, dass ich Ihnen gegenüber all die netten Umschreibungen weglasse und stattdessen die Dinge beim Namen nenne, dann machen Sie sich selbst mit großer Wahrscheinlichkeit etwas vor. Dann sind Sie sich selbst gegenüber nicht ehrlich. Und dieser permanente kleine Selbstbetrug, dieses Frisieren der Wirklichkeit und das Beschönigen der Fakten ist die erste zu überwindende Hürde beim Abnehmen. Solange Sie diese Hürde nicht beiseiteräumen, machen wir zusammen nicht weiter. Weil es sinnlos ist.

Sie sind einverstanden? Das freut mich sehr. Dann der nächste Schritt: Wenn Sie in Ihrem Leben wieder schlank und gesund sein wollen, dann müssen (nicht dürfen, nicht sollten, sondern müssen) Sie sich genau anschauen und begreifen, was in Ihrem Körper passiert. Was Sie sich selbst an jedem Tag antun.

Richtig, Sie selbst tun es sich an! Sie sind der einzige Mensch auf der Welt, der dafür sorgen kann, dass Sie abnehmen. Das können Sie aber erst dann, wenn Sie sich selbst gegenüber zugegeben haben, dass Sie der einzige Mensch auf der Welt sind, der die Verantwortung dafür trägt, dass Sie krank sind. Und Sie sollten als mündiger Erwachsener auch genau wissen, was in Ihrem Organismus nicht stimmt. Es ist Ihre Verantwortung, genau Bescheid zu wissen über Ihre Krankheit. Denn sonst bleiben Sie ein hilfloses Opfer der Umstände.

Aber die Wahrheit ist doch tatsächlich: Sie sind kein Opfer. Sie selbst haben jahrelang das Falsche gegessen und getrunken. Sie selbst haben sich jahrelang zu wenig bewegt. Sie selbst stehen nachts auf und gehen zum Kühlschrank, weil Sie vor dem Heißhunger kapitulieren. Ein Schlanker weiß nicht, wie das ist, wenn der Blutzuckerspiegel eines Dicken erst steigt, dann rapide sinkt und der insulingetränkte Körper in dieser Situation nach Kohlenhydraten schreit. Trotzdem können Sie nicht den Hunger für Ihre Essattacken verantwortlich machen, denn Sie selbst haben zuvor in Ihrem Leben dafür gesorgt, dass dieser übermächtige Hunger immer wieder auftritt.

Sie sind nicht absichtlich dick, das behaupte ich nicht. Aber es gibt niemanden, dem Sie die Schuld dafür geben können. Nicht Ihren Eltern, nicht der Kantine, nicht der Lebensmittelindustrie und nicht dem lieben Gott. Auch Ihnen selbst nicht! Ich will überhaupt nicht, dass Sie sich selbst die Schuld geben. Ich sage nicht: selbst schuld! Denn wenn ich oder Sie selbst sich beschuldigen, dann verurteilen wir Sie, dann machen wir Sie fertig. Aber wenn Sie fertig und frustriert sind, nehmen Sie weiter zu. Stimmt’s?

Verantwortung ist etwas völlig anderes als Schuld. Verantwortung kann man übernehmen und es ist gut, wenn man sie trägt. Sie ist durch und durch positiv – sie ist eine bejahende Antwort auf die Welt. Schuld dagegen ist durch und durch negativ. Sie hängt Ihnen um den Hals wie ein Mühlstein, der Sie in die Tiefe zieht – und Sie werden sie nie wieder los. Vergessen Sie die Schuldfrage! Fangen Sie lieber an, hundertprozentig Verantwortung zu übernehmen. Sehen Sie es so: Ihr Körper ist Ihr Kleid, das Sie vom Leben geliehen bekommen haben, um es vom ersten bis zum letzten Tag zu tragen. Wie Sie es pflegen und wie es deswegen aussieht, ist allein Ihre Sache.

Ich lasse Sie nicht aus der Verantwortung raus. Aber nicht, um Ihnen das Leben schwer zu machen, sondern, um Ihnen zu helfen, endlich liebevoller mit sich selbst umzugehen. Ein guter Freund sagt schonungslos die Wahrheit. Ein guter Arzt auch:

Erstens: Es ist, wie es ist, Sie sind dick.

Zweitens: Keiner ist schuld daran, dass Sie dick sind.

Drittens: Sie tragen die volle Verantwortung dafür, wie gesund oder krank Sie sind, also auch dafür, ob Sie dick oder schlank sind.

Viertens: Sie müssen wissen, was genau in Ihnen vorgeht.

Voll auf die Knochen

Schauen Sie also bitte jetzt genauer hin, was in Ihnen drin passiert: Da ist zunächst einmal Ihr Skelett, an dem Ihre Kilos zerren. Die Wirbelsäule ist bei vielen Menschen in unserer Gesellschaft ohnehin in Mitleidenschaft gezogen, vor allem wegen des vielen Sitzens, sowohl im Job als auch in der Freizeit. Ihre Wirbelsäule allerdings muss zusätzlich noch einiges mehr mitmachen.

Das Risiko eines Bandscheibenvorfalls ist bei Ihnen grob gesprochen doppelt so hoch wie bei einem Schlanken. Der Grund ist leicht zu verstehen: Am Bauch ist bei Dicken deutlich mehr Fett eingelagert als am Rücken. Dadurch ist der Schwerpunkt des Körpers nach vorne verschoben. Die Wirbelsäule mit ihren aufeinandergeschichteten Wirbeln ist dazu gebaut, das Gewicht des Körpers flexibel zu balancieren und die Schwerkraft nach unten abzuleiten, zuerst auf das Becken und von dort auf die Knochen in den Beinen. Aber bei einem Dicken zerrt das Gewicht des Bauchfetts am Körper nach vorne und zieht die Lendenwirbelsäule in eine unnatürliche Biegung. Da wird nichts mehr balanciert, da wird nur noch malträtiert.

Das heißt: Die Bandscheiben, also die weichen Knorpelpolster mit Gallertkern zwischen den harten Wirbeln, werden durch das hohe Körpergewicht enorm belastet. Aber eben nicht nur in senkrechter Richtung. Durch die ungünstige Statik bei einem schweren Bauch werden sie einseitig noch stärker belastet. Wenn die Bandscheiben täglich schief gequetscht werden, reißt irgendwann der Knorpelring. Der Kern quillt heraus und drückt auf den Nervenstrang des Rückenmarks. Das ist dann medizinisch gesehen ein Bandscheibenvorfall, bedeutet aber für Sie vor allem eines: höllische Schmerzen. Die eingequetschten Nerven können Lähmungserscheinungen und ein Taubheitsgefühl in den Beinen hervorrufen. Wenn dagegen nicht sofort etwas unternommen wird, gibt es Dauerschäden. Eine bleibende Lähmung. Sie riskieren das an jedem Tag als Dicker.

Genauso übel spielen die zu hohen physikalischen Kräfte Ihren Hüft-, Knie- und Fußgelenken mit. Wenn der Körperumfang zunimmt, nimmt ja nicht automatisch die Stärke der Gelenke zu. Normalerweise sind Gelenkkopf und Gelenkpfanne, also die Enden der Knochen, die in einem Gelenk aneinanderstoßen, durch eine Knorpelschicht geschützt. Diese Knorpelschicht wirkt wie ein dämpfendes Gleitlager. Es federt das Körpergewicht ab und verteilt es gleichmäßig auf die Fläche des Gelenks.

Bei Ihnen müssen die Gelenke, vor allem die Knie- und Sprunggelenke, mehr leisten, als ihr Bauplan vorsieht. Schon bei einem Schlanken ist die Belastung enorm. Beim einfachen Gehen lastet bei jedem Schritt etwa das Zweieinhalbfache des Körpergewichts auf dem Kniegelenk. Beim Treppenhochsteigen das gut Dreifache und beim Hinuntersteigen das Dreieinhalbfache.

Derselbe Faktor gilt auch bei Übergewicht. Bei jedem einzelnen Schritt wirkt sich also jedes zusätzliche Kilo im Gelenk nicht aus wie ein zusätzliches Kilo, sondern wie zweieinhalb, drei, dreieinhalb zusätzliche Kilo – ohne dass die Auflagefläche größer würde. Wenn Sie 20 Kilo zu viel haben, dann lasten beim Treppensteigen bis zu 70 Kilo mehr als normal auf der Knorpelschicht Ihres Knies. Machen Sie sich das bewusst!

Das ist aber noch nicht alles. In den meisten Fällen zerrt das Zusatzgewicht das Skelett in eine Fehlstellung: An den Knien sind das bei Dicken meistens X-Beine. An den Füßen sind das Knick-, Spreiz- und Senkfüße. Die Fußgelenke knicken dadurch bei jedem Schritt nach innen ein. Die Knie- und Fußgelenke sind also bei Dicken oft genauso einseitig belastet wie die Bandscheiben.

Die zusätzlichen 70 Kilo Belastung verteilen sich dann nicht auf die ganze Gelenkfläche, sondern nur auf deren Ränder – wie bei einem Auto mit schief stehendem Reifen: In kürzester Zeit ist am Rand der Auflagefläche das Profil komplett abgefahren. Genau das passiert in Ihren Knien und Knöcheln.

Auf kurze Sicht tut das einfach nur weh. Auf lange Sicht wird die Knorpelschicht im Gelenk komplett aufgerieben: Knorpelmasse kann nur dann elastisch und flexibel sein, wenn sie genügend Wasser enthält. Bei Ihnen wird aber mit jedem Schritt das Wasser aus dem Knorpel gequetscht wie das Wasser aus einem Haushaltsschwamm. Die Erholungspausen reichen nicht mehr, damit sich der Knorpel wieder vollsaugen kann. Zuerst wird der Knorpel schlapp. Dann fasert er auf. Einzelne Knorpelfetzen heben sich ab, der Rest wird immer dünner. Im Endstadium ist der Knorpel völlig zerrieben. Dann scheuert bei jedem Schritt Knochen auf Knochen. Rillen schleifen sich im Knochen ein, die Reibung wird weiter erhöht. Sie haben Schmerzen bei jeder Bewegung.

Auf einem Röntgenbild ist gut zu erkennen, dass aus der ehemals runden, voluminösen und glatten Knorpelschicht ein flaches, zackiges Gebilde geworden ist. Wie eine Raspel. Aber röntgen muss ich gar nicht, um zu erkennen, wie kaputt ein Knie ist. Ich kann es hören und fühlen. Wenn ich einen Dicken untersuche, schaue ich immer, wie es um seine Gelenke steht. Der Patient liegt dann mit angewinkeltem Bein auf dem Rücken. Ich halte das Knie zwischen meinen Händen, bewege den Unterschenkel auf und ab. Meine rechte Hand ruht auf seinem Knie. Bei einem gesunden Knie ist kaum etwas zu spüren. Es läuft im wahrsten Sinne des Wortes wie geschmiert. Ist das Gelenk durch Übergewicht und Fehlstellung überbeansprucht und verschlissen, spüre ich, wie es in dem Gelenk knirscht. Das fühlt sich ungefähr so an, wie wenn Sie Feldsalat essen, der schlecht gewaschen wurde: Dann reiben kleinste Erd- und Sandkörnchen knirschend am harten Zahnschmelz. Ein sehr unangenehmes Gefühl. Und erst das Geräusch!

So ein knirschendes Knie kann man nicht einfach wieder reparieren. Das Knie ist das komplizierteste und größte Gelenk im Körper. Jeder Eingriff hat Folgen. Ein alter Ärztespruch besagt: In den Bauch kannst du spucken, ins Knie sollst du nicht gucken. Mit anderen Worten: In einer operierten Bauchhöhle kann der Arzt Schere, Zange und ein paar Tupfer vergessen, bevor er sie wieder zunäht. Das wäre ärgerlich und natürlich auch ein schwerer Kunstfehler. Aber nicht irreparabel schädlich, die Bauchorgane arbeiten trotzdem. Ein paar Tage später trennt der Arzt die Naht wieder auf, holt das Zeug raus und gut ist es. Wenn ein Orthopäde aber ein Knie operiert, ist das immer eine knifflige Sache. Da muss schon der Leidensdruck gewaltig sein, bevor es angebracht ist, dieses wunderbare Präzisionsgebilde anzutasten. Jeder Quadratzentimeter darin wird ja mechanisch enorm beansprucht. Ob es funktioniert oder nicht, ist Millimetersache. Auch kleinste Narben durch eine Operation bewirken da schon neue Probleme. Und selbst wenn sie es handwerklich extrem gut gemacht haben, können Ärzte allenfalls Entlastung schaffen, vielleicht einen künstlichen Knorpelersatz implantieren – aber die Knochenschäden bleiben. Wenn das Gelenk kaputt ist, macht es keine Macht der Welt wieder heil.

Kein Wunder, dass die meisten Dicken chronische Schmerzen haben und Schmerzmittel nehmen. Regelmäßig eingenommene Schmerzmedikamente greifen jedoch die Magenschleimhäute an mit der Folge: chronisches Sodbrennen. Und auf Dauer steigt das Risiko eines Magengeschwürs. Dann nehmen sie ein Mittel gegen die im Überschuss vorliegende Magensäure, das eine schützende Schicht über die Magenwand legt. Weil eine solche Arznei aber immer auch die Aufnahme von Vitaminen behindert, sind gleich auch ein paar Vitaminpräparate fällig. Und so weiter und so weiter. Ein Problem zieht das nächste nach sich – und jedes erfordert ein neues Medikament.

Ich habe einen sehr dicken 22-Jährigen kennengelernt, der schon am Frühstückstisch eine 25 Zentimeter lange Pillenbox neben dem Teller liegen hat. Dutzende Pillen für morgens, mittags und abends, von Montag bis Sonntag.

Das ist demütigend. Und lebensverkürzend.

Der Mount Everest vor der Wohnungstür

Lebensverkürzend – damit sind wir bei den tödlichen Krankheiten. Herz-Kreislauf-Krankheiten sind die Todesursache Nummer eins in Deutschland. 41 Prozent der Todesfälle gehen auf das Konto von Herzinfarkt und Co. Das steht in direktem Zusammenhang damit, dass immer mehr Menschen dick sind. Schon wenn das Normalgewicht um 20 Prozent überschritten wird, verdoppelt sich statistisch das Risiko eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls.

Niemand sagt öffentlich, dass Dicksein tödlich sein kann. Ich schon. Denn wenn Herzinfarkte und Schlaganfälle mit einer hohen Wahrscheinlichkeit zum Tod oder zum Pflegefall führen, Dicke aber wesentlich häufiger Herzinfarkte und Schlaganfälle erleiden als Schlanke, dann ist es korrekt, zu sagen: Dicksein ist eine schwere Krankheit, die in vielen Fällen tödlich verläuft und in vielen Fällen Menschen zum Pflegefall macht.

Und diese schwere Krankheit verläuft auch schon vorher leidvoll. Denn schon lange bevor der ziehende Schmerz eines Herzinfarkts in den linken Arm ausstrahlt, schon bevor ein Blutpfropf im Gehirn Sie zum lallenden Reha-Fall macht, leidet der Kreislauf unter jedem Kilo zu viel. Das Herz muss schließlich wesentlich mehr Körpermasse mit Blut versorgen. Eine Herkules-Aufgabe!

Dafür hat das Herz zwei Wege: Es muss erstens bei jedem Schlag mehr Blut auswerfen. Ein erwachsener Mensch hat etwa 5–7 Liter Blut. Auch Dicke haben nicht mehr. Das Herz arbeitet deswegen Schlag für Schlag für zwei. Darum erhöht es zweitens das Arbeitstempo. Das ist aber nicht beliebig möglich. Bei einem Gesunden beträgt der Ruhepuls 60–80 Schläge pro Minute, bei Sportlern oft auch unter 60 oder 50 Schläge. Die maximale Herzschlagfrequenz beträgt etwa 220 minus das Lebensalter, ob gesund oder krank. Mehr schafft das Herz einfach nicht.

Das Herz eines Dicken unter körperlicher Anstrengung versucht also, so schnell wie möglich zu schlagen, ohne durchzudrehen. Es schlägt an der Obergrenze. Nur: Manchmal reicht das nicht.

Wenn ein Dicker seine Einkäufe in den dritten Stock hochschleppt und auf jedem Treppenabsatz stehen bleiben muss, um zu verschnaufen, dann klingt das erst mal harmlos. Es heißt aber nichts anderes als: Selbst bei einem rasenden Puls von 160 Schlägen pro Minute, fast drei pro Sekunde, schafft es das Herz nicht mehr, den Körper ausreichend mit Sauerstoff zu versorgen. Die Muskeln sind am Ersticken. Der Körper schreit. Die paar Treppenstufen vor der Wohnungstür stellen für den Dicken die gleiche Herausforderung dar wie wenn ein Alpinist beim Besteigen des Mount Everest an seine absoluten körperlichen Grenzen kommt.

Ja, für Dicke ist jede Art von Bewegung weitaus mühsamer, anstrengender, erschöpfender. Stimmen Sie mir zu? Selbst Stillsitzen ist anstrengend, weil es für das Herz-Kreislauf-System so viel aufwendiger ist, einen dicken Körper am Leben zu erhalten.

Ein höherer Puls ist das eine, ein erhöhter Blutdruck das andere. Normal sind Werte unterhalb von 140 zu 90. Darüber spricht man von Bluthochdruck. Die erste der beiden Zahlen gibt an, mit welchem Druck das Blut aus dem Herzen herausgepresst wird. Die zweite den Druck, mit dem das Blut durch die Adern fließt, während das Herz sich gerade wieder füllt. Bei Dicken ist der Blutdruck oft über 200; ich habe schon Spitzenwerte von 240 zu 120 gemessen – in Ruhe. Schlimm ist es, wenn jemand so übergewichtig ist, dass selbst die extralange Manschette für Adipositas-Patienten nicht mehr um seinen Arm passt. Dann hole ich die Spezialmanschette raus, die aussieht, als wäre sie für einen Oberschenkel gemacht – auch das gibt es heute.

Das Herz eines Dicken arbeitet also ständig auf Höchsttouren. Das wirkt sich aus: Der Muskel in der Herzwand passt sich an und wird dicker. Das Problem dabei ist, dass ein dickerer Muskel mehr Sauerstoff benötigt. Der Körper eines Dicken bewegt sich aber ohnehin immer schon an der Grenze zur Sauerstoffnot. Das Risiko eines Herzinfarkts, bei dem ja nichts anderes passiert, als dass ein Teil des Herzmuskels wegen Sauerstoffunterversorgung abstirbt, ist dadurch viel höher.

Außerdem leiert das Gewebe bei einem Herzen, das dauernd unter einem zu hohen Druck steht, mit der Zeit aus und wird schlaffer. Die verstärkte Muskulatur der dickeren Herzwand kann das nicht ausgleichen. Das Herz wird ein immer schlafferer Beutel, der seine Aufgabe, den Körper (und sich selbst) mit Sauerstoff zu versorgen, immer schlechter verrichtet. Wir Ärzte sprechen dann von einer Herzinsuffizienz, also von einer Herzschwäche. Ein solches Herz ist zudem noch anfällig für Herzrhythmusstörungen. Auch hier gilt wie bei den Gelenken: Ein Problem zieht das nächste nach sich.

Nicht nur das Herz, auch die Arterien, die ständig einen bis zu doppelt so hohen Druck aushalten müssen wie normal, werden mürbe wie ein Gartenschlauch, der zu lange in der Sonne gelegen hat. An den mikrofeinen Rissen und den Ablagerungen an der Gefäßinnenwand können sich Blutgerinnsel bilden: Thromben. Und die können durch den ständig zu hohen Druck so lange wachsen, bis sie eines der Blutgefäße vollständig verstopfen. Alle Körperzellen, die von dieser Ader versorgt werden, sterben in kürzester Zeit ab: Nervenzellen in wenigen Minuten, Muskelzellen halten etwas länger durch.

Meistens passiert das im Herzen, genauer: in den Herzkranzgefäßen, also den Adern, die den Herzmuskel von außen mit Blut versorgen. Und dann gibt es einen Herzinfarkt – in Deutschland Todesursache Nummer eins. Wenn es im Gehirn passiert, gibt es einen Schlaganfall – Todesursache Nummer zwei. Für beide Todesursachen gilt: Dicksein gehört zu den Faktoren, die das Risiko deutlich erhöhen.

Sogar bei Kindern. Eine amerikanische Kinderärztin hat bei dicken 13-Jährigen festgestellt, dass ihre Halsschlagadern so verengt waren wie normalerweise die von 45-Jährigen. Die Gefäße altern vorzeitig. Im Effekt ist das sogar noch gefährlicher als beim Erwachsenen. Denn wenn in der Notaufnahme ein Kind sitzt mit Brustschmerzen, Schwindel und Übelkeit, dann denken Ärzte und Pflegepersonal erst einmal an ganz andere Ursachen. Die Diagnose „Herzinfarkt“ wird womöglich zu spät gestellt. Selbst wenn die Behandlung rechtzeitig kommt, muss ein Mensch sein ganzes Leben lang mit einer verminderten Herzleistung zurechtkommen. Ein Herzinfarkt bedeutet, dass ein Stück Muskulatur am Herzen tot ist. Das geht nie wieder weg.

Dicksein bedeutet also, dass Sie sich massive, potenziell tödliche Probleme, mit denen sich normalerweise alte Menschen herumschlagen, in Ihrem Leben zeitlich nach vorne holen. Ins Heute.

Das gilt auch für eine weitere Folgekrankheit des Dickseins, die eigentlich eine Alterskrankheit ist, die bei Ihnen aber vielleicht schon längst begonnen hat, die Sie aber früher oder später relativ sicher bekommen werden …

Zuckermäulchen und süßes Blut

Viermal täglich die Fingerkuppen anpiksen, um einen Tropfen Blut zu entnehmen. Viermal täglich den Blutzuckerspiegel messen. Mit der Zeit werden die Hornhäute an den Fingerspitzen so dick, dass der Tastsinn darunter leidet. Das ist das Schicksal von rund sechs Millionen Zuckerkranken in Deutschland, von denen ein Gutteil Insulin spritzen muss. Die meisten von ihnen sind dick.

Um präzise zu sein: Nicht alle Dicken sind Diabetiker. Und nicht alle Diabetiker sind dick. Beides hängt aber in 90 Prozent der Diabetesfälle eng miteinander zusammen. Dieser sogenannte Diabetes mellitus Typ 2 ist ein ganz fieser Teufelskreis: Am Anfang nimmt ein Mensch über Jahre in seiner Ernährung zu viele Kohlenhydrate zu sich und bewegt sich gleichzeitig zu wenig.

Wenn diese Beschreibung auf Sie zutrifft, haben Sie ein hohes Risiko, Zucker zu bekommen – oder bereits Zucker zu haben. Denn durch diese Lebensweise gibt es in Ihrem Körper kein Gleichgewicht zwischen Energiezufuhr und Energieabbau. Sie nehmen zu, um den Überschuss zu speichern. Aber gleichzeitig nimmt in Ihrem Blut die Konzentration energiereicher Fettsäuren zu. Ihr Körper badet sozusagen ständig in einer Nährlösung aus Zucker, also Kohlenhydraten, und Fetten. Ihre Körperzellen erleben permanent das Gegenteil von Hunger: Sie schwimmen im Überfluss.

Es ist dauerhaft zu viel Zucker im Blut. Ihr Körper reagiert darauf, indem er die Produktion von Insulin hochfährt, um den Zucker aus dem Blut in die Körperzellen zu schaffen. Denn Insulin ist der körpereigene Transporter für Zucker. Stellen Sie sich das so vor (siehe Skizze Seite 24): Jede Körperzelle ist wie eine kleine Fabrik. Die Fabrik braucht Energie, um zu arbeiten. Die Insulin-Lkws transportieren die Energie in Form von Zuckermolekülen zur Fabrik. Jede Fabrik hat mehrere Tore, durch die sie hineinfahren können. Wenn aber zu viele Lkws unterwegs sind, sozusagen ein erhöhtes Verkehrsaufkommen herrscht, dann reagiert die Fabrik merkwürdig: Sie schließt einzelne Tore und vermindert damit die Anzahl der Zufahrtswege. Das heißt für Sie: Sie haben viel Zucker im Blut. Sie haben auch viel Insulin im Blut, das den Zucker huckepack nimmt. Aber das Insulin kann seine Ladung nicht in ausreichendem Maß in die Zellen, also die Fabriken, schleusen, damit der Zucker dort verwertet werden kann. Das nennt man Insulinresistenz.

Sie haben also nicht Zucker, weil Sie dick sind, und Sie sind nicht dick, weil Sie Zucker haben – sondern beides entwickelt sich gemeinsam und zusammenhängend, während die Körperzellen immer verschlossener gegen Insulin werden.

Dass Diabetiker tatsächlich süßen Urin haben, ist dabei die harmloseste Begleiterscheinung. Die Körperzellen können nämlich wegen der Insulinresistenz nicht optimal versorgt werden: Die Zellen verhungern quasi vor vollen Tischen. Das Ergebnis im Ganzen: Sie fühlen sich schlapp. Kraftlos. Können sich nicht richtig konzentrieren. Sind weniger leistungsfähig.

Diabetespatienten müssen heute meistens nicht, wie das Klischeebild vom Diabetiker zeigt, ständig Insulin spritzen. Aber strikte Diät halten mit einer regelmäßigen und niedrigen Kohlenhydratzufuhr. Und wenn das nicht hilft – Tabletten. Noch ein paar Pillen mehr für die Medikamentenbox …

Wenig Zucker, geringes Verkehrsaufkommen, alle Tore sind geöffnet

Sind die Patienten aber nicht sehr diszipliniert und nicht hundertprozentig gut medikamentös eingestellt, kommt der Körper regelmäßig aus seinem fragilen Gleichgewicht: Periodisch schüttet er dann einen großen Schwall Insulin aus, um doch noch irgendwie überfallartig Zucker in die Zellen zu bekommen. Der Zucker fährt Achterbahn. Fällt er, kommt die Heißhungerattacke.

Diabetes greift auch die Blutgefäße an. Ist der Blutdruck ebenfalls erhöht, kann es zur Schädigung der Nieren kommen bis hin zum Nierenversagen. Wenn die Filterfunktion der Nieren außer Kraft gesetzt ist, heißt das für Sie: lebenslange Abhängigkeit von der Dialyse. Dreimal wöchentlich wird vier Stunden lang das Blut gereinigt. Zwölf Stunden Zeit pro Woche, die Sie nicht für Hobbys, für Freunde und Familie, für den Beruf haben. Plus Fahrzeiten von und zum Krankenhaus und Wartezeiten.

Um bei der Dialyse genügend Blut auf einmal abzuzweigen, wird ein Shunt angelegt, eine Art künstlicher Kurzschluss zwischen Arterie und Vene. Meist in der Armbeuge. Sie laufen also ständig mit einem Ventil in Ihren Adern rum, wie der Untergebene eines Tyrannen in einem schlechten Science-Fiction-Film. Das ist aber immer noch besser als die Variante von früher: Bei jeder Dialyse wurden die Adern erneut angestochen. Mit der Zeit bildeten sich dicke, knubbelige Polster. Narbengewebe über den Armvenen wie bei einem Heroinjunkie. Schmerzhaft. Und irgendwann fanden die Krankenschwestern keine Stelle mehr, an der sie noch eine Nadel in die Ader bekamen … Ich stoppe mal an dieser Stelle, es müsste reichen.

Aber nach der Niere will ich die Leber nicht vergessen: Zuckerstoffwechsel und Fettstoffwechsel hängen eng miteinander zusammen. Wenn der eine gestört ist, zieht er auch den anderen in Mitleidenschaft. Die Langzeitfolge: Fettleber. Wie eine Gänsestopfleber, gemästet nicht mit Fett, wie der Name nahelegt, sondern mit Kohlenhydraten. Kleine Fetttropfen werden in die Leberzellen eingelagert und lassen sie anschwellen. Der Zellkern wird an den Rand gedrängt – oder mit Fett umlagert. Die Leber ist aufgedunsen und kaum noch fähig, Giftstoffe aus dem Körper abzubauen. Im fortgeschrittenen Stadium kann sich daraus eine Hepatitis entwickeln – eine chronische Leberentzündung mit Folgen wie ständiger Müdigkeit, Krankheitsanfälligkeit, geringer körperlicher Leistungsfähigkeit. Nicht Alkoholismus, sondern Übergewicht ist in Deutschland die häufigste Ursache für eine Fettleber.

Auch die Nerven reagieren empfindlich auf einen überhöhten Blutzuckerspiegel. Lange, feine Nerven werden dadurch zerstört – also besonders die in den Beinen. Wir Ärzte sprechen dann von einer Polyneuropathie. „Poly“ heißt viel, „neuro“ Nerven und „pathie“ steht für kaputt. Also: viele kaputte Nerven. Wenn ein Diabetiker mit Polyneuropathie beispielsweise bei einem Strandspaziergang barfuß auf einen Kiesel oder eine kleine Glasscherbe tritt, spürt er das meist nicht! Die unbehandelte Wunde entzündet sich – auch das merkt er nicht. Die Entzündung kann wegen der Durchblutungsstörung nur langsam heilen. Weil der Bauch im Weg ist, sehen es dicke Diabetiker nicht, dass sich an den Zehen rote, eitrige Entzündungen oder weiße Geschwüre gebildet haben. Irgendwann ist die Entzündung dann so weit fortgeschritten, dass der Fuß oder gleich der ganze Unterschenkel amputiert werden muss. Von den 60.000 Amputationen jährlich in Deutschland sind 40.000 die Folge von Diabetes.

Diese extreme Entzündungsanfälligkeit hat noch eine zweite Ursache. Während noch bis vor 15 Jahren die medizinische Forschung davon überzeugt war, dass Fettgewebe nicht schön und auch nicht förderlich ist, dass es nur da ist und labbert, weiß man heute, dass das Fettgewebe nicht untätig ist. Es tut nämlich etwas. In der riesigen Hormonfabrik des Bauchfetts werden verschiedenste Hormone produziert wie Interleukin-6, Tumornekrosefaktor-α, Östrogen. Die Zytokine darunter bewirken, dass sich im Körper Entzündungsherde ausbreiten und verschlimmern. Diese Entzündungen verlaufen allerdings langfristig und langsam. Über Jahre hinweg schwelt da irgendwo im Körper ein Entzündungsherd. Die Medizin nennt das „silent inflammation“, also stille Entzündung. Diese stillen Entzündungen aber sind brandgefährlich.

Es ist ausschließlich das Bauchfett, das diese Wirkung hat. Das Unterhautfett an Schenkeln und Armen dagegen ist vergleichsweise harmlos – es beeinflusst den Hormonhaushalt nicht. Eine Apfelfigur, bei der der Bauch am dicksten ist, ist also deutlich ungesünder als eine Birnenfigur, bei der Po und Beine das meiste Fett speichern. Ein dicker Bauch fördert Entzündungen aller Art. Da kommt das Immunsystem einfach nicht mehr hinterher. Wir wissen heute, dass jede chronische Krankheit aus Entzündungsprozessen resultiert, die der Körper nicht in den Griff bekommt. Völlig egal, ob Demenz, Herzinfarkt, Krebs, Parkinson, Rheuma oder andere chronische Krankheiten: Immer gehen jahre-, manchmal jahrzehntelange schleichende Entzündungsprozesse voraus. Deswegen sind Dicke wesentlich krankheitsanfälliger als Schlanke für akute, aber eben auch besonders für chronische Krankheiten.

Gleichzeitig haben Dicke noch einen weiteren Nachteil. Zu den Hormonen, die das Fettgewebe bildet, gehört auch Adiponektin. Dieses Hormon schützt die Gefäße und damit auch vor Herzinfarkt. Doch bei Fettleibigen wird Adiponektin nur vermindert ausgeschüttet.

Im Bauchfett wird außerdem jede Menge des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen produziert – auch bei Männern. Das sorgt dafür, dass sich das Fett dort anlagert, wo Frauen es brauchen. Die Konsequenz: Dem Mann wachsen Brüste wie bei einer Frau. Ein richtig dicker Mann ist von einer richtig dicken Frau äußerlich von der Körperform her nicht mehr zu unterscheiden.

Der gestiegene Östrogenspiegel erhöht für Frauen außerdem das Brustkrebsrisiko. So wie die normalen Brustzellen auch, haben die Brustkrebszellen an ihrer Oberfläche einen Rezeptor, an den Östrogen andocken kann. Dann regt es die Zelle zu Wachstum an. Bei einer normalen Zelle normales Wachstum – bei einer Krebszelle unkontrolliertes. Und anders als beim normalen Östrogen lässt die Produktion im Bauchfett nach den Wechseljahren nicht nach. Aber die Abwehrkräfte des Körpers gegen Krebszellen sinken mit dem Alterungsprozess. Dann steigt das Krebsrisiko noch einmal deutlich an. Die übermäßige Östrogenproduktion im Bauchfett ist definitiv schädlich.

Dennoch sagen viele: Fett schadet nichts, ein Bauch kann auch nützlich sein. Es wird dann darauf hingewiesen, dass Frauen mit einem Bauch weniger oft an Osteoporose leiden – dass es bei ihnen im Alter seltener zu Knochenschwund kommt. Die Östrogene scheinen nämlich den Abbau der Knochensubstanz zu dämpfen.

Aber mal ehrlich: Was heißt das wirklich? Dass eine Frau mittleren Alters nicht ganz so gefährdet ist durch Osteoporose, wenn sie einen Bauch hat? Ja, das stimmt. Aber es heißt noch lange nicht, dass man deshalb das Brustkrebsrisiko ignorieren kann – das besteht weiterhin. Und zwar gerade durch den Heilsbringer: den Bauch.

Mir ist wichtig, dass Sie wissen, welche Wirkung das Bauchfett hat. Durch die vielen schlimmen Krankheitsprozesse, die das Bauchfett anstößt, ist ein dicker Bauch schlicht und einfach lebensgefährlich.

Da Sie dick sind, stecken Sie in dieser verrückten, verzwickten Krankheitsspirale bereits an irgendeiner Stelle. Womöglich ist Ihr Blutdruck erhöht. Ihre Sauerstoffaufnahme und damit Ihre körperliche Leistungsfähigkeit sind vielleicht beeinträchtigt. Ihre Zellen sind möglicherweise schon ein Stück weit resistent gegen Insulin. Oder es ist noch schlimmer und Ihre Herzwand ist bereits verdickt oder Sie leiden sogar an einer Fettleber. Alles hängt mit allem zusammen und alles verschlimmert sich gegenseitig. Ohne dass Sie etwas ändern, geht es automatisch weiter abwärts. Vielleicht haben Sie bereits einige der beschriebenen Symptome entwickelt. Wenn nicht, ist es sehr wahrscheinlich, dass es noch passiert.

Darum müssen Sie aus diesem jahrzehntelangen Strudel herauskommen! Es beeinflusst Ihren Körper nicht, wenn Sie die Gefahren verharmlosen, sich als gemütlichen Moppel inszenieren und weitermachen wie bisher. Er geht einfach weiter kaputt. Sie müssen den festen Entschluss entwickeln, das Bauchfett loszuwerden, weil es Sie sonst auf Dauer schwer krank macht und am Ende umbringt.

Zum Aus-der-Haut-Fahren

Kein Mensch wird dick geboren. Übergewicht nimmt statistisch mit dem Lebensalter stetig zu. Auch Sie waren zu irgendeinem Zeitpunkt in Ihrem Leben einmal deutlich schlanker. Ihre 10, 20, 40 oder 60 zusätzlichen Kilo, das ist genau der Energieüberschuss, den Sie aufgenommen, aber nicht verbraucht haben. Die Energie haben Sie in Form von kohlenhydratreicher Nahrung in fester und flüssiger Form aufgenommen. Die Energie verbraucht haben Sie mit geistiger