Das Endorphin-Prinzip - Prof. Dr. Borwin Bandelow - E-Book

Das Endorphin-Prinzip E-Book

Prof. Dr. Borwin Bandelow

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Beschreibung

Alles zum Lebensthema Glück von Deutschlands bekanntestem Angstforscher "Nichts, was mit dem Gehirn zu tun hat, ist einfach. Wenn das Gehirn so einfach wäre, dass wir es durchschauen könnten, wären wir so einfach, dass wir es nicht durchschauen würden." Wir alle sind auf der Suche nach unserem persönlichen Glück, aber nur wenige würden sagen, dass sie den Weg dorthin gefunden haben. Und was Glück ist, darüber lässt sich ohnehin streiten. Jeder hat seine ganz individuelle Vorstellung.  Tief in unserem Gehirn laufen alle Fäden zusammen. Aus der Sicht der Hirnforschung werden Genuss und Wohlgefühl in einem Teil des Gehirns erzeugt, der als Belohnungssystem bezeichnet wird. Alle Formen des Sich-richtig-gut-Fühlens gehen letztendlich auf die Ausschüttung einiger weniger Hormone im Gehirn zurück.  Dieses Buch gibt die besten Tipps, wie wir dem Traum vom Glück ein wenig näherkommen können – quasi ein individuelles und legales "Doping". Glück hängt nur zu einem geringen Teil von den tatsächlichen äußeren Gegebenheiten ab. Und das Erstaunliche ist: Ob und wie wir Glück empfinden, können wir selbst beeinflussen.  Doch was können wir tun, wenn wir keine Freude mehr empfinden? Was können wir Menschen raten, die einen Verlust oder ein Trauma erlitten haben oder an einer schweren Krankheit leiden? Kein Mensch kann ständig seinen Glückspegel auf einem hohen Niveau aufrechterhalten. Wir können Glück nur empfinden, wenn wir auch wissen, was Unglück ist.  Verblüffende Erkenntnisse, konkrete Tipps, einprägsame Merksätze: Prof. Borwin Bandelow erklärt komplexe Sachverhalte und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse verständlich, praxisnah und immer mit einem Augenzwinkern!  "Erst wenn du aufhörst, dem Glück nachzujagen, hast du es gefunden! Aber bis dahin kannst du jede Menge Spaß haben ..." Prof. Dr. Borwin Bandelow

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Prof. Dr. Borwin Bandelow

Das Endorphin-Prinzip

Wie Glück im Gehirn entsteht

Die besten psychologischen Tipps und neuesten Erkenntnisse von Deutschlands bekanntestem Angstforscher

 

Über das Buch

 

Alles zum Lebensthema Glück von Deutschlands bekanntestem Angstforscher

„Nichts, was mit dem Gehirn zu tun hat, ist einfach. Wenn das Gehirn so einfach wäre, dass wir es durchschauen könnten, wären wir so einfach, dass wir es nicht durchschauen würden.“

Was ist Glück? Wie entsteht es? Wie können wir es bestmöglich aktivieren – und was können wir Menschen raten, die keine Freude mehr empfinden?

Tief in unserem Gehirn laufen alle Fäden zusammen. Aus der Sicht der Hirnforschung werden Genuss und Wohlgefühl in einem Teil des Gehirns erzeugt, der als Belohnungssystem bezeichnet wird. Alle Formen des Sich-richtig-gut-Fühlens gehen letztendlich auf die Ausschüttung einiger weniger Hormone im Gehirn zurück.

Dieses Buch gibt die besten Tipps, wie wir dem Traum vom Glück ein wenig näherkommen können – quasi ein individuelles und legales „Doping“. Glück hängt nur zu einem geringen Teil von den tatsächlichen äußeren Gegebenheiten ab. Und das Erstaunliche ist: Ob und wie wir Glück empfinden, können wir selbst beeinflussen.

Verblüffende Erkenntnisse, konkrete Tipps, einprägsame Merksätze: Dr. Borwin Bandelow erklärt komplexe Sachverhalte und die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse verständlich, praxisnah und immer mit einem Augenzwinkern!

„Erst wenn du aufhörst, dem Glück nachzujagen, hast du es gefunden! Aber bis dahin kannst du jede Menge Spaß haben …“ Borwin Bandelow

Impressum

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das Recht der mechanischen, elektronischen oder fotografischen Vervielfältigung, der Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, des Nachdrucks in Zeitschriften oder Zeitungen, des öffentlichen Vortrags, der Verfilmung oder Dramatisierung, der Übertragung durch Rundfunk, Fernsehen oder Video, auch einzelner Text- oder Bildteile.

Alle Akteure des Romans sind fiktiv, Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen wären rein zufällig und sind vom Autor nicht beabsichtigt.

 

Copyright © 2023 by Maximum Verlags GmbH

Hauptstraße 33

27299 Langwedel

www.maximum-verlag.de

 

1. Auflage 2023

 

Lektorat: Bernadette Lindebacher

Korrektorat: Angelika Wiedmaier

Satz/Layout: Alin Mattfeldt

Umschlaggestaltung: Alin Mattfeldt

Umschlagmotiv: Johan Swanepoel/ Shutterstock

E-Book: Mirjam Hecht

 

Druck: CPI Books GmbH

Made in Germany

ISBN: 978-3-98679-018-9

 

 

Widmung

Für meine Familie

Inhalt

Über das Buch

Impressum

Widmung

Ein perfekter Tag

Kapitel 1

Das Belohnungssystem

Warum haben wir ein Belohnungssystem?

Ein Interview mit Gott

Tequila Sunrise

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

7,2 Sekunden

Vorfreude ist die schönste Freude

Kaviarkanapee und Currywurst

Glück wird überbewertet – oder?

The show must go on

Angst – der Gegenspieler des Belohnungssystems

Theophrastus Bombastus

Legales Doping

Streicheleinheiten

Treue Mäuse

Das Herz sagt Ja

Wenn es mit dem Sex nicht klappt

Todsichere Tipps, um einen Partner zu finden

Erfüllte Träume

Mein Partner hat mich verlassen

Joey

Freiheit

Wir sind vom selben Stamm

Die Fünf-Finger-Regel

Zufriedenheit im Job

Schnellkurs in Entschleunigung

Burn-out auf Sparflamme

Schaffen Sie etwas Bleibendes!

Narzisstische Gratifikation

Lotterie als Beruf

Helferberufe

Wie glücklich machen irdische Güter?

Börsenkurse und Glücksgefühle

Kann man sich für Geld Glück kaufen?

Sparsame Nordlichter

Shopping

Jäger und Sammler

Ego-Altruismus

Wut im Bauch

Sonne im Herzen

Sport

Der Survival-Trick

Der Achterbahn-Trick

Der Stammesbrüder-Trick

Passivsport

Der Sportabzeichen-Trick

Wenig Arbeit, schöne Feste …

Gänsehaut

Salsa für die Seele

Aufmerksamkeit ist die stabilste Währung

Die Kleine-Häppchen-Methode

Vom Diener zum Herrn

Lieber Häuptling als Indianer

Der Heureka-Effekt

Neugier

Prokrastination

Knöllchen-Herbert

Lachen macht glücklich

Hygge

Entrümpeln Sie Ihr Leben!

Der schwarze Gürtel im Aufräumen

Papierkram

Computer vereinfachen unser Leben

Kapitel 2

Wie kann ich mein Belohnungssystem austricksen?

Wellness

Brot und Spiele

Der Kick an der Kasse

Sexsucht

Die Lust an der Angst

Virtuelle Katastrophen

Tagträumen

Der Glaube versetzt Berge

Gehirnwäsche

Vom Saulus zum Paulus

Mein Leben ist Verzicht

Glücklich durch Querdenken

Wenn die Seele leidet

Depression

Was kann man gegen Depressionen tun?

Stress in schnelllebigen Zeiten

Traumatisiert

Ich habe noch drei Monate zu leben

Brennende Chilischoten

Angst

Beschwipst mit Biowein

Endorphinmangel-Krankheiten

Das leere Käsefach

Magersucht

Übergewicht

An der Grenzlinie

Heiratsschwindler und Hochstapler

Das Zappelphilipp-Syndrom

Ockhams Rasiermesser oder: Warum einfach, wenn es kompliziert geht?

So bekommen Sie das ultimative Glücksgefühl

Kann man dem Glück mit Pillen nachhelfen?

Selig durch Serotonin

Dopamin-Doping

Bremskraftverstärker

Die Paradiespille

Drähte im Kopf

Mit 54 fängt das Leben erst an …

Siebzig ist das neue Sechzig

Du schaffst es!

Werden Sie Ihr eigener Mentaltrainer!

Der Glücksindex

Welcher Glückstyp sind Sie?

Uwe Überholspur

Gisela Genügsam

Trude Traumichnich

Antonia Ausgeglichen

Bruttosozialglück

Vierzehn Merksätze

Schluss

Anhang

Selbsttest: Bin ich ein Endorphinjunkie?

Selbsttest: Auswertung

Quellen

Rezept für Glückskekse

Der Autor Borwin Bandelow

Ein perfekter Tag

Was für ein wunderbarer Tag für die Ärztin Luisa B.! Sie hatte ihre medizinische Doktorprüfung mit „sehr gut“ bestanden und strahlte nur so vor Selbstsicherheit und echtem Glück. Bei einer kleinen Sektfeier mit dem wissenschaftlichen Team sprach die Leiterin der Klinik sie an und versicherte ihr, dass ihr Arbeitsvertrag verlängert werden würde.

Gerade als die ersten Gäste gingen, kam Luisas ärztlicher Kollege, Elias M., ein gutaussehender, dunkelhaariger Mann, mit dem sie schon früher oft intensive Gespräche geführt hatte. Er gratulierte ihr mit einem verschmitzten Lächeln auf den Lippen und fasste sich endlich den Mut, Luisa zu fragen, ob er sie zur Feier des Tages zum Abendessen einladen dürfte. Das ist mein Glückstag, freute sich Luisa im Stillen und sagte natürlich zu. Und so fanden sich die beiden abends im Nobellokal „Chez Henri“ wieder, bei Garnelen in Weißweinsoße, begleitet von einer Flasche Elsässer Crémant. Das Gespräch fühlte sich so leicht und locker an wie die Mousse au citron zum Dessert. Die Gedanken berührten sich und ihr gleichgesinnter Humor brachte beide immer wieder zum Lachen. Der Abend war noch jung – beschwingt spazierten die beiden unter dem Sternenhimmel durch die Stadt und sahen am Fluss fröhliche Menschen tanzen. Getragen von der Lebensfreude der Musik und der zeitlosen Atmosphäre blickten sich Luisa und Elias an und wiegten sich bereits im Rhythmus der Musik und der Herzen. Traumwandlerisch begann der Tanz einer Zweisamkeit – ein zärtlicher Kuss steigerte das Verlangen. Die Nacht gehört den Katzen und den Liebenden! … Was für ein perfekter Tag! So glücklich habe ich mich schon lange nicht mehr gefühlt, dachte Luisa, als bereits die ersten Sonnenstrahlen des neuen Tages auf ihre Haare fielen und Elias neben ihr eingeschlafen war …

Wann haben Sie das letzte Mal einen so perfekten Tag gehabt? Haben Sie überhaupt einmal so einen vollkommen stimmigen Tag erlebt? Tage wie dieser, zugegeben literarisch konstruierte, lassen uns strahlen vor Glück und erhalten von uns an ihrem Ende das Prädikat „das Höchste der Gefühle“. Falls Sie also schon lange keinen bis ins Detail perfekten Tag mehr erlebt haben, sollten Sie sich nicht grämen. Aber können Sie sich vielleicht noch an glückliche Momente der letzten Woche oder des letzten Monats erinnern? Oder zählen Sie zu den Menschen, denen das ultimative Glück eigentlich nie zuteilwird? Gehören Sie auch zu denjenigen, deren Leben durch die drei „I’s“ gekennzeichnet ist – „Irgendwas Ist Immer“? Dann läuft vielleicht mal eine Sache in Ihrem Leben richtig gut, aber dafür zwei oder drei andere Sachen gründlich schief. Kaum ein Mensch kann sagen, dass er sich immer absolut glücklich fühlt. Und ein so perfekter Tag, wie ihn Luisa hier erlebt, ist zugegeben richtig selten. Doch manche Menschen fühlen sich fast ständig unausgeglichen und unzufrieden.

Haben Sie vielleicht auch in der letzten Zeit öfters gedacht, dass Sie schon lange nicht mehr so richtig wonnetrunken, vergnügt und sorglos in den Tag hineingelebt haben wie in Ihrer Jugend? Dass die Zeiten vorbei sind, in denen man mit einer Clique junger Leute hemmungslos Spaß hatte und gelacht hat, bis die Tränen kamen? Hand aufs Herz: Haben Sie sich nicht schon gelegentlich gesagt „Das kann doch noch nicht alles gewesen sein?!“

Was ist eigentlich Glück? Ist jeder seines Glückes Schmied? Können wir unsere persönliche Zufriedenheit verändern und vor allem steigern? Wie können wir es erreichen, dass unser Leben mehr Bergfest als Jammertal ist?

Nach einer Studie bezeichnen sich 78 Prozent aller Menschen als glücklich.1 Das ist doch schon eine hervorragende Ausgangsbasis! Aber man kann immer noch etwas mehr Glück empfinden, und wenn Sie sich zu den übrigen 22 Prozent rechnen, dann brauchen Sie tatsächlich umso mehr davon. Wenn Sie also glücklich werden wollen, sollten wir uns damit beschäftigen, was im Gehirn passiert, wenn wir uns fröhlich und zufrieden fühlen.

Kapitel 1

Das Belohnungssystem

Im Jahre 1956 machten die kanadischen Forscher James Olds und Peter Milner ein Experiment mit Ratten: Sie führten ihnen winzige Drähte ins Gehirn ein.2 Die Nager fanden schnell heraus, dass sie nun ihr Gehirn mithilfe eines Schalthebels über die Kabel elektrisch stimulieren konnten. Mit einer Pfotenbewegung konnten sie sich plötzlich Glücksemotionen verschaffen, denn die Wissenschaftler hatten mit den Kabeln zufällig ein Gehirngebiet getroffen, in dem die schönen Gefühle entstanden. Die Ratten konnten nicht genug davon bekommen und drückten bis zu 5000-mal am Tag auf den Hebel. Dabei vergaßen sie, das zu tun, was Ratten normalerweise eigentlich machen: fressen und Sex haben. Warum auch, denn die Belohnungsgefühle, die man normalerweise durch Ernähren und Vermehren bekommt, brauchten sie nicht mehr. Sie bekamen durch die Stromstimulation ja den Superorgasmus und dachten auch, dass ihre Hungergefühle komplett befriedigt waren. Das waren sie offensichtlich nicht, denn die Ratten starben über kurz oder lang, weil sie das Essen und Trinken vergaßen.2

Die Forscher nannten das Areal im Gehirn, das sie mit dem Experiment entdeckt hatten, das „Belohnungssystem“ (reward system). Später fand man heraus, dass dieses Belohnungssystem auch bei Menschen vorhanden ist. Man hatte es vornehmlich in einem Gebiet verortet, das als der Nucleus accumbens bezeichnet wird, der sich im ventralen Striatum befindet. Heute weiß man, dass nicht nur ein einziges Gebiet, sondern viele verstreute Gebiete im Gehirn zu diesem Belohnungssystem gehören.3 Eins ist allen diesen Gehirnsystemen gemeinsam: Sie funktionieren und kommunizieren über die sogenannten Endorphine, auch „endogene Morphine“ (also vom Körper selbst produzierte Opioide) genannt.4 Das sind Hormone, die in Gehirngebieten wie dem Hypothalamus und der Hypophyse gebildet werden. Immer wenn wir etwas Schönes und Angenehmes machen, werden Endorphine im Kopf in die Blutbahn geschossen. Diese Endorphine docken an Rezeptoren an, die „Opiatrezeptoren“ genannt werden.

Lange bevor die Endorphine im Jahre 1975 entdeckt wurden, kannte man schon die Droge Opium. Dieses Schmerzmittel aus dem Schlafmohn war schon vor etwa 8000 Jahren gebräuchlich. Die Sumerer nannten es „Pflanze der Freude“. Der Saft aus dem Schlafmohn, das Opium, das Schmerzen bekämpft und euphorische Gefühle macht, wirkt deshalb so, wie es wirkt, weil es sich im Gehirn an die Opiatrezeptoren anklinkt. Die pflanzliche Droge hat eben große Ähnlichkeit mit den natürlichen Endorphinen, die im Gehirn gebildet werden, und wirkt deswegen fast identisch.

Wenn wir einen gegrillten Maiskolben essen oder ein frisch gezapftes Kellerbier trinken, werden unsere primären Bedürfnisse befriedigt.

Eine andere wichtige Tätigkeit, die die Menschheit erhalten soll, ist Sex. Wenn ein Paar im Bett einen Orgasmus hat, werden auch Endorphine frei. Die Natur will es so, dass wir für diese wichtigen Tätigkeiten, nämlich „Ernähren und Vermehren“ mit Glücksgefühlen belohnt werden – durch Ernähren wird das Lebewesen erhalten, durch Vermehren die Art. Wenn dies nicht so wäre, würden wir vielleicht aufhören zu essen oder Sex zu haben.

  Merksatz:

Glück ist eine Ausschüttung von Endorphinen im Belohnungssystem.

Die meisten Menschen haben in der Regel eine positive oder neutrale Grundstimmung. Wenn wir nicht ab und zu unsere Endorphinausschüttungen hätten, wäre das Leben nicht zum Aushalten. Unter bestimmten Umständen kann es aber zu einem Mangel an diesen erquicklichen Chemikalien kommen. Wenn sie zu selten an die Opiatrezeptoren andocken, entstehen Leeregefühle, Reizbarkeit, erhöhte Schmerzempfindlichkeit und eine unerträglich schlechte Stimmung. Daher sind Menschen bestrebt, ihren Endorphinpegel immer auf einem gewissen Niveau zu halten, sofern sie das beeinflussen können.

Die Endorphine haben aber noch weitere wichtige Funktionen: So werden sie zum Beispiel bei jeder Form von Stress ausgeschüttet, wie bei Hunger, beim Frieren, bei Bedrohung oder bei Verletzungswunden. Doch davon später mehr. Bleiben wir erst einmal bei den positiven Dingen des Lebens.

Warum haben wir ein Belohnungssystem?

Dass wir ein Belohnungssystem haben, ist ein Ergebnis der Evolution. Im Laufe der Geschichte der Welt wurden nach und nach solche Lebensformen aussortiert, die kein gut funktionierendes Belohnungssystem hatten. Diejenigen Lebewesen, die beim Essen eine ordentliche Belohnungsausschüttung bekamen, waren kräftiger als diejenigen, die eher lustlos aßen. Tiere, die beim Sex besonders starke positive Gefühle hatten, waren enthusiastischer und ehrgeiziger auf dem Gebiet der Fortpflanzung tätig und hatten dementsprechend mehr Nachkommen.

Der englische Forscher Charles Darwin erschuf die Theorie vom „Überleben des am besten Angepassten“ (survival of the fittest). Dies ist das Prinzip, nach dem sich die gesamte Natur weiterentwickelt. So hatten in Ländern mit starker Sonneneinstrahlung Menschen mit dunkler Hautfarbe größere Überlebenschancen. Zwar können auch weiße Menschen in Ghana überleben, aber über Tausende Generationen gesehen war schwarz zu sein eben sicherer. Dass in Spitzbergen Eisbären mit einem extrem dicken weißen Fell leben, ist auch einem solchen Selektionsprozess geschuldet. Darwins Theorie lässt sich auch auf das Belohnungssystem anwenden. Es ist nicht so, dass die Natur eines Tages beschließt, ihre Lebewesen mit einem solchen Apparat im Gehirn auszustatten. Das ist ein sehr langsamer Prozess, der sich in winzigen Schritten immer weiterentwickelt. Immer kommen wieder ein paar neue Extras und Upgrades dazu. Die Gene, die für die Ausbildung der belohnenden Gehirnbahnen zuständig sind, verändern sich durch winzige Mutationen von Generation zu Generation. Das ist ein Prozess, der Millionen Jahre dauert – aber die Natur hat jede Menge Zeit.

Ein Interview mit Gott

Frage:Lieber Gott, wozu braucht man eigentlich ein Belohnungssystem?

Gott: Meine Erschaffung des Belohnungssystems war so ein bisschen das Ergebnis von Versuch und Irrtum. Am Anfang meiner Schöpfung hatte ich Lebewesen, die zum Beispiel während des Sexualverkehrs keine Endorphinausschüttung hatten; die sind einfach ausgestorben, das war ein Auslaufmodell.

Frage:Warum haben Sie eigentlich die Menschen so erschaffen, dass viele von ihnen ständig unglücklich und unzufrieden sind? Hätte man es nicht so einrichten können, dass die Menschen einen ständigen Wohlfühlpegel haben, egal, welche Missgeschicke ihnen passieren?

Gott: Gute Frage. Ich habe das Belohnungssystem zu Beginn der Schöpfung entwickelt. Danach hat sich das Ganze – ohne mein Zutun – verselbstständigt. Diejenigen, die mit einem viel zu hohen Endorphinspiegel auf die Welt kamen, haben sich auf die Dauer als nicht hilfreich erwiesen – sie bemühen sich ja nicht, glücklich zu werden, arbeiten deswegen nicht und suchen auch keine Partner. Auch die anderen, die notorisch einen zu niedrigen Pegel hatten, waren nicht überlebensfähig.

Frage:Aber es gibt doch glückliche und unglückliche Menschen?

Gott: Die muss es auch geben. Stellen Sie sich vor, alle Menschen wären immer glücklich. Die Welt ist nun mal mein Baby – sie würde aufhören, sich zu drehen, weil nichts vorwärtsgeht. Und das möchte ich nicht! Niemand würde sich bemühen, zum Beispiel Medikamente gegen Krebs zu finden, das Weltklima zu verbessern oder die Hungernden zu versorgen. Oder neue Emojis zu entwickeln. Das scheint eine der wichtigsten Aufgaben der Menschheit heutzutage zu sein, davon verstehe ich aber nichts.

Umgekehrt wäre es auch nichts. Wenn alle immer unglücklich wären, würden sich die Menschen ständig von hohen Felsen stürzen – das wäre auch nicht zuträglich für den Fortgang meines Projekts „Erde“. Die gesunde Mischung macht’s.

Frage:Aber es gibt so viel Leid in der Welt, dass die Leute sich fragen, ob es überhaupt einen Gott gibt.

Gott: Sehen Sie, wenn es kein Leid gäbe, gäbe es auch keine Freude. Das Belohnungssystem denkt nicht in absoluten Maßstäben, sondern fragt sich: „Wie geht es mir relativ zu vorgestern?“ Und wenn es mir sehr dreckig geht, so fühle ich mich vielleicht doch gut, weil es mir nicht ganz so schlecht geht wie vorgestern. Umgekehrt: Denken Sie an die Leute, die ständig auf hohem Niveau jammern. Eigentlich haben sie alles, was sie brauchen; sie erinnern sich aber an Zeiten, in denen es ihnen noch besser ging.

Frage:Warum haben Sie das Belohnungssystem nicht auf dauerhaftes Glück eingestellt?

Gott: Ich hielt es für eine gute Idee, das System so einzustellen, dass es mal Hochstimmung, mal Trauer produziert, aber im großen Ganzen sollten die Menschen vorwiegend positive Gefühle haben – auch wenn es manchmal dumm läuft. Unterm Strich habe ich es also so eingerichtet, dass der Daumen meist nach oben zeigt. Der Mensch ist standardmäßig auf die Einstellung „leicht positiv“ geeicht.

Lieber Gott, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Tequila Sunrise

Seien Sie gewarnt: In diesem Buch werden viele Phänomene immer wieder auf einige wenige Gehirnfunktionen zurückgeführt. Deswegen muss ich mir öfters anhören: „Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass man Glückseligkeit, Freudentaumel, Entzücken, Frohsinn, Genuss, Wohlgefühl, Wonne, Begeisterung, Euphorie, Ekstase, Liebe, Sex und Gaudi alles mit einem einzigen Molekül im Gehirn erklären kann? Die unendliche Vielfalt der menschlichen Emotionen wollen Sie auf eine banale chemische Reaktion zurückführen?“

Mit Leuten, die eine solche Diskussion mit mir anfangen wollen, trinke ich gerne ein Glas Tequila Sunrise. „Nachdem Sie nun etwa zehn Minuten lang Ihren bunten Drink genossen haben,“ entgegne ich dann einem solchen Skeptiker, „sind Sie völlig verändert. Sie sind lustiger, spritziger, aufgeschlossener und redseliger geworden. Das liegt alles an einem einzigen Molekül, C2H5OH, auch Ethanol genannt, das Ihre Laune sehr rasch ins Positive gedreht hat. Es liegt sicher nicht am Orangensaft oder am Granatapfelsirup.“

Manche lassen sich davon überzeugen, andere wechseln schnell den Gesprächspartner oder holen sich ein stilles Wasser.

Warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?

Ich habe einen nicht unerheblichen Teil meines Lebens damit verbracht, mir über die Neurobiologie des Gehirns Gedanken zu machen. Eins ist mir dabei klar geworden: Nichts, was mit dem Gehirn zu tun hat, ist einfach. Wenn das Gehirn so einfach wäre, dass wir es durchschauen könnten, wären wir so einfach, dass wir es nicht durchschauen würden. Besonders dann, wenn wir es mit Neurotransmittern (Botenstoffen) zu tun haben, ist das Gehirn wie ein Mobile: Stößt man einen Part an, bewegen sich alle anderen gleichzeitig mit, und zwar unvorhersehbar und unberechenbar. Alle Neurotransmittersysteme hängen in irgendeiner Form miteinander zusammen, und jede Veränderung des einen Systems führt zur Beeinflussung eines anderen.

Dennoch scheint es so, als ob das Belohnungssystem eines der wenigen Systeme im Gehirn ist, das verhältnismäßig einfach gestrickt und überschaubar ist. Dafür gibt es auch einen Grund. Lange bevor es Menschen gab, hatten auch Tiere schon ein Belohnungssystem, das auch das „endogene Opiatsystem“, kurz EOS, genannt wird. Ohne ein funktionierendes EOS hätten die Tiere von damals nicht überleben und sich fortpflanzen können, und Menschen wären gar nicht erst entstanden. Aus rein praktischen Gründen hat die Natur bei der Evolution der ersten Menschen vom Typ homo sapiens das bewährte, simple System einfach übernommen, ohne es durch ein komplexeres Gebilde zu ersetzen. Es ist vergleichbar mit dem BIOS in einem Computer. Das Basic Input/Output System, kurz BIOS, ist das erste System, das sich einschaltet, wenn Sie bei Ihrem Rechner den Netzschalter drücken. Es benötigt nur minimalen Speicherplatz und hat das Denkvermögen eines Moorhuhnes – aber ohne das BIOS bringen Sie Ihren PC nicht zum Laufen. Genauso ist das EOS im Gehirn ein einfaches, aber grundlegendes Prinzip, ohne das nichts läuft. Und wenn man das einmal verstanden hat, lassen sich viele menschliche Verhaltensweisen leichter erklären als mit komplexen psychologischen Theorien.

Nun könnte man argumentieren, dass es ja schön und gut ist, alle diese Chemikalien aufzuzählen, die für unser Glück zuständig sind. Es muss doch im Gehirn noch etwas anderes geben, was das Glück ausmacht, was nichts, aber auch gar nichts mit Chemie zu tun hat? Ein Hardcore-Neurobiologe würde vielleicht fragen: „Okay, es soll also nichts mit Molekülen, Nervenzellen und Flüssigkeiten zu tun haben? Mit was dann? Was gibt es denn sonst noch im Gehirn?“ Mit anderen Worten, er würde so reagieren wie ein Elektriker, dem man sagt: „Hören Sie mal zu, in so einem Fernseher müsste es doch etwas anderes geben als nur Drähte, Chips, Transistoren und Elektroden? So ein Fernseher müsste doch auch eine Seele haben. Wie könnte er sonst solche schönen und emotionalen Filme wie ‚Vom Winde verweht‘, ‚Bodyguard‘ oder ‚Die Farbe Lila‘ übertragen?“

Es gibt tatsächlich ernsthafte Wissenschaftler, die das Gehirn für eine Art sehr, sehr komplizierten Computer halten und alles Denken der Menschen auf elektrische Prozesse zurückführen, denn die Erregung einer Nervenzelle ist nichts anderes als ein elektrischer Vorgang. Andere sagen natürlich, dass positive Gefühle etwas sind, das sich unsere Schulweisheit nicht träumen lässt und das man nicht in Form einer 0/1-Schaltung abbilden kann. Aber wenn es wirklich eine Seele gibt, woraus besteht sie? Es gibt keinen Grund, anzunehmen, dass es so etwas gibt wie ‚Äther‘ oder ein ‚Fluidum‘ oder wie man es auch immer nennen will, das völlig losgelöst von den Gehirnsynapsen durch die Schädelkalotte driftet. Zumindest hat die Wissenschaft bisher nichts dergleichen gefunden.

Aber solange wir das nicht genau wissen, ist es zumindest ein praktikabler Weg, wenn wir annehmen, dass unser Denken vor allem durch relativ einfache chemische Prozesse bestimmt wird – mehr, als wir vielleicht oft wahrhaben wollen.

7,2 Sekunden

  Merksatz:

Glück ist ein seltenes Vögelchen – kaum hat man es gefunden, ist es schon wieder weggeflogen.

Aristoteles betont die Vergänglichkeit des Glücks: „Wie eine Schwalbe noch keinen Sommer macht, so macht ein Tag oder eine kurze Zeit noch niemanden glücklich und selig.“5 Die dauerhafte Glückseligkeit aber, so Aristoteles, bleibt den Göttern vorbehalten; der Mensch könne sie nur zeitweilig erreichen.

Pech, dass wir keine Götter sind. Ob wir Erdlinge glücklich werden, hängt nach Aristoteles zum einen vom persönlichen Schicksal ab (wer hätte das gedacht?), zum anderen vom Wohlwollen der Götter – aber das könne man durch ein tugendhaftes Leben erringen. Zumindest in einer Beziehung hatte Aristoteles recht: Glücksgefühle sind immer flüchtig. Beziehungsweise: Glück ist eine treulose Tomate.

Eine Endorphinausschüttung ist nur kurz, wenige Sekunden lang. Ich las einmal über einen jungen Mann, dem man eine Elektrode ins Gehirn eingepflanzt hatte, mit der er sich selbst per Knopfdruck ein Glücksgefühl verschaffen konnte, so wie bei den erwähnten Ratten der Forscher Olds und Milner.6 Dies tat er etwa 1500-mal in drei Stunden. Daraus kann man errechnen, wie lange es dauerte, bis das schöne Gefühl nachließ und er erneut den Wunsch verspürte, es durch Kopfdruck auszulösen – nämlich 7,2 Sekunden.

Eines der schönsten Gefühle des Menschen ist der Orgasmus. Der sogenannte Höhepunkt beim Sex dauert auch nur wenige Sekunden. Hier haben Frauen einen Vorteil: Männer müssen mindestens zehn Minuten warten, bis sie wieder „können“. Frauen dagegen können innerhalb kürzerer Zeit mehrere Orgasmen hintereinander erleben. Aber: Während Männer beim Liebesspiel fast immer einen Orgasmus bekommen, gaben achtzehn Prozent der Frauen in einer Umfrage an, selten oder nie einen Orgasmus zu empfinden.7

Wenn Glücksgefühle nur kurz anhalten, heißt das, dass man nie dauerhaft glücklich sein kann, sondern allenfalls durch häufige Wiederholungen seinen Endorphinpegel immer wieder nach oben schrauben kann. Während eines Computerspiels kommt es zum Beispiel immer wieder zu kleinen Erfolgsmomenten. Wenn man gerade einen hässlichen Alien neutralisiert hat, biegt schon der nächste triefäugige Zombie um die Ecke und gibt einem die Gelegenheit, sich kurz glücklich zu schätzen, weil man auch diese ekelhafte Kreatur mit der Laserkanone verdampft hat. Und schon taucht wieder ein grünkotziger Untoter auf, um liquidiert zu werden. Menschen, die Spiele entwickeln, gestalten den Spielverlauf so, dass es alle paar Sekunden zu diesen Momenten der Befriedigung kommen kann. Auch beim Skifahren kommt es immer wieder, praktisch nach jedem Schwung, zu einer minimalen Endorphinausschüttung, da das Angstsystem befürchtet, dass man geradeaus in die Fichten kracht und für eine vorsorgliche Endorphinausschüttung sorgt, damit der Körper den Unfall besser überstehen kann. Wenn die Angst nach der Kurve weg ist, bleiben die Endorphine kurz im Blut, bis zur nächsten Wende. Und das fühlt sich schön an.

Vorfreude ist die schönste Freude

Wir hatten in der psychiatrischen Klinik mal einen Patienten namens Alex F., der vor jeder Mahlzeit lange hungerte, weil er hoffte, dass der Genuss beim Essen dann umso schöner sein würde. So aß er den ganzen Tag nichts, in der Hoffnung, das Abendbrot in vollen Zügen genießen zu können. Im Geiste malte er sich eine opulente Schlemmerei aus. Als der Abend dann kam, begnügte sich Alex F. allerdings mit nur wenigen Bissen, da er nun an das Frühstück am nächsten Morgen dachte und hoffte, es mit leerem Magen besser genießen zu können. Er schwelgte dabei in Fantasien von Spiegeleiern mit gebratenem Speck, frisch gepresstem Orangensaft, knusprigen Brötchen und hausgemachter Aprikosenmarmelade. Dazu kam es aber auch wieder nicht; er aß morgens wieder extrem wenig, da er nun wiederum für das Abendbrot hungern wollte. So machte er es mit jeder Mahlzeit. Die unweigerliche Folge: Er magerte immer mehr ab, bis er schließlich ein lebensgefährliches Untergewicht erreicht hatte. Verschiedene Spezialisten versuchten, ihn wie einen Magersucht-Patienten zu behandeln – was bei Männern eine äußerst seltene Diagnose ist –, allerdings ohne Erfolg. Herr F. betonte auch immer wieder, dass er sich nicht für zu dick hielte und deswegen hungerte, wie es bei Anorexiepatientinnen der Fall ist. Sein Streben war auf die Vorfreude gerichtet, und er verzichtete auf das Sattessen, um die gespannte Erwartung auf ein üppiges Mahl zu optimieren. Alle bisherigen Behandlungen fruchteten nicht, und tatsächlich war jetzt sein Leben in Gefahr, denn man konnte ihm seine bizarren Vorstellungen nicht ausreden. Irgendetwas mussten wir tun und so dachten wir uns eine experimentelle Therapie aus: Wir vermuteten bei ihm eine Störung des Belohnungssystems und behandelten ihn mit dem Medikament Naltrexon, einem Gegenspieler des Belohnungssystems. Alex F. wollte unserer Vermutung nach mit seinem bizarren Essverhalten unbewusst eine maximale Stimulierung dieses Gehirngebiets erreichen. Mit Naltrexon blockierten wir seine Opiatrezeptoren, sodass die belohnende Wirkung des Hungerns ausblieb. Und es funktionierte: Der Patient nahm wieder zu und zeigte schließlich ein normales Essverhalten.8

Dieses Beispiel zeigt, dass auch die Vorfreude zu einer Aktivierung des Belohnungssystems führt. Das konnte man in wissenschaftlichen Untersuchungen nachweisen: Schon die Erwartung eines Geldgewinns führt zu einer Aktivierung des Nucleus accumbens, einem der wichtigsten Gebiete des Belohnungssystems.9

Wenn man es aber nicht übertreibt wie Alex F., ist die Vorfreude eine wichtige Quelle des Glücks. Ein gutes deutsches Bier braucht drei Minuten, wenn es korrekt gezapft wird. In dieser Zeit entwickelt sich beim Besteller eine freudige Erwartung, die auch mit einem Glücksgefühl einhergeht, das fast vergleichbar ist mit dem tatsächlichen Genuss der Hopfenkaltschale. Wenn Sie gespannt der Bekanntgabe der Lottozahlen harren, wenn Sie schon eine halbe Stunde auf die Pizza gewartet haben, maximal angeregt vom leckeren Geruch geschmolzenen Käses von den Nachbartischen, wenn sich beim Roulette die Scheibe scheinbar endlos lange dreht, bis die Kugel in das entscheidende Loch fällt, wenn ein verliebtes Pärchen schon im Fahrstuhl nicht erwarten kann, dass es die Wohnung erreicht hat – immer spielt die Vorfreude eine aufputschende Rolle. „Hurra, mein Leben macht endlich wieder einen Sinn“ werden Sie vielleicht schon einmal gedacht haben, wenn Sie die Nachricht des Zustelldienstes erhalten haben, dass Ihre neuen Sneakers am Folgetag geliefert werden. Die Vorfreude in Erwartung eines schönen Glücksgefühls erreicht zwar bei Weitem nicht das Wohlbefindensniveau, das sich einstellt, wenn der erwünschte Zustand eingetreten ist, dafür hält es aber auch länger an.

  Merksatz:

Vorfreude bewirkt nicht so starke Glücksgefühle wie die Freude selbst, dafür hält sie länger an.

TIPP:

• Versuchen Sie bei allen schönen Dingen des Lebens, den Eintritt eines Glückserlebnisses hinauszuzögern und genießen Sie die freudige Erwartung.

Kaviarkanapee und Currywurst

Wenn Sie in einem All-inclusive-Hotel am ersten Tag des Urlaubs das reichhaltige Büfett sehen, läuft Ihnen das Wasser im Munde zusammen. Am letzten Tag sind Sie dann aber nicht mehr so begeistert, denn das opulente Angebot hängt Ihnen zum Hals heraus. Sie denken nur an das Magendrücken und Völlegefühl, das dem hemmungslosen Bauchvollschlagen folgt. Und es kommt der Tag, an dem Sie von einer einfachen Currywurst oder einem Magermilchjoghurt träumen.

Glücksgefühle können nur funktionieren, wenn vorher ein Mangelzustand geherrscht hat. Wer zehn Kilometer durch eine heiße Wüste gelaufen ist, dem mundet eine eisgekühlte Cola besser als der teuerste Champagner, obwohl einem die braune Brause zu Hause nur klebrig vorkommt. Wer eine gewisse Zeit gehungert hat, dem schmeckt selbst eine Schale Reis besser als das Kaviarkanapee beim Empfang der Mittelstandsunternehmer. Wenn man einen Partner verlassen hat, merkt man oft erst, was man an ihm hatte. Wer eine lange Krankheitsphase durchgemacht hat, weiß jetzt erst zu schätzen, was ein Spaziergang im Wald für ein Glückserlebnis sein kann. Wenn wir nach einer weiten Reise den Rückweg antreten, erscheint uns die alte Heimat viel lebens- und liebenswerter als an dem Tag, an dem wir unbedingt in die Ferne wollten, weil es zu Hause zu langweilig wurde. Das helle Licht auf dem Gipfel kann nur empfinden, wer vorher durch das tiefe Tal der Finsternis gewandert ist.

Unser Gehirn funktioniert so, dass es nicht ein absolutes Maß an Glück, sondern einen relativen Zugewinn an Wohlbefinden braucht. Hätte man immer nur Glücksgefühle, wäre das irgendwann nicht mehr zum Aushalten.

  Merksatz:

Ohne Jammertal kein Bergfest!

Glück wird überbewertet – oder?

Es gibt kaum einen Philosophen, der nicht das Glück auf möglichst eloquente Art neu definiert hat.

So war Platon der Ansicht, dass für ein gutes und glückliches Leben allein entscheidend ist, ob jemand Weisheit erlangt.10 Und er fügte hinzu, dass man das Richtige studiert haben muss, um glücklich zu werden: „Die Kompetenz für die Bestimmung und Herbeiführung des Glücks liegt bei der Philosophie: Sie spielt die Rolle einer Lebenskunst.“11 Wenn die grundlegende Kenntnis der Philosophie eine Grundvoraussetzung für Zufriedenheit wäre, müssten Philosophen und andere Intellektuelle demnach überglücklich sein. Und wer nie fünf Bände Schopenhauer durchgearbeitet hat, unglücklich wie ein vertrockneter Leberegel.

Manche Philosophen schreiben aber in einem derart akademischen, spaßfreien Stil über Glück, dass man ihnen nicht glauben kann, dass ausgerechnet Lebenskunst ihre Kernkompetenz ist. Ein grundlegendes Problem mit Glücksdefinitionen dieser Gelehrten ist, dass die klügsten Köpfe mit dem intelligentesten Teil ihres Gehirns vortrefflich über ein Gebiet des Denkorgans spekulieren, das kognitiv auf dem Niveau eines Fadenwurms angesiedelt ist – nämlich das Belohnungssystem.

Letztendlich ist es aber mit allen Begriffsbestimmungen von Glück genauso wie mit der Definition von Rock ’n’ Roll: Wenn man versucht, Regeln aufzustellen, wie Rock ’n’ Roll definiert wird, hat man ihn nicht im Blut.

Prediger, Philosophen, Psychologen und Personal Coaches wollen uns immer wieder einreden, dass wir nicht dem Glück hinterherrennen sollen. „Glück wird überbewertet“, so ihr Credo. Folgt man diesen Mentoren, sollen wir uns mit dem, was wir haben, zufriedengeben. Wir sollen uns an einen breiten Strom setzen, mit verklärtem Blick auf das träge fließende Wasser starren und uns daran freuen, dass dieser Fluss niemals derselbe sein wird. Wir sollen nicht mehr nach materiellen Gütern streben. Auch sollen wir uns nicht aus niederen Beweggründen dafür interessieren, wie wohl die Brünette aus der Informatikabteilung oder der dunkelhaarige Romanistikstudent im Bett ist. Wir sollen unsere SUVs verkaufen, nicht mehr der Weihnachtsgratifikation nachjagen, nicht mehr an heiße Partys im angesagten Club denken oder für ein neues Handy sparen, das neben vielen Sonderfunktionen wie Garagentor öffnen, Rasieren und Sockenflicken nebenbei noch das Telefonieren beherrscht. Wir sollen stattdessen in ein abgelegenes Dorf ziehen, das Melken und die Schafschur erlernen, uns natürlich und fleischlos ernähren und den ganzen Unfug mit den sozialen Netzwerken ein für alle Mal ad acta legen. Vor allem sollen wir gar nicht nach mehr Glück suchen, stattdessen sollen wir warten, bis das Glück uns findet – ein Vorgehen, das genauso aussichtsreich ist wie der Plan, meinen verlorenen Geldbeutel nicht zu suchen, sondern zu warten, bis er mich findet.

Das Problem ist, dass es kaum einen Menschen gibt, der diese Weisheiten beherzigt. Wenn es so wäre, bräuchten wir keine Lebensberater, die uns diese Erkenntnis verkaufen wollen. Wie kommt es, dass es kein Land auf der Welt gibt, in dem niemand Glücksspielen frönt? Warum ist Prostitution das älteste Gewerbe der Welt? Warum finden Menschen seit Jahrtausenden immer wieder heraus, wie man aus Pflanzen Drogen oder Alkohol herstellen kann? Alle diese Dinge sind für manche Philosophen und kirchliche Würdenträger überflüssig und schädlich. Und dennoch halten sie sich penetrant in jedem Zeitalter und jeder Kultur. Man sollte sich lieber fragen, warum die Evolution uns mit einem Spaßgehirn ausgestattet hat, das auf Rubbellose, Pornofilme und Eierlikör abfährt. Es gibt nichts, was auf der Welt nicht irgendeinen Zweck hat. Also müssen wir uns damit abfinden, dass auch Fußballtoto, Pferdewetten und Hahnenkämpfe einen tieferen Sinn haben.

Die Rolling Stones behaupten zwar, dass sie alle drei, nämlich Sex, Drogen und Rock ’n’ Roll erfunden hätten – aber im Mittelalter gab es auch schon Wein, Weib und Gesang. Schon vor 5000 Jahren brauten die Chinesen Bier, und vor 7000 Jahren gab es Weinanbau – ausgerechnet im Iran. Vielleicht haben sich die Menschen davor auch schon mit vergorenen Beeren beschwipst. In einer Grabbeigabe, einem Gefäß in Form einer Schlafmohnkapsel, fanden Forscher in Kanaan 3500 Jahre altes Opium. Zu allen Zeiten gab es überall auf der Welt Menschen, die ohne Alkohol und Drogen das Leben weniger lustig fanden.

Das soll nun wirklich keine Aufforderung sein, sich hemmungslos berauschenden Mitteln hinzugeben. Aber wir sollten uns schon darüber Gedanken machen, warum Erdenbewohner immer auf irgendeine Weise herausgefunden haben, wie sie sich volldröhnen können, um ihre Alltagssorgen zu vergessen.

The show must go on

Das Gemeine ist, dass die Natur sich das Endorphinsystem nicht allein ausgedacht hat, um uns bei Laune zu halten. Wenn es einen Masterplan hinter der Erde, dem Universum und dem ganzen Rest gibt, lautet dieser nicht: „Den Menschen ein Wohlgefallen“, sondern „The show must go on!“. Die Erhaltung der Welt – unter allen Umständen – ist das Ziel. Wenn Menschen Glück dabei empfinden, wenn sie etwas Anständiges zu essen bekommen, dient die Endorphinausschüttung nur sekundär dazu, ihnen Gutes zu tun. Der tiefere Sinn der hormonellen Ekstase ist, dass der Mensch sich weiter ernährt, damit er nicht vom Fleische fällt und weiterlebt. Und wenn wir mit einer geliebten Person Turnübungen im Bett machen, dient dies nur vordergründig unserem Lustgewinn. Der tiefere Sinn dahinter besteht im Kindermachen, damit die Menschheit weiterexistiert. Im Laufe der Evolution sind eben diejenigen Menschen, die keinen Spaß am Sex hatten und die Essen langweilig fanden, weil sie in ihrem Gehirn keinerlei Lusthormone dabei verspürten, ausgestorben, während die Stammeslinien, die beides mit Spaß taten, weiterlebten und sich fortpflanzten.

TIPPS:

• Jetzt könnte man frustriert sein und sagen: In Ordnung, der Sinn unseres Daseins auf dieser Welt ist scheinbar nur, dass die Schöpfung bestehen bleibt – wie es uns Menschen dabei geht, ist egal. Schlauer wäre es aber, das Beste daraus zu machen. Genießen Sie das Grillhähnchen und nehmen Sie es hin, dass Sie Ihr Überleben und das der Menschheit sichern, wenn Sie es verspeisen. Akzeptieren Sie, dass das Knutschen mit dem süßen Kfz-Mechatroniker auf der Engtanzparty indirekt nichts anderes ist als Arterhaltung. Genießen Sie es, wenn Sie eine WhatsApp-Nachricht mit zehn Herzen von Ihrem neuen Lover bekommen und verdrängen Sie dabei den Gedanken, dass Ihr Hochgefühl ausschließlich dem Fortbestand der Welt dient.

• Wenn Sie Ihr persönliches Glück finden wollen, dann sollten Sie nicht versuchen, die Evolution auszuhebeln. Akzeptieren Sie, was die Natur uns vorgegeben hat. Dabei sollte man aber ein paar Regeln einhalten …

Angst – der Gegenspieler des Belohnungssystems

Das Belohnungssystem oder EOS (endogenes Opiatsystem) ist, wie wir gesehen haben, geistig auf der Stufe eines Kartoffelkäfers. Sehr einfach gestrickt. Es hat keinen Hochschulabschluss. Es kennt nur ein Ziel: Ich will die Befriedigung, und zwar sofort! Es kann nicht abwägen, ob die sofortige Triebbefriedigung vielleicht gerade opportun ist oder ob man sie nicht besser aufschieben sollte. Würde man dem EOS freie Bahn geben, würden Menschen gleich auf der Straße kopulieren, wie es die Tiere im afrikanischen Busch tun, denen völlig egal ist, ob ihnen die Touristen im Safarimobil dabei zuschauen.

Der Gegenspieler des EOS ist unser soziales Angstsystem. Wenn ein junger Mann eine Frau umgarnt, meldet sich bei der Angebeteten das Angstsystem gleich mit einer ganzen Reihe von Warnhinweisen: Ist er wirklich an mir interessiert oder nur am schnellen Sex? Ist es nicht ein bisschen früh, schon am ersten Abend mit ihm in die Falle zu steigen? Und was, wenn ich ein Kind bekomme? Oder mich mit irgendeiner Geschlechtskrankheit anstecke? Und da ist doch noch dieser andere Junge, der auch an mir interessiert ist – wird der nicht maßlos enttäuscht sein? Und wenn ich mit ihm schlafe, kann es sein, dass ich alles falsch mache und er nachher unzufrieden ist und nichts mehr mit mir zu tun haben will? Was würde meine Mutter zu ihm sagen? Hat er Geld, sozialen Rückhalt, ist er wirklich was für die Zukunft? Bedenken über Bedenken.

Man muss verstehen, dass das Gehirn wie eine staatliche Behörde organisiert ist: Es gibt mehrere Abteilungen, die nicht unbedingt gut miteinander kooperieren. Bei der Frau ist das EOS angesprungen – das hat ein großes Verlangen nach Sex. Aber das Angstsystem feuert ununterbrochen mit Mahnrufen. Dann gibt es noch das Vernunftsystem im Gehirn. Dieses ist in der Lage, abwägend zu denken. Es muss zwischen dem Belohnungssystem und dem Angstsystem vermitteln. Es kann nüchtern und emotionslos das Für und Wider der verschiedenen Möglichkeiten abwägen. Vielleicht entscheidet es sich so: „Der Junge ist ja ganz süß, ich werde ihn aber heute noch nicht ranlassen, sondern ihn erst mal ein bisschen zappeln lassen! Er muss erst einmal sein echtes Interesse beweisen. Vielleicht lasse ich mich beim nächsten Mal herumkriegen …“

Beide, das EOS und das Angstsystem, sind uralte Gehirnanteile – sie sind auch bei Tieren vorhanden und waren auch schon bei den Urmenschen aktiv. Das Vernunftsystem dagegen gehört zur Großhirnrinde; es ist nur bei Menschen, nicht aber bei Tieren vorhanden.

Das Belohnungssystem ist nicht diskussionsbereit. Ein Pitbull denkt nicht darüber nach, ob er vielleicht die Hälfte eines Fleischbrockens dem Borderterrier des Nachbarn abgibt – er will alles behalten. Der Löwe, der über die Löwin steigen will, wird nicht von Gewissensbissen wegen Untreue gegenüber einer anderen Löwin geplagt.

  Merksatz:

Das Belohnungssystem ist so kompromissbereit wie ein hungriger Pitbull.

Nun gibt es Menschen, bei denen das Angstsystem übermächtig ist. Sie werden ständig von Skrupeln und Bedenken geplagt. Sie gönnen sich nichts im Leben, weil sie überall Gefahren und Probleme sehen. Auf der anderen Seite gibt es Zeitgenossen, die ein Problem mit einem zu gierigen EOS haben. Offenbar haben sie zu wenig der Endorphine im Gehirn oder einen erhöhten Bedarf und versuchen daher, ihr Belohnungssystem auf vielfältigste Weise zu befriedigen. Dabei greifen sie auch zu Methoden, die illegal, ungesund oder sozial geächtet sind. Ein Sexualtriebtäter lauert Frauen auf, um sie zu vergewaltigen, wohl wissend, dass er gefasst und hart bestraft werden kann. Trotzdem ist seine Gier nach Sex so unbändig, dass er alle Warnungen seines Angstsystems außer Acht lässt. Ein Alkoholiker greift immer wieder zur Flasche, auch wenn er dadurch schon seinen Job und seine Familie verloren hat. Bei den meisten gesunden Menschen besteht aber eine Balance zwischen dem EOS und dem Angstsystem. Manchmal gönnen sie sich ein bisschen Spaß, manchmal verkneifen sie sich das.

Alles, was Menschen tun, kann man auf zwei Grundbedürfnisse reduzieren: Befriedigung des Belohnungssystems oder Vermeidung von Angst. So komplex und vielfältig das Leben auf dieser Welt ist: All unser Streben geht letztendlich nur auf diese zwei Dinge zurück. Wenn jemand bei der Arbeit Geld verdient, so dient das letztendlich dem Zweck, dass er sich und seiner Familie etwas zu essen kaufen kann. Wenn eine Frau im Fitnessstudio den Hüftspeck wegtrainiert, zum Friseur geht oder ein vorteilhaftes Kleid aussucht, steckt dahinter indirekt oder direkt der Gedanke, dass sie dadurch bessere Chancen bei den Männern haben könnte (oder ihr eigener Partner ihr treu und an ihr interessiert bleibt). Wenn ein Student fleißig für das Examen lernt, hofft er, einen tollen Job zu bekommen, der ihn bei den Romanistikstudentinnen attraktiv erscheinen lässt. Das Angstsystem hindert uns daran, dass wir die Bockwurst einfach im Supermarkt stehlen oder einer Rentnerin die Handtasche mit vorgehaltener Sig-Sauer-Pistole entreißen. Die soziale Angst sorgt dafür, dass ein verliebtes Pärchen nicht in einer vollen Straßenbahn übereinander herfällt. Ohne das Angstsystem würden wir hemmungslos unsere Triebwünsche ausleben. Nennen Sie mir irgendeine Tätigkeit, die nicht direkt oder indirekt auf eines dieser beiden Ziele gerichtet ist. Allerdings kommt es auf das richtige Maß an.