Das Frühchen - Manfred Sander - E-Book

Das Frühchen E-Book

Manfred Sander

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Beschreibung

Ein 7-Monatskind schildert seine Eindrücke beginnend mit der Geburt bis ins Erwachsenenalter. Als 10-jähriger erscheint ihm ein Außerirdischer und übergibt ihm einen Block mit sieben Blättern und einen goldenen Stift. Hiermit erlangt er die Fähigkeit, seine Zeichnung durch einen Zauberspruch in Wirklichkeit erscheinen zu lassen. Mit dieser Fähigkeit hilft er Menschen, die unverschuldet in Not geraten sind. So rettet er z.B. einen Waldarbeiter, der im Eis eingebrochen ist oder läßt eine neue Hängebrücke entstehen, um Kindern den Schulweg zu erleichtern. Er setzt seine magischen Kräfte auch dafür ein, einen Bankräuber dingfest zu machen. Es ist ein Buch, daß vorwiegend Kindern, aber auch Erwachsenen Freude bereiten soll.

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Seitenzahl: 96

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Das Frühchen

Titel Seite

Das Frühchen

von

Manfred Sander

Kapitel 1   Frühchens Geburt

Ich zählte den Count Down 3…2…1…jetzt. Es war so weit. Ich ließ die Bremse los und rutschte ein Stückchen weiter. Ich hatte die Nase voll von der fehlenden Bewegungsfreiheit und der ständigen Dunkelheit. Sieben Monate habe ich nun schon hier in dieser Enge verbracht und durch mein Wachstum wurde es immer noch enger. Ich wollte raus an die frische Luft und die große, weite Welt sehen. Ich hatte mich vorher so gut wie möglich davon orientiert, daß alle Körperteile an mir dran waren und mein Erscheinen in der Welt keine Panik auslösen würde. So habe ich nun den Hebel in Bewegung gesetzt. Ich hörte meine zukünftige Mutter schreien: „Oh Gott, Oh Gott, ich bin doch erst im siebten Monat meiner Schwangerschaft. Aber ich habe das Gefühl, es geht jetzt schon los. Komm Mann, beeile Dich, damit wir rechtzeitig ins Krankenhaus kommen.“ „Ja, Frau,“ sagte eine tiefe, rauhe Stimme, „wir können sofort losfahren.“ Ich habe mich schon immer darüber geärgert, daß sich meine zukünftigen Eltern mit „Mann“ und „Frau“ anredeten, als wenn sie keine richtigen Vornamen hätten, aber das würde ich ihnen schon abgewöhnen, wenn ich erst einmal meinen Platz in der Familie hätte. Wie es allen noch im Mutterleib befindlichen Kindern ergeht, hatte auch ich meine Eltern noch nie zu Gesicht bekommen, doch meine bereits zur Genüge existierende Vorstellungskraft hat ihnen bereits ein Aussehen zugeordnet. Meine zukünftige Mutter stellte ich mir als eine zierliche, schwarzhaarige und mittelgroße Frau mit einem hübschen Gesicht vor. Sie mußte jedoch eine Zahnlücke haben, denn wenn ihre sympathisch klingende Stimme erklang, war gleichzeitig immer ein leichtes lispelndes Geräusch zu hören. Meinen zukünftigen Vater konnte ich mir eigentlich nicht so richtig vorstellen. Manchmal schwebte mir das Bild eines wohlbeleibten, grobschlächtigen und ungehobelten Mannes vor, doch manchmal sah ich meinen Vater auch als sportlichen und gut aussehenden jungen Burschen, der bei aller Welt beliebt war. Jetzt war es ja endlich soweit, daß ich die Wahrheit bald durch eigene Anschauung wissen würde. Doch zuvor mußte ich noch leiden. Ich registrierte, wie meine Mutter eilig die Treppe hinunterlief, ohne auf mich die geringste Rücksicht zu nehmen. Ich hatte versucht, nachdem ich ein Stückchen nach unten gerutscht war, nochmals in eine einigermaßen bequeme und stabile Lage zu kommen, doch verursacht durch ihre ruckhaften und ungleichmäßigen Bewegungen war mir das nicht möglich. Ich wurde hin und her geschüttelt, daß mir Hören und Sehen verging. Die Autofahrt zum Krankenhaus war für mich ein Grausen. Mir war es, als würde mein zukünftiger Vater zu keiner Zeit die vorgeschriebene Geschwindigkeit einhalten, und in den Kurven hatte ich das Gefühl, als würden wir auf zwei Rädern fahren. Mir wurde ganz schlecht, und ich überlegte, ob ich jetzt schon den restlichen Weg bis zur Ankunft auf der Welt durchrutschen sollte. Doch letztlich schien es mir keine gute Lösung, in einem Auto auf die Welt zu kommen. Durch die rasante Fahrt wurde mir schwarz vor den Augen und ich kam erst wieder so recht zu Bewußtsein, als meine Mutter auf dem Krankenbett lag und mein Erscheinen jeden Augenblick erwartet wurde. Ich konnte schon ein wenig die Helligkeit des Tageslichts erkennen, als zwei alles andere als zarte Hände von beiden Seiten meinen Kopf ergriffen und kräftig zogen. Wem auch immer diese Hände gehörten, sie waren klobig und rauh wie ein Reibeisen, so daß ich Angst um mein zartes Gesicht und meine kleinen Öhrchen hatte. Doch der Mensch, dem die Hände gehörten hatte Erfolg. Mit einem schnalzenden Geräusch war ich auf einmal frei, und meinem 7-monatigen Aufenthaltsort entschlüpft. Ich fühlte, wie der grobe Mensch mich mit einer Hand an die Beine nahm und mich kopfüber hielt. Die freie Hand nutzte er dann, um mir kräftig auf den Hintern zu schlagen. Mir blieb fast vor Ärger die Luft weg. Doch dann fing ich an, aus Leibeskräften zu schreien. Wahrscheinlich hat meine Stimme diesen Wüstling so beeindruckt, daß er mich wieder in die normale Position brachte und meiner Mutter in die Arme legte. Nun hatte ich die beste Gelegenheit, das erste mal meiner Mutter in das Gesicht zu schauen. Das tat ich aber nicht, denn erst wollte ich den ungehobelten Klotz sehen, der mich so derb auf diese Welt holte. Es war ein Mann, der weiße Turnschuhe, eine weiße Hose und eine weiße Weste trug. Was für ein Mensch mag das wohl sein, dachte ich. Ich wußte, daß es bei den Menschen unterschiedliche Berufsgruppen gab. So gab es Soldaten, Polizisten, Pfarrer, Geschäftsleute, Politiker und Ärzte. Mir war auch bekannt, daß die ersten drei Gruppen Uniformen oder Trachten trugen, daher konnte der ungehobelte Klotz nicht zu diesen Berufsgruppen gehören. Aber auch ein Geschäftsmann konnte er nicht sein, denn Vater sagte immer, daß Geschäftsleute schmierige Hände hätten. Der Geburtshelfer hatte aber keine schmierigen sondern nur grobe und schwielige Hände. Desgleichen konnte er auch kein Politiker sein, denn nach Vater gibt es keinen Politiker mit einer weißen Weste. So mußte dieser Mann also der Zunft der Ärzte angehören. Ärzte hatte ich mir aber immer mit feingliedrigen, weichen Händen vorgestellt. Ich war daher einigermaßen über diesen Mann enttäuscht, jedoch tröstete ich mich über diese Enttäuschung hinweg, indem ich mir sagte, daß es in jedem Beruf unrühmliche Ausnahmen gibt. Nun wendete ich den Blick meiner Mutter zu, die mich in ihren Armen hielt. Ich hatte mich in meiner Vorstellung nicht getäuscht. Sie war schlank, hatte schwarze Haare, ein hübsches Gesicht, und selbst eine kleine Zahnlücke konnte ich erkennen, als sie mich liebevoll anlächelte. Bei meinem Vater hatte ich mich allerdings getäuscht. Er war gleichfalls schwarzhaarig, von mittlerer Statur und hatte einen schmalen Oberlippenbart. Berufsmäßig gehörte er den vorhin genannten Gruppen nicht an. Er war Musiker, genauso wie meine Mutter. Das hatte ich erst kürzlich in Erfahrung gebracht, als meine Mutter zu ihm sagte: „Mein lieber Mann, Du spielst zwar in Deinem Orchester die erste Geige, aber hier bei uns zu Hause spiele ich sie.“ Sie mußte sie wohl immer dann gespielt haben, wenn ich am schlafen war, denn spielen gehört habe ich sie noch nie. Während ich mir so meine Gedanken machte, hörte ich den ungehobelten Klotz zu meiner Mutter sagen: „Da es sich um ein Siebenmonatskind handelt, muß ich Sie leider noch drei Tage hier lassen. Das Kind macht zwar einen kräftigen Eindruck, aber in den ersten Tagen könnten sich immer noch Komplikationen einstellen. Ich hätte diesen Menschen mit seinen grauenhaften Händen in der Luft zerreißen können. Ich war begierig darauf, mein Zuhause endlich zu sehen, und nun mußte ich noch drei Tage warten. Im übrigen war ich schneller als alle anderen. Warum sollte mir eigentlich meine Schnelligkeit zum Nachteil gereichen? Der Arzt war inzwischen gegangen, und auch mein Vater hatte sich mit einem Kuss von meiner Mutter verabschiedet. Auch ich bekam den ersten Kuss von meinem Vater, bevor er das Zimmer verließ. Nun waren meine Mutter und ich allein. Ich hatte einen riesigen Kohldampf und als ob sie es geahnt hätte, hob sie mich ein wenig in die Höhe, so daß ich die Milchbar erreichen konnte. Es war ein richtiges Vergnügen, so frei und unbeschwert seine Mahlzeit einzunehmen. In den vergangenen sieben Monaten wurde ich über eine Pipeline ernährt und konnte weder Geschmack noch eigene Aktivität genießen. So nutzte ich die gegenwärtige Situation auch redlich aus und trank bis nichts mehr reinpaßte und die Milch seitlich aus den Mundwinkeln wieder rauslief. Satt und einigermaßen zufrieden mit den bisherigen Ereignissen seit meiner Ankunft schlief ich dann ein und verbrachte meine erste Nacht in Freiheit.

Kapitel 2   Frühchens 1. Geburtstag