Das Erbe eines Narren - Adam Eriksson - E-Book

Das Erbe eines Narren E-Book

Adam Eriksson

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Beschreibung

Ein Sturm zieht auf. Die Worte von Haus Elsworth waren nie wahrer. Über dem Reich liegt eine bedrückende Stille. Während Nordmänner die westlichen Küsten überfallen, tut der König nichts, außer sich im Ruhm seines berühmten Vorfahren zu sonnen. Die wahren Herrscher des Königreiches sind vier Hüter, jedoch werden diese von den großen Häusern mit Argusaugen beobachtet. Und gerade als das gegenseitige Misstrauen neue Höhen erreicht, stirbt einer der Hüter unerwartet. Der Tradition nach muss ein Nachfolger in Prüfungen bestimmt werden, welche ein Duell beinhalten und vor den Oberhäuptern aller großen Häuser stattfinden. Und so macht sich Ser Paxton, der Hüter des Westens, auf, um Lord Elsworth in die Hauptstadt zu rufen. Die Ereignisse während seiner Reise werden das Reich für immer verändern.

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Seitenzahl: 511

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Für meine wundervolle Frau.

Inhaltsverzeichnis

PROLOG

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

EPILOG

PROLOG

»Ich weiß, dass du dich hinter dem Hüter versteckst, Jalen!«, rief Lucia von Weitem mit heller Stimme. Zu Jalens Bedauern offenbarte sie wieder einmal ihr Talent dafür andere zu finden.

Verdammt! fluchte er im Stillen. Er würde erneut eine Runde verlieren. Ich hätte es wie Seth machen und mich hinter einem Baum verstecken sollen. Jalens Freund kauerte hinter einer Buche am Rand des Waldes der Fabeln, welcher sich von hier nach Südosten erstreckte, so weit das Auge reichte. Die meisten der unzähligen sich um den Wald rankenden Mythen und Legenden handelten von unglücklichen Seelen, die sich in dessen Weiten verirrt hatten. Fast immer ereilten sie danach schlimme Schicksale.

Es waren nicht nur angsteinflößende Geschichten, die Jalen vom Wald fernhielten. Seine Familie hatte ihn oft genug vor dem Gesindel gewarnt, dass im Wald sein Unwesen trieb. Es war einer der Gründe, warum er sich am Ende doch wieder für den Platz hinter der Hüter-Statue als Versteck entschieden hatte, ganz als ob diese ihn vor den in den Schatten der Baumwipfel zu lauernden Gefahren beschützen würde.

Allerdings war das nur die halbe Wahrheit. Von jeher hatte die Hüter-Statue eine Faszination auf ihn ausgeübt. Er träumte davon als einer der fünf Hüter das Reich gegen dessen Feinde zu verteidigen. Leider war ihm bewusst, dass dies nicht mehr als ein Wunschtraum war. Mein Großvater hat recht. Der Tag, an dem ich einer der fünf Hüter werde, wird der Tag sein, an dem die Fische ihre Netze selbst knüpfen. Weder habe ich in meinem Leben je ein richtiges Schwert in den Händen gehalten, noch kann ich lesen. Wie könnte ich also jemals zu einem Hüter werden?

Einst hatte Jalen den Wunsch geäußert, lesen zu lernen. Seine Mutter hatte ihm kurz zuvor vom Hüter des Westens Ser Paxton erzählt, der wie Jalen der Sohn eines Fischers war. Doch der Großvater von Jalen hatte damals nur gegrummelt, den Sohn eines Fischers lesen zu lehren, wäre ebenso nützlich, wie einem Maulwurf beizubringen, eine Sonnenuhr zu bauen.

Jalen schaute zur Statue des Fischers, welche zehn Fuß von ihm entfernt stand, halb verborgen hinter einer verdorrten Eiche. Ein vom Baum herunterhängender Ast lag gleich einer Angelrute auf der linken Schulter der Statue. Die Augen der Statue schienen Jalen anzustarren.

Er hörte, wie Lucias schnelle Schritte das Wasser einiger der unzähligen Pfützen aufspritzen ließ, die den Boden des Hügels bedeckten. Es waren Überbleibsel des wilden Sturms vom Vorabend. Dieser hatte so viel heftiger gewütet als jeder andere Sommersturm, an den Jalen sich erinnern konnte. Selbst sein sonst so unerschütterlicher Großvater hatte Anzeichen von Unbehagen gezeigt, als Unmengen von Wasser gegen das Hausdach gepeitscht waren und der Wind fluchend durch die Wände geheult hatte. Und binnen kurzer Zeit hatte der alte Mann angefangen den Himmel mit der gleichen donnernden Stimme zu verfluchen, mit der er üblicherweise seine zwei Söhne anbellte. Zunächst war der Sturm draußen noch weiter angewachsen, und genauso hatte es sich mit dem wütenden Schimpfwörtersturm innerhalb des Hauses verhalten. Das Geschrei von Jalens kleinem Bruder Semos hatte das Ganze nicht erträglicher gemacht. Nach einer schier nicht enden wollenden Zeitdauer hatte der Donnergott schließlich Gnade walten lassen. Sein Werk hatte überall deutliche Spuren hinterlassen.

Jalen spürte das nasse rund um den Sockel der Hüter-Statue wuchernde Unkraut an seinem Knie, als er nach Lucia schielte. Diese flitzte gerade an der Statue des Hohen Priesters vorbei. Wie immer richtete der Mann der Götter seine Hände gen Himmel, um den vor ihm in steinerner Form stehenden König Edward zu preisen. Der Namensgeber von Jalens Heimatdorf Edwards Hügel besaß scharf geschnittene Gesichtszüge und stützte sich auf seinen berühmten Zweihänder Tigerherz, die magische zerbrochene Klinge. Zwischen Lucia und Jalen stand nur noch der steinerne König.

Er duckte sich, als Lucia in seine Richtung schaute. Dabei presste er seine linke Wange gegen den großen, zur Verteidigung gegen den Feind erhobenen Schild des Hüters. Als Jalen in das weit geöffnete Maul rechts von ihm schaute, wünschte er, der Hüter würde ihn gegen Entdeckung abschirmen. Das Maul, in das Jalen schaute, gehörte zur Skulptur eines Tigers, der kurz vorm Sprung auf den Schild des Hüters stand. Auf dem Rist des Tigers ruhte die rechte Hand der Statue von Magnus dem Narren. Die linke zeigte auf den Hüter. Magnus war der letzte der alten Könige gewesen, und zugleich der letzte der Biestgebieter.

Jalens Blick wanderte von Magnus‘ Statue zurück zur Statue des Fischers, die wirkte, als wäre sie lediglich ein stiller Beobachter der Ereignisse. Es war ein trauriger Anblick.

»Hab dich!«, rief Lucia auf einmal und schlug gegen Jalens linke Schulter, was ihn aufschrecken ließ. Lucia grinste übers ganze Gesicht. Gerade als Jalen etwas sagen wollte, drang das schadenfrohe Gelächter von Seth an seine Ohren. Jalens anderer Freund trottete auf ihn zu und klatschte dabei voller Freude mehrmals in die Hände, woraufhin Jalen das Gesicht verzog. Na toll! dachte Jalen. Um die Hänseleien seiner Freunde umgehend zu beenden, hielt er sich die Augen zu und begann zu zählen. Das Lachen von Lucia und Seth wurde mit der Zeit immer leiser, genauso wie die Geräusche ihrer Schritte auf dem nassen Boden.

Als Jalen zu Ende gezählt hatte, nahm er die Hände von seinen Augen und reckte den Hals. Wo könnten sie sein?

Er beschloss, zuerst bei den Klippen zu suchen und rannte an der Statue von Magnus dem Narren vorbei. Lucia hatte in letzter Zeit eine Vorliebe für die zahlreichen Versteckmöglichkeiten bei den Klippen entwickelt, ganz egal wie oft ihre Eltern sie vor den tückischen Klippen und den scharfen Felsen im Wasser darunter gewarnt hatten.

Auf den ersten Blick konnte Jalen an den Klippen niemanden entdecken. Er ließ seinen Blick über die Klippen runter zum Wasser schweifen. Dichter Nebel hing über der Bucht. Dieser hing bereits seit der Morgendämmerung dort. Nicht nur hatte die leichte Landbrise in den ersten Stunden des Tages diesen nicht auflösen können, sondern die Windrichtung hatte seitdem gedreht und inzwischen war ein Teil des Piers in Nebel gehüllt. Jalen konnte daher das Fischerboot seiner Familie nicht erspähen. Er war sich jedoch sicher, dass es noch immer dort lag, wo sein Vater und sein Onkel es zu Wasser gelassen hatten. Schließlich würde es niemand wagen, ohne Not bei solch schlechter Sicht zu segeln.

An Tagen wie diesen erreichten die berüchtigten Schimpftiraden von Jalens Großvater normalerweise ihren Höhepunkt. Der alte Mann ließ seine Wut oft an seinen zwei Söhnen aus, die wie er Fischer waren, genauso wie ihre Vorfahren vor ihnen, und wie Jalen es auch einmal sein würde. Dann werde ich mit meinem kleinen Bruder dort draußen sein und unser Vater wird uns vielleicht auf dieselbe Weise verfluchen, wie ihn sein Vater einst verflucht hat, dachte Jalen beim Blick auf die See.

Er schaute auf das Reetdach seines Zuhauses und stellte sich vor, wie sein Großvater sich gerade selbst in Rage redete. »Ich wünschte, die Götter wären gütig und würden die Nordmänner hierherschicken, damit ich euch Nichtnutze endlich loswerde!«, blaffte sein Großvater für gewöhnlich in Richtung seiner zwei Söhne, wann immer ihn die Wut packte.

Der schiere Gedanke an die von jenseits der nördlichen See kommenden bösen Nordmänner verlieh Jalen Todesängste. Er hatte kein Auge zu machen können, nachdem er zum ersten Mal Geschichten über diese von seinem Großvater gehört hatte. Voller Angst hatte er sich damals vorgestellt, wie der in der Nacht durch die Ritzen seines Zuhauses pfeifende Wind ein Langschiff voller Nordmänner zum Dorf blasen würde. Seine Mutter hatte ihm aber schließlich seine Ängste nehmen können. »Alle Erzählungen über die Nordmänner sind nicht mehr als die Geschichten alter Männer. Kein Nordmann wird sich trauen jemals hierherzukommen, solange Ser Paxton und die anderen Hüter über uns wachen«, waren ihre beruhigenden Worte gewesen. Danach hatte sie ihm noch ein Schlaflied gesungen.

Unter den Augen des Königs kann man schlafen ohne Sorgen. Weiße Tiger und Dunkle Prinzen haben diese bereits gesehn. Und für beide gibt es weder ein Zurück noch ein Morgen. Daher hab keine Angst und lass den Wind wehn.

Wann immer sein Großvater seitdem mit schroffer Stimme von den Nordmännern erzählte, wanderten Jalens Gedanken zurück zu diesem Schlaflied. In letzter Zeit sprach der alte Mann noch mehr als sonst von den Nordmännern. Vermutlich tat er dies sogar genau in diesem Augenblick. Aber falls die Götter gnädig zu Jalens Eltern sein sollten, würde sein Großvater sie und seinen Onkel in Frieden lassen und sich am Pier mit den anderen alten Käuzen Fester und Walsh treffen. Ein jeder von ihnen schien nichts mehr zu genießen, als mit den anderen am Pier zu stehen und dort zu grummeln, egal ob die Sonne schien oder es in Kübeln regnete. »Gibt kein schlechtes Wetter für die Fische, Junge«, knurrten sie normalerweise, falls das Letztere zutraf, nur um das Wetter mit dem nächsten Satz aus ihrem Mund zu verdammen. Die drei bildeten den Schimpfzirkel des Dorfes.

Wie es schien, war dieser jedoch zu diesem Zeitpunkt nicht komplett, da Jalen lediglich die Umrisse zweier Personen am Pier ausmachen konnte. Er fragte sich, wer von den drei alten Seebären noch fehlte, während sein Blick auf den majestätisch auf dem Wasser schwebenden Nebel fiel. Er konnte sich nicht erinnern jemals so dichten Nebel gesehen zu haben, obwohl er sein ganzes Leben an der Nebligen Bucht verbracht hatte. Kein Wunder, dass absolut jeder im Dorf heute Morgen zu schimpfen schien, dachte Jalen.

Er selbst mochte Wetter wie am heutigen Tag, weil ihn sein Vater dann nicht dazu verdonnern würde beim Fischen zu helfen und ihm stattdessen erlaubte mit seinen Freunden zu spielen, bis sich der Nebel verzogen hatte. So wie Jalen die Sache sah, würde dies noch eine Weile dauern.

Gerade wollte er seinen Blick vom Nebel abwenden und die Suche nach Lucia und Seth fortsetzen, als er einen sanft über das Wasser in Richtung des Dorfes gleitenden dunklen Schatten inmitten des Nebels wahrnahm. Ein ungutes Gefühl beschlich ihn, als er den immer größer werdenden Schatten auf dessen Weg zur Nebelgrenze beobachtete. Das kann kein zurückkehrendes Fischerboot sein.

Ein Schauer lief ihm über den Rücken, als ein großer dunkler Schiffbug aus dem Nebel hervortrat. Mit jedem weiteren Augenblick kam mehr und mehr des dunklen Rumpfes eines Langschiffes zum Vorschein. Runde Schilde waren entlang der Reling angebracht. Die Segel waren gerefft und lange dunkle Ruder ragten aus den Seiten des Rumpfes heraus. Die Nordmänner, dachte Jalen und panische Angst ergriff ihn.

Während er wie gebannt zusah, wie das Langschiff den Pier entlangglitt, ergriffen die gruseligen Geschichten seines Großvaters von ihm Besitz.

Plötzlich tippte jemand seinen linken Arm an und erschrak ihn damit zu Tode. Er wirbelte herum und fand sich Angesicht zu Angesichtern mit seinen kichernden Freunden wieder. »Weißt du, das Spiel würde viel mehr Spaß machen, wenn du uns auch suchen würdest«, sagte Lucia spöttisch.

Jalen sagte nichts, sondern zeigte mit einem Finger auf das Langschiff. Der Gesichtsausdruck seiner Freunde wechselte zwischen Unglauben und Erstaunen, als sie auf den Hafen blickten.

»Wessen Schiff ist das?«, fragte Seth, als ob er noch nie was von den Nordmänner gehört hätte.

Jalen blieben beim Anblick mehrerer vom Langschiff herunterspringender Gestalten die Worte im Hals stecken.

»Die tragen Waffen!«, rief Lucia verängstigt.

Jalen zitterte wie Espenlaub beim Anblick der Äxte in den Händen der Männer. Seine Augen suchten den Kai nach Fester und Walsh ab, doch er konnte nur die zu den Häusern strömenden Angreifer ausmachen. Ein Gemisch von Rufen, Geschrei, Kreischen und Bellen durchbrach die Stille und vor Jalens Augen offenbarte sich das pure Grauen. Er musste mit ansehen, wie der kahlköpfige Angus beim Versuch den Angreifern mit einem Schmiedehammer in der Hand entgegenzutreten niedergestreckt wurde. In Angus’ Nähe rannte jemand vor den Angreifern davon, was ihn aber nicht vor Unheil bewahren sollte. Während die Lautheit des Tumults bis in den Himmel anzusteigen schien, rannten immer mehr Menschen aus ihren Häusern und die Panik war mit Händen zu greifen. Für einen Moment übertönte ein markerschütterndes Jaulen die zahlreichen Schreie.

Jalen schaute zu, wie der Schrecken sein Heimatdorf heimsuchte und ihm schossen die Tränen in die Augen. Am ganzen Leib zitternd versuchte er vergebens seine Familie in dem Chaos unter ihm zu erblicken. Als sein Heimatdorf durch den auffrischenden Seewind noch dazu immer mehr in Nebel gehüllt wurde, durchfuhren ihn Momente der tiefsten Verzweiflung.

Mit jedem vergehenden Augenblick wurde der Nebel dichter. Bald darauf konnte Jalen nur noch verschwommene Umrisse von Leuten erkennen. Die schrecklichen Schreie der Dorfbewohner waren jedoch weiterhin zu hören, hier und da übertönt von Lucias Schluchzen. Am Rande des Abgrunds fiel Jalen auf die Knie.

Nach einer schier nicht endend wollenden Zeitdauer verstummten die Schreie allmählich und sich zurufende tiefe, raue Stimmen traten an deren Stelle, hier und da unterbrochen von höheren, jammernden Stimmen. Jalen meinte, die Stimme seiner Mutter im Tumult gehört zu haben und reckte den Hals. Der Nebel blockierte jedoch noch immer seine Sicht und inzwischen übertönten sich streitende Stimmen zweier Männer alle anderen. Er hoffte, dass seine Mutter und der Rest seiner Familie noch am Leben waren. Bitte lass sie am Leben sein, Donnergott, betete er im Stillen.

Er schaute über seine rechte Schulter zu der auf den Boden gesunkenen weinenden Lucia. Das blanke Entsetzen war ihr ins Gesicht geschrieben. Jalen bewegte sich auf zitternden Knien zu ihr. In dem Moment, in dem er sie an sich zog, weinte sie bittere Tränen.

Während er Lucia umarmte, streckte Jalen die rechte Hand nach Seth aus, der mit leerem Gesicht auf das Dorf starrte. Er legte Seth die Hand auf die linke Schulter, doch dieser zeigte nicht die geringste Reaktion. In diesem Moment fiel Jalen die in der Luft hängende Totenstille auf und er spitzte die Ohren. Er zuckte zusammen, als er das Geräusch dumpf tönender Trommelschläge wahrnahm. Verzweifelt versuchte er die Quelle der Geräusche im Nebel zu entdecken. Schließlich erspähte er einen Schatten, der sich mit jedem weiteren gräulichen Trommelschlag mehr von der Küste entfernte. Jalen war klar, dass es das Langschiff der Nordmänner war.

Nach ein paar weiteren Trommelschlägen erreichte das Langschiff die Nebelgrenze auf der offenen See. Im Takt zu den Trommeln tauchten alle Ruderblätter auf einmal ins Wasser ein und zogen das Langschiff weiter von der Küste weg. Das Langschiff wurde mit jedem der leiser werdenden Trommelschläge kleiner und kleiner, bis vom ihm nicht viel mehr als ein winziger Punkt am Horizont verblieb. Selbst nachdem die Schläge der Trommeln verklungen waren, versuchte Jalen weiter krampfhaft ihr Geräusch wahrzunehmen, ganz als ob es sein eigener Herzschlag wäre.

»Lucia, warte auf uns!«, schrie Seth plötzlich und holte Jalen ins Hier und Jetzt zurück. Aufgeregt hielt er nach Lucia Ausschau. Diese rannte bereits den Hügel hinunter. Seth war inzwischen auch losgerannt. »Komm, Jalen!«, rief er über seine Schulter.

Auf dem Weg nach unten blies Jalen der Wind ins Gesicht. Das Rennen auf dem matschigen Pfad glich einer einzigen Rutschpartie, die sich wie eine Ewigkeit anfühlte. Nun, da das Langschiff und dessen Rudern und Trommeln aus Jalens Gedanken verschwunden war, blieb nur noch die Angst davor zurück, was ihn am Fuß des Hügels erwarten würde. Als er Lucia wie am Spieß schreien hörte, schlug ihm sein Herz bis zum Hals.

Am Dorfrand angekommen sah er einen mit dem Gesicht nach unten in einer großen Pfütze aus Wasser und Blut liegenden toten Körper mit einer klaffenden Wunde im Rücken. Das rote Kopfhaar verriet, dass der Tote der Dorfschneider Leland war. Ein paar Fuß entfernt von diesem lag bereits die nächste Leiche. Es war die von Angus.

Voller Panik rannte Jalen so schnell er konnte weiter in Richtung seines Zuhauses. Mehr Leichen lagen entlang des Weges im Matsch, darunter die von Fester. Diese lag neben dem Kadaver von Thursty, der Dorfhündin. Deren Zunge hing aus ihrem Maul zu Boden und ihr einst leichtgraues Fell war blutgetränkt. Jalens Augen wurden feucht und seine Füße trugen ihn weiter, so schnell sie konnten.

Schließlich bog er um die Ecke seines Familienhauses und sah die Leichen seines Vaters und Onkels im Matsch liegen. Er brach umgehend zusammen. Auf dem Boden kniend streckte er seine zitternde rechte Hand nach dem Arm seines Vaters aus. Dessen Haut fühlte sich noch immer warm an. Er drückte die leblose Hand seines Vaters und vergoss bittere Tränen, als er auf die tiefe Wunde in dessen Bauch schaute. Von dort wanderte sein Blick zur Leiche seines Onkels; erst zu der klaffenden Wunde in dessen Brust, dann zu dessen zerschmettertem Kopf. Ein Wasserfall aus Tränen lief Jalens Wangen herab und ergoss sich auf den Boden, während er vor sich hinstarrend die Hand seines Vaters festhielt.

Jalen konnte nicht sagen, wie lange er dort gesessen hatte, als er den Kopf hob und auf dem Boden seines Zuhauses einen weiteren Körper erblickte, direkt hinter dem Hauseingang. Obgleich er das Gesicht nicht sehen konnte, war er sich aufgrund des vertrauten alten Fischermessers in dessen rechter Hand sicher, dass es sich um seinen Großvater handeln musste.

Starr vor Angst kroch er langsam in Richtung der Tür. Beim Näherkommen entdeckte er keinerlei Wunden, allerdings konnte er immer noch nicht das Gesicht seines Großvaters sehen. Er wagte es nicht, zu atmen, als er das fehlende Stück bis zur Tür kroch. Als er endlich einen Blick auf das Gesicht und Schicksal seines Großvaters erhaschte, konnten ihn seine Arme nicht länger tragen. Eine Axt hatte die Stirn des alten Mannes in zwei Hälften gespalten und steckte noch immer in seinem Schädel. Sein Gesicht war böse zugerichtet und seine grauen Augen starrten ins Nichts. Jalen vergrub sein Gesicht in den Händen und versank in Tränen.

Mit verweinten Augen blickte er sich schließlich suchend nach seiner Mutter und seinem kleinen Bruder um, konnte sie jedoch nicht in dem Chaos erblicken, was einst sein Zuhause gewesen war. Er wischte sich die Tränen mit dem Ärmel seines Hemdes ab und kam mühsam auf die Beine. Als er mit zittrigen Knien nach ihnen suchte, klammerte er sich an die Hoffnung, dass sie noch am Leben waren. Vielleicht hat sich Mama irgendwo mit Semos versteckt.

Er suchte im ganzen Haus sowie dessen Umgebung nach ihnen. Doch anstatt irgendeines Lebenszeichens seiner Mutter oder seines Bruders stieß er auf die Leichen seiner Nachbarn hinter deren Haus.

Voller Verzweiflung rannte er zum nahen Zuhause von Lucia, wo er sie herzerweichend schluchzend auf dem Boden neben der Leiche ihrer Großmutter fand. Als sie den Kopf hob, konnte er ihre verweinten Augen und nassen Wangen sehen.

»Meine Eltern und Schwestern sind verschwunden«, wimmerte sie. Ihre Stimme klang dabei so tränenreich, wie der gestrige Regen. Jalen sank auf den Boden und weinte mit ihr.

»Was ist mit deiner Familie?«, fragte Lucia nach einer Weile. Jalen war sich nicht sicher, was er ihr antworten sollte. Sein Vater war tot, genauso wie sein Onkel und sein Großvater. Und bis jetzt hatte er weder seine Mutter noch seinen kleinen Bruder finden können. Höchstwahrscheinlich verriet sein Gesichtsausdruck seine innere Hilflosigkeit. Lucia presste die Lippen zusammen und starrte Jalen mit einer extremen Traurigkeit in ihren Augen an.

Ein wenig später suchten sie und Jalen zusammen das restliche Dorf nach den Mitgliedern ihrer Familien ab. Von Tod und Zerstörung abgesehen, fanden sie allerdings nur Seth. Er kauerte voller Tränen nahe seinem Zuhause, neben der Leiche seines Vaters.

Die gespenstische Stille deutete darauf hin, dass es außer ihnen drei keine einzige lebende Seele mehr in ihrem Heimatdorf gab.

1

Das Schwert flog durch die Luft, direkt auf seinen Kopf zu. Er sah das Blut auf der Klinge. Sein Blut. Er fühlte den Schmerz im linken Oberarm, wo der kalte Stahl seines Kontrahenten sich in seine Haut geschnitten hatte. Sein Schild fühlte sich zu schwer zum Hochheben an und sein Schwert schwang ins Leere. An diesem Punkt wurde ihm klar, dass er sterben würde.

Plötzlich erwachte Paxton mit zuckenden Gliedern aus dem ihm wohlbekannten Traum. Schlaftrunken setzte er sich auf. Er realisierte, wo er war, und stieß einen Seufzer der Erleichterung aus. Dieser Traum schon wieder. Wieso sucht er mich jedes Mal heim, wenn ich in den Westen zurückkehre?

Wie jedes Mal hatte er auch diesmal nicht das Ende des Duells in seinem Traum gesehen. Und er war sich nach so vielen Jahren todsicher, dass es dabei auch für immer bleiben würde. Er wollte und brauchte es auch nicht anders, da er sich an den Anblick seines toten Kontrahenten bis zum Tag seines eigenen Todes erinnern würde. Er blickte nach oben. Ich hoffe, ich muss Ser Drakes Tod nicht noch einmal mitansehen.

Nachdem er eine Weile gedankenverloren vor sich hingestarrt hatte, seufzte er. Wie ihn die Vergangenheit bereits gelehrt hatte, war es ein sinnloses Unterfangen nach diesem Traum wieder Schlaf finden zu wollen. Daher entschied er sich dazu, leichte Kleidung anzulegen und das Lager zu inspizieren.

Ein wohlbekannter Anblick grüßte ihn außerhalb seines Zeltes. Der größte Wachturm im gesamten Reich erhob sich in den sternenübersäten Himmel. Allein die Quartiere im Erdgeschoß boten genug Platz für weit über zwölf Soldaten. Bis zum halben Weg zwischen der Spitze des Turms und dem Erdboden wanden sich Steintreppen um die Mauern, die ihren Weg nach oben anschließend im Inneren fortsetzten. Einst gab es eine massive Tür am Übergang, doch diese war schon lange nicht mehr dort. Was jedoch verblieb, waren die vielen Schießscharten und Mörderlöcher. Solche vorzüglichen, wenngleich im Lichte des Standortes des Wachturms unnötigen Verteidigungsanlagen, zusammengenommen mit der schieren Größe des Turms, trugen zu dem tiefen, den Turm umgebenden Mysterium bei.

Viele Leute sahen in dem Wachturm eine Art kolossales Siegesdenkmal. Eines, von welchem König Edward auf rätselhafte Weise besessen gewesen war. Er hatte unter anderem festgelegt, dass der Wachturm auf ewig mit mindestens zwanzig Mann bemannt werden sollte. Sein Enkel, der im turbulenten Dreikönigsjahr den Thron bestieg, hatte jedoch die Einschätzung des Hüter-Ordens geteilt, dass Soldaten für weit wichtigere Aufgaben als für die sinnfreie Bewachung eines Monuments der Vergangenheit eingesetzt werden sollten. Aus diesem Grund war der Wachturm seit Edwards Tod vor sechsundfünfzig Jahren nicht mehr bemannt oder instandgehalten worden und diente höchstens ab und an als Notunterkunft.

Paxton konnte sich erinnern, wie sehr er vom ersten Anblick des Turms von Weitem zunächst beeindruckt gewesen war. Beim Näherkommen war die Bewunderung jedoch schnell der Bestürzung gewichen. Umso mehr konnte er sich nicht erklären, wie der Turm Jahr für Jahr den berüchtigten Herbststürmen seiner Heimatregion standhielt. Doch obwohl er schon so oft damit gerechnet hatte, dass der Turm dem Zahn der Zeit erliegen und bei seiner nächsten Ankunft in Trümmern liegen würde, grüßte dieser ihn doch immer wieder aufs Neue schon von Weitem, ganz als ob er Paxton hänseln wollte. Die Erbauer des Wachturms müssen nicht nur auf Vertrauen gebaut haben, dachte Paxton, als er auf den Turm blickte. Es hatte den Eindruck, als ob ihn sein alter Freund einlud noch einmal einen Blick von oben zu riskieren. Vielleicht diesmal für das allerletzte Mal.

Er bedauerte seine Entscheidung dem Ruf des Turms gefolgt zu sein, als er ganz vorsichtig das runde Treppenhaus emporstieg. Er blieb dabei nah an der Außenwand und berührte sie dabei wo wenig wie möglich. Wie konnte ich nur so blöd sein! Dieser ganze Ärger, nur um auf die Spitze dieses alten Steinhaufens zu gelangen! Ich werde das ganz gewiss nicht vermissen, falls er eines Tages nicht mehr existieren sollte. In der gleichen Zeit hätte ich den dreimal höheren Hüter-Turm besteigen können, dachte Paxton und beäugte die Mauern kritisch. Selbst im schwachen Licht der Fackeln war es ein Leichtes, die vielen Risse zu erkennen, welche durch das Mauerwerk liefen wie Flüsse durch Land. Wie nicht anders zu erwarten gewesen war, hatte das raue Wetter des Westens mit jeder vergehenden Dekade seine Spuren hinterlassen.

Am oberen Ende des Treppenhauses stieß Paxton einen leisten Seufzer der Erleichterung aus. Wie von ihm am Vorabend befohlen, hielten zwei Männer hier oben Wache. Derjenige am nächsten zu Paxton war Will, welcher ihn über die Schulter anblickte.

»Ser Paxton, einen wunderschönen, warmen Morgen wünsch ich euch!«, hieß ihn Will in seiner charakteristischen tiefen Stimme willkommen. Er bleckte seine lückenhaften Zähne.

Es war in der Tat recht warm, obwohl die Sonne noch gar nicht aufgegangen war. Das Wetter unterschied sich damit dramatisch von den anderen Gelegenheiten, bei denen Paxton sein Lager an dem alten Wachturm hatte aufgeschlagen müssen. Besonders in Erinnerung waren ihm der heulende, eisige Wind auf seiner Reise vor elf Wintern geblieben, kurz nach seinen Hüter-Prüfungen. Während dieser hatte sich die Sonne tagelang nicht gezeigt.

»Freut mich, dass ihrs diese Todesfalle unbeschadet hoch geschafft habt«, sagte Will. »Ratet mal, wer das Glück hatte, für die letzte Wacht der Nacht gezogen zu werden.«

»Es muss einen Grund dafür geben, warum jeder im Orden dich Glückloser Will nennt«, erwiderte Paxton trocken.

Will lachte herzlich über Paxtons Erwiderung. Sein Lachen hätte die meisten Leute unruhig gemacht, da es auch einem betrunkenen Mörder gut zu Gesicht gestanden hätte, welcher gerade seinen Kameraden davon erzählte, wie sich sein letztes Opfer vor dem schlussendlichen Vollbringen seiner Arbeit in die Hosen gepisst hatte. Wills Lachen passte auch äußert gut zu dem finsteren Erscheinungsbild, das ihm sein buschiger schwarzer Bart und seine dunklen Augen verlieh. Doch er war eine gute Seele. Und sein Äußeres konnte sich von Zeit zu Zeit als nützlich erweisen. Paxton genoss die Gesellschaft des alten Haudegens mit der betagten beschlagenen Lederrüstung. Will war jemand, den er nicht an seiner Seite missen wollte.

Er schritt neben Will, um einen besseren Blick auf das Lager zu gewinnen. Alles schien seine Ordnung zu haben. Für eine Weile schaute er den Wachen dabei zu, wie sie ihre Runden drehten. Anschließend wanderte sein Blick zu den Ebenen im Osten. Der aufhellende Himmel kündigte die Dämmerung an. Von allen Tageszeiten mochte er die Zeit vor der Morgendämmerung am meisten.

Er gab seinem liebsten Haudegen einen Klaps auf die Schulter und ging in Richtung von dessen Kameraden für die Nacht. Als er sich diesem näherte, erkannte er die Müdigkeit in den Augen des jungen Mannes, welcher mit verschränkten Armen auf der gegenüberliegenden Seite der Plattform stand. »Ich hoffe unser glückloser Gefährte hier hat sich im Laufe der Nacht nicht zu sehr über die Götter und die Welt beschwert. Andernfalls wärt ihr der wahrhaftig glücklose Bursche hier«, scherzte Paxton.

Will prustete vor Lachen. Sein Kamerad für die Nacht blieb jedoch angespannt. Das leichte, um die Lippen des Mannes spielende Lächeln konnte sein offensichtliches Unbehagen nicht verbergen. Vielleicht dachte er, der Hüter des Westens wäre nur hier, um zu prüfen, wie gut die Wachen ihren Dienst ausführten.

»Nicht im Geringsten, mein Lord. Es ist stets von Vorteil einen erfahrenen Kameraden an seiner Seite zu haben. Man kann ja nie wissen, was bei einer Wache vorfallen kann«, erwiderte der junge Mann, während er seine Augen weiter auf das Gebiet im Südwesten gerichtet hielt.

»Besser man ist über diesem Steinhaufen als unter ihm, wenn er zusammenbricht, sag ich mir«, witzelte Will. Wills Witz brachte Paxton dazu sich auf die Lippe zu beißen.

Ich hoffe ihre königliche Hoheit hat diese Äußerung nicht zufällig mitgehört. Schlimm genug, dass sie darauf bestanden hat, ihr Lager innerhalb des Turms aufzuschlagen. Mit ihrer Sturheit hat sie wieder einmal bewiesen, dass sie wahrlich die Tochter ihres Vaters ist. Als ob ich jemals daran gezweifelt hätte, dachte Paxton. Er verschränkte die Hände hinter dem Rücken und musterte Wills Kameraden für die Nacht. Dieser hatte einen stoppeligen roten Bart und war recht jung. Die meisten seiner Winter sollten also noch vor ihm liegen. Außer die Götter waren, wie so häufig, grausam. Auf dem Waffenrock über dem Kettenpanzer des Mannes prangte das Wappen des Hauses Abbinter - vier gekreuzte Speere unter einer Krone mit fünf Zacken auf goldenem Hintergrund. »Wie ist euer Name, Soldat?«

»Frenton, Sohn von Clint, mein Lord«, sagte der Mann und beugte den Kopf. Der Name klang nicht nur deswegen vertraut, weil Paxton Frentons Vater kannte, sondern auch, weil ein Kindheitsfreund den gleichen Namen hatte. Es war ein geläufiger Name im Westen, wenngleich eher unter Gemeinen.

»Wart ihr jemals zuvor hier in dieser Region, Frenton?«

»Nein, mein Lord. Ich habe die Kernländer das erste und bis vor kurzem einzige Mal für das Verfluchte Turnier verlassen.«

Das erste Mal von Zuhause weg und dann sowas, dachte Paxton. Das sogenannte Verfluchte Turnier war ihm schon eine ganze Weile nicht mehr durch den Kopf gespukt. Das Turnier hatte sich den Namen verdient, weil der jüngere Bruder des Königs an einer faulenden Wunde starb, die er sich beim Lanzenstechen gegen den erstgeborenen Sohn von Lord Crowning zugezogen hatte. Der letztgenannte starb jedoch noch vor dem Prinzen, da ihm ein tödlicher Lanzenstoß beim letzten Duell des Turniers zum Verhängnis wurde, dass zu Ehren seines Lordvaters abgehalten wurde. Da der jüngere Sohn von Lord Crowning bereits acht Jahre vor dem Verfluchten Turnier ertrunken war, hatten sehr viele Leute den Verdacht, dass nicht nur das Turnier von Haus Crowning durch die Götter verflucht worden war.

Paxton gab einen Stoßseufzer von sich. »Es war eine Tragödie. Habt ihr das Lanzenstechen mit eigenen Augen gesehen?« Wie gewöhnlich war er daran interessiert möglichst viel über diesen Tag zu erfahren, da er nicht selbst bei dem Turnier gewesen war.

»Ich habe mitangesehen, wie die Lanze am Helm von Lord Crownings Sohn zersplitterte. Ich habe allerdings nicht gesehen, wie der Prinz am Tag vorher verwundet worden ist, da ich zu dem Zeitpunkt gerade Ser Kaylands Pferd holte. Ich diente damals als sein Knappe.«

»Und halft ihm nach seiner Begegnung mit Ser Harold im Schwertkampf wieder auf die Beine. Hab gehört, Ser Harold hat Ser Keyland ordentlich den Hintern versohlt«, merkte Will an. »Falls ihr denkt, Ser Harold kämpft gut mit stumpfen Waffen, dann hättet ihr ihn mal vor sechs Jahren mit scharfen sehen sollen. Zusammen mit unserem guten Freund Ser Paxton hier gab er den kalten Ärschen der Nordmänner eine ordentliche Tracht Prügel bei ihrem letzten Besuch an diesen Küsten. Nehme ihnen nicht übel, dass sie sich nach so einer Abreibung nich mehr blicken ließen.

»Unglücklicherweise gibt es immer noch genug von ihnen, die sich an den Küsten im Norden blicken lassen«, verkündete Paxton. »Ich hoffe, es gab heute Nacht auch andere Themen als verfluchte Turniere oder Nordmänner. Hast du zum Bespiel die Gelegenheit ergriffen und Frenton ein wenig von der Geschichte dieses Ortes hier erzählt?«

»Um die unrühmliche Geschichte dieses alten Steinhaufens zu kennen, muss man ihn nur kurz ansehen«, sprach Will geradeheraus.

Paxton verdrehte die Augen. »Wie vom mir vermutet«, seufzte er und richtete seinen Blick auf Frenton. »Was sehr ihr, wenn ihr um euch schaut, Frenton?«

Frenton schien verwirrt zu sein. Er ließ seinen Blick über die umgebende Landschaft schweifen. »Dörfer- Wälder- die Küste- Flüsse- Täler-«, waren seine zögerlichen Worte.

»Was haben alle diese Dinge gemeinsam?«, fragte Paxton. Der junge Mann machte einen angespannten Eindruck. Paxton nahm es ihm nicht übel. »Ihr schaut auf alle herab«, erklärte er und erlöste Frenton von der Tortur. »Und selbst ohne diesen Wachturm würdet ihr dies tun, hier, am höchsten Punkt des Kamms«, fügte er hinzu. Dabei schwang er den linken Arm im weiten Bogen herum. »An diesem Ort hat Magnus der Narr, der letzte der alten Könige, noch einmal versucht sein Schicksal zum Guten zu wenden.«

»Er wünschte, er hätte«, warf Will ein.

Paxton grinste und schaute den alten Haudegen an. »Da du bereits die Geschichte kennst, brauchst du ja nicht zuzuhören, Will. Also sei so gut und halte ein Auge offen, während ich noch ein wenig mehr erzähle.« Er wandte sich wieder Frenton zu. »Wieviel wisst ihr über die Schlacht an diesem Ort?«

»Ich erinnere mich, dass Magnus seinen Beinamen der Schlacht verdankt.«

»Es war danach zumindest unvermeidbar, ihn keinen Narren zu nennen«, sagte Paxton. Er zeigte mit einem Finger nach Osten. »Edwards Armee näherte sich aus dieser Richtung und war etwa doppelt so groß wie die von Magnus. Edward wollte um jeden Preis die Vereinigung von Magnus‘ Truppen mit den nur einige Tagesmärsche entfernten frischen Truppen von Lord Elsworth verhindern, da beide Armeen danach ebenbürtig sein würdig. Magnus hatte auf diesem Kamm hier die weit bessere Position und Edward hatte nicht die Zeit, diesen rechtzeitig zu umrunden. Zudem ist der Boden noch schwer vom vielen schweren Regen der vorherigen Tage. Magnus hätte also nur abwarten müssen. Er wusste anscheinend nicht so gut wie Will hier, dass Nichts zu tun öfter der richtige Weg ist, als man denkt. Wenngleich Will es damit beizeiten übertreibt.« Seine Worte brachten Will zum Kichern.

»Wie dem auch sei, Magnus der Narr tat uns allen einen großen Gefallen«, fuhr Paxton fort. »Er wartete nicht ab und griff Edwards Armee an, als diese gerade am Fuß des Kamms ankam. Es war ohne Frage ein unerwarteter und mutiger Zug von Magnus, aber Edwards Truppen waren bereits in Gefechtsformation und es war einfach nur selbstmörderisch. Nachdem Salven von Pfeilen auf die Angreifer geregnet waren, wurden die dezimierten Truppen umzingelt und in der Folge abgeschlachtet. Gleichwohl dauerte es mehrere Stunden, bis Magnus und seine mit dem Mut der Verzweiflung kämpfenden verbliebenen Mannen besiegt werden konnten. Trotz der widrigen Umstände nahmen diese sogar die Hälfte von Edwards Mannen mit ins Grab. Besonders Sirius, der letzte von Magnus’ Tigern, richtete große Verheerungen innerhalb von Edwards Reihen an. Er war der größte aller weißen Tiger gewesen und kämpfte sogar noch weiter, nachdem Edward ihn mit drei Speeren durchbohrt hatte. Der vierte Speer schickte ihn jedoch schließlich zu Boden.« Er blickte flüchtig auf das Wappen von Haus Abbinter auf Frentons Waffenrock.

»Aber warum hat Magnus so eine vorteilhafte Position aufgegeben?«, fragte Frenton und sah Paxton mit strahlenden grünen Augen an.

Paxton zuckte mit den Schultern. »Die einzigen, die dazu in der Lage wären diese Frage zu beantworten, sind tot.« Er selbst konnte nur darüber spekulieren, welch Wahnsinn Magnus beim Eintreffen von Edwards Truppen den Hügel hinuntergetrieben hat. »Eine Sage erzählt davon, wie ein mächtiger Sturm die Nebel der nahen Nebligen Bucht auf das Schlachtfeld geblasen hat, wo sie dann Magnus’ Verstand benebelten«, erzählte er amüsiert mit verschränkten Armen. »Dies hatte zur Folge, dass er die Kontrolle über zwei der ihm verbliebenen drei Tiger verlor. Die Bestien entkamen und rannten in den Wald der Fabeln«, erzählte Paxton und ließ den Blick über den Wald der Fabeln schweifen.

Er presste die Lippen aufeinander. Es war ein majestätischer Anblick, wie sich die Bäume entlang der Küste bis zur Nebligen Bucht im Norden erstreckten. Paxton fragte sich, ob Magnus damals einen ähnlichen Eindruck gehabt hatte. »Nachdem die Tiger vor seinen Augen verschwunden waren, verlor Magnus angeblich den Verstand und rannte mit erhobenem Schwert und Sirius an seiner Seite den Hügel hinunter. Dabei schrie er, als ob er selbst ein wildes Tier wäre. Ich hoffe, dass beantwortet eure Frage nach seinen Motiven.«

Er grinste ob des verdutzen Gesichtsausdrucks von Frenton. Das Märchen von den zwei Tigern war eine seiner Lieblingsgeschichten. Es war bei weitem nicht die einzige über die Bestien. Viele Gemeine glaubten bis heute, der Nachwuchs der Tiger würde im dichten Wald der Fabeln leben und sich von unvorsichtigen Wanderern ernähren.

»Von Mythen abgesehen, können wir nur mit Sicherheit sagen, dass Magnus’ Irrsinn eine tausend Jahre alte Dynastie just an diesem Ort hier beendet hat. Obgleich der Teil bezüglich des Sturms zu jener Zeit sogar zu einem gewissen Grad wahr sein könnte. Wie es der Zufall will, strandeten einige Tage nach der Schlacht ein paar Fischerboote an der nahen Küste, ohne auch nur einer Seele an Bord. Wenn man manchen Worten Glauben schenken will, die in jenen Tagen die Runde machten, waren allerdings nicht starke Winde für das Unglück der Fischer verantwortlich, sondern die entkommenen Tiger. Anscheinend schwammen diese eine Runde im Ozean, um unschuldige Fischer zu jagen«, sagte Paxton. Er warf den Kopf in den Nacken. »Unnötig zu erwähnen, dass solche Dinge selbstverständlich auch schon vorher ab und an passiert sind, ganz ohne die Hilfe von wilden Bestien. Und da die Nordmänner damals noch nicht die Küsten heimsuchten, konnten nur Stürme für so etwas verantwortlich sein. Doch selbst in der heutigen Zeit gibt es immer noch jene, die den Tigern die Schuld zuweisen, wann immer jemand auf See oder im Wald verloren geht.« Paxton schmunzelte. Er selbst verdammte solche Schauermärchen dorthin, wo sie hingehörten: ins Reich der Fabeln.

»Das heißt, alle Tiger wurden vor der letzten Schlacht erschlagen?«, wollte Frenton wissen.

»Lediglich Sirius hat die verheerenden Kämpfe in den Kernländern überlebt. Die meisten seiner Wächter hatten allerdings das Schicksal der anderen Bestien geteilt und daher wurde es immer schwieriger, Sirius zu bändigen. Ich nehme an, ihr habt von den Männern gehört, welche die Bestien bändigten?«, fragte Paxton. Er ignorierte Wills darauffolgendes Schnauben.

»Ihr sprecht von den Dunklen Prinzen?«

»Einer der Namen von ihnen. Man nannte sie außerdem Tigergarde. Ihre Geschichte ist eng mit der Geschichte der Hüter verknüpft. Wie ihr sicherlich wisst, gründete Edward den Hüter-Orden vor dreiundsechzig Jahren in den ersten Tagen seiner Rebellion. Die Krieger, welche die Ehre hatten zu den ersten Hütern ernannt zu werden, waren jene Männer, welche ihn zuvor vor den gefürchteten Dunklen Prinzen gerettet hatten. Der Name leitet sich aus der Farbe ihrer Rüstungen und dem königlichen Blut in ihren Adern ab. Bis zu Edwards Rebellion waren sie für eintausend Jahre im Kampf unbesiegt geblieben und nicht wenige sahen sie als unbesiegbar an. Vielleicht sogar sie selbst.«

»In dem Moment, wo man denkt, man ist unbesiegbar, wird man besiegbar«, sagte Will. »Niemand weiß das besser als unser Ser Paxton hier.« Aufgrund von Wills Kommentar verlor sich Paxton kurz in Gedanken an seinen Traum von vorher, doch nach einem kurzen Augenblick war er wieder in der Wirklichkeit angekommen.

»Sollten die Männer der Tigergarde sich selbst als unschlagbar angesehen haben, kann man ihnen das nicht zum Vorwurf machen. Sie bekamen das beste Training sowie die besten Waffen und Rüstungen, die man für Gold kaufen konnte. Das, und dazu noch ein weißer Tiger an der Seite, machten sie ziemlich überzeugt von sich selbst. Natürlich blieb das Fell des Biestes nicht für lange weiß, nachdem eine Schlacht angefangen hatte. Die meisten roten Flecken kamen jedoch nicht von seinem eigenen Blut. Wie ihr euch sicher vorstellen könnt, wurden die Dunklen Prinzen nicht in die Schlacht geworfen wie irgendeine normale Truppe. Sie wurden bis zur richtigen Zeit in Reserve gehalten. Ein Angriff der Dunklen Prinzen war normalerweise der entscheidende Moment in einem bis dahin unentschiedenen Kampf. Wenn die feindlichen Linien alle vorherigen Angriffe abgewehrt hatten und zermürbt waren, kam die Zeit für die sogenannte Tigerstunde. Es war keineswegs überraschend, dass feindliche Formationen schnell zusammenbrachen, nachdem sie auf die Tigergarde getroffen waren. Und die Bestien spielten hierbei eine ausschlaggebende Rolle, indem sie Männer und Pferde vor den Augen aller in Fetzen rissen und dadurch Furcht und Schrecken entlang der gegnerischen Linien verbreiteten, und diese durcheinanderbrachten.«

Frenton schien die Geschichtslektion sichtlich zu genießen. »Mein Vater hat mir von den Tigern erzählt. Er sagte, diese wären darauf dressiert gewesen, nicht die eigenen Truppen anzugreifen.«

Paxton atmete tief ein. »In gewisser Weise ist das richtig. Doch nur die Dunklen Prinzen konnten sie im Zaum halten. Von diesen gab es aber mit der Zeit immer weniger und schlussendlich lösten sie sich genau wie die Tiger und die Linie der alten Könige in Rauch auf. Edward war sich sicher, dass dies hauptsächlich den Hütern zu verdanken war und er machte diese zu einem festen Bestandteil seines Hofes, um das Reich vor anderen Gefahren, wie zum Beispiel den Nordmännern, zu schützen. Und auf seinen Befehl hin wurde nach der Schlacht dieser Wachturm hier als ein Symbol der Wachsamkeit errichtet.«

Frenton schien von der ganzen Geschichte beeindruckt zu sein. Er braucht ja nicht die ganze Wahrheit kennen, dachte Paxton.

»Sieht für mich mehr wie en Symbol des Verfalls aus«, murmelte Will.

»Der Zahn der Zeit nagt an allem«, sagte Paxton. Leider, fügte er in Gedanken hinzu und blickte zum wolkenlosen Himmel. Er wollte sich gar nicht erst vorstellen, wieviel wärmer es später am Tage werden würde, insbesondere weil er bereits einen guten Eindruck der derzeitigen Hitzeperiode im Verlauf der letzten Tage bekommen hatte. Die Mittagssonne würde ihn in seinem pechschwarzen Plattenpanzer erbarmungslos grillen. An Tagen wie diesen wünschte ich, die Dunklen Prinzen wären die Hellen Prinzen gewesen. Und dank der gewaltigen Kutsche ihrer Majestät wird die Sonne sogar noch länger die Chance haben, unter freiem Himmel auf mich niederzubrennen.

Ein flatterndes Geräusch drang an Paxtons Ohren. Er schielte hoch zum Hüter-Banner. Die Augen des Königs sollten besser nicht ihren Blick senken, dachte er, als er auf das Wappen des Hüter-Ordens schaute. Es zeigte fünf schwarze Augen auf weißem Hintergrund, die in schwertähnlicher nach unten zeigender Form angeordnet waren. Es war ein Verweis auf das legendäre Schwert Tigerherz von Edward dem Erlöser, welches bei der letzten Schlacht gegen Magnus den Narren in fünf Teile zersplittert war. Jedes der Augen auf dem Banner stand für einen der Hüter, die das Reich beschützten und über dessen Bewohner wachten, wobei es aus einer jeder Region des Königreiches je einen Hüter gab. Das Wappen der Hüter war allgemein bekannt als die Augen des Königs. Paxton hatte den Namen zum allerersten Mal als Kind in einem Schlaflied gehört, dass ihm seine Mutter vorgesungen hatte, als er eines Nachts nicht schlafen konnte.

Unter den Augen des Königs kann man schlafen ohne Sorgen. Weiße Tiger und Dunkle Prinzen haben sie schon gesehn. Und für beide gibt es weder ein Zurück noch ein Morgen. Daher hab keine Angst und lass den Wind wehn.

An der Westküste spielten die Geräusche des Windes oft Schabernack mit den Gedanken eines Kindes. Doch eigentlich hatte fast immer allein die weiche Stimme von Paxtons Mutter ausgereicht, um ihn zu beruhigen und in den Schlaf zu singen. Im Falle dieses Schlafliedes war es allerdings anders gewesen. Paxton hatte sich geweigert zu schlafen und seine Mutter angefleht, ihm alles über die zugrundeliegende Geschichte zu erzählen. Und sie hatte es getan. Zu der Zeit hätte er sich nicht in seinen wildesten Träumen vorstellen können, dass er selbst eines Tages eines der Augen des Königs werden würde.

Mit einem Seufzer wandte er den Blick vom Banner ab. Als er auf das Tal im Süden schaute, fielen die ersten Sonnenstrahlen auf Apfelbaumfelder, Farmen, idyllische Seen und kleine Dörfer. In der Luft hing das Singen der Vögel, welche den neuen Tag mit ihren Melodien begrüßten. Paxton ging im Kopf durch die Namen der Orte, auf die er blickte und war erleichtert, dass er sich noch an alle erinnern konnte. Einst hatte er die Namen von jedem einzelnen Ort im Reich ohne die Hilfe einer Karte aufsagen können, da dies eine Vorbedingung zum erfolgreichen Bestehen der Hüter-Prüfungen darstellte. Niemals würde Paxton die Karte vergessen, welche ihm Lord Trottenburg bei seiner Prüfung vorgelegt hatte. Bis heute konnte er nicht sagen, ob der Hohe Lord des Südens ihn damals in die Falle locken oder es ihm leicht machen wollte, wenngleich mit fragwürdigem Humor.

So oder so war Lord Trottenburg generell ein Meister darin jemanden über seine wahren Gedanken im Dunkeln zu lassen. Der verstorbene Hüter des Südens Ser Worren hatte Paxton danach oft genug gewarnt beim Umgang mit Lord Trottenburg stets auf der Hut zu sein. »Seid nie leichtfertig, wenn ihr es mit Lord Trottenburg zu tun habt. Fallt nicht auf seine gewinnende Art herein. Vergesst nicht, was Magnus das blinde Vertrauen in die Hohen Lords eingebracht hat«, hatte der alte Mahner mehr als einmal gewarnt. Als ein Gemeiner aus dem Süden war ihm die gespaltene Zunge Lord Trottenburgs sicher vertraut gewesen.

Seit Ser Worrens war Paxton der einzige verbliebene Hüter von niederer Geburt. Und der Brauch des Ordens, auch Gemeinen einen steilen Aufstieg zu ermöglichen, wirkte weiterhin wie ein Stachel im Fleisch der Edelleute des Reiches. Ich hoffe, ich bin nur für den Augenblick der einzige von niederer Geburt unter den Hütern, hoffte er und starrte auf die Küstenlinie im Westen, während er an seinen toten Waffenbruder dachte. Dessen plötzlicher Tod war ein Schock für jeden im Orden gewesen, trotz dessen fortgeschrittenen Alters. Es erschien immer noch unmöglich, sich den Orden ohne ihn vorzustellen. Seit Paxtons Ernennung zum Hüter des Schwertes war Ser Worren der Hüter des Wortes gewesen. Als solcher hatte er als der faktische Anführer des Hüter-Ordens gegolten, obgleich der König als Hüter der Krone rangmäßig über jedem anderen Ordensmitglied stand. Zweifellos werden sich viele Dinge ohne den weisen und bedachten Ser Worren ändern.

Das von der Treppe kommende Geräusch hastiger Schritte, gefolgt von dem Klirren von Metall auf Stein sowie leisen Flüchen, unterbrach Paxtons Gedanken. Er glaubte zu wissen, zu wem die fluchende Stimme gehörte und sah zur Treppe. Seine Intuition stellte sich mit dem Eintreffen Deacons als richtig heraus.

»Guten Morgen, Ser Paxton«, sagte sein junger Knappe atemlos und rieb sich dabei das Knie. Ein Langdolch samt Scheide baumelte von seinem Gürtel. »Wünscht ihr Hering zum Frühstück?«, fragte er und schaute dabei Paxton mit jenen durchdringenden braunen Augen an, die denen seines Vaters so ähnlich waren.

Deacon war der fünftgeborene und jüngste Sohn von Lord Trottenburg. Er hatte keinerlei Aussicht darauf jemals der Hohe Lord des Südens zu werden. Vielleicht aus diesem Grund hatte ihn sein Lordvater zum Hüter-Orden geschickt, höchstwahrscheinlich mit dem Hintergedanken eines möglichen hohen Aufstiegs. Was auch immer die Pläne des Lords gewesen sein könnten, Paxton war sich sicher, dieser würde in jedem Fall nicht sehr glücklich darüber sein, dass sein Sohn der Knappe eines Mannes von niederer Geburt war.

»Einen guten Morgen, Deacon. Brot mit Hartkäse zusammen mit Bier wird heute ausreichen«, antwortete Paxton.

»Und versuch zur Abwechslung trocken zu bleiben, also fall in kein Fass«, merkte Will schroff an, garniert mit einem Kichern.

Paxton gab seinem Knappen mit Gesten zu verstehen einfach still über Wills Kommentar hinwegzusehen. Dieser spielte auf den Ausrutscher Deacons beim Wasserholen in einem Fluss am vorherigen Morgen an. Als er danach zum Lager zurückgekehrt war, hatte er nicht für den Spott sorgen müssen. Aber von der Vergangenheit zu urteilen, würde ihm solch ein Missgeschick nicht so bald wieder passieren. Er war ein guter und gewissenhafter Bursche und lernte seine Lektion aus solchen Missgeschicken. Und da seine Klamotten inzwischen wieder trocken waren, musste er sich nur noch mit dummen Sprüchen auseinandersetzen.

»Wünscht ihr, hier oben zu frühstücken, Ser Paxton?«, fragte Deacon mehr oder weniger unbeeindruckt. Er verstand es anscheinend mittlerweile, Wills Scherze nicht falsch zu verstehen.

»Das könnte diesem Steinhaufen den finalen Schlag zufügen«, scherzte Paxton. »Daher frühstücke ich lieber in meinem Zelt. Ich werde in einem Moment dort sein. Sei vorsichtiger auf dem Weg nach unten, als du auf dem Weg nach oben gewesen bist. Diese Stufen sind heimtückisch.«

Deacon beugte leicht seinen Kopf. »Ich werde alles auf der Stelle vorbereiten, mein Lord«, sagte Deacon. Einen Augenblick später war er bereits auf dem Weg nach unten. Von den Geräuschen seiner Schritte zu urteilen, lief er dieses Mal langsamer.

Paxton schaute nach Westen und rieb sein Gesicht. Hering, nein danke! Nach den letzten Tagen kann ich keinen Hering mehr sehen.

Als Kind hatte er Hering geliebt. Winter, Frühling, Sommer, Herbst, es hatte keinen Unterschied gemacht. Das Silber des Ozeans hatte immer gut geschmeckt und die See war voll davon gewesen. Doch Paxton hatte bereits zu viele Tage am Stück Hering gegessen, da die Traumbucht entlang der Route gelegen hatte. Aufgrund dessen hatte er erstmal genug von Hering. Es führte ihm vor Augen, dass er sich seit dem letzten Besuch in seiner Heimatregion noch mehr als sowieso schon verändert hatte. Auf der damaligen Reise war er in Gesellschaft des Königs gewesen, der damals voller Vorfreude auf die Geburt seines zweiten Kindes gewesen war. Paxton erinnerte sich gut an die Begeisterung König Henriks. Der Herrscher über das Reich hatte sich so sehr einen Sohn und Erben gewünscht, doch sein Wunsch war nur für einen kurzen Augenblick erfüllt worden. Es war eine Tragödie gewesen.

Paxton wusste, dass Königin Illyvia noch immer schwer am Verlust ihres Sohnes zu tragen hatte. Er hatte es jeden Tag seit ihrem Aufbruch in ihren Augen gesehen. In ihrer Gegenwart war ihm daher sogar noch unbehaglicher als ohnehin schon zumute gewesen. Ganz wie ihr Vater Lord Elsworth hegte sie keine großen Sympathien für ihn. Ob es von Paxtons niederer Geburt oder etwas Anderem herrührte, konnte er nicht sagen. Unter normalen Umständen spielte es keine Rolle für ihn, da sie selten direkt miteinander zu tun hatten.

Nicht allein wegen solcherlei Reserviertheit füreinander hätte Paxton es vorgezogen, ohne Königin Illyvia und ihrer Entourage zu reisen. Nur mit seinen eigenen Männern und ohne die gewaltige Kutsche ihrer Majestät hätte er Trockenklippe viel schneller erreichen können. Es hätte ihm wertvolle Zeit gespart, um sich auf seine kommende Aufgabe als Hüter der Augen vorzubereiten. Unter den derzeitigen Gegebenheiten hatte er Zweifel, auch nur ein bisschen Zeit vor dem Beginn der Hüter-Prüfungen für die Bestimmung seines Nachfolgers als Hüter des Schwertes zur Verfügung zu haben. Und alles, weil die Königin eine Hochzeit besuchen wollte, auf die Paxton gut und gerne hätte verzichten können.

Trotz der vielen Probleme genoss es Paxton, für eine Weile den Intrigen in der überfüllten Hauptstadt zu entkommen. Die Jahre in Salzstrom hatten ihre Spuren auf seiner Seele hinterlassen. Wie habe ich den Westen vermisst, dachte er und hielt für einen Augenblick inne.

Mit einem Seufzer wandte er den Blick vom Ozean ab. Auf dem Weg zur Treppe gab er Will einen ermunternden Klaps auf den Rücken. »Bald wird diese Wacht für euch beide vorüber sein. Aber keine Sorge. Es werden noch viele weitere folgen«, sagte er mit gespieltem Mitgefühl.

»Gut, ich habe mir für einen Moment schon Sorgen gemacht!«, rief Will Paxton nach.

Während Paxtons Frühstück vor seinem Zelt zeigte die Sonne ihr volles Antlitz. Mit jedem vergehenden Moment erwachte das Lager mehr und der Lärm wuchs an. Paxton erblickte ein paar seiner Männer beim Pferdefüttern. Näher am Turm sah er zwei Mitglieder der königlichen Garde vor einem Kochfeuer. Des Weiteren sah er zwei Dienerinnen ihrer Majestät, aber weder die Königin selbst noch die Prinzessin. Beide schienen noch immer im Turm zu sein. Paxton nahm an, dass die beiden bereits wach sein mussten, besonders da die brüchigen Wände des Turms den Lärm des Lagers vermutlich nicht besonders gut zurückhalten konnten. Ein Pavillon wäre in dieser Hinsicht zwar nicht viel besser gewesen, allerdings viel sicherer. Es war ihm ein Rätsel, warum Königin Illyvia den morschen Mauern des Wachturms so sehr vertraute. Doch ihre Majestät hatte wie immer ihren eigenen Kopf. Trotz der vehementen Einwände Paxtons hatte sie ihr Lager im Erdgeschoß des Turms aufgeschlagen.

»Reiter von Norden kommend!«, rief Will mit scharfer Stimme von oben herab und ließ Paxton zusammenzucken. Es hätte ihn nicht im Geringsten überrascht, wenn die zwei Mitglieder der königlichen Familie spätestens jetzt aufgewacht wären. Da es immer noch ein weiter Weg bis nach Trockenklippe war, hätte es für Paxton auch Schlimmeres gegeben. Je früher sie aufbrechen konnten, desto besser. Er fragte sich allerdings, wer auf das Lager zuritt.

Nach einer Weile wurde ein Zelter zu ihm geführt. Paxton erkannte umgehend den Reiter des Pferdes. Es war Alfred, einer von Ser Harolds Männern, der mit ihm vor sechs Jahren gegen die Nordmänner gekämpft hatte. Sein langer blonder Bart und seine markante Nase waren unverkennbar. Das Wams, welches er trug, war mit dem Wappen von Haus Noster bestickt, einer weißen Seemöwe.

Paxton erhob sich. »Alfred, es tut gut, euch zu sehen. Was führt euch hierher?«

»Ser Paxton, es tut so gut, euch zu sehen«, sagte Alfred und beugte seinen Kopf. „Ich hoffte, ihr wärt es, als ich das Hüter-Banner auf dem Turm sah. Es hat einen Angriff der Nordmänner auf ein Fischerdorf an der Nebligen Bucht gegeben.«

Paxton war schockiert. Die Nordmänner sind zurückgekehrt? Und wenn sie arme Fischerleute angriffen, waren sie sicher nicht gekommen, um Lösegeld zu kassieren. »Welches Dorf haben sie angegriffen, Alfred?«

»Edwards Hügel, M’lord.«

Das Dorf mit den fünf Statuen. Ein Dorf so alt wie das neue Königreich. »Wie viele Dorfbewohner sind den Nordmännern zum Opfer gefallen?«

»Um die vierzig fielen dem Schwert anheim«, sagte Alfred bekümmert. »Drei Kinder sind als einzige verschont geblieben. Alle anderen wurden entweder erschlagen oder von den Nordmännern verschleppt.«

In anderen Worten: Das Dorf ist wie mein eigenes Heimatdorf Geschichte. Wut stieg in Paxton auf. »Welche Schritte wurden bisher von Ser Harold unternommen?«, fragte er, obgleich er nicht mal wusste, ob Ser Harold noch immer in seiner Burg war. Er erwartete, dass dieser und dessen Frau der Hochzeit zwischen Lord Elsworths Sohn und Lord Crownings Tochter als Gäste beiwohnen würden.

»Ein Vogel ist nach Trockenklippe geflogen, um Lord Elsworth über den Angriff zu informieren. Lady Noster entsandte mich mit dem Auftrag, ihren Sohn von dem Angriff zu unterrichten. Er hat Burg Nebelvogel vor ein paar Nächten mit seiner Frau verlassen, um der Hochzeit von Lord Elsworths Sohn beizuwohnen. Ich hoffe, ihn zu erreichen, bevor er in Trockenklippe eintrifft.«

Vielleicht wäre es das Beste, wenn ihr ihn nicht rechtzeitig erreichen würdet. Es ist immer schwer vorherzusehen, was der heißblütige Ser Harold tun wird. Paxton blies die Luft aus seinen Lungen. Es kann kein Zufall sein, dass die Nordmänner gerade jetzt an die Westküste zurückkehren. Sie wissen Bescheid über die Hochzeit und haben die Gelegenheit beim Schopfe ergriffen. »Wie viele Männer verbleiben in Burg Nebelvogel?«

Alfred legte eine Hand auf die andere. »Einige wenige, M’lord. Wir können nicht viel tun und sind verzweifelt. Die meisten Männer sind mit Ser Harold und seiner Frau mitgeritten. Jeder fürchtet die Ankunft weiterer Nordmänner. Nicht zu sprechen von den zahllosen Plünderern. Diese haben Edwards Hügel vollkommen in Beschlag genommen, wie ich gehört habe.«

Alfreds Worte brachten Paxton dazu, mit den Zähnen zu mahlen. Unter den gegebenen Umständen erschien ihm Nichtstun als eines Hüters nicht würdig und daher wollte er zur Nebelbucht reiten. Seine Präsenz dort wäre zwar rein symbolischer Natur, aber dennoch ein wichtiges Zeichen. Er könnte dann außerdem versuchen, etwas Licht ins Dunkel der Ereignisse zu bringen, zum Beispiel, indem er die überlebenden Kinder befragte oder sich in Edwards Hügel nach Hinweisen umsah. Er hatte eine leise Ahnung, welcher der Nordmännerklans für den Überfall verantwortlich sein könnte. Doch er brauchte Beweise. »Sind die überlebenden Kinder aus Edwards Hügel auf Burg Nebelvogel, Alfred?«

»Sie waren da, als ich gegangen bin, M’lord.«

Paxton kratzte sich an der Nase. »Mein Dank an euch, Alfred. Ihr solltet weiter nach Trockenklippe reiten, wie es euch aufgetragen wurde. Falls ihr Lord Elsworth sehen solltet, berichtet ihm, seine Tochter und seine Enkelin werden noch etwas Zeit benötigen, bis sie ankommen werden.«

»Ich werde dafür Sorge tragen, M’lord«, erwiderte Alfred und verneigte sich. Er trieb sein Pferd herum.

Paxton schaute über die Schulter. Sein Knappe stand zehn Fuß von ihm entfernt. »Deacon, pack zusammen, was wir für einen eintägigen Ritt benötigen und sattle unsere Pferde!«, befahl er.

»Sofort, Ser Paxton«, erwiderte Deacon. Paxton suchte mit seinen Blicken das Lager nach Flint ab. Er sah den besten Spurenleser, den er je getroffen hatte, zu seiner Linken. Dieser saß im Schneidersitz fünfzig Fuß vom Wachturm entfernt auf dem Boden und frühstückte. Wie immer trug er leichte Lederrüstung.

»Ein schöner Morgen, Ser Paxton«, rief Flint aus, als Paxton sich ihm näherte. »Ziehe es vor, nicht so nah an diesem alten Gemäuer zu sitzen.« Er zeigte mit dem Jagdmesser in seiner rechten Hand auf den Turm. Seine eisblauen Augen fixierten Paxton. »Will nicht von Will oder einer losen Zinne erschlagen werden.«

Paxton blieb vor Flint stehen und stemmte die Hände in die Hüften. »Das wäre mit Sicherheit ein Jammer. Ganz besonders, weil du dann nicht das Vergnügen hättest, Lord Elsworth zu besuchen«, piesackte er Flint, woraufhin dieser sein zerfurchtes Gesicht verzog.

Paxton wusste von der Abneigung seines liebsten Spähers gegen hohe Herrschaften, seit er ihn im Kerker von Lord Porriac gefunden hatte, dem Hohen Lord des Ostens. »Iss später zu Ende. Find einen Mann, der den Glücklosen Will auf dem Turm ersetzen kann. Ihr zwei und Deacon werdet mit mir zur Burg Nebelvogel reiten. Der Rest unserer Männer bleibt bei der Königin. Hilf Deacon, die Pferde zu satteln! Wir werden in Richtung Nebelbucht aufbrechen, sobald ich mit ihrer Majestät gesprochen habe.«

»Klingt, als ob der Glücklose Will gerade noch glückloser geworden ist, nach so einer langen Nacht dort oben«, scherzte Flint und zauberte für einen kurzen Augenblick ein Lächeln auf Paxtons Gesicht.

Paxton überbrückte mit schnellen Schritten die Strecke zum Wachturm. Die zwei vor dem Eingang des Erdgeschosses stehenden Wachen traten zur Seite und verneigten sich, als er die Einbuchtung in den Mauern erreichte.

Er klopfte an die morsche Holzdoppeltür. »Eure Hoheit, dürfte ich mit euch sprechen?«

»Ich hoffe, es ist wichtig, Ser Paxton«, erwiderte die Königin kurz darauf. Trotz ihrer leisen Stimme war jedes ihrer Worte klar hörbar, fast als ob keine Tür zwischen ihnen war.

»Es ist in der Tat wichtig, eure Hoheit.«

Ein Seufzen ertönte. »Dann kommt herein.«

Paxton zog vorsichtig an dem verrosteten Eisengriff auf der linken Türseite, woraufhin sich diese knarrend öffnete. Er trat in den großen Raum ein. Ihre Majestät saß in der Mitte von diesem in einem von zwei Lederriemenstühlen. Sie trug ein samtenes grünes Kleid und ihr langes kastanienbraunes Haar war zu einem Zopf zusammengeflochten.

Ihre schönen türkisenen Augen ruhten auf ihm. Während sie ihm mit ihrer linken Hand bedeutete näher zu treten, hielt sie den Zeigefinger ihrer rechten Hand vor ihre Lippen. Ihre Augen deuteten zur Matratze zu ihrer Linken, auf der ihre Tochter schlief. Paxton fragte sich, wie die Prinzessin immer noch im Land der Träume schlummern konnte.

Nachdem er die Tür so leise wie möglich geschlossen hatte, wurde es augenblicklich merklich dunkler. Nur eine Handvoll Kerzen erhellten den großen Raum und hier und da fiel noch etwas Licht durch Spalten im Mauerwerk. Paxton wartete einen Moment, bis er zwei Schritte in Richtung ihrer Majestät trat und sich verneigte. »Ich bin froh zu sehen, dass der Turm euch nicht unter sich begraben hat, eure Hoheit«, flüsterte er. »Hattet ihr eine angenehme Nachtruhe?«

»Ich habe in meinem Leben schon schlimmer geschlafen, Ser Paxton«, antwortete sie launisch. Paxton nahm aufgrund der dunklen Ringe unter ihren Augen an, dass sie schon seit einiger Zeit wach war. »Allerdings nicht, wegen fehlenden Vertrauens in diese Wände. Wir ihr seht, wird Vertrauen belohnt, genau wie ich es euch gestern gesagt habe. Was nicht heißt, dass ich es genossen hätte, in diesem alten Gemäuer zu schlafen.«

»Aus diesem Grund hatte ich euch am gestrigen Abend gedrängt, in Erwägung zu ziehen in eurem Pavillon, statt in diesen flohverseuchten Wänden zu schlafen, eure Hoheit. Es wäre gewiss angenehmer für euch gewesen. Doch am allermeisten habe ich mich um eure Sicherheit gesorgt.«

»Zumindest irgendjemand tut dies«, murmelte sie mehr zu sich selbst als zu Paxton.

Was meint sie damit? Er tat so, als ob er es nicht gehört hätte und schaute sie mit unbewegter Miene an.

»Ich ziehe es vor, Wände um mich herum zu haben«, sagte sie und überspielte ihren vorherigen Satz. »Und alle Flöhe, die hier unter Umständen einst gelebt haben, sind entweder in der Zwischenzeit verhungert oder im Herbst ertrunken.«

Er schmunzelte und spielte mit. »Mit Sicherheit, meine Königin«, sagte er und faltete die Hände. »Es wird euch jedoch erfreuen, dass unsere Route von hier aus entlang von Städten und Burgen führt, die besser dafür geeignet sind, passende Unterkünfte für eine Königin und eine Prinzessin anzubieten. Unglücklicherweise hat uns die gestrige Verzögerung auf der Straße dazu gezwungen, diesen Ort hier aufzusuchen, da er wie kein anderer in diesem Landstrich eure Sicherheit garantiert.«

»Ich weiß das sehr genau, Ser Paxton! Ihr müsst mich nicht über meine eigene Heimat belehren!«, blaffte sie.

Paxton biss sich auf die Lippen. Die Königin war mit den Jahren empfindlicher geworden. Und wenn sie sich erst einmal aufregte, bewegte man sich danach auf dünnem Eis. »Mit Sicherheit, eure Hoheit. Vergebt mir. Um ehrlich zu sein, kam ich nicht hier herein, um euch zu belehren. Ich muss mich um eine dringende Angelegenheit kümmern und daher sofort aufbrechen. Aber sorgt euch nicht. Nur drei meiner Männer werden mich begleiten.«