Das fremde Kind - Ernst Theodor Amadeus Hoffmann - E-Book

Das fremde Kind E-Book

Ernst Theodor Amadeus Hoffmann

4,8

Beschreibung

"Das fremde Kind" ist ein romantisches Kunstmärchen von E. T. A. Hoffmann, das im vierten Abschnitt des zweiten Bandes der Sammlung "Die Serapionsbrüder" 1819 bei G. Reimer in Berlin erschien. Ende November 1817 war es bereits im letzten Band der zweibändigen Sammlung "Kinder-Mährchen" – ebenfalls bei Reimer – erschienen.

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Inhalt

Der Herr von Brakel auf Brakelheim

Der vornehme Besuch

Wie es weiter bei dem vornehmen Besuche herging

Die neuen Spielsachen

Was sich mit den neuen Spielsachen im Walde zutrug

Das fremde Kind

Wie das fremde Kind mit Felix und Christlieb spielte

Was der Herr von Brakel und die Frau von Brakel zu dem fremde Kinde sagten, und was sich weiter mit demselben begab

Von der Heimat des fremden Kindes

Von dem bösen Minister am Hofe der Feenkönigin

Wie der Hofmeister angekommen war und die Kinder sich vor ihm fürchteten

Wie die Kinder mit dem Herrn Magister Tinte im Walde spazierengingen und was sich dabei zutrug

Wie der Herr von Brakel den Magister Tinte fortjagte

Was sich weiter im Walde begab, nachdem der Magister Tinte fortgejagt worden

Beschluß

Impressum

Der Herr von Brakel auf Brakelheim

Es war einmal ein Edelmann, der hieß Herr Thaddäus von Brakel und wohnte in dem kleinen Dörfchen Brakelheim, das er von seinem verstorbenen Vater dem alten Herrn von Brakel geerbt hatte, und das mithin sein Eigentum war. Die vier Bauern, die außer ihm noch in dem Dörfchen wohnten, nannten ihn den gnädigen Herrn, unerachtet er wie sie, mit schlicht ausgekämmten Haaren einherging und nur sonntags, wenn er mit seiner Frau und seinen beiden Kindern Felix und Christlieb geheißen, nach dem benachbarten großen Dorfe zur Kirche fuhr, statt der groben Tuchjacke, die er sonst trug, ein feines grünes Kleid und eine rote Weste mit goldenen Tressen anlegte, welches ihm recht gut stand. Eben dieselben Bauern pflegten auch, fragte man sie: "Wo komme ich denn hin zum Herrn von Brakel?" jedesmal zu antworten: "Nur immer vorwärts durch das Dorf den Hügel herauf wo die Birken stehen, da ist des gnädigen Herrn sein Schloß!" Nun weiß doch aber jedermann, daß ein Schloß ein großes hohes Gebäude sein muß mit vielen Fenstern und Türen, ja wohl gar mit Türmen und funkelnden Windfahnen, von dem allen war aber auf dem Hügel mit den Birken gar nichts zu spüren, vielmehr stand da nur ein niedriges Häuschen mit wenigen kleinen Fenstern, das man kaum früher als dicht davor angekommen, erblicken konnte. Geschieht es aber wohl, daß man vor dem hohen Tor eines Schlosses plötzlich still steht und, angehaucht von der herausströmenden eiskalten Luft, angestarrt von den toten Augen der seltsamen Steinbilder die wie grauliche Wächter sich an die Mauer lehnen, alle Lust verliert hineinzugehen, sondern lieber umkehrt, so war das bei dem kleinen Hause des Herrn Thaddäus von Brakel ganz und gar nicht der Fall. Hatten nämlich schon im Wäldchen die schönen schlanken Birken mit ihren belaubten Ästen, wie mit zum Gruß ausgestreckten Armen und freundlich zugewinkt, hatten sie im frohen Rauschen und Säuseln uns zugewispert: "Willkommen, willkommen unter uns!" so war es denn nun vollends bei dem Hause, als riefen holde Stimmen aus den spiegelhellen Fenstern, ja überall aus dem dunklen dicken Weinlaube, das die Mauern bis zum Dach herauf bekleidete, süßtönend heraus: "Komm doch nur herein, komm doch nur herein, du lieber müder Wanderer, hier ist es gar hübsch und gastlich!" Das bestätigten denn auch die Nest hinein Nest hinaus lustig zwitschernden Schwalben und der alte Storch schaute ernst und klug vom Rauchfange herab und sprach: "Ich wohne nun schon manches liebe Jahr hindurch zur Sommerszeit hier, aber ein besseres Logement finde ich nicht auf Erden, und könnte ich nur die mir angeborne Reiselust bezwingen, wär's nur nicht zur Winterszeit hier so kalt und das Holz so teuer, niemals rührt ich mich von der Stelle." – So anmutig und hübsch, wenn auch gleich gar kein Schloß, war das Haus der Herrn von Brakel.

Der vornehme Besuch

Die Frau von Brakel stand eines Morgens sehr früh auf und buk einen Kuchen, zu dem Sie viel mehr Mandeln und Rosinen verbrauchte als selbst zum Osterkuchen, weshalb er auch viel herrlicher geriet als dieser. Währenddessen klopfte und bürstete der Herr von Brakel seinen grünen Rock und seine rote Weste aus und Felix und Christlieb wurden mit den besten Kleidern angetan, die sie nur besaßen. "Ihr dürft", so sprach dann der Herr von Brakel zu den Kindern, "ihr dürft heute nicht herauslaufen in den Wald wie sonst, sondern müßt in der Stube ruhig sitzen bleiben, damit ihr sauber und hübsch ausseht, wenn der gnädige Herr Onkel kommt!" – Die Sonne war hell und freundlich aufgetaucht aus dem Nebel und strahlte golden hinein in die Fenster, im Wäldchen sauste der Morgenwind und Fink und Zeisig und Nachtigall jubilierten durcheinander und schmetterten die lustigsten Liedchen. Christlieb saß still und in sich gekehrt am Tische: bald zupfte sie die roten Bandschleifen an ihrem Kleidchen zurecht, bald versuchte sie emsig fortzustricken, welches heute nicht recht gehen wollte. Felix, dem der Papa ein schönes Bilderbuch in die Hände gegeben, schaute über die Bilder hinweg nach dem schönen Birkenwäldchen in dem er sonst jeden Morgen ein paar Stunden nach Herzenslust herumspringen durfte. "Ach draußen ist's so schön", seufzte er in sich hinein, doch als nun vollends der große Hofhund, Sultan geheißen, klaffend und knurrend vor dem Fenster herumsprang, eine Strecke nach dem Walde hinlief, wieder umkehrte und aufs neue knurrte und bellte als wolle er dem kleinen Felix zurufen: "Kommst du denn nicht heraus in den Wald? was machst du denn in der dumpfigen Stube?" da konnte sich Felix nicht lassen vor Ungeduld. "Ach liebe Mama laß mich doch nur ein paar Schritte hinausgehen!" so rief er laut, aber die Frau von Brakel erwiderte: "Nein nein, bleibe nur fein in der Stube. Ich weiß schon wie es geht, sowie du hinausläufst muß Christlieb hinterdrein und dann husch husch durch Busch und Dorn, hinauf auf die Bäume! Und dann kommt ihr zurück erhitzt und beschmutzt und der Onkel sagt: Was sind das für häßliche Bauernkinder, so dürfen keine Brakels aussehen, weder große noch kleine." Felix klappte voll Ungeduld das Bilderbuch zu, und sprach, indem ihm die Tränen in die Augen traten, kleinlaut: "Wenn der gnädige Herr Onkel von häßlichen Bauernkinder redet, so hat er wohl nicht Vollrads Peter oder Hentschels Annlies oder alle unsere Kinder hier im Dorfe gesehen, denn ich wüßte doch nicht, wie es hübschere Kinder geben sollte als diese." – "Jawohl", rief Christlieb, wie plötzlich aus einem Traume erwacht, "und ist nicht auch des Schulzen Grete ein hübsches Kind, wiewohl sie lange nicht solche schöne rote Bandschleifen hat als ich?" "Sprecht nicht solch dummes Zeug", rief die Mutter halb erzürnt, "ihr versteht das nicht wie es der gnädige Onkel meint." – Alle weitere Vorstellungen, wie es gerade heut so herrlich im Wäldchen sei, halfen nichts, Felix und Christlieb mußten in der Stube bleiben, und das war um so peinlicher, als der Gastkuchen, der auf dem Tische stand, die süßesten Gerüche verbreitete und doch nicht früher angeschnitten werden durfte bis der Onkel angekommen. "Ach wenn er doch nur käme, wenn er doch nur endlich käme!" so riefen beide Kinder und weinten beinahe vor Ungeduld. Endlich ließ sich ein starkes Pferdegetrappel vernehmen, und eine Kutsche fuhr vor, die so blank und mit goldenen Zieraten reich geschmückt war, daß die Kinder in das größte Erstaunen gerieten, denn sie hatten dergleichen noch gar nicht gesehen. Ein großer hagerer Mann glitt an den Armen des Jägers, der den Kutschenschlag geöffnet, heraus in die Arme des Herrn von Brakel, an dessen Wange er zweimal sanft die seinige legte und leise lispelte: " Bon jour