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Lilly und Till finden ein Paar Schuhe, mit denen man sehr schnell laufen und unglaublich hoch springen kann. Doch es steckt noch mehr hinter ihren wunderbaren Eigenschaften. Als sie versuchen, das Geheimnis der Schuhe zu ergründen, werden sie zum Spielball dunkler Absichten. Gemeinsam gehen die beiden auf eine abenteuerliche Suche. Sie reisen zu verborgenen Stationen, lernen Menschen aus anderen Zeiten kennen und bekommen unerwartete Hilfe. Bald wird klar, dass die Geschichte der Erde unwiderruflich verändert wird. Können die beiden Freunde und ihre Gefährten diese Bedrohung abwenden und das Geheimnis der magischen Schuhe lösen?
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Seitenzahl: 361
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Burkhard Greil wurde in Dortmund als Sohn eines Bergmanns und einer Bibliotheksassistentin geboren. Schon früh musste er auf eigenen Füßen stehen. Dabei sammelte er vielfältige Erfahrungen und arbeitete u. a. als Schaufenstergestalter, Fließbandarbeiter, Betreuer in einer Werkstatt für Behinderte, Zivildienstleistender, Sozialarbeiter (nach zweitem Bildungsweg und Studium) und Dozent für Pädagogik.
Seiner Leidenschaft für die Gitarre ging er nebenberuflich 15 Jahre an der Volkshochschule Kassel als Kursleiter und später als freier Gitarrenlehrer in Siegen nach. Außerdem spielte er 10 Jahre in einigen Kasseler Bands. Burkhard Greil wirkte an Kindertheaterstücken des Kölner Clowns Pepe und Hörspielen und Musikproduktionen zusammen mit Peter Gerhold als Komponist, Texter, Sänger und Musiker mit. Die bekanntesten CDs der beiden Künstler sind das Kindermusikhörspiel des DRK „112 und die Hilfe eilt herbei“ und die „AWO Kinderwunderwelt“. Außerdem veröffentlichte er zusammen mit Sabine Buschbaum die AOK „Balance“ CD.
Kinderbücher schreibt er seit 2009 und veröffentlichte drei Bücher, die hier als überarbeitete Gesamtausgabe vorliegen.
„Fantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.“
Albert Einstein
Für Siggi, Herta, Anja, Juliane, Katharina und Laurin
Sie saß auf dem Balkon und träumte. Von Afrika. Wie so oft.
In ihrem Tagtraum sah sie Löwen, die sich an eine Herde von Zebras heranschlichen. Sie schmeckte förmlich den staubigen Wind der afrikanischen Savanne auf der Zunge und roch den Duft der wilden Blumen und Pflanzen. Giraffen fraßen Blätter von fremdartigen Bäumen, und Antilopen sprangen kraftvoll im hohen Gras herum. Es war heiß, und in der Ferne flimmerte das Licht.
Ein Elefant hob den Rüssel, um seine Anwesenheit kundzutun. Komischerweise klang sein Trompeten wie eine Autohupe.
Das Hupen hörte nicht auf und riss das Mädchen in die Wirklichkeit zurück.
Unten auf der Straße brodelte der Nachmittagsverkehr. Die Sonne lachte vom Himmel und lockte die Menschen nach draußen. Der erste schöne Tag in diesem Jahr füllte die Gehwege der kleinen Stadt.
Das Mädchen hieß Lilly und war traurig. Sie legte einen Brief, mit einer farbenfrohen Briefmarke, heftig auf den Tisch.
Alles nur, weil die blöde Kurklinik, in der die Eltern als Ärzte arbeiteten, geschlossen wurde. Und dann kam die Zusage für das Dschungelkrankenhaus in Ghana.
Sie wäre gerne mitgekommen, aber ihre Eltern wollten, dass sie weiter in Deutschland zur Schule ging. Deshalb musste sie bei Mamas Schwester Mieke bleiben. Dann kam die schlimme Nachricht!
Von einer Rundreise durch den Dschungel von Ghana kehrten Lillys Eltern nicht zurück. Sie waren von Rebellen entführt worden. Ein Suchtrupp der Regierung suchte mehrere Wochen nach ihnen.
Lilly und ihre Tante klammerten sich an die Hoffnung, dass die Aufständischen ihre Dienste als Ärzte benötigten und sie irgendwo im Dschungel auf ihre Befreiung warteten. Doch seit zwei Monaten hatte es kein Lebenszeichen der Eltern gegeben.
Lilly wischte sich über die Augen. Sie schüttelte die langen blonden Haare, bekam eine Strähne zu fassen und drehte sie um ihren Zeigefinger. Abrupt stand sie auf und stampfte in Miekes Wohnung hinein. Über die steile Holztreppe stieg sie in ihr Dachbodenzimmer hinauf und nahm das Fernglas vom Bücherregal.
Zurück auf dem Balkon beobachtete sie Leute auf dem Gehweg. Lillys Augen – das eine Grün und das andere Braun – spähten aufmerksam durch die Gläser.
Ein Radfahrer radelte rücksichtslos mit hohem Tempo auf dem Bürgersteig heran. Gleich würde er eine weißhaarige alte Dame über den Haufen fahren. Im letzten Moment sprang diese flink auf eine niedrige Steinmauer.
Ganz schön fit, wunderte sich Lilly.
Als ob die alte Dame es gehört hätte, schaute sie hinauf. Lilly duckte sich hinter die Balkonbrüstung.
Etwas später sah sie vorsichtig über den Rand des Balkons, aber die alte Dame war nicht mehr da.
Das Judotraining fiel aus, und ihr Freund Till wollte deshalb heute zum Friseur. Ob er mittlerweile zu Hausewar? Lilly räumte den Tisch ab und machte sich auf den Weg. Ihr Ziel war die nächste Straße. Dort wohnte Till mit seinen Eltern und Bruder Enno in einem alten Fachwerkhaus. Das rote Dach leuchtete in der Sonne, und in dem verwilderten Garten blühten die verschiedensten Blumen.
Sie schlich durch das Loch in der Hecke und blieb unter Tills Fenster stehen. Ein dünner Faden hing vom ersten Stock herunter. Oben führte er durch eine Öffnung im Fensterrahmen, und Lilly wusste, dass ein Glöckchen an ihm befestigt war.
Sie zog an der Schnur, aber nichts geschah. Plötzlich sprang ein schwarzweiß gefleckter Dalmatiner bellend auf sie zu.
„Pirat, was kläffst du so?“, rief Lilly und bückte sich, um den Hund zu streicheln. „Ich bin doch kein Einbrecher!“
Pirat wedelte mit dem Schwanz, und Lilly kraulte ihm den Nacken. Um das eine Auge herum war sein Fell schwarz, und es sah aus, als ob er eine Augenklappe trug.
Aus dem Loch in der Hecke blickte ein Junge mit kurzen, frisch geschnittenen Haaren in den Garten hinein.
„Hi!“, sagte Till. „Wartest du schon lange?“
Till war ein paar Monate älter als Lilly und vor kurzem vierzehn Jahre alt geworden.
„Endlich! Lass uns was unternehmen!“, sagte Lilly.
„Hab aber Hunger!“ Till konnte riesige Mengen vertilgen, und eine Stunde später knurrte ihm schon wieder der Magen. Ständig war er am Essen und das, ohne ein Gramm zuzunehmen. Manchmal nervte es Lilly, aber Till bestand darauf, einen schnellen Stoffwechsel zu haben. Nur mit genügend Proviant konnte man ihn aus dem Haus locken.
„Wir nehmen was mit.“
„Wohin?“
„Zur Burgruine. Vielleicht schaffen wir es heute, in den alten Turm hineinzuklettern.“
„Haben wir schon versucht.“
„Weißt du was Besseres?“
„Na gut! Ich sage meiner Mutter Bescheid.“
Till verschwand im Haus und kam nach kurzer Zeit mit einem Rucksack zurück. Hinter ihm kam seine Mutter aus der Haustür. Sie war eine sanfte und ruhige Frau, mit einem hübschen, schmalen Gesicht.
„Hallo Lilly! Wollt ihr zur Burgruine?“
„Die ist ja das Interessanteste hier.“
„Im Rucksack ist Kuchen. Lasst es euch schmecken. Und seid vorsichtig!“
Lilly und Till winkten ihr von der Gartentür zu und marschierten mit Pirat an der Leine los. Die beiden liefen am Flussufer mit den urwüchsigen, hochbetagten Weidenbäumen entlang. Flink wichen sie Kurgästen und Touristen auf dem Uferweg aus und erreichten bald den Stadtrand von Bad Wilderungen.
In der Ferne erblickten sie den schroffen Felsen, auf dem die Reste der alten Burg standen. Der Schreckenfelsen ragte auf drei Seiten steil empor. Nur von der Südseite führte ein Weg hinauf. Ein ungepflasterter Pfad schlängelte sich in engen Kurven aufwärts.
Für Autos war das Befahren verboten, und angesichts des steilen Anstieges, kamen selten Leute zur Burgruine. Auch heute sahen sie niemanden.
„Gibt es etwas Neues von deinen Eltern?“
„Leider nein! Die ghanaische Polizei sucht immer noch nach ihnen.“
„Ein Glück, dass du nicht mit ihnen gegangen bist!“
„Du hast leicht reden. Ich vermisse sie! Und ich wüsste dann, ob es ihnen gut geht!“
„Oder du wärst tot!“
„Ich glaube nicht, dass sie tot sind. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie noch leben. Aber ich kann es nicht erklären.“
„Hoffentlich hast du recht.“
„Meine Mutter sagte immer, dass sie eine Herzensschnur zu mir hat. Und diese Herzensschnur ist immer noch da, das fühle ich!“
„Glücklicherweise hast du deine Tante und musst nicht ins Heim.“
„Das ist gut, aber Mieke hat nicht viel Zeit für mich. Sie arbeitet immer bis spät.“
„Dafür hast du aber ein cooles Dachbodenzimmer bei deiner Tante. Sogar mit eigenem Eingang vom Treppenhaus.“
„Das kannst du geschenkt haben! Meine Eltern wären mir tausend Mal lieber!!!“
„Hast ja recht!“, versuchte Till, sie zu beschwichtigen.
Auf dem Gipfel des Felsens angekommen standen Lilly und Till vor den Überresten der Burg Schreckenfels. Im Mittelalter war sie zerstört worden. Über den Burggraben führte eine alte Holzbrücke, und die steil abfallenden Felshänge waren mit Zäunen gesichert. Ein Turm stand noch, aber sein Eingang war mit Brettern vernagelt worden. Zweimal hatten sie schon probiert, zum untersten Turmfenster zu klettern.
„Von oben hat man eine herrliche Aussicht“, meinte Lilly.
„Heute schaffe ich es“, sagte Till.
Ohne Lillys Antwort abzuwarten, kletterte er an einer Efeuranke hoch. Er war ein guter Kletterer, aber die Ranke wurde nach oben immer dünner, sodass sie auf halber Strecke abriss. Till landete unsanft auf dem Boden.
„Verdammt!“, entfuhr es ihm. Er rieb sich seine Rückseite.
Lilly lachte.
„Das tat weh!“, murrte Till und setzte sich stöhnend auf einen Stein. „Gib mal den Rucksack, ich muss was essen!“
Lilly machte einen Rundgang um den Turm und untersuchte die Bewachsung auf Klettermöglichkeiten. Plötzlich sah sie vier Jungen in der Mitte der Burgruine auf einer zerfallenen Mauer sitzen und mit ihren Handys spielen.
Sie kannte alle von der Schule. Den Schulschwänzer Benny, die Nervensäge Dominik, den ewig grinsenden Mahmud und den dicken Jonas aus ihrer Klasse. Sie schauten herüber und lachten über Tills Missgeschick.
Schnell ging Lilly zurück und machte den Freund auf die ungebetenen Beobachter aufmerksam. Benny und seine Kumpane waren bekannt dafür, Streit vom Zaun zu brechen. Jeder ging ihnen aus dem Weg.
„Mist!“ Till stopfte ein Stück Kuchen in seinen Mund und packte den Proviant wieder in seinen Rucksack.
„Wo ist Pirat?“, fragte Lilly.
„Weiß nicht.“
„Hey, ihr beiden!“ Benny und die anderen Jungen kamen näher. „Das ist unser Hauptquartier. Ihr habt hier nichts verloren! Kapiert?“
Er strich sich durch das stoppelige, braune Haar und sah grimmig in die Runde. Mit seiner stämmigen und breiten Gestalt überragte er die anderen Jungen.
„Hast du noch alle Tassen im Schrank? Seit wann gehört euch die Burgruine?“ Lilly schnappte nach Luft.
„Haut ab!“
Lilly stampfte mit dem Fuß auf.
Benny schlug sich lachend auf die Schenkel, und die anderen Jungen stimmten in das Gelächter ein. Till zupfte Lilly am Ärmel.
„Haut ab, sonst gibt’s was auf die Nase!“, feixte Benny, und seine Gefährten grölten.
„Vorsicht, Benny!“, mischte sich der dicke Jonas ein. „Die beiden können Judo.“
Benny stampfte auf Lilly zu, doch Till zog sie weg.
„Lass mich, Till! Ich komme freiwillig mit“, fauchte Lilly. „Die hier versammelte Dummheit kann ich nicht ertragen!“
Till schulterte seinen Rucksack, während Lilly erhobenen Hauptes durch die johlende Gruppe ging.
„Sei froh, dass du ein Mädchen bist!“, rief ihr Benny gönnerhaft zu. Als Till an ihm vorbei kam, griff er nach dem Rucksack. „Lass sehen, was da drin ist! Ihr müsst Zoll bezahlen, wenn ihr unser Gelände betretet.“
Ein Knurren ertönte. Pirat war zurückgekehrt. Die Jungen wichen zurück, nur Benny ließ den Rucksack nicht los.
„Kommt!“, rief er seinen Freunden zu. „Ihr werdet doch nicht vor diesem Köter Angst haben? Wenn ich ihm einen Tritt gebe, haut er ab.“
Er hob das Bein, aber Till zog empört an seinem Rucksack. Schnurstracks fiel Benny hin. Als er die Augen aufschlug, schaute er direkt in Pirats Gesicht.
„Na? Wie war das mit dem Zoll?“, rief Lilly. „Warum holst du ihn nicht? Zu beschäftigt?“
Benny schwieg und starrte auf Pirats gefletschte Zähne. Die anderen Jungen kamen näher, doch als der Hund wieder sein Knurren ertönen ließ, verzogen sie sich schnell hinter den Turm.
„Lasst mich nicht alleine mit der Bestie!“, schrie Benny ihnen nach, verstummte aber, als Pirat die Zähne fletschte.
„Tja, wir müssen jetzt los“, sagte Till mit gespieltem Bedauern. „Pirat, komm!“
Der Hund ließ von Benny ab und trottete zu seinem Herrchen. Vorsichtig stand Benny auf und ging langsam, immer wieder nach hinten schauend, zu den anderen. Als er den Turm erreicht hatte, drehte er sich um und drohte wütend mit der Faust.
Im Kurpark rasteten die beiden auf einer Bank. Sie ließen sich Trinkpäckchen und Kuchen schmecken und beobachteten die Schwäne am Ufer. Wild flügelschlagend jagten die stolzen Vögel hinter den Brotresten einer alten vornehmen Dame her.
Es kam Lilly vor, als ob sie die Frau schon mal gesehen hatte. Sie lächelte ihnen freundlich zu und spazierte dann langsam weiter.
Die warmen Sonnenstrahlen und der Kuchen sorgten dafür, dass ihre Stimmung wieder anstieg. Und auf dem Nachhauseweg lachten sie über die dummen Gesichter von Benny und seinen Freunden. Pirat hatte ihnen ihre üble Tour gründlich vermasselt.
Lilly ging alleine zur Schule, weil Till erkältet war. Vor einer weißen Villa mit wunderschönen Blumen stand eine Mülltonne auf dem Gehweg. Lilly schlenderte um sie herum. Sie warf den Kopf in den Nacken, sodass ihre langen, blonden Haare durch die Luft flogen, und packte den Schulranzen fester. Beinahe hatte sie die Tonne umrundet, da trat sie auf etwas Weiches und knickte mit dem Fuß um.
Lilly hielt sich an der Mülltonne fest und erblickte ein Paar Schuhe auf dem Gehweg. Sie schienen gebraucht, aber wenig abgenutzt zu sein. Bunt waren sie. Sehr bunt! Das Obermaterial bestand aus rotem Leder, an den Seiten in Blau abgesetzt und mit grünen Fäden vernäht. Kleine orangefarbene Lederstücke verstärkten die Ferse und Spitze, und die Schnürsenkel waren aus einem gelben Material.
Wie kamen sie dahin? Sie sah zur weißen Villa hinüber, doch da rührte sich nichts.
Ob sie aus der Mülltonne gefallen waren?
Nochmals schaute sie die merkwürdigen bunten Dinger an. Sie schienen ihre Schuhgröße zu haben. Etwas an diesen Schuhen zog Lilly an. Sie steckte sie ein und lief los.
Der Schultag verging. Zuhause konnte Lilly es kaum erwarten, die Schuhe anzuprobieren.
Sie öffnete den Turnbeutel. Da waren sie. Bunt und merkwürdig sahen sie aus. Beim Betrachten durchfuhr Lilly ein Schauer. Sie zitterte, ohne zu wissen, warum. Als ob jeden Moment etwas Besonderes passieren würde.
Lilly probierte den rechten Schuh. Er passte! Ja, es fühlte sich sogar an, als schmiegte er sich an ihre Füße an. Wie eine zweite Haut.
Der Schuh verströmte etwas, was Lilly durch und durch ging. Ein sonderbares Gefühl, wie von einer unsichtbaren Kraft, das Lilly als angenehm empfand.
Schnell zog sie den anderen Schuh an und schritt im Zimmer hin und her.
Die Schuhe saßen perfekt und machten kaum Geräusche beim Gehen. Sie fühlten sich weich und federnd an, und trotzdem stand Lilly fest auf dem Boden. Zugleich wäre sie am liebsten in die Luft gesprungen.
Die musste sie Till zeigen.
Plötzlich stand ihre Tante im Zimmer.
Mieke arbeitete im Kulturamt und jeder kannte sie. Ständig verkehrte sie mit Malern, Musikern und Sängern, die unheimlich wichtig taten. Besonders, wenn sie über sich selbst redeten.
Mit ihren langen mittelblonden Haaren wirkte sie jung und sportlich. Ihre blauen Augen blickten normalerweise unternehmungslustig und vergnügt in die Welt, doch irgendetwas gefiel ihrer Tante heute nicht.
„Was sind das für Schuhe, und wo hast du sie her?“, fragte sie stirnrunzelnd.
„Sie standen neben einer Mülltonne und sahen lustig aus. Da nahm ich sie mit.“
„Du hast genug Schuhe. Diese Dinger kommen mir nicht ins Haus!“
Ihre Tante benahm sich, als wären die Schuhe eine Gefahr. Dabei müssten sie ihr eigentlich gefallen, weil sie so künstlerisch aussahen.
„Aber Mieke …“
„Mein letztes Wort. Wer weiß, ob sie nicht irgendwie verseucht sind!“
Das war es. Ihre Tante hatte Angst vor Viren und Bakterien, die sie auf allem Fremden vermutete. Sie putzte stets penibel und gründlich. Dafür besaß sie Unmengen von Reinigungsmitteln mit den ulkigsten Namen.
Bis auf diese Macke fand Lilly ihre Tante aber prima, denn sie war warmherzig und brachte sie ruckzuck zum Lachen.
„Wirf sie bitte in die Mülltonne, und wasch dir Füße und Hände. Deine Socken kommen am besten gleich in die Wäsche.“
Wenn ihre Tante in diesem Tonfall redete, war Widerspruch zwecklos. Lilly zuckte mit den Schultern und zog die Schuhe aus. Allerdings war der Fall für sie noch nicht erledigt, denn Lilly war eigensinnig.
Sie stellte die Schuhe in ihren Kleiderschrank. Dann ging sie zum Essen in die Küche.
„Die sehen merkwürdig aus“, meinte Till, als er die Schuhe am nächsten Nachmittag sah.
„Ich finde schön!“, sagte Lilly. „Man kann geräuschlos gehen mit ihnen und überhaupt ...“
„Wollen wir zur Eisdiele? Habe Hunger.“
„Na sowas.“ Lilly verdrehte die Augen.
Auf dem Weg gab Till zu, dass die Schuhe wirklich kein Laufgeräusch machten.
Als sie an Kremps Schrotthandlung vorbeikamen, hörten sie ein Geräusch aus der Hofeinfahrt. Ein schwarzbrauner Schäferhund kam zähnefletschend auf sie zu gerannt.
„Nichts wie weg!“, rief Lilly erschrocken.
Sie rannte, so schnell sie konnte. Einen Moment später war sie an der nächsten Ecke angelangt und sah rückblickend Till schnaufend heraneilen.
„Gefahr vorbei!“, rief Lilly ihm zu, denn der Hund war wieder umgekehrt und in der Hofeinfahrt verschwunden. „Glück gehabt! Der olle Rattenfänger wollte uns glatt auffressen! Vor lauter Angst habe ich dich abgehängt. Sonst bist du immer der Schnellere.“
„Du warst ganz schön schnell“, staunte Till. „Abgezischt wie ‘ne Rakete.“
„Nimm’s nicht so schwer. Du bist von deiner Erkältung geschwächt.“
„Daran liegt es nicht. Mir geht es prima, und ich bin so schnell wie immer. Doch du bist gerannt wie noch nie!“
„Ich kam mir ja auch recht schnell vor, aber in den Schuhen kann man wirklich super laufen! Es ist, als ob sie mir Flügel verleihen würden. Vielleicht haben sie eine Spezialgummisohle.“ So etwas hatte Lilly mal in einem Film gesehen.
„Darf ich sie ausprobieren? Da vorne ist der Sportplatz. Ich drehe eine Runde.“
Lilly nickte. „Gut, dass wir dieselbe Schuhgröße haben.“
Ein Sportler rannte auf seiner Bahn an ihnen vorbei.
„Die Schuhe sitzen klasse!“, sagte Till. „Obwohl sie sehr merkwürdig aussehen!“
„Spürst du was?“
„Ein sonderbares Gefühl. Als ob ich fester auf dem Boden stehe.“ Ehe Lilly etwas sagen konnte, lief Till los. Rasch rannte er um den Platz und ließ eine Staubwolke hinter sich. Bald überholte er den Läufer, kam an Lilly vorbei und sauste in die nächste Runde.
Der Leichtathlet versuchte, Till einzuholen. Doch es gelang ihm nicht. Hilflos musste er zusehen, wie Till ihn wieder überholte. Endlich hatte Till genug und kehrte mitten in einer Runde um. Er wirkte kein bisschen erschöpft und grinste über das ganze Gesicht.
„Hast du das gesehen? Bei den nächsten Olympischen Spielen können sie einpacken, wenn ich mit diesen Schuhen antrete.“
Lilly schaute ihn überrascht an.
Am Eiscafé tauschten sie die Schuhe, und jeder holte sich sein Lieblingseis. Gegenüber war eine alte Eiche mit einer grünen Holzbank. Dorthin setzten sie sich und schleckten ihre Eiskugeln.
„Hast du schon mal von Schuhen gehört, mit denen man rennt, wie ein Spitzensportler?“, fragte Lilly.
„Nö! Das hielte ich auch nicht für bare Münze. Aber ich habe es selbst erlebt, und das kann nur von den Schuhen kommen. Die sind irgendwie besonders!“
„Vielleicht eine neue Erfindung! Die konstruieren doch ständig Dinge, die früher niemand für möglich hielt. Wir müssen mehr über sie herausfinden! Bis dahin darf keiner davon erfahren.“
„Na klar!“
„Sie sind nicht vom Himmel gefallen. Irgendjemand besaß sie vorher“, meinte Lilly.
„Aber wie kamen sie auf den Gehweg?“
„Ich dachte, dass sie aus der Mülltonne gefallen sind. Aber wer wirft so besondere Schuhe weg? Wollen wir in der weißen Villa fragen?“
„Hat das nicht Zeit?“, fragte Till. „Ist nicht gesagt, dass die Treter jemanden aus der weißen Villa gehören. Sie können genauso jemandem aus der Tasche gefallen sein. Behalte sie doch einfach.“
„Sie sind viel zu auffällig. Wenn ich sie einfach behalte, bekomme ich bestimmt irgendwann Ärger. Ich gucke mal in die Tageszeitung. Da gibt es eine Rubrik „Verloren/Gefunden“.“
„Hoffentlich finden wir den Eigentümer nicht! Endlich tut sich mal was Besonderes. Das möchte ich noch ein bisschen auskosten.“
Lilly nickte.
Anschließend liefen die beiden nach Hause. Vor Lillys Haustür wollte Till sich gerade verabschieden, da hielt Lilly ihn zurück.
„Mein Hausschlüssel!“, rief sie und suchte verzweifelt in ihrer Hosentasche.
„Schau gründlich nach.“
Aber der Schlüssel war unauffindbar. „Toll! Gerade heute, wenn Mieke später kommt.“
„Du kannst bei mir warten.“
„Und meine Hausaufgaben? Nein, wir gehen in den Garten. Vielleicht ist ein Fenster auf, und ich klettere auf der alten Obstleiter hinauf. Das hat Mieke auch mal gemacht.“
„Zu gefährlich!“, versuchte Till, sie umzustimmen.
Aber Lilly ließ sich nicht umstimmen. Sie gingen um das Haus herum in den Garten und schauten empor. Tatsächlich stand das Küchenfenster offen, und so holten sie gemeinsam die alte, lange Obstleiter, die neben dem Geräteschuppen im Gras lag. Dann stellten sie die Leiter mit einigen Anstrengungen an die Wand, und Lilly kletterte empor.
„Siehst du? Ganz leicht“, rief sie von oben herab.
Lilly packte an das Regenfallrohr und griff mit der anderen Hand zur Fensterbank. Da gab es ein krachendes Geräusch, und die morsche Sprosse, auf der sie stand, brach durch. Lilly schrie. Dann fiel sie hinunter.
Till hielt die Arme vor sein Gesicht, um sich vor den herabfallenden Holzstücken zu schützen. Die Leiter, die nun nicht mehr gehalten wurde, stürzte krachend auf das Hofpflaster.
Als Till die Arme herunternahm, traute er seinen Augen nicht. Das Pflaster vor ihm war leer. Keine schwerverletzte Lilly lag dort. Nur die Reste der Obstleiter.
„Lilly!“, entfuhr es ihm.
Dann rief er lauter: „Lilly!“
Und danach verzweifelt: „Lilly!!!“
„Schrei doch nicht so!“, ertönte eine Stimme von oben. „Ich bin nicht schwerhörig.“
Till blickte hoch.
Lilly saß auf der Fensterbank und ließ die Beine herabbaumeln. Sie sah überrascht aus, wirkte aber unverletzt.
„Verdammt!“, krächzte Till. „Ich kriege einen Herzkoller. Wie kommst du denn auf die Fensterbank?“
Lilly schüttelte den Kopf. Sie zog die Beine hoch und verschwand in der Küche. Ein paar Augenblicke später kam sie durch die Kellertür in den Garten.
„Komm, wir sammeln die Leiterreste ein.“
„Sag endlich, was passiert ist!“
„Ich bin hochgesprungen“, grinste Lilly.
„Wie? Man kann nicht einfach in den zweiten Stock springen, wenn man gerade eine Leiter runtergefallen ist.“
„Doch!“, antwortete Lilly. Man sah, dass ihr die Sache einen Riesenspaß bereitete.
„Mach es noch mal.“
Darauf hatte Lilly gewartet. Ohne zu zögern, ging sie in die Knie und sprang mit einem Riesensatz zum offenen Küchenfenster. Mühelos kam sie auf der Fensterbank an und winkte Till zu. Der schaute ungläubig nach oben.
Lilly winkte erneut, und bald stand sie wieder neben ihm.
„Willst du es auch versuchen?“, fragte sie schelmisch.
„Das ist mir zu hoch! Und außerdem verfehle ich bestimmt die Fensterbank.“
„Mit diesen Schuhen ist es ganz einfach!“, rief Lilly. „Die Landung ist butterweich. Irgendwie wird man beim Sprung abgebremst und landet genau da, wo man hin will.“
Till war sprachlos.
Lilly dagegen sprang gleich noch mal zur Fensterbank hoch und schaute fröhlich hinunter.
„Lilly! Was machst du da? Bist du lebensmüde?“, schrie jemand von der Seite. Es war Frau Elter aus der Parterrewohnung, die entsetzt nach oben sah.
„Kletter sofort hinein!“, befahl sie und schüttelte den Kopf. „Wenn ich das deiner Tante erzähle, gibt es ein Donnerwetter!“
„Bin schon drin!“, rief Lilly, schwang die Beine in die Küche und lief schnell nach unten.
Frau Elter stellte ihre Einkaufstasche auf den Boden und sah sie ärgerlich an.
„Bist du mit der alten Leiter hochgeklettert? Die ist ja total auseinandergefallen. Das ist doch gefährlich! Was hätte dir alles passieren können!“
Lilly erzählte ihr von dem vergessenen Schlüssel.
„Das ist kein Grund! Da hat dein Schutzengel aber gut zu tun gehabt“, schnaufte Frau Elter.
„Bitte erzählen Sie es nicht meiner Tante“, bat Lilly.
Frau Elter hielt den beiden eine Standpauke und wies sie an, die Reste der Leiter zum Geräteschuppen zu bringen. Als sie mit ihren Einkäufen in das Haus ging, machten sich Lilly und Till gleich an die Arbeit.
„Ich konnte ihr nicht die Wahrheit sagen, oder?“, meinte Lilly.
„Korrekt!“, antwortete Till. Er war ziemlich durcheinander. „Diese Sache ist komplett irre. Lass uns die Holzreste einsammeln.“
Anschließend ging jeder nach Hause.
Lilly zog die Schuhe im Flur aus, schlurfte die Treppe hinauf in ihr Zimmer und machte Hausaufgaben. Kurze Zeit später hörte sie, wie die Wohnungstür aufgeschlossen wurde.
„Lilly! Wo bist du?“
„Was ist denn? Ich mache Hausaufgaben.“
„Komm bitte mal runter!“
Die Stimme ihrer Tante klang verärgert. Ob Frau Elter was erzählt hatte?
Doch Frau Elter hatte dicht gehalten und auf die Wirkung ihrer Strafpredigt vertraut. Ihrer Tante waren die bunten Schuhe im Hausflur aufgefallen. Lilly hatte sie dort stehen gelassen.
„Mieke, ich weiß, was du sagen willst. Aber ich habe die Schuhe gründlich geputzt. Außerdem passen sie mir perfekt, und sie sehen wirklich nicht abgenutzt aus. Eigentlich sind sie wie neu, und sie gefallen mir so. Bitte erlaube mir, sie zu behalten. Bitte.“
„Hast du nicht genug Schuhe? Müssen es ausgerechnet welche von der Straße sein?“, gab ihre Tante zurück.
„Ich wünsche mir nichts sehnlicher. Seit Mama und Papa entführt worden sind, geht es mir dauernd mies. Das Einzige, was mich in letzter Zeit aufgeheitert hat, sind diese tollen Schuhe!“
„Im Ernst?“
„Kannst du mir ruhig glauben! Ich mach alles, was du willst, wenn ich die Schuhe behalten kann … sogar früher aufstehen und früher ins Bett gehen. Wirklich!“
„Na gut - auch wenn ich es nicht verstehe“, sagte ihre Tante. „Wenn du dafür sogar früher aufstehen und früher ins Bett gehen willst, scheint es dir ja sehr wichtig zu sein. Aber ich habe eine Bedingung: Bring nicht noch mehr Dinge von der Straße mit. Diese Schuhe bleiben eine Ausnahme, okay?“
Lilly stimmte rasch zu und war total erleichtert. Welche wunderbaren Eigenschaften die Schuhe besaßen, wollte sie ihrer Tante lieber nicht erzählen. Sprünge aus dem zweiten Stock würde sie bestimmt nicht gut finden.
Mieke überlegte gerade, ob sie Lilly beim Wort nehmen und das versprochene Früherzubettgehen gleich für heute fordern sollte, da war Lilly schon verschwunden.
Till schaute von Lillys Dachbodenzimmer aus mit dem Fernglas den Spatzen auf dem Dach des Nachbarhauses zu. Lilly las im Heimatbuch, welches die beiden für ein Referat ausgeliehen hatten.
Das Spatzennest war in einer Lücke zwischen Dachrinne und Wand eingeklemmt, und wenn man genau hinsah, konnte man die Schnäbel der Jungvögel erkennen. Die Spatzeneltern fütterten gerade ihre Jungen und flogen abwechselnd zum Nestrand, um etwas in die hungrigen Mäuler zu stopfen.
Tills Blick ging weiter, zu den schmutzigen Fenstern des Hauses. Keine Blumen und Vorhänge waren zu sehen. Das Haus sah unbewohnt aus.
„Ist das alte Haus immer noch nicht verkauft?“, fragte er und legte das Fernglas weg.
„Ich glaube nicht“, antwortete Lilly. „Es ist so kaputt und reparaturbedürftig, dass sich kein Käufer findet. Mieke sagt immer, der Schandfleck gehöre abgerissen.“
„Hast du was für unser Referat über die Geschichte Bad Wilderungens gefunden?“
„Hör mal, was hier steht! Burg Schreckenfels wurde im Mittelalter erbaut. Zuletzt wohnte Graf Dietrich von Wilderungen dort. Er war ein berüchtigter Raubritter. Die Kaufleute mussten zahlen, wenn sie an seiner Burg vorbeikamen. Mit der Zeit häufte er immer mehr Schätze an. Dies weckte das Interesse des benachbarten Grafen Eduard von Brocken. Eines Tages überfiel dieser die Burg und zerstörte sie mit seinen Männern. Er nahm Graf Dietrich gefangen und hielt ihn viele Jahre im Kerker fest. Er wollte herausfinden, wo der Graf seine Reichtümer versteckt hatte. Diese waren bei der Erstürmung der Burg nicht gefunden worden. Doch Graf Dietrich nahm sein Geheimnis mit ins Grab.“
„Dann könnten Schätze in der Burgruine verborgen sein?“, überlegte Till.
„Hier steht, dass es in den vergangenen Jahrhunderten viele Schatzsucher gab, aber keiner etwas fand. Sogar unterirdische Gänge untersuchten sie – ohne Erfolg. Manche meinen, dass die Schätze rechtzeitig beiseite geschafft wurden.“ Lilly klappte das Heimatbuch zu.
„Wolltest du heute nicht zur weißen Villa gehen und nach den Schuhen fragen?“
Man sah Lilly und Till an, dass sie ein schlechtes Gewissen hatten. Jeder überlegte, ob in der weißen Villa jemand wohnte, dem die merkwürdigen Schuhe gehörten.
„Lass uns die Schuhe erst noch ein bisschen ausprobieren“, sagte Lilly.
Till war sofort einverstanden.
Pirat freute sich über den Ausflug, und bald erreichten sie den Waldrand. Dort war eine Wiese mit einem Tümpel in der Mitte. Rundherum lagen Weizen- und Roggenfelder, und die Halme sprossen aus dem Boden. Tannen verbreiteten ihren starken Duft, und das Gras war von blühenden Blumen übersät.
Außer ihnen war kein Mensch hier. Wahrscheinlich gingen an diesem Tag alle in das städtische Schwimmbad, um den heißen Tag zu genießen.
Till platzierte seine Trinkflasche auf einen abgesägten, modrigen Baumstumpf und lief zwanzig Schritte zum Waldrand. Dann raste er auf die Flasche zu, schnappte sie und war augenblicklich zurück. Das geschah so unglaublich schnell, dass man seinen Lauf kaum verfolgen konnte.
Anschließend war Lilly an der Reihe. Sie holte die Trinkflasche so geschwind, dass es aussah, als ob die Flasche einfach in ihrer Hand erschien.
„Wieso bist du schneller als ich?“, wunderte sich Till.
„Das kommt dir nur so vor.“
„Nein, ich kann überhaupt keine Bewegung bei dir sehen. Irgendwie funktionieren die Schuhe bei dir besser als bei mir.“
Lilly zuckte mit den Schultern. Sie sprang mit einem Riesensatz über einen Stapel gefällter Baumstämme. Danach versuchte sie einen Salto. Die Schuhe schienen ihre Gedanken aufzunehmen und setzten sie in die richtige Bewegung um. Von Weitem wirkte es, als ob Lilly auf einem Trampolin herumhüpfen würde. Bald wurde aus einem Salto zwei und drei, und erst bei fünf hörte sie auf, weil ihr schwindelig wurde. Erstaunlich war, dass die Landungen auf dem Boden immer sanft abgefedert wurden.
Till probierte das auch und die Zeit verging im Nu. Pirat lief bellend herum und verstand nicht, warum Lilly und Till wie große Frösche überall herumhüpften. Aber er passte auf, dass niemand sie störte.
Mit den Schuhen war es auch kein Problem, zu den Tannenwipfeln zu springen und die Zapfen abzupflücken. Und am meisten Spaß machte es den beiden, mit Schwung an einem Baumstamm hochzulaufen und sich rückwärts, mit einem Überschlag, fallen zu lassen.
Staunend über die wundersamen Möglichkeiten der Schuhe gingen Lilly und Till heim. Obwohl sie viel gesprungen und gelaufen waren, fühlten sie sich voller Tatendrang.
„Was nun?“, fragte Till.
Lilly gab sie sich einen Ruck. „Wir klingeln und fragen, ob die Schuhe hierhergehören. Komm!“
Sie wollte die Sache hinter sich bringen und Klarheit über die Herkunft der Schuhe haben. Erst dann konnte sie sich richtig über ihren Fund freuen.
Lilly marschierte auf die Haustür der weißen Villa zu. Till kam langsam hinterher. Es gab nur ein Namensschild an der Tür, und sie drückte, ohne lange zu überlegen, auf den Klingelknopf. Auf dem Schild stand „Tschechowa“.
Nichts passierte.
„Komm“, sagte Till erleichtert und wandte sich um.
Aber Lilly klingelte noch mal. Eine Gardine am Fenster bewegte sich. Kurz darauf öffnete sich die Haustür, und eine vornehme alte Dame, mit schlohweißem sorgfältig frisiertem Haar, stand vor ihnen.
Sie schien über siebzig Jahre alt zu sein, hielt sich kerzengerade und strahlte eine noble Eleganz aus. Mit wachen Augen, die von Lachfältchen eingerahmt waren, sah sie die beiden an.
Lilly kam sie bekannt vor. Irgendwo hatte sie die Frau schon mal gesehen. Außerdem fiel ihr auf, dass sie ein grünes und ein braunes Auge hatte. Wie bei mir, dachte sie überrascht.
„Guten Tag!“, sagte die alte Dame. „Wie schön, dass ihr mich besuchen kommt. Ich wartete bereits auf euch.“
Sie lächelte die verdutzten Freunde an und winkte ihnen, hereinzukommen.
Die alte Dame hatte sie erwartet? Sollten sie es wagen, in ihr Haus zu gehen? Gefährlich sah sie jedenfalls nicht aus.
„Entschuldigen Sie bitte die Störung. Wir wollen Sie nur etwas fragen.“
„Ich weiß“, sagte die alte Dame freundlich. „Darf ich mich vorstellen? Ich heiße Anna Maria Tschechowa und würde mich freuen, wenn ihr ein bisschen Zeit mitgebracht habt. Kommt herein, oder soll ich eure Fragen hier an der Tür beantworten?“
Dabei zeigte sie auf die bunten Schuhe an Lillys Füßen.
Lilly und Till schüttelten stumm den Kopf. Sie folgten der alten Dame ins Haus hinein.
Durch eine dunkle Empfangshalle gingen sie ins Wohnzimmer. Frau Tschechowa eilte fort, um etwas zu trinken zu holen.
Die beiden Freunde setzten sich und sahen sich um. Außer den Sitzmöbeln und dem Tisch gab es eine Anrichte und einen antiken Wohnzimmerschrank. Alle Möbel waren vornehm und schienen viel Geld gekostet zu haben. Auf dem schweren Mahagonitisch und der Anrichte lagen gestickte Deckchen, und auf der Fensterbank standen Orchideen in weißen Übertöpfen. An der Wand hingen gerahmte Bilder und Zeitungsartikel. Die meisten zeigten eine Hochseilartistin, wie sie hoch in der Luft Kunststücke vorführte. Auf der Anrichte glänzten silberne und goldene Pokale, mit eingravierten Buchstaben.
Lilly stand auf, um sich die Bilder näher anzusehen. Sie zeigten eine hübsche junge Frau, mit langen schwarzen geflochtenen Haaren. Graziös balancierte sie über Seile oder machte darauf Handstand, Saltos und Spagat.
Ein gerahmter Zeitungsartikel war betitelt: „Anna Tschechowa begeistert im Varieté.“ Ein anderer Artikel mit der Schlagzeile in dicken schwarzen Buchstaben: „Weltrekord! Tschechowa auf dem Seil über die Niagarafälle!“
„Till, schau doch!“
„Was ist? Hast du ein Gespenst gesehen?“ Till saß unbehaglich auf der Couchkante.
„Die alte Dame ist eine berühmte Hochseilartistin. Sie balancierte sogar über die Niagarafälle! Dass so jemand hier wohnt, hätte ich nicht gedacht.“
„Ob SIE die Schuhe verloren hat? Aber sie sind viel zu klein für sie.“
In diesem Moment kam die alte Dame mit einem Tablett und drei vergoldeten Tassen, gefüllt mit heißer Schokolade, herein.
„Etwas Interessantes gefunden?“, fragte sie, als sie Lilly vor den Bildern stehen sah.
„Sind Sie das?“ Lilly setzte sich wieder auf die Couch.
„Ja, das bin ich. Es ist allerdings schon lange her. Ich und meine Schuhe. Wie gefallen sie euch?“ Frau Tschechowa zeigte auf Lillys Schuhe.
„Aber das sind doch nicht dieselben, wie die auf Ihren Fotos. Meine sind kleiner und farbiger“, antwortete Lilly verwirrt.
„Darf ich die Schuhe einmal haben?“, fragte Frau Tschechowa. Sie nestelte an der Kette, die sie um den Hals trug. „Trinkt doch die Schokolade. Sie wird sonst kalt.“
Lilly gab schweren Herzens ihre Schuhe der alten Dame, und Frau Tschechowa zog ihre bestickten Hausschuhe aus.
Während sie Lillys Schuhe in der Hand hielt, änderten diese ihr Aussehen. Sie wurden länger und schmaler, und ihre Farben wechselten zu Weiß und Schwarz. Plötzlich waren Schnallen an ihnen, und bald darauf verwandelten sie sich in elegante Artistenschuhe.
Das Ganze dauerte nur wenige Sekunden, und als Frau Tschechowa die Schuhe überzog, passten sie genau.
Lilly und Till rissen die Augen auf. Die Schuhe sahen nun aus, wie die auf den Fotos an der Wand. Das konnte nur eins bedeuten: Sie passten sich an die Menschen an. Das war ihnen nicht aufgefallen, weil sie beide dieselbe Schuhgröße hatten.
„Es sind magische Schuhe! Sie sehen so aus, wie ihr Besitzer es sich wünscht“, sagte Frau Tschechowa. „Hier hast du sie wieder.“
„Magische Schuhe? Sie wollen uns einen Bären aufbinden!“ Till schüttelte den Kopf.
„Das würde mir nie einfallen“, antwortete Frau Tschechowa ernst.
„Das würde ja bedeuten, dass es Zauberei gibt?“, sagte Lilly ungläubig.
„Ihr habt bestimmt schon etwas von den besonderen Eigenschaften der Schuhe bemerkt, oder?“
„Das man mit ihnen sehr schnell laufen kann und sehr, sehr hoch springen haben wir herausgefunden.“
„Und wie erklärt ihr euch das?“
„Aber Zauberei gibt es nicht, das sind alles nur Tricks,“ meinte Till. „Es ist ein spezielles Material für die Schuhsohlen, oder?“
Frau Tschechowa lachte. „Und wie verändern sie ihr Aussehen?“
„Meinen Sie das im Ernst? Sind die Schuhe wirklich magisch?“, fragte Lilly.
Frau Tschechowa nickte. „Sie bestehen aus magischer Materie. Magma, wie wir sie nennen. Deshalb haben sie auch besondere Eigenschaften.“
„Magischer Materie? Magma? Nie gehört.“ Till runzelte die Stirn.
„Aber es sind Ihre? Warum geben Sie mir so tolle Schuhe?“
„Du kannst sie behalten, ich schenke sie dir, Lilly.“
„Aber wieso verschenken sie die Schuhe? Ich verstehe das nicht.“
„Ich bin alt, habe keine Angehörigen und brauche sie nicht mehr.“
Lilly verstand gar nichts. Trotzdem zog sie die Schuhe wieder an. „Vielen Dank, Frau Tschechowa! Woher kennen Sie eigentlich meinen Namen?“
Jetzt hielt sich auch Till nicht länger zurück. „Verfolgen Sie uns etwa? Was wollen Sie von uns?“
Frau Tschechowa seufzte. „Das sind zu viele Fragen. Immer der Reihe nach. Was wollt ihr zuerst wissen?“
„Warum stellten Sie die Schuhe neben die Mülltonne?“, fragte Lilly schnell.
Frau Tschechowa lachte. „Ihr seid jeden Tag an meinem Haus vorbeigegangen. Da hoffte ich, dass du ihre Aura spürst, sie mitnimmst und hinter ihr Geheimnis kommst.“
Lilly und Till schauten sich überrascht an.
„Und woher wissen Sie unsere Namen?“, fragte Till.
„Ihr habe euch auch oft im Park gesehen. Als ich auf der Bank saß, seid ihr vorbeigegangen, und ich hörte eure Namen. Das ist alles.“
Dann erzählte ihnen Frau Tschechowa, dass sie die ganze Welt bereist hatte. In jedem berühmten Zirkus und Varieté trat sie auf und lief als erste Frau, auf einem Stahlseil, über die Niagarafälle. Aber das schaffte sie nur durch die magischen Schuhe, die in ihrer Familie vererbt wurden. Irgendwann wollte sie sich zur Ruhe setzen und kaufte die weiße Villa in Bad Wilderungen. Nun war sie fünfundsiebzig Jahre alt und hatte beschlossen, ihre Schuhe an jemanden weiterzugeben.
Lilly konnte ihr Glück nicht fassen: Sie durfte die Schuhe tatsächlich behalten. Ein Felsbrocken fiel ihr vom Herzen.
„Warum veränderten die Schuhe sich nicht, wenn Till sie trug?“, wollte sie noch wissen.
„Till lernte die Schuhe schon mit diesem Aussehen kennen und konnte sie sich nicht anders vorstellen“, antwortete Frau Tschechowa.
Die alte Dame sagte, dass sie sich jederzeit über einen Besuch von Lilly und Till freuen würde. Dann wollte sie ihnen mehr von den magischen Schuhen und ihren geheimnisvollen Kräften erzählen.
Frau Tschechowa brachte sie zum Gartentor. Till hielt es nicht länger aus: „Sind Sie wirklich auf einem Seil über die Niagarafälle gelaufen?“
„Allerdings! Die Fälle sind etwa 56 Meter hoch und fast 340 Meter lang. Ich brauchte ungefähr 20 Minuten, um auf die andere Seite zu kommen. Die Wasserfälle erzeugten einen Nebel, der die Sicht auf das Seil erschwerte und es nass und glitschig machte. Außerdem wehte ein heftiger Wind. Als ich es geschafft hatte, schwor ich mir, nie wieder so etwas Verrücktes zu tun.“
Lilly und Till sahen die alte Dame mit großen Augen an. Dann gingen sie langsam fort. Als sie sich noch einmal umdrehten, stand Frau Tschechowa am Gartentor und winkte ihnen nach.
Lilly lief die Treppe hinunter und dachte an ihre entführten Eltern in Afrika. Betrübt öffnete sie die Haustür und trat auf die Straße. Vor ihr ragte der riesige, graue Körper eines Elefanten auf. Er schleuderte seinen Rüssel hin und her und beäugte Lilly, die wie angenagelt in der Tür stand und sich ungläubig die Augen rieb.
Der Elefant gab schnaufende Geräusche von sich. Er folgte langsam dem Ruf eines kleinen Mannes, der einen Turban auf dem Kopf trug. Dieser winkte mit einem hakenbewehrten Stock dem Elefanten die Richtung.
Hinter dem Elefanten kamen zwei weitere Elefanten und einige Kamele. Sie wurden von prächtig gekleideten Männern und Frauen begleitet. Etwas dahinter sah Lilly geschmückte Pferde folgen. Jetzt fiel ihr auch auf, dass zwei Polizeiautos mit Blaulicht die merkwürdige Parade flankierten.
„Hier, ein Programm! Morgen ist die erste Vorstellung. Am Nachmittag gibt es Ermäßigung“, sagte eine Stimme neben ihr.
Ein etwa zwölfjähriger Junge, mit rabenschwarzen Haaren, hielt ihr einen Zirkusprospekt entgegen.
„Danke“, sagte Lilly verwirrt. Gerade träumte sie von Afrika, und jetzt standen echte Elefanten vor ihr.
„Wo kommt ihr denn her?“, entfuhr es ihr.
„Frisch vom Bahnhof und auf dem Weg zum Kirmesplatz! Da kannst du uns finden“, lachte der Junge. „Du kommst doch, oder? Es lohnt sich!“
„Na klar!“
Der Junge winkte ihr zu und rannte hinter den Elefanten her. Dabei drückte er den Passanten schnell ein paar Prospekte in die Hand.
Mieke war mit ihnen in die Zirkusvorstellung gegangen. Auf dem Heimweg brachten sie Till zu seinen Eltern. Dann spazierten sie langsam nach Hause.
„Schau! In unserem Nachbarhaus ist Licht. Ich dachte, es sei nicht bewohnt.“ Lilly deutete auf ein erleuchtetes Fenster.
„Vielleicht ist es verkauft worden.“ Damit war für Mieke der Fall erledigt. Aber Lilly dachte vor dem Einschlafen noch weiter darüber nach.
Sie stand auf, ging zum Fenster und öffnete es. Die kühle Nachtluft jagte ihr einen Schauer über den Rücken. Sie blickte hinüber zum Nachbarhaus. Doch soviel sie schaute, es war kein Licht mehr zu sehen. Als Lilly das Fenster schließen wollte, hörte sie Geräusche von drüben. Sie klangen wie gedämpfte Hammerschläge.
Merkwürdige Nachbarn! Renovieren mitten in der Nacht und haben kein Licht dabei an? Nun drehte sich der Wind, und die Geräusche waren nicht mehr zu hören.
Lilly überlegte, ob sie die Schuhe anziehen und in den Hof springen sollte? Von dort konnte sie besser mitkriegen, was da vor sich ging. Nach einem Blick aus dem Dachfenster verging ihr aber die Lust dazu. Das war sehr hoch für einen Sprung im Dunkeln. Deshalb schloss sie das Fenster und kroch zurück in ihr Bett.
Am nächsten Morgen kam ihr alles wie ein verrückter Traum vor. Sie schaute zum Nachbarhaus hinüber. Nichts erinnerte an die seltsamen Begebenheiten der vergangenen Nacht. Die Fenster des alten Hauses waren von einem grauen Schleier aus Staub und Dreck bedeckt, und man konnte nicht in das Innere hineinsehen. Geräusche vernahm Lilly auch nicht mehr, und das „ZU VERKAUFEN“-Schild hing wie immer an der Hauswand.
Auf dem Weg zur Schule erzählte Lilly Till von den merkwürdigen Geräuschen. Am Nachmittag gingen beide zu Lilly und versuchten, Anzeichen für neue Bewohner des Nachbarhauses zu finden. Aber weder auf der Vorder- noch auf der Rückseite entdeckten sie eine Veränderung.
„Bist du sicher, dass die Geräusche, die du gehört hast, aus diesem Haus kamen?“, erkundigte sich Till.
„Ganz sicher! Die Geräusche kamen vom Nachbarhaus, und gestern Abend haben Tante Mieke und ich dort Licht gesehen.“
„Komm! Wir schauen, ob ein neues Namensschild am Eingang hängt.“
Sie schauten nach den Klingelschildern. Niemand hatte die alten Namen entfernt und durch neue ersetzt. Die Eingangstür war staubig und lange nicht mehr gereinigt worden. Nur die Türklinke glänzte merkwürdig sauber.
„Siehst du die Klinke? Es muss jemand hier gewesen sein.“
„Das beweist, dass es die Geräusche und das Licht wirklich gegeben hat“, freute sich Till.
„Aber wer treibt sich in dem alten Haus herum?“
Die beiden gingen auf die andere Straßenseite, damit ihre Neugier nicht auffiel. Von dort sah das Haus in der Morgensonne sehr friedlich aus. Nur die Fenster schienen dunkler und schmutziger, als je zuvor zu sein. Es hatte ein Obergeschoss und darüber ein flaches Dach. Die Fassade blätterte an vielen Stellen ab. Auf dem Balkon über der Eingangstür standen Blumentöpfe mit vertrockneten Pflanzen, die jemand vergessen hatte.
„Till, schau mal das Haus daneben an. Fällt dir was auf?“
„Was soll mir auffallen? Unten sind ein Computergeschäft und die Sparkasse. Im Obergeschoss ist der Fitnessklub. Ein ganz normales Geschäftshaus. Was soll daran interessant sein?“
„Mensch, Till! Die Sparkasse!“
„Die Sparkasse?“
„Es könnten BANKRÄUBER gewesen sein! Das alte Haus ist doch prima geeignet, um von dort aus in die Sparkasse einzubrechen.“
„Hmm? Glaubst du wirklich? Bankräuber hier in Bad Wilderungen?“
„Warum sollte unsere Sparkasse nicht auch mal ausgeraubt werden?“
„Als ob hier so etwas geschehen würde. Wir sind ja nicht in der Großstadt.“
„Und wenn ich recht vermute?“
„Es wäre natürlich eine Erklärung. Am Abend ist in den Geschäften niemand, der Einbruchsgeräusche bemerken könnte. Aber was ist, wenn deine Tante recht hat und das Haus verkauft worden ist? Das erscheint mir logischer.“
Ihr Gespräch wurde durch einen Lieferwagen abgelenkt, der gerade vor dem Eingang parkte. „Autovermietung Herz“ stand auf der Seite geschrieben. Die Hecktür des Lieferwagens stand offen, und zwei Männer trugen große Behälter in das leer stehende Haus hinein.
„Siehst du! Das Haus ist doch verkauft“, meinte Till.
„Mist! Mieke hatte recht.“
„Du hast Gespenster gesehen“, lachte Till.
„Aber Gespenster rasseln mit Ketten und hämmern nicht nachts in alten Häusern!“, knurrte Lilly.
Zurück in Lillys Zimmer packten sie ihre Hausaufgaben aus. Zuerst wollte Lilly aber noch mal zum Nachbarhaus hinübersehen. Sie gingen in ihr Zimmer und blickte von dort durch ein geöffnetes Fenster in das alte Haus hinein. Die zwei Männer waren gerade dabei, eine Kiste zu öffnen. Über ihnen baumelte eine Glühbirne von der Decke und verstrahlte ihr Licht.
„Was wollen die mit einer so großen Bohrmaschine?“, rief Lilly und winkte Till herbei. Sie nahm ihr Fernglas aus dem Regal und hielt es ihm hin. „Schau mal, was die neuen Nachbarn machen!“
Die Männer holten gerade Kabel und einen großen Vorschlaghammer heraus. Plötzlich ging einer zum Fenster und schloss es.
„Warum sieht man jetzt gar nichts mehr? Sie haben doch Licht an. Da müsste man auch durch die dreckigen Fenster etwas erkennen können. Vielleicht ist es von innen zugehängt worden. Aber warum? Äußerst verdächtig, oder?“, meinte Lilly triumphierend.