Das Gegenteil von cool - Ria Voros - E-Book

Das Gegenteil von cool E-Book

Ria Voros

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Beschreibung

Irgendwas ist schief gelaufen im Leben von Gretchen Meyers – seit das 11. Schuljahr begonnen hat, entwickeln sich die Dinge in eine völlig falsche Richtung. Ihre beste Freundin ist plötzlich zu beschäftigt für gemeinsames Rumhängen und Gretchens Chemie-Noten bewegen sich so nahe am Abgrund, dass nur mehr Notfall-Nachhilfe sie retten kann. Doch dann treten James + Dean in ihr Leben. James ist Gretchens Mitschüler und Chemie-Nerd, der Gretchens unterirdischen Notendurchschnitt heben will, und Dean ist sein älterer Cousin. Völlig unerwartet entdeckt Gretchen, dass das Leben nicht nur aus High School und dem vermeintlichen Streben nach Coolness besteht, sondern dass man auch mit Nerds jede Menge Spaß haben kann! Außerdem hat sie selbst eine heimliche Leidenschaft: Gretchen kritzelt in ihrer Freizeit am liebsten Gedichte in ihr Notizheft – macht sie das zum Poesie-Nerd? Doch nachdem ein tragischer Unfall sie völlig aus der Bahn wirft, muss Gretchen sich darüber klar werden, wer sie wirklich ist und was es bedeutet, loyal zu sein.

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Ähnliche


RIA VOROS

Übersetzung aus dem kanadischen Englisch von Katrin Behringer

Vollständige eBook-Ausgabe der Hardcoverausgabe

bloomoon, München 2015

Copyright © 2013 by Ria Voros

Titel der Originalausgabe: The Opposite of Geek

Die Originalausgabe ist 2013 im Verlag Scholastic Canada Ltd., Toronto,

Kanada, erschienen.

© 2015 bloomoon, ein Imprint der arsEdition GmbH, Friedrichstraße 9, D-80801 München

Alle Rechte vorbehalten

Text: Ria Voros

Übersetzung: Katrin Behringer

Covergestaltung: Grafisches Atelier arsEdition, Romy Pohl, unter Verwendung von Bildmaterial von thinkstock

Haiku »Zwei Herbste«, S.228: Übersetzung aus Haiku. Japanische Dreizeiler,

Übersetzung von Jan Ulenbrook

Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Reclam-Verlags

© 1995 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, Stuttgart

Umsetzung eBook: Zeilenwert GmbH

ISBN eBook 978-3-8458-1297-7

ISBN Printausgabe 978-3-8458-0774-4

www.bloomoon-verlag.de

Alle Rechte vorbehalten. Unbefugte Nutzungen, wie etwa Vervielfältigung, Verbreitung, Speicherung oder Übertragung können zivil- oder strafrechtlich verfolgt werden.

Für DH, immer.

DFTBA.*

(*Don’t forget to be awesome.)

Inhalt

Cover

Titel

Impressum

1. Januar ist zum Kotzen

2. Hilfe, ich bin ein Foodie!

3. Definiere: Nerd

4. Ertrinken

5. Leckereien und Neckereien

6. Poetry was?

7. Verliebt

8. Wir sind echt ver… abredet

9. Bowling-Debakel

10. Es sieht nicht gut aus

11. Nicht mehr da

12. Abschied

13. Gefangen

14. Wen wir verloren haben

15. Es spricht sich herum

16. Getrennt zusammen

17. Das kriegen wir gebacken

18. Mein Weg – auf meine Art

Ashlyns Kirsch-Brownies

Danksagung

Weitere Titel

Leseprobe zu "Wir zwei für immer"

Neujahrsmorgen –

alles blüht!

Ich fühle mich so lala.

– Issa

1 Januar ist zum Kotzen

In meinen ganzen sechzehn Jahren

war noch keiner so schlimm – nicht mal der,

als ich Keuchhusten hatte.

Denn

anscheinend reichte es noch nicht, dass ich von einem Schulbusfahrer mit Formel-1-Ambitionen nass gespritzt wurde und dann mit nasser Unterhose Sozialkunde überstehen musste – zu allem Überfluss brauche ich jetzt auch noch Nachhilfe in Chemie. Einen Chemie-Eintrichterer. Einen Ich-muss-meine-Scheißnote-verbessern-weil-ich-sonst-durchfalle-Retter. Was gleichbedeutend ist mit emotionaler, zwischenmenschlicher und geistiger Verdammnis. Warum können Menschen nicht einfach Winterschlaf halten wie Bären?

Super-GAU

Der Morgen begann damit, dass Mr. Marchand mir erklärte, was ich bereits wusste: Ich war durch die letzte Chemie-Klausur gerasselt, meine Note bewegte sich am Rand eines sehr steilen Abgrunds, die Zensur musste deutlich besser werden (eine klare Untertreibung, wenn man bedenkt, dass der familieninterne Maßstab »sehr gut« ist), und falls sich nichts ändern würde, wäre ein Gespräch mit meinen Eltern über das nächste Zeugnis fällig. Es fällt das Wort »Nachhilfe«. Verdammt. Verdammt. Verdammt.

Aber vielleicht …

Meine beste Freundin Nemiah Hershey sieht mich im Gang stehen und findet angemessen tröstliche Worte. Sie kriegt in jedem Fach Einsen, was ich ihr aber inzwischen nicht mehr insgeheim übel nehme. Es liegt nämlich nicht an ihrer tollen Arbeitsmoral oder so. Die Noten sind reiner Zufall. Sie kann nichts dafür.

»Warum kannst du mir nicht Nachhilfe geben?«, jammere ich.

Aus mir spricht die reine Verzweiflung: Wir wissen beide, dass Nemiah allergisch darauf reagiert, Lehrerin zu spielen. Betrübt blickt sie auf ihre wunderschönen neuen Wildlederstiefel. »Das würden die doch nie erlauben, das weißt du genau.«

Sie hat recht. Die da oben sind allwissend. Ich sitze in der Patsche.

Die Zahnfee

Anderthalb Stunden später rüttle ich an meinem Spind und denke, schlimmer kann es gar nicht werden. Ich drehe gerade am Schloss, als ich die glockenhelle Stimme einer Person höre, die ich normalerweise gut leiden kann.

»Gretchen, hast du einen Moment Zeit?«

Die Zahnfee. So nennen Nemiah und ich unsere Beratungslehrerin Ms. Long, die größere Zähne als ein Pferd hat – Zähne, die definitiv zu groß sind für eine so kleine Person und darum fast ihr ganzes Gesicht ausfüllen. Sie ist noch gar nicht so alt, vielleicht Mitte dreißig, aber kleinwüchsiger als die meisten Achtklässler. Ihre Handgelenke sind schmaler als das Seil, an dem wir in Sport hochklettern müssen. Deswegen mache ich mir andauernd Sorgen, dass sie im Gang hinfällt und sich die Hüfte bricht. Nemiah meint, ich solle mir nicht immer so viele Sorgen um andere Leute machen, vor allem nicht um Lehrer. Während ich meine Bücher heraushole und mein Schließfach wieder zumache, nimmt die Zahnfee neben mir eine thronende Haltung ein. (Ein absolutes Mysterium: Sie kann im Stehen thronen.) Sie fragt mich, wie mein Tag bisher gelaufen ist, in welchen Fächern ich am besten bin, et cetera. Das Wort liebt sie. Sie spricht es ek-ZE-tera aus.

»Wie gut du in Englisch bist, brauche ich dir ja wohl nicht zu erzählen«, meint sie.

»Schreiben, Lesen, ekzetera, darin war ich auch immer richtig gut.«

Sie grinst mit ihren riesigen Zähnen. Ich weiß, dass sie mich versteht – wir teilen nämlich eine Leidenschaft für Gedichte. Und sie ist meine Quelle für Haikus. Doch aktuell hat sie etwas anderes auf ihrem Klemmbrett stehen, und ich warte nur darauf, dass sie es mir um die Ohren haut.

»Wo wir gerade von angenehmen Dingen sprechen, wie läuft es denn in Chemie?«, fragt sie.

»Mein Lieblingsfach.« Ich verdrehe die Augen. »Ich spring gleich aus dem Fenster.«

Der Gang ist schon fast leer – es wird jede Sekunde läuten. Nicht früh genug für mich.

»Schön, dass du so offen darüber sprichst«, sagt sie, »weniger schön ist allerdings deine Note. Mr. Marchand hat dich gewarnt, dass es nicht gut aussieht, stimmt’s? Am besten, wir sprechen mit deinen Eltern und überlegen, wer dir helfen kann.«

»Bäh. Ich will aber keine Hilfe. Kann ich mich nicht einfach irgendwie durchwursteln und auf ein Wunder hoffen?«

Sie wirft mir einen Ms.-Long-mäßigen (also langen) Blick zu. (Blöder Witz, ich weiß.) »Wir wollen doch nicht, dass die Situation aus dem Ruder läuft, Gretchen. Hast du schon überlegt, wie du deine Note verbessern könntest?«

Mir dreht sich ganz leicht der Magen um. »Äh, ich bin auf jeden Fall dran. Ich hab schon einen Nachhilfelehrer in Aussicht.«

»Ach wirklich? Wen denn?«, will sie wissen.

Mein Mund steht offen und wartet darauf, dass ein Name herausschlüpft.

In dem Moment klingelt – endlich – die erlösende Schulglocke. Blitzschnell stürze ich zur Tür des Klassenzimmers, doch bevor ich reingehe, gebe ich der Zahnfee noch mithilfe eines peinlichen Daumen-hoch-Zeichens zu verstehen, dass sie sich keine Sorgen zu machen braucht.

Tja, das heißt dann wohl, dass ich irgendwoher einen Nachhilfelehrer auftreiben muss.

Unsere Mission an der Carver Green Highschool

Fühl dich auf keinen Fall wie zu Hause,

fühl dich wie ein an Verfolgungswahn leidender Loser.

(Übrigens hast du da was hinten kleben –

das sagt dir zwar keiner, aber alle zeigen ständig drauf.)

Was das Lernen angeht, musst du dich in der Highschool

nicht besonders anstrengen,

außer du hast Naturwissenschaften als Hauptfach

oder willst später in Harvard oder Oxford studieren.

Was das Zwischenmenschliche, Persönliche,

Innerliche, Gemeinschaftliche

und alle anderen »-liche« angeht,

ist die Highschool allerdings ziemlich anstrengend.

Wirklich.

Das Gegenteil von Chemie

Das geschriebene Wort. Edles, unvergleichliches Englisch: William Shakespeare, William Wordsworth, Ezra Pound, Seamus Heaney, Philip Larkin …

Darf ich mich vorstellen? Ich bin Gretchen Louisa Meyers und ich schreibe gern. Wörter sind wie Zucker für mich, Schreiben ist mein Wortschmaus. Als ich noch klein war, habe ich meiner Schwester immer Geschichten erzählt, damit sie während unserer endlos langen, unglaublich öden Familienspaziergänge nicht herumquengelte. Dann fing ich an, die Geschichten aufzuschreiben, in geheime Notizbücher, die ich unter der Matratze versteckte. Und heute? Heute schreibe ich Gedichte, und zwar auf alles – Bonbonpapiere, Kassenzettel, versteckte Ecken in meinem Zimmer –, wann immer sie mir einfallen. Sprich, die ganze Zeit. Daher: dieses Buch.

In den nächsten Monaten – oder wer weiß, vielleicht auch länger – werde ich mein Leben dokumentieren. Es in dichterische Form und auf diese Weise vielleicht auch etwas in Form bringen. Ihm, wie es so schön heißt, Poesie einhauchen.

Meine Jungs

Ich bin besessen von Haikus. Ja, genau, diese drei kleinen Gedichtzeilen, der perfekte Snack für zwischendurch. Leicht zu übersehen, aber süchtig machend, wenn man sich erst mal drauf eingelassen hat.

Im Buchregal der Zahnfee bin ich auf ein Buch gestoßen und seitdem hole ich mir dort meine tägliche Dosis. Meine Haiku-Gurus sind Bashō, Buson und Issa. Sie sind die Besten, die Meister: schon lange tot und absolut schräg, aber sie haben es voll drauf. Ein Beispiel gefällig?

Jene Schnecke –

ein langes Horn, ein kurzes,

was mag ihr durch den Kopf gehen?

– Buson

Die Cliquen

Wieso heißt es immer, in der Highschool würde es darum gehen, Freundschaften zu schließen und sich selbst kennenzulernen, wenn man doch eigentlich die ganze Zeit damit beschäftigt ist, nicht uncool zu sein und in eine der angesagten Cliquen aufgenommen zu werden?

Die Top Vier:

Die Stulpen

Die Diven

Sportler-und-Gefolge

Die Körnerfresser

Für uns ist keine dieser Cliquen akzeptabel (sprich, keine von ihnen akzeptiert uns), deswegen haben Nemiah und ich beschlossen, unsere eigene Clique zu bilden: die LOLs.

Kurzinfos zu den Top Vier:

»Die Diven« mögen zwar klingen, als wären sie eine Splittergruppe der obigen Clique, aber der Name täuscht – schauspielern können sie nämlich nicht. Dafür sind sie Expertinnen, was das Haareblondieren, das Entblößen nackter Schultern und Dekolletés sowie hautenge, sauteure Skinny Jeans angeht. Ihr Lieblingszeitvertreib: sich darüber auslassen, wie lange sie warten mussten, bis sie bei ihrem letzten Vorsprechen für einen Werbespot endlich an der Reihe waren, und stolz verkünden, mit welchem Star sie in irgendeinem schicken Feinkostladen beinahe Blickkontakt hatten.

»Die Körnerfresser« schließlich sind harmlos, fleischlos und häufig planlos. Trotzdem ecken sie bei manchen Leuten an, weil sie ständig die Wände mit aggressiven Postern über Tierschutz und die Abholzung von Wäldern vollpflastern. Und bei den Exemplaren mit Dreadlocks stellen sich bei den Diven vor Grauen die Nackenhaare auf.

Die LOLs

Nemiah und ich haben einen Pakt geschlossen. Unser oberstes Ziel: zu verhindern, dass unsere Clique sich aufspaltet oder auseinanderbricht.

Zahl der Mitglieder: 2

Status: am Leben, aber kaum beachtet

Coolness-Faktor: praktisch nicht vorhanden Auf einen Blick: Wir sind nicht sonderlich kreativ und auch nicht sportlich und wir sind ein bisschen seltsam, aber was uns vor allem auszeichnet, ist, dass uns keiner kennt. Wenn jemand aus einer der oben beschriebenen Cliquen eine von uns auf dem Gang sieht, denkt er vermutlich: Wo kommt die denn her? Ist das eine Austauschschülerin? Aber abgesehen davon sind wir unsichtbar, was es uns ermöglicht hat, unseren eigenen schrägen Humor zu entwickeln. Wir lachen die ganze Zeit.

Über Dinge, die niemand

lustig findet

außer uns.

Die Poesie des SMS-Schreibens

Nemiah hat keinerlei schriftstellerische Ambitionen – sie findet noch nicht mal den Englischunterricht besonders toll (obwohl sie natürlich trotzdem immer eine Eins bekommt) –, aber raffiniert, wie ich bin, habe ich sie immerhin dazu gebracht, ein paar kreative Elemente einzubauen, wenn wir uns SMS schreiben. Was wir ziemlich oft tun. Der beste Moment der ganzen Mathestunde (abgesehen vom erlösenden Pausengong) ist immer dann gekommen, wenn sie mir eine kryptische Beschreibung der katastrophalen Kleiderwahl unseres Lehrers schickt.

Nem: Brauner Anzug von 1967? Schrank voller Mottenkugeln? MFG?!

Nem: Meinste, Frau Gretchen?

Gretchen: Modischer Fehlgriff?

Nem: RICHTIG!

Das tut sie nicht nur, um sich mit mir auszutauschen. Das ist wahre Liebe zwischen Freundinnen.

Nem: Mr. Stubbin hat wohl seinen Wecker nicht gehört, weil er in Mathe schon wieder von Ms. Walker geträumt hat. Geduscht hat er auch nicht, deswegen sehen seine Haare so fettig aus.

Nem: Ihre Meinung, Ms. Walker?

Gretchen: Ms. W: Oh Schreck, jetzt will sich der eklige Kauz schon wieder mit mir verabreden. Hilfe! Wieso rettet mich denn keiner?

Nem: Arme Ms. W. Wir sollten sie retten.

Soll das heißen, wir schließen andere Leute aus und machen unser eigenes Ding?

Vermutlich. Wir machen nichts mit anderen Leuten.

Manchmal gehen wir zusammen mit Nina Chambers und Leanne Soper mittagessen, oder wir sitzen mit jemandem vor seinem Spind und warten darauf, dass der Unterricht losgeht. Aber die einzige Person, mit der ich mich am Telefon so richtig unterhalte, ist Nemiah. Sie ist meine beste Freundin, meine BFF. Wir sind Seelenverwandte, wir verstehen uns auch ohne Worte.

Als ihre Mum letztes Jahr Antidepressiva verschrieben bekam, habe ich jede Woche eine Ladung Cookies für sie gebacken. Was sie zum Weinen brachte. Also Nemiah. Sie meinte, so was Nettes hätte noch nie jemand für sie getan.

Das habe ich ihr allerdings nicht abgenommen – sie bekommt nämlich andauernd Geschenke von ihrem Onkel und ihrer Tante zugeschickt; die sind reich und gondeln in der Weltgeschichte herum. Aber die Cookies, die ich für sie gebacken habe, hat sie nie vergessen. Zum Geburtstag hat sie mir ein dickes Buch mit Cookies-Rezepten geschenkt, mit ganz vielen Fotos, die so lecker aussehen, dass man am liebsten die Seite abschlecken möchte.

Porträt von IHM

Er ist

blonde Haare, grüne Augen – kein unechtes Grün, sondern Moosgrün – und Grübchen in der Wange, die förmlich danach schreien, dass ich meinen Finger hineinbohre.

Er ist

der Star der Fußballmannschaft und im Gegensatz zu mir gut in Physik – aber das erben unsere Kinder ja dann von ihm.

Er ist

Luke Bremmerman, in der Grundschule noch schüchtern, aber jetzt nicht mehr.

Wie es sich wohl anfühlen würde, wenn er seine sexy Arme um meine Taille legen würde?

Verzweifelte Zeiten

Ich habe immer noch niemanden gefunden, der mir Nachhilfe in Chemie geben könnte. Okay, ich führe jetzt nicht gerade Vorstellungsgespräche, aber immerhin bin ich im Kopf schon alle Leute an unserer Schule durchgegangen, mit denen ich je geredet habe. Leider scheint keiner davon besonders geeignet zu sein.

Mühsam schleppe ich mich zum Trinkbrunnen und hoffe, dass der Tag möglichst schnell vorbeigeht, damit ich ins Bett fallen und den ganzen Stress vergessen kann. Da sehe ich, wie ein Typ in einem hellblauen T-Shirt auf mich zukommt. Darauf steht in weißen Buchstaben, ungelogen: Ich Herz Chemie. Auf einmal bewegt sich alles in Zeitlupe und ein Sonnenstrahl fällt auf die Wörter auf seinem T-Shirt (oder zumindest wäre das so, wenn jemand einen Film über mein Leben drehen würde). Ich winke, als würde ich am Flughafen stehen und einen Verwandten abholen. Daraufhin bleibt der Typ stehen und schiebt sich die dickrandige Brille auf der Nase nach oben. Im Ernst.

»Äh, du bist bestimmt nicht nur gut in Chemie, sondern findest Chemie auch ganz toll, stimmt’s?«, frage ich mit so viel Begeisterung in der Stimme, wie ich aufbringen kann.

»Ja, das gibt’s meist im Doppelpack«, erwidert er. »Du etwa auch?«

»Ich? Spinnst du? Ich hasse Chemie.« Er hebt die Augenbrauen, also rede ich schnell weiter. »Aber ich bräuchte dringend Nachhilfe und dein T-Shirt wirkt sehr überzeugend. Ich bin in der Elften. Würdest du mir Nachhilfe geben? Ich würde natürlich auch dafür bezahlen, keine Sorge.«

Er blickt nach unten auf sein T-Shirt. »Schräg, ich hätte nie gedacht, dass das mal eine Werbebotschaft sein würde.«

»Ich weiß, wir kennen uns überhaupt nicht, aber du würdest mir echt weiterhelfen. Es muss auch nicht lange sein. Ich muss einfach bloß meine Note verbessern. Bitte!« Ich falte tatsächlich die Hände unter dem Kinn und sehe ihn flehentlich an. Tiefer kann man wohl kaum sinken.

Wieder rückt er seine Brille zurecht.

»Gretchen – ist das … dein Nachhilfelehrer?« Logisch, dass genau in dem Moment plötzlich die Zahnfee neben mir steht. Logisch, dass sie zu uns hinauflächelt.

»Äh, ja?«, entgegne ich, werfe dem Typen einen vielsagenden Blick zu und hoffe, dass er scharfsinnig genug ist, um die Verzweiflung in meinen Augen zu erkennen. »Er –«

»– kann es kaum erwarten, den Stoff der 11. Klasse zu wiederholen«, sagt er. »Der Unterricht hat mir damals echt Spaß gemacht.«

»Toll! James wird ein ausgezeichneter Nachhilfelehrer sein«, freut sich die Zahnfee. »Er hat erst letzten Monat einen Chemiewettbewerb gewonnen. Dann wirst du mir ja sicher schon bald berichten können, dass sich deine Note verbessert hat, Gretchen.«

Als sie weg ist, wende ich mich wieder dem Typen – James – zu. »Danke, dass du mich gerettet hast, auch wenn ich nicht ganz verstehe, warum.«

Er zuckt mit den Schultern. »Wahrscheinlich will ich einfach meine Leidenschaft für Chemie teilen. Alle sollen erfahren, dass Chemie etwas Tolles ist. Ich bin ein Chemie-Botschafter, wenn man so will.«

Ich lächle, nicke und denke, na dann mal viel Glück mit der Botschaft, ich glaube nämlich nicht, dass ich sie hören will.

Weihnachten in Kurzfassung

Ich wünschte, ich könnte die Erinnerungen an die letzten Feiertage komplett aus dem Gedächtnis löschen, was leider unmöglich ist, weshalb ich heute nach der Schule auf direktem Weg in die Hölle marschieren werde: Weihnachtsfotoalbum-Abend.

Meiner Mum macht es Spaß, in den Erinnerungen an festliche Momente zu schwelgen, und das tut sie, indem sie uns zwingt, Fotografien davon in ein neues Album zu kleben. Wir haben ein eigenes Bücherregal für diese Alben. Ein ewiges Archiv unseres Lebens. Andere Familien verstecken ihre ungeliebten Schnappschüsse auf der Festplatte ihres Computers. Wir nicht. Wir drucken sie alle aus.

Die Kurzfassung: An Heiligabend verschluckte sich mein Vater beim Familienessen an einer Walnuss, während wir mit langweiligen entfernten Verwandten mühsam Small Talk führten. Er musste mit einem Heimlich-Handgriff gerettet werden, was meine Schwester so sehr verstörte, dass sie wiederum früh ins Bett musste, und so kam es, dass wir bei strömendem Regen von Port Coquitlam nach Hause fahren mussten, aber dann im Stau stecken blieben, weil wegen eines Unfalls mit einem Schneepflug der Verkehr lahmgelegt war (warum war auf der Straße überhaupt ein Schneepflug unterwegs, wo es doch gar nicht geschneit hat??). Deshalb trudelten wir erst um Mitternacht – also streng genommen am ersten Weihnachtsfeiertag – müde und schlecht gelaunt zu Hause ein und fielen ohne die Zähne geputzt zu haben ins Bett. Nur so viel: Die schlechte Laune und unser Pech mit dem Verkehr wurden bis zum Jahreswechsel nicht besser. Alles, was ich mir nächstes Jahr zu Weihnachten wünsche, ist: zu Hause auszuziehen, eine eigene Wohnung, einen Job und einen Freund zu finden und keine qualvollen Feiertage mehr mit denen verbringen zu müssen.

Warum ich adoptiert bin

Bin ich natürlich nicht.

Schade eigentlich, denn das würde erklären, warum meine Familie so seltsam, so peinlich und so anders ist als andere Familien. Mein Vater ist Deutscher, was bedeutet: völlig unpassendes Zurschaustellen von Nacktheit zu jeder Tageszeit sowie häufiges Summen von Bachkantaten, wenn meine Freundinnen zu Besuch sind.

Und nicht zu vergessen: das Furzen.

Meine Mutter ist Schottin, was bedeutet: von Geburt an Benimmunterricht für mich und meine Schwester (mehr über sie weiter unten) sowie eine Furcht einflößende Kollektion dicker Wollpullover.

Meine mitteilsame, sportliche Schwester Layla, zwölf und stark auf nervig zugehend, war als Kind mit zum Zopf gebundenen Löckchen gesegnet, während ich mit einer fast jungsmäßigen Topffrisur herumrannte. Da kann man sich wohl leicht ausrechnen, wie es um unser schwesterliches Verhältnis steht.

Trotz Nacktheit und Furzerei herrschen bei uns zu Hause klare Regeln:

Wir müssen uns wie brave, anständige kleine Mädchen benehmen,

und wenn wir dabei draufgehen.

Und bitte immer Einsen schreiben.

(Sowohl die Einsen als auch die Höflichkeitsfloskel (»bitte«) sind natürlich obligatorisch.)

Was ich später (nicht) werde,

wenn es nach meiner Familie geht: Ärztin. Der Grund dafür ist, dass ich meinen Eltern im Alter von vier Jahren verkündet habe, ich wolle Ärztin werden. (Ich habe damals leidenschaftlich gern Doktor gespielt.)

Vor einiger Zeit ist mir dann aufgegangen, dass Ärztin zu sein doch ganz anders ist, als ich dachte, als ich damals allen Leuten mit meinem Plastikstethoskop hinterhergejagt bin. Ärzte helfen Menschen und dürfen andere herumkommandieren (die

zwei Aspekte, die meinem vierjährigen Ich am verlockendsten erschienen), aber davon abgesehen müssen sie mit den Körperflüssigkeiten und inneren Organen anderer Menschen hantieren, haben wahnsinnig lange Arbeitszeiten und sind Tag und Nacht umgeben von Kranken.

Aber als ich dann schließlich feststellte, dass das Leben einer Ärztin doch nichts für mich ist, hatten meine Eltern meinen Berufswunsch bereits begeistert zur Kenntnis genommen und hielten daran fest, als wäre es die frohe Botschaft. Ich würde die Familie stolz machen und einen Haufen Geld verdienen und dann müssten sie sich um mich keine Sorgen mehr machen. Außerdem würde ich einen netten Mann kennenlernen, der ebenfalls Arzt wäre und von dem sie ihren Freunden strahlend vor Stolz vorschwärmen könnten. Und weil das ihr großer Traum ist, habe ich mich noch nicht getraut, ihnen zu sagen, dass er leider nicht der Wahrheit entspricht. Aber etwas anderes als ihre Wunschvorstellung wollen sie ja leider nicht wahrnehmen. Wenn ich ihnen zum Beispiel meine Englischnote zeige oder etwas, was ich geschrieben habe, lässt ihre Begeisterung schnell nach. Übersetzung: Das ist ja ganz nett, Liebes, aber vom Schreiben wirst du nicht leben können und Karriere kannst du damit auch nicht machen, und du willst doch, dass wir stolz auf dich sind! Wie läuft es denn in Bio?

Das Einzige, worauf wir uns einigen können,

ist essen. Ich kann mich für alle möglichen Arten von Essen begeistern – was größtenteils darauf zurückzuführen ist, dass meine ganze Familie eine Schwäche für Mahlzeiten hat.

Zum Beispiel die superleckeren Crêpes, die es neulich zum Frühstück gab. Hauchdünn und zart, mit Marmelade und Beeren gefüllt – einfach göttlich. Moment mal, gab’s da nicht ein Kirchenlied?

Amazing crêpes! How sweet the sound

that saved a wretch like me …

Erstaunliche Crêpes, wie süß der Klang,

der einen armen Sünder wie mich errettete …

Muss ich noch mehr sagen?

Sobald wir fertig gefrühstückt haben, denken wir bereits darüber nach, was es zum Abendessen geben könnte. Meine Freundinnen fragen sich, warum ich nicht zweihundert Kilo wiege, und ich kann nur mutmaßen: guter Stoffwechsel? Aber wenn sie wüssten, wie die Schwester meiner Mutter – und damit meine genetische Zukunft – aussieht, wären sie vermutlich nicht mehr neidisch.

Abendliche Telefonkonferenz

Ich, weil ich mir Mitleid/​ermunternde Worte angesichts meines Chemienotenkummers erhoffe, Nemiah, um mich mit Neuigkeiten zu überfallen: Sie ist jetzt im Schwimmteam. Schon seit Jahren schwimmt sie für sich, aber nun war sie zweimal beim Mannschaftstraining und findet es angeblich ganz toll, sich ein Latexkondom auf den Kopf zu stülpen und täglich mehrere Stunden in stark chlorhaltigem Wasser zu verbringen.