Das Fragment - Daniel Tomazic - E-Book

Das Fragment E-Book

Daniel Tomazic

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Beschreibung

Völlig unerwartet erreicht Hannes Thomsen der Brief eines Nachlassverwalters. Hannes hat geerbt. Ein Schiff. Es gibt aber einen Haken an der Sache. Das Schiff ist gesunken. 1974 vor der Küste von Eritrea im Roten Meer. Ein weiterer Teil des Erbes besteht in den wenigen Hinterlassenschaften seines verstorbenen Großonkels. Unter den Sachen befindet sich das Bruchstück einer Steintafel mit ägyptischen Hieroglyphen. Zusammen mit seiner Tochter macht er sich daran, hinter das Geheimnis dieses Fragments zu kommen. Doch was sie herausfinden, ist kaum zu glauben. Ihre Erkenntnisse könnten die Welt verändern.

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Seitenzahl: 255

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Ähnliche


Inhaltsverzeichnis

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Epilog

Prolog

Das leise fortwährende Trommeln des Regens auf dem Dach hatte etwas Beruhigendes. Hannes saß seit einer halben Stunde in seinem Auto. Die Scheiben des Wagens waren inzwischen ein wenig beschlagen. Seit seinem Feierabend war er im Grunde ziellos umher gefahren. Nun stand er auf dem Parkplatz vor der Kirche des Dorfes, in welchem er aufgewachsen war.

Es war früh dunkel geworden wie immer im November. Draußen war es windig und ungemütlich. Seine Gedanken kreisten, um all das war er in den letzten Monaten geschehen war. Seit dem er jenen Brief bekommen war, hatte sich sein Leben völlig verändert.

Er sah zu Kirche hinüber, warum hatte es ihn gerade hier her gezogen? Oder war er nur zufällig hier gelandet? Ein leises, resigniertes Schnauben entfuhr ihm. Irgendwie hing doch alles zusammen.

Die Kirche da drüben war eingerüstet, sie wurde gerade renoviert. Er konnte sich daran erinnern, dass dies das letzte Mal der Fall war, als er noch ein Teenager war und zur Schule ging. Wie lange lag das zurück? Vierzig Jahre? Beinahe. Seine Gedanken schweiften ab, zum Konfirmanden Unterricht, zu seiner Hochzeit, zur Beerdigung seiner Mutter vor einem Jahr.

Plötzlich öffnete sich die Seitentüre der Kirche, ein gelblicher Lichtstrahl ergoss sich aus der Tür. Jemand kam heraus, lies aber die Türe offen. Wie kleine Perlen leuchteten die Tropfen auf der Seitenscheibe und streuten diffus das Licht. Mit dem Ärmel wischte er das Kondenswasser, von der von innen teilweise beschlagenen Scheibe. Das Licht sendete eine eigentümliche, wärmende Anziehungskraft. Hannes stieg aus seinem Auto und lief durch den Regen hinüber. Er schlüpfte durch die halb offen stehende Kirchentüre hinein.

Die Wände waren mit einer Folie verhängt, der Boden abgedeckt. Ein Gerüst ragte in der Mitte des Kirchenschiffes ebenso nach oben, wie an den Seiten. Sein Blick wanderte nach oben und blieb an den Brettern hängen, welche die oberste Lage des Gerüstes bildeten. Ob man wohl die Deckengemälde restaurierte?

Als er seinen Blick wieder senkte, stand wie aus dem Boden gewachsen ein Mann vor ihm. Überrascht sah er ihn an. Klein, mit schlohweißem Haar, rundlich um die Taille und in eine Sutane gekleidet konnte das nur der Gemeindehüter, der Pfarrer dieser Kirche sein.

„Was kann ich für dich tun mein Sohn? Du sieht mir etwas verloren aus.“

Hannes stand für einen Moment da und wusste nicht was er sagen sollte. Dann begann er stammelnd. „Also eigentlich wies ich gar nicht so richtig wo ich anfangen soll. Ich bin jetzt doch etwas überrascht, dass ich hier noch jemanden angetroffen habe.“

„Wenn du lieber in Ruhe mit dem Herrn Zwiesprache halten willst, dann setze dich einfach auf eine dieser Bänke, ich lasse dich dann alleine.“

Seltsam war das, dachte Hannes, er hatte schon jemanden zum Reden gesucht, jemanden wie den Pfarrer, denn ging es bei dem was ihn umtrieb nicht genau um Fragen, die nur ein Geistlicher beantworten konnte?

Der Pfarrer legte ihm eine Hand auf den Unterarm und entgegnete. „Ist schon gut, ich höre dir zu.“ Sanft schob er Hannes in eine Bank und setzte sich neben ihn.

Schweigend saßen die beiden Männer nebeneinander auf der Kirchenbank. Staub tanzte in den Lichtkegeln der Baustellenbeleuchtung. Hannes blickte zu seinem Sitznachbarn der mit entspannter Miene, beinahe lächelnd neben ihm saß und einfach abwartete.

„Also wenn du bereit bist, dann fange einfach an.“

„Ich weiß gar nicht wo ich beginnen soll, die ganze Geschichte ist doch reichlich kompliziert.“ entgegnete Hannes.

„Am besten, “ der Pfarrer lächelte, „beginnst du am Anfang.“

Kapitel 1

„Feierabend“ sagte Hannes und grinste breit. Sein Kollege seufzte und antwortete „Ich mache nur noch das hier fertig“ Dabei deutete er auf den Monitor, der vor ihm stand. „Dann gehe ich auch. Was machst du heute noch?“

„Muss noch was einkaufen, ein wenig die Bude aufräumen. Vielleicht gehe ich später noch auf ein Bier ins Schiff.“

„Klar“, entgegnete sein Kollege lachend, „wo soll so ein gestrandeter Seemann wie du auch sonst seine Bierchen trinken?“

„So schlecht ist das da nicht und die neue Bedienung ist doch richtig süß.“

„Schon gut, war ein Scherz, ist ja auch die einzige Kneipe in deinem Kaff.“

„Kommst du mit?“ wollte Hannes im Aufstehen wissen.

„Ne, heute nicht, hab noch was vor und extra zu dir raus zu fahren ist mir echt zu weit.

„Na dann.“ Hannes ging durch den Raum, schnappte sich seine Jacke von der Garderobe und ging mit einem „Bis morgen dann.“ hinaus.

Während der Fahrt nach Hause ließ er den Tag Revue passieren. Wie eigentlich immer war seine tägliche Arbeit von einer gewissen Routine geprägt. Das gab ihm zwar zum einen ein Gefühl der Sicherheit, allerdings langweilte ihn das tägliche Einerlei auch. Und genau diese Langeweile, so dachte er oft war dafür verantwortlich, das er sich abends oft wie erschlagen fühlte.

Und so war es auch heute wieder. Hannes fuhr seinen alten Audi durch die Tiefgarage des Wohnblocks in dem er und seine erwachsene Tochter in einer Mietwohnung lebten. Das war so seit seiner Scheidung vor ein paar Jahren. Inzwischen studierte Julia an der örtlichen Universität Geschichte und Biologie. Sie war selten zuhause, wenn er abends heim kam. So würde ihn wohl auch heute niemand begrüßen, wenn er durch die Türe kam.

Auf dem Weg nach Hause hatte er noch kurz beim Bäcker angehalten, frische Brötchen für das Abendessen und einen Berliner für gleich. Das Wetter war schön, die Mai Luft angenehm lau. Da könnte man doch auf dem Balkon sitzen, einen Kaffee trinken und- eben einen Berliner essen.

Er querte den Hausflur, holte die Post aus dem Briefkasten und stieg die Treppen bis in den dritten Stock hinauf. Wie erwartet war Julia nicht zuhause. Wenig später saß Hannes auf seinem Balkon und schaute hinunter, eine Tasse dampfenden Kaffees, den Berliner und den Inhalt des Briefkastens neben sich auf dem Tisch.

Er ließ seinen Blick schweifen. Die Siedlung stammte aus den 90ger Jahren. Es war gepflegt hier, mit großen Grünflächen zwischen den Häusern, die allerdings in ihrer bräunlichen Farbgebung etwas plump und klotzig wirkten. Die Menschen die hier wohnten waren meist schon jenseits der fünfzig. Die Wohnungen waren zunächst als Eigentumswohnungen konzipiert worden, in einigen Fällen waren die ursprünglichen Eigentümer bereits verstorben und die jetzigen Besitzer hatten dann eben vermietet. So war es auch bei ihnen gewesen.

Nun wohnten sie schon seit einigen Jahren hier. Julia, hatte auf das großen Zimmer bestanden, eigentlich das Elternschlafzimmer und Hannes war mit seinem Bett ins kleinere Kinderzimmer gezogen. Er mochte seine Wohnung durchaus, mit Balkon, großem Wohnzimmer, einem offenen Kamin ließ sie eigentlich keine Wünsche übrig, sah man von der etwas spießig biederen Wohngegend einmal ab.

Sein Blick blieb an einer Frau hängen die sich mit einem anderen Nachbarn unterhielt. Sie war ihm schon ein paar Mal aufgefallen. Mit ihrem dunkelrotbraunen Haar, ihren feinen Zügen und einer gewisse Eleganz in ihren Bewegungen, zog sie seine Blicke magisch an. Diese Eleganz trat auch zutage, wenn sie wie jetzt in enge Jeans und eine sportliche Bluse gekleidet war.

Hannes nippte an seinem Kaffee. Tja, dachte er, ob sie wohl verheiratet ist? Oder wie ich geschieden und Single? Er sah auf sich hinab. Er grinste. Mann, sehe ich heute wieder spießig aus. Beige Hose, braune Straßenschuhe, feinkariertes Hemd und ein billige Uhr am Arm. So wie die daher kommt, hat sie sicher andere Ansprüche. Aber egal dachte er sich, schauen darf man ja und biss so herzhaft in seinen Berliner, das der Puderzucker in eine Wolke davonstob und Hannes heftig nießen musste. Mist, dachte er und fegte den Puderzucker von den Briefen auf dem Tischchen vor sich.

Wohl wieder nur Werbung und Rechnungen dachte er, als er die Briefe daraufhin durchsah.

Was war das denn, er stutze und zog einen Brief aus dem Fächer, dessen Aufdruck seine Aufmerksamkeit erregte. In moosgrüner edler Prägung stand in eine schnörkeligen Schrift darauf:

Baxter & Hoover

Wills & Probate Solicitors

Portsmouth

Since 1876

Er dreht den Umschlag um. Die Adresse stimmte. Was bedeutet das? Leicht verwirrt, sah er noch einmal über die Balkonbrüstung, doch die hübsche rothaarige war verschwunden.

Er legte den Brief auf den Tisch und sah die anderen durch. Nur Werbung und ein Schreiben von seinem Telefonanbieter. Sicher die Monatsrechnung.

Nun wendete er sich wieder jenem Brief mit dem grünen Aufdruck zu.

Wills & Probate Solicitors. Was heißt das denn? Mein Englisch ist nicht schlecht, dachte Hannes als er den Brief nun öffnete, die Hälfte der Zeit seines beruflichen Alltags sprach er englisch. Aber was sind Probate Solicitors?

Nachdem er den Brief geöffnet hatte zog er zwei Blätter aus dem Umschlag. Eines davon, das sah Hannes sofort, war auf Deutsch verfasst. Na prima, dachte und fing an zu lesen. Der Name und die Adresse waren korrekt.

Betreff: Testament und letzter Wille des Herr Kapitän Gustav Karl Kipnik, geboren am 24.05.1931 in Bridgeport, CN, USA, gestorben am 13.04.2014 in Portsmouth, UK

Sehr geehrter Herr Thomsen,

Wir, die Anwaltssozietät Baxter & Hoover sind Anwälte für Erbrecht und Nachlassverwalter. In dieser Funktion wenden wir uns mit diesem Schreiben an sie.

Hiermit zeigen wir, die Rechtsanwaltssozietät Baxter & Hoover, namentlich vertreten durch Frau Rechtsanwältin Clara Wilson an, das diese in der o.g. Angelegenheit die vom Erblasser, Herrn Gustav Karl Kipnik als Testamentsvollstreckerin ernannte Person ist und somit die letztwillige Verfügung des Erblassers zur Ausführung zu bringen hat.

Da sie, sehr geehrter Herr Thomsen, als alleiniger Erbe im Testament des Erblassers benannt sind, möchten wir sie bitten, sich zwecks der Abstimmung eines Termins zur Testamentseröffnung mit unserem Sekretariat in Verbindung zu setzten.

Hochachtungsvoll

Clara Wilson

Rechtsanwalt

Was ist denn jetzt los, dachte Hannes, heißt das etwa ich habe was geerbt? Er hatte gar nicht gemerkt, dass er während des Lesens langsam aufgestanden war. Jetzt da er realisiert hatte das er stand, ließ er sich auf den Stuhl hinter ihm sinken, nahm seine Tasse in die Hand und trank den Kaffee aus. Was für ein Quatsch, dachte er. Ich soll geerbt haben? Der Erbonkel aus Amerika? Blödsinn, das gibt es doch nur in diesen billigen Romanen. Wenn ich da anrufe, die Nummer hatte als Landesvorwahl die 44, also wirklich ein Anschluss in England, dann wird mir sicherlich erzählt, das ich erst einmal eine bestimmte Geldsumme hinterlegen muss, oder so was. Er legte den Brief zurück, nahm den Rest seines Berliners und aß ihn auf. Aber andererseits, selbst wenn, dann lege ich einfach auf und werfe den Brief in den Müll.

Er schluckte den letzten Rest hinunter und ging, den Brief in der Hand, zum Telefon.

Nach dem es unzählige Male geklingelt hatte und niemand das Gespräch annahm, legte er wieder auf. Er würde es am nächsten Tag einfach noch einmal versuchen. In diesem Moment hörte Hannes die Türe gehen. Seine Tochter Julia war nach Hause gekommen.

„Hi Schatz, wie war die Uni?“ begrüßte er sie.

„Wie immer und wir haben eine neue Hausarbeit aufbekommen.“

Julia sah auf das Telefon, das ihr Vater noch immer in der Hand hatte und fragte

„Wen rufst du an?“

„Es muss heißen, wen hast du angerufen?“ sagte Hannes und grinste schelmisch.

Julia verdrehte die Augen. Immer diese Spitzfindigkeiten ihres Vaters. Eigentlich mochte sie das ja, aber manchmal nervte es.

„OK--, wen hast du angerufen?“

Ohne zu antworten deutete Hannes grinsend auf den Brief, der neben dem Telefon auf dem Tisch lag.

Nachdem Julia ihn gelesen hatte sah sie ihn mit einem fragenden Gesicht an.

„Wir haben was geerbt?“

„Sieht ganz so aus“ bekam sie zur Antwort. „Wobei ich mir nicht ganz sicher bin ob das Ganze nicht nur eine Ente ist. Man hört ja vieles in dieser Hinsicht.“

„Und wer war dieser Gustav aus dem Brief?“

„Das weiß ich nicht, habe noch nie von ihm gehört. Deine Uroma mütterlicherseits, hieß mit Nachnamen auch Kipnik. Die Verwandtschaft kommt sicher daher.

„Und was machen wir jetzt?“

„Ich rufe morgen einfach nochmal an und sehe dann, ob an der Sache was dran ist, oder nicht.“

„Mache das Paps, soll ich schon mal nach `nem schicken kleinen Häuschen im Grünen für uns schauen?“

„Ja, ja, schon klar“, entgegnete Hannes grinsend, „ mir würde es schon genügen, wenn du dein Zimmer aufräumst.“

„Ach Paps, du bist ein Spielverderber, komm schon.“

„Na gut, du darfst auch das Bad putzen.“

Plötzlich flog eines der Sofakissen durch die Luft und traf Hannes an der Schulter.

„Na warte du Biest“ sagte Hannes mit einem vernehmlich gespielt beleidigtem Unterton, „jetzt kannst du was erleben.“

Etwas später standen beiden in der Küche und bereiteten das Abendessen zu.

„Jetzt aber mal im Ernst Paps. Ich meine wenn wir nur ein paar alte Möbel oder Bücher geerbt hätten, würdest du doch keine Einladung zu einer Testamentseröffnung bekommen. Und du bist der einzige Erbe.“

„Ja schon, aber ich habe keine Ahnung von Testamenten und vom Erben. Aber cool wäre es schon. Denn wenn ich genug erbe, dann kannst du in eine eigene Wohnung ziehen, ich höre auf zu arbeiten, kaufe mir ein Boot und segle um die Welt.“

„Wenn wir genug erben, kaufst du uns ein Haus und kannst dann mit deinem Boot immer noch um die Welt segeln, ok? Würdest du echt gerne wieder zur See fahren?“ entgegnete Julia.

„Nicht wirklich. Ist nur so eine romantische Vorstellung. Ich war 17 Jahre alt, als ich zur See gegangen bin. Das war zwar eine tolle Zeit, aber im Grunde waren die 12 Jahre bei der Marine auch genug.“

„Was würdest du dann machen?“

„Hm, im Grunde bist du schon nahe dran gewesen, ein eigenes kleines Haus wäre natürlich was. Ob ich allerdings aufhöre zu arbeiten? Das müsste ich mir überlegen? Ein neues Auto vielleicht?“

„Ja, ich kriege ein Cabrio und du ein altersgerechten Wagen.“

„Was soll das denn schon wieder heißen? Altersgerecht.“

„Na ja“ sagte Julia grinsend. „Wer schon daran denkt mit dem Arbeiten aufzuhören.“

„Ich bin 53 und arbeite seitdem ich 17 bin.“

„Pahaps, nicht wieder diese Leier. Ich arbeite seit ich 17 bin, heute bin ich 53, das sind 36 Jahre, das ist jetzt schon mehr als viele andere in ihrem Leben überhaupt schaffen.“

„Schon gut, beruhige dich wieder. Ich sagte ja schon, dass ich nicht weiß ob ich aufhören würde zu arbeiten. Willst du ein oder zwei Eier?“

„Zwei.“

„Rührei, oder Spiegelei?“

Das Telefon klingelte.

„Spiegelei, mit Speck“.

„OK, mit Speck. Kannst du mal eben ans Telefon gehen? Und wenn es deine Freundin ist, denk dran das es in fünf Minuten gibt es essen, also kein Dauergequassel.“

Kurz darauf kam Julia mit dem Telefon in der Hand zurück in die Küche.

„Für dich, Portsmouth.“

„Wer? “ fragte Hannes.

„Na diese Nachlasstante, diese Clara sowieso aus dem Brief.“

„Echt?“ fragte Hannes und griff nach dem Hörer. „Kannst du dich um die Eier kümmern, die brennen sonst an.“

„Ja, hallo? Äh, yes, Mr. Thomsen is speaking. - Yes I have received the letter today. - Of course I was surprised. I do not get a letter every day which is telling me that I possibly inherit something. - Could you please tell me what I have inherited? - Sure I understand. I have to come to England, to Portsmouth. - The over next weekend?

“ Hannes sah seine Tochter fragend an und als diese heftig nickte, antwortete er „Yes sure the over next weekend is possible for me. - If I would like to have someone with me? Julia nickte nun umso heftiger und deutete mit ihrem Daumen auf sich. „Yes if it is OK for you, my daughter will join me. - Her Name? Julia. - Yes, the same Surname. - You will send me the tickets, Business Class? Äh, no thank you it is fine. Yes, to the same address please. - I am also looking forward to it. - Have good day too. Hannes beendete das Gespräch und ließ den Hörer sinken.

„Wie krass“ sprudelte Julia los „Wir fliegen nach England, - Business Class!“

Hannes zog die Stirn in Falten und entgegnete wesentlich verhaltener „ Schauen wir mal.“

Kapitel 2

“Ich sehe mal nach einem Taxi, bleibst du kurz bei den Koffern?“

“Ja sicher, kein Problem Paps.”

Hannes sah auf seine Uhr. So ein Mist, dachte er. Hatte dieser blöde Zug doch auf einer Entfernung von London nach Portsmouth, fast eine Stunde Verspätung gehabt. Dabei waren es doch nur 70 Meilen, also nicht Mal 115 Kilometer gewesen. Jetzt hatten sie gerade mal noch 15 Minuten Zeit, bis zu ihrem Termin. Das konnte knapp werden, da es vom Bahnhof bis zur Anwaltskanzlei von Baxter & Hoover in der London Road etwa vier Kilometer waren.

Jetzt standen Hannes und Julia vor dem Bahnhofsgebäude, einem wundervollen, so fand Hannes, viktorianischen Backsteingebäude aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Mit seinen verspielten Schieferdächern und dem filigranen Vordach sah es eher wie ein Hotel, als wie ein Bahnhof aus. Direkt vor dem Gebäude standen aufgereiht einige silberne Taxis. Kaum hatte er seinen Blick dem ersten Taxi in der Reihe zugewendet, stieg der Fahrer auch schon aus.

Nachdem Hannes Julia ein Zeichen gegeben hatte, die kleinen Koffer ins Auto geladen waren und Hannes dem Taxifahrer die Adresse genannt hatte, ging es auch schon los. Gerade noch pünktlich erreichten sie das Haus in der die Anwaltskanzlei untergebracht war.

Im Grunde war es ein etwas größeres Wohnhaus, welches dem Baustil nach aus der gleichen Epoche stammte, wie das Bahnhofsgebäude. Das große polierte Messingschild neben der blau lackierten Tür entsprach vom Layout genau dem Stempel auf dem Umschlag und zeugte von Britischem Stil und Eleganz.

Noch bevor Hannes seinen Finger auf den Klingelknopf gelegt hatte, wurde die Türe geöffnet. Eine Frau, wie sie britischer nicht hätte aussehen können stand vor ihm und stellte sich als Clara Wilson vor. Mit ihrer steifen rotblonden Kurzhaarfrisur, dem dunklen, eine Nummer zu klein wirkenden Kostüm und dem strengen Gesichtsausdruck, schien sie dem Klischee einer Gouvernante aus einem Edgar Wallace Krimi zu einhundert Prozent zu entsprechen. Sie reichte Hannes, mit einer sehr förmlichen Bewegung, die Hand und begrüßte ihre beiden Gäste auf Deutsch.

Dieser steife, förmliche Eindruck wandelte sich aber schlagartig, als Mrs. Wilson die beiden ins Haus gebeten hatte. Nun lächelte sie freundlich und ihr englischer Akzent hatte etwas nettes, etwas charmantes an sich.

Man durchquerte die Halle, die von alter Pracht und Geldadel zeugte. Jeder Zoll mit feinen alten Möbeln und wertvollen Teppichen, eine echte englische Villa. Es ging eine geschwungene, polierte, hölzerne Freitreppe hinauf, die unter Hannes´ Schritten leise quietschte. Sie durchquerten einen Korridor und Mrs. Wilson öffnete eine schwere Kassettentüre neben der, in Messing gefasst, ihr Name auf, einem polierte Schild stand.

Hannes und Julia nahmen auf zwei Chintz Sesseln Platz, während Mrs. Wilson in einen wuchtigen Lederstuhl setzte.

„Zunächst einmal“, begann Mrs. Wilson „möchte ich mich bei ihnen bedanken, dass sie den Weg von Deutschland, wo liegt diese Freiburg eigentlich genau? Im Süden nicht wahr? bis hierher nach Portsmouth auf sich genommen haben.“

„Nun ja“ entgegnete Hannes „gänzlich uneigennützig war die Reise ja nun nicht.“ Mrs. Wilson lächelte und entblößte dabei große jedoch regelmäßige Zähne, was Hannes entfernt an ein Pferdegebiss erinnerte. „Und ja, Freiburg liegt im Südwesten Deutschlands.“

„Hatten sie eine angenehme Reise?“ erkundigte sich Mrs. Wilson in einem verbindlichen Tonfall.

„Ja das hatten, wir“ antwortete nun wiederum Julia.

Plötzlich zog Mrs. Wilson die Stirn kraus und meinte etwas aufgeregt „Oh, entschuldigen bitte. Ich habe es völlig versäumt ihnen etwas zu trinken anzubieten.“

Nachdem kurze Zeit später auch diese Formalität erledigt und Mrs. Wilson bei der Vorzimmerdame Kaffee und Wasser geordert hatte, öffnete sie eine Aktenmappe die vor ihr auf einem gewaltigen Schreibtisch aus poliertem Teakholz lag, richtete sich auf, nahm sozusagen Haltung für den nun folgenden Akt an, rückte ihre Hornbrille zurecht, räusperte sich und begann.

„Wie sie natürlich durch unser Schreiben an sie wissen, geht es heute hier um das potentielle Erbe dessen Erblasser ihr Anverwandter war.“

„Entschuldigen sie“ wendete Hannes ein. „Was meinen sie mit potentiell?“

„Nun“ entgegnete Mrs. Wilson, „potentiell insofern, als das sie zunächst einwilligen müssen das Erbe anzutreten.“

„Ach so natürlich.“ Hannes grinste betreten. „Klar“.

Mrs. Wilson lächelte milde und begann „Kein Problem. Woher sollen sie das auch wissen. Daher ist es nun sicherlich am besten wenn wir nun zu Verlesung des Testaments, sprich zur Eröffnung des Testaments kommen.“

Hannes nickte. Mrs. Wilson sah von Hannes zu Julia und wieder zu Hannes. Dann senkte sie ihren Blick auf das Papier vor ihr.

„Ich verlese nun das Testament.“ Mrs. Wilson räusperte sich noch einmal vernehmlich dann begann sie.

„Zunächst stelle ich fest, dass sichergestellt ist, das dieses Testament durch amtliche Verwahrung, in Form von Hinterlegung durch den hier in Portsmouth ansässigen Notar Nathaniel Miller, welcher diese letztwillige Verfügung auch notariell beurkundet hat, beim zuständigen Nachlassgericht, zum einen gefunden werden und zum anderen nicht gefälscht, bzw. verändert werden kann.“

Boa was ein Juristengeschwafel dachte Hannes, lächelte aber.

Kommen wir nun zum Testament selbst.

„Auf mein Ableben hin verfüge ich, der hier unterzeichnende Gustav Karl Kipnik, geboren am 13.04.1931, wohnhaft in 21 Hurst Rd, Milford on Sea, Lymington SO41 0AQ, United Kingdom, wie folgt:

Alle früheren Verfügungen hebe ich hiermit auf.

Als Erben meines Nachlasses setzte ich Herrn Hannes Thomsen, Sachsenstraße 7, 79211 Denzlingen ein.

Im Einzelnen vererbe ich ihm:

Alle meine verbliebenen beweglichen Güter, derzeit eingelagert im Postamt Milford on Sea, Lagernummer 73283.

Alle Rechte am Eigentum der Brigantine „Little Rosi“, gesunken am 13.09.1974 vor Massaua, Eritrea in der Dahlak Island Bay auf 15°41'49.9"N 39°59'58.4"E.

All mein sonstiges Hab und Gut.

Als Willensvollstrecker setze ich die Anwaltskanzlei Baxter & Hoover in Portsmouth ein.

Milford on Sea, 21. Oktober 2012

Unterzeichner: Gustav Karl Kipnik

Mrs. Wilson war zum Ende gekommen, blickte auf und sah erst Hannes dann Julia an und lächelte.

„Damit ist die Verlesung des Testaments beendet. Ich muss sie nun fragen, ob sie das Erbe antreten wollen oder nicht?“

Hannes sah verwirrt und etwas hilfesuchend erst Julia, die nur mit den Schultern zuckte und dann Mrs. Wilson an. „Also bevor ich das beantworte muss ich erst einmal fragen, ob ich das jetzt richtig verstanden habe. Ich habe also ein Schiff geerbt, das aber gesunken ist?“

„Ähm, ja das ist grob gesagt, richtig.“

„Was soll ich denn mit einem gesunkenen Schiff anfangen?“ Hannes musste lachen.

„Nun“, entgegnete Mrs. Wilson, „das kann ich ihnen natürlich nicht beantworten. Es ist auch nicht die Aufgabe eines Nachlassverwalters dem Erbnehmer zu erklären was er mit seinem Erbe anfangen soll. Ich bitte hier um Verständnis.“

„Ja klar, das war auch eher eine rhetorische Frage.“ Hannes stockte, er überlegte kurz. „Und das andere?“

Mrs. Wilson lächelte nun wieder und antwortete: „Sie meinen ihr weiteres Erbe?“

Hannes nickte. Mrs. Wilson fuhr fort. „Was die beweglichen Güter angeht, kann ich ihnen leider nichts dazu sagen. Diese werden ihnen auf dem Postwege, in den nächsten Tagen, an ihre Privatadresse in Deutschland zugestellt. Sicher interessiert sie der Punkt c. aus dem Testament?“

Hannes räusperte sich verlegen. „Ja schon“ meinte er mit belegter Stimme.

„Es gibt ein Konto bei der örtlichen Bank.“ Mrs. Wilson legte eine kleine Kunstpause ein. Hannes und Julias Anspannung wuchs sichtlich. „Allerdings haben wir hier nur einen Umschlag bekommen, in welchem sich die online Zugangsdaten zu dem Konto befinden. Außerdem habe ich hier noch die Übertragung der Kontovollmacht auf sie, sowie der vom Finanzamt bestätigte und vom Probate Court ausgestellte Erbschein. Diese müssten sie noch gegenzeichnen.“

Hannes rutschte unbehaglich auf seinem Stuhl umher und meinte dann mit einem enttäuschten Unterton: „Das ist also der Haken auf den ich die ganze Zeit gewartet habe.“

Mrs. Wilson zog fragend die Brauen hoch und Julia sah etwas verunsichert zu ihrem Vater, als dieser fort fuhr. „Es kann also sein, das ich nur Schulden erbe und deshalb muss ich wohl auch erklären, ob ich das Erbe antreten möchte oder nicht? Habe ich das richtig verstanden?“

„Mr. Thomsen“, begann Clara Wilson nun beschwichtigend „Da kann ich sie beruhigen. Der Kontostand ist auf jeden Fall positiv, denn wir haben erst vor kurzem den vertraglich vereinbarten Betrag, zur Deckung unserer Unkosten abbuchen lassen. Dazu haben wir uns natürlich zuvor bei der Bank erkundigt, ob das Konto eine entsprechende Deckung aufweist. Die Bank hat uns natürlich nicht gesagt wie hoch das Guthaben ist, das Bankgeheimnis, sie verstehen? Aber das Geldinstitut hat die Überweisung getätigt. Wir haben im Hinblick auf die heutige Testamentseröffnung auch nachgefragt, ob es weitere, dauernde finanzielle Transaktionen auf diesem Konto gibt, ich meine diese, wie heißt das deutsche Wort, dafür?“

„Meinen sie Daueraufträge?“ fragte Hannes.

„Ja genau, das ist das Wort“ Mrs. Wilson strahlte. „Weitere Daueraufträge gibt es nicht. Und die Erbschaftssteuer ist schon beglichen oder das Erbe liegt unter dem Freibetrag und eine Erbschaftssteuer fiel gar nicht erst an. Anders als in Deutschland ist das Finanzamt nicht an der erbenden Person, sondern am Erbe selbst interessiert. So ist es die Aufgabe des zuständigen Nachlassverwalters die Steuer über die Bank direkt zu entrichten. Das ist üblich so bei uns. Wichtig für sie ist lediglich der Erbschein. Das einbindet sie aber nicht davon prüfen zu lassen, ob sie nach dem Deutsch-britischen Doppelbesteuerungsabkommen, bei Erben im Ausland, eventuell in Deutschland Erbschaftsteuer zahlen müssen. Der Kontostand war seit dem Ableben ihres Verwandten und nach der finanziellen Abwicklung seiner Beerdigung und der steuerlichen Angelegenheiten etc., stabil. Mr. Kipnik hat bis zu seinem Tod in einem Zimmer des Seemannsheims von Milford on Sea gelebt. Das ist so eine Art Altenheim für Seeleute. Daher ist die Menge der vererbten beweglichen Güter, sagen wir überschaubar. Und weitere finanzielle Verpflichtungen in Form von Schulden oder Hypotheken gibt es nicht, das haben wir geprüft.

Hannes nickte. Er fühlte sich ein wenig überfordert, wusste aber dass er eine Entscheidung zu treffen hatte.

„Es bleibt jetzt für mich nur die Frage an sie übrig, ob sie das Erbe antreten wollen, oder nicht?“

Hannes und Julia sahen sich kurz an. Das Flackern in Julias Augen war ein eindeutiger Hinweis. Hannes überlegte. „Wenn ich das also kurz zusammenfassen darf, habe ich ein gesunkenes Schiff geerbt.“ Hannes konnte ein Lachen kaum unterdrücken, „Die wenigen, verbliebenen Habseligkeiten meines Urgroßonkels, oder was immer er auch für ein verwandtschaftliches Verhältnis zu mir hatte, sowie ein Bankkonto das zumindest nicht im Minus steht.“

Mit ernster Miene antwortete Clara Wilson „Ja, das ist absolut korrekt.“

„Ich stürze mich und meine Tochter also nicht ins finanzielle Chaos, wenn ich das Erbe antrete?“

„Nein“, antwortete die Rechtsanwältin, „ich denke dass ich das ausschließen kann.“

Ich habe zwar ein ungutes Gefühl bei der ganzen Sache dachte Hannes, sagte dann aber mit festem Ton und untermalt von einem Seufzer „OK, ich mache es. Ich trete das Erbe an.“

Mrs. Wilson lächelte und drückte in genau diesem Augenblick einen kleinen Messingknopf, welcher in die Tischplatte eingelassen war. Ohne eine spürbare Verzögerung öffnete sich die Zimmertüre und ein älterer Herr mit imposantem Backenbart, in einem dunklen Anzug, der auch schon bessere Tage gesehen hatte, betrat mit einem Tablett auf dem Arm den Raum.

„Darauf stoßen wir an.“ meinte Mrs. Wilson und begann Champagner in entsprechende Gläser zu füllen.

Seit einigen Minuten saßen sie nun im Zug von Portsmouth nach London. „Sag mal Paps, geht es dir gut?“ wollte Julia wissen?

„Ja klar, warum sollte es mir denn nicht gut gehen?“

„Du grinst irgendwie doof und schüttelst ständig leicht den Kopf. Muss ich mir Sorgen machen?“

Nun blickte Hannes seine Tochter an und lächelte sanft. Er wusste genau, dass Julia ihn deshalb auf diese Weise fragte, weil sie wissen wollte was in ihm vorging.

„Nein alles ist in Ordnung. Ich komme nur irgendwie nicht richtig drüber weg.“ Hannes musste laut lachen. „Wir haben ein Schiff geerbt, super! Leider ist es vor über dreißig Jahren am Arsch der Welt gesunken, nicht so super. Wir erben darüber hinaus den Nachlass eines alten Seemanns. Wollte ich schon immer haben. Bin ja selbst einer, also auch das ist richtig, richtig klasse. Was will man mehr?“

„Und das Konto?“ wollte Julia wissen.

„Ach ja, da ist noch das Konto. Es ist zumindest nicht im Minus“ sagte Hannes in einem Tonfall der vor Sarkasmus nur so troff. „Ich will aber nicht ungerecht sein, wir haben einen tollen Ausflug gemacht. Heute übernachten wir in einer Fünf Sterne Unterkunft und wir haben erlebt wie es ist, wenn man etwas erbt. War schon aufregend, oder?“

„Ja das war es.“ antwortete Julia. „Schade dass wir das Geld für die Reise und das Hotel nicht so bekommen haben, denn davon hätten wir locker eine Woche im Sommer in den Süden reisen können. Dieses ganze Testamentseröffnungsdings hätten wir ja auch am Telefon machen können.“

Hannes seufzte zustimmend. „Stimmt, im Prinzip schon. Aber diese Rechtsanwältin hat mir erklärt, als wir damals telefoniert haben, das man bei einer Testamentseröffnung in Persona am zuständigen Gerichtsort erscheinen müsse.“

„Schon klar, ich meinte ja nur.“

In diesem Augenblick knisterten die Deckenlautsprecher und eine nasale Stimme verkündete, dass man in Kürze London erreichte.

„Na wenigstens ist der Zug jetzt pünktlich. Vielleicht schauen wir uns noch ein wenig die Stadt an, was meinst du?"

Kapitel 3

„Paps? Möchtest du auch einen Kaffee?“

„Au ja, ist ´ne prima Idee, auch wenn es schon etwas spät ist.“ antwortete Hannes und sah dabei auf seine Uhr. Es war kurz nach halb sechs. Vor einer knappen Stunde waren sie aus London zurückgekehrt. Hannes hatte erst einmal die Sachen aufgeräumt, die er auf die Reise mitgenommen hatte, die schmutzige Wäsche in die Waschmaschine getan und den Koffer in den Keller getragen. Manchmal fragte er sich, ob dieses Verhalten gesund war, ob er einfach nur einen kleinen Ordnungsfimmel hatte, weil er lange bei der Marine war und es dort darauf ankam, jeden kleinen Flecken Platz in der drangvollen Enge eines Schiffes effizient auszunutzen, oder ob andere einfach schlampiger waren als er. Julia hatte einfach ihre Sachen im Flur abgestellt, hatte sich in ihr Zimmer verzogen und erst einmal mit ihren Freunden gechattet. Jetzt stand sie in der Küche und werkelte an der Kaffeemaschine herum.

„Pahaps, der Kaffee ist bald alle.“

„Ja und?“

„Na dann haben wir keinen Kaffee mehr!“ bekam Hannes leicht schnippisch zur Antwort.

„Wie wäre es, wenn du einfach rüber in den Supermarkt gehst und neuen kaufst?“

„Ich?“

„Ja du. Ich bin schließlich nicht der einzige der in diesem Haushalt lebt und Lebensmittel verbraucht.“

„Ja aber du hast ein Auto und ich nicht.“

„Du hast ein Fahrrad. Mit Korb. Und Kaffee wiegt je nach Packungsgröße nicht mehr als ein Kilo. Das schaffst selbst du.“

„Oa Paps, manchmal bist du echt ätzend, mit deiner Penetranz.“

„M hm, kann schon sein. Du meine liebe Mitbewohnerin, bist aber -immer ätzend- mit deiner Faulheit. Und in deinem Zimmer sieht es aus wie in einem Handgranatenwurfstand.“