Das Geheimnis des Donnervogels - Andy Hermann - E-Book

Das Geheimnis des Donnervogels E-Book

Andy Hermann

0,0

Beschreibung

Gab es vor zehntausenden Jahren eine alte Zivilisation, deren hochentwickelte Technik sich unsere heutige Wissenschaft noch gar nicht vorstellen kann? Professor Steiner, seine Tochter Anna, eine junge Anthropologin und Fabian, ein KI-Experte und Exfreund von Anna, übersetzen alte Papyri aus Ägypten, um diese High Tech Artefakte zu finden. Darin wird ein Donnervogel als allesvernichtende Waffe beschrieben. Mehrere Geheimdienste durchkreuzen ihre Pläne sehr rasch und schrecken vor nichts zurück. Auch die Polizei hat den Professor plötzlich wegen Schmuggels illegaler Artefakte im Visier. Professor Steiner muss verhindern, dass die Geheimdienste in den Besitz dieser tödlichen Waffe gelangen, die der Sage nach bereits Atlantis vernichtet hat. Als Wissenschaftler will er aber die Artefakte finden und erforschen, wenn die Geheimdienste nicht vorher alle töten, die Bescheid wissen. Denn sie wollen keine Zeugen. Das Team Steiner tarnt sich als Touristen und geht nach Jordanien. Aber die Geheimdienste lassen sich nicht abschütteln. Die Spur des Donnervogels führt sie dann weiter über das mauretanische Eye of Sahara bis nach Marokko in eine ausweglose Schlucht. Dort übertrifft ihr Fund die kühnsten Erwartungen. Doch dann werden sie an einen Ort geschleudert, von dem es keine Rückkehr gibt. Selbst Geheimdienste und Luftwaffen müssen vor dieser uralten Technik kapitulieren. Welche Chancen hat das Team jetzt noch?

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 397

Veröffentlichungsjahr: 2025

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.


Ähnliche


Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2 – 3 Tage später

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6 – 1 Woche später

Kapitel 7 – 2 Tage später

Kapitel 8 – Nächster Tag

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16 – 3 Tage später

Kapitel 17 – 2 Tage später

Kapitel 18 – zur selben Zeit

Kapitel 19 – Übernächster Tag

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28 - einige Tage später

Kapitel 29 – 1 Monat später

Kapitel 30

Kapitel 31 – 1 Woche später

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Kapitel 49 – 3 Tage später

Nachwort

Kapitel 1

Da war ein Geräusch, das es hier nicht hätte geben dürfen. Anna Steiner schreckte von ihrem Computerbildschirm hoch. Sie sah sich in dem weitläufigen Labor des archäologischen Institutes der Universität Hamburg um.

Durch die großen Fenster war nur die dunkle Februarnacht zu sehen. Schwach reflektierte der wolkenverhangene Himmel die Lichter der Großstadt, sodass es nie wirklich ganz finster wurde.

Anna war alleine im Institut, oder dachte es zumindest bis gerade eben. Es war schon nach zehn Uhr Abend. Sie musste ihren monatlichen Zwischenbericht fertigbekommen.

Sie konzentrierte alle ihre Sinne. Draußen am Gang waren eindeutig Schritte zu hören, oder spielte ihr das Gehör einen Streich.

Sie stand auf von ihrem Arbeitsplatz und schlich zur Tür.

*

Vor drei Jahren hatte alles angefangen, da hatten sie in einer illegalen Nacht- und Nebelaktion eine uralte unterirdische Bunkeranlage neben den Pyramiden von Gizeh tief unter der Wüste entdeckt. Darin hatten sie Artefakte einer technisch hochentwickelten präägyptischen Zivilisation und viele mumifizierte Leichen gefunden.

Beinahe hätte das dem ganzen Team das Leben gekostet, denn der damalige Leiter der ägyptischen Ausgrabungen in Gizeh wollte die Entdeckung unter allen Umständen verhindern. Er ging dabei über Leichen.

Doch ein Freund ihres Vaters, der ein Security Unternehmen besaß, holte ihr Team im letzten Augenblick aus Ägypten heraus und brachte sie heim nach Berlin.

Die mitgebrachten Beweise für diese Zivilisation waren über zehntausend Jahre alt, wie mittels Radiokarbonmethode bei den gefundenen Holzstücken festgestellt werden konnte. Sie hatten sie aus Ägypten herausgeschmuggelt und waren dann in Berlin damit an die Öffentlichkeit gegangen.

Das Bild einer zehntausend Jahre alten Maschinenpistole war viral um die Welt gegangen. Weltweit hatten alle Medien darüber berichtet. Das Geschichtsbild der Menschheit wurde seither umgeschrieben.

Doch tausende Artefakte und Papyrustexte aus dem Bunker, der wohl mit der geheimen Kammer des Wissens ident war, von der schon Herodot gewusst haben soll, waren noch nicht erforscht. Bei der Datenmenge und der Fülle an Artefakten würde das noch Jahre dauern. Bei der Auswertung konnten sie täglich auf neue Überraschungen stoßen.

Frank Steiner, Annas Vater und Institutsleiter für Archäologie und Ägyptologie an der Humboldt Universität war vom Minister in Berlin persönlich zum neuen Grabungsleiter in Gizeh ernannt worden. Der ägyptische Minister für Altertümer hatte das vorgeschlagen.

Die Untersuchungen für diese riesige Menge an Artefakten waren aus Effizienzgründen auf die Universität von Kairo, die Humboldt Universität in Berlin und die Universität Hamburg aufgeteilt worden.

Hier in Hamburg arbeitete Anna als junge Anthropologin von gerade sechsundzwanzig Jahren an der Bestimmung der Artefakte und der Entschlüsselung der Hieroglyphen mit ihrem Team von acht Personen.

Dabei wusste noch immer niemand, ob die Funde nun zur verlorenen Zivilisation von Atlantis gehörten oder nicht. Denn der Name Atlantis war bisher nirgends gefunden worden.

Auf der Universität war es einigen Leuten im Mittelbau gar nicht recht gewesen, dass Anna direkt nach dem Studium gleich als Teamleiterin einsteigen konnte. Sie hatte sich einige Feinde geschaffen, die sich übergangen fühlten. Es störte sie, dass eine so hübsche blonde großgewachsene Masterabsolventin gleich nach dem Studium in Führungsverantwortung kam. Nur weil sie bei der Entdeckung dabei war, von den Medien gehypt wurde und ihr Vater Institutsleiter in Berlin war, hatte sie den Job bekommen, meinten ihre Feinde.

Anna war seit einiger Zeit Single und hatte sich in ihren Job vergraben. Für Beziehungen war da keine Zeit mehr gewesen.

*

Anna öffnete vorsichtig die Tür zum Gang und trat in den dunklen Flur. Die Bewegungsmelder für das Ganglicht reagierten nicht. Waren sie defekt oder etwa abgeschaltet worden?

Anna bekam eine Gänsehaut. Sie zückte ihre Handy-Taschenlampe und schlich in die Richtung, aus der sie die Schritte gehört hatte.

Dort hinten war das Lager mit den noch nicht übersetzten Papyri aus dem Bunker. Die Tür stand offen und Anna sah flackernden Lichtschein von Taschenlampen.

Sie musste die Polizei rufen, das Lager hatte um diese Zeit verschlossen zu sein. Hier konnte niemand legal drinnen sein. Das waren eindeutig Einbrecher.

Sie drückte sich in eine Gangnische und wählte den Notruf. Doch der Polizist am anderen Ende war schwer von Begriff. Anna konnte nur leise zu sprechen, um nicht auf sich aufmerksam zu machen, und der Polizist verstand sie nicht. So musste sie lauter sprechen, als ihr lieb war. Endlich hatte der Typ verstanden, doch es war zu spät. Anna hörte, wie sich eilige Schritte näherten.

Sie sprintete aus ihrer Nische und rannte Richtung ihres Büros. Doch das Handydisplay leuchtete noch hell und zeigte dem Eindringling ihren Fluchtweg.

Als sie die Tür zum Labor aufriss, peitschten zwei Schüsse durch den Gang. Die Projektile schlugen knapp neben Anna in die Wand. Sie bekam eine Prise Mörtelstaub ins Gesicht.

Sie knallte die Tür hinter sich zu und fand in der Panik ihre Schlüssel nicht. Die waren in ihrer Handtasche am Arbeitsplatz und jetzt unerreichbar fern.

Sie rannte durch das ganze Labor und versteckte sich unter einem Schreibtisch. Hoffentlich würde die Polizei bald hier sein.

Sie hörte, wie der Fremde die Labor Tür aufstieß und in den Raum eindrang. In wenigen Minuten würde er sie finden. Ihr Leben war dann keinen müden Euro mehr wert. Dieser Typ wollte anscheinend keine Zeugen.

Sie hörte, wie er sich langsam und vorsichtig zwischen den Labortischen und Schränken bewegte. Sie wagte kaum zu atmen.

Da erscholl vom Gang her eine laute Stimme und rief etwas in einer fremden Sprache, die Anna nicht verstehen konnte. Es hätte aber auch ein englischer Dialekt sein können.

Der Typ im Labor antwortete. Der andere wurde zornig und schrie etwas Unverständliches. Daraufhin trat der Typ im Labor den Rückzug an. Anna hörte, wie er wütend die Tür zuschmiss.

Plötzlich war ihre Angst verflogen und ihre Neugier siegte. Sie wollte wissen, wohin die Typen flüchteten. Damit könnte sie der Polizei helfen.

Sie schlich zurück auf den Gang und hörte, wie die Typen durchs Treppenhaus polterten. Sie schienen es sehr eilig zu haben.

Anna begann zu laufen, um den Anschluss nicht zu verlieren. Dass der Typ schon auf sie geschossen hatte, verdrängte sie einfach.

Sie sprintete die Treppe hinab. Ihr Labor lag im dritten Stock des Institutsgebäudes. Sie hörte, wie unten die Eingangstür aufgeschossen wurde. Die Typen hatten Panik und mussten auf einem anderen Weg hereingekommen sein, schlussfolgerte Anna messerscharf.

Als sie den Eingang erreichte, sah sie nur noch, wie ein schwarzer Van ohne Licht davon brauste. Sie konnte das Nummernschild nicht erkennen.

Sie rannte auf die Fahrbahn der Johns Allee, um besser sehen zu können. Doch der Van bog bei der nächsten Kreuzung nach rechts ab und war außer Sichtweite.

In dem Moment kamen von der anderen Seite zwei Streifenwagen mit Blaulicht herangebraust und legten neben ihr eine Notbremsung hin.

Sie schrie der Besatzung des ersten Wagens zu: „Dort sind sie hin, schwarzer Van, hat nur wenig Vorsprung, den kriegt ihr. Vorne rechts abbiegen, beeilt euch.“

„Moment, nicht so stürmisch, junge Frau, worum geht es denn. Wir sollen hier einen Einbruch untersuchen. Haben Sie uns alarmiert?“, erwiderte der Polizist während er gemütlich aus dem Streifenwagen stieg.

„Die Diebe hauen grade ab, wenn Sie sich beeilen, dann kriegen Sie die bestimmt.“

„Die sind längst über alle Berge und schwarze Vans gibt’s in Hamburg viele. Haben Sie vielleicht das Nummernschild lesen können?“

„Nein, die haben auf mich geschossen“, rief Anna aufgebracht.

„Sie sind aber nicht verletzt, wie ich sehe.“

„Muss man bei Euch erst tot sein, bevor ihr aktiv werdet?“

„Keine Beleidigungen, das verbitten wir uns. Zeigen Sie uns lieber den Tatort.“

Kapitel 2 – 3 Tage später

Universitätsprofessor DDr. Frank Steiner, Grabungsleiter für Gizeh, war eben aus Kairo nach Berlin zurückgekommen.

Das Pendeln zwischen Berlin und Kairo strengte ihn mittlerweile etwas an. Er war zwar erst fünfundfünfzig und sportlich gut trainiert, aber früher war er nicht so viel geflogen, da hatte er in Ruhe forschen können. Aber nun war er berühmt und durfte die Forschung zur unbekannten zehntausend Jahre alten Hochkultur leiten. Das konnte schon Stress verursachen, besonders dann, wenn die Journalisten auf neue Sensationsfunde hofften und sein Sekretariat die Anfragen kaum mehr abwehren konnte.

*

Sie hatten damals in der unterirdischen Bunkeranlage die mumifizierten Leichen von über zweitausend Personen gefunden. Es waren fast nur Frauen und Kinder und nur wenige Dutzend Soldaten gewesen.

Die Anzahl der High Tech Artefakte war nicht sehr groß gewesen. Die Verwendung von Elektrizität war erwiesen. Es musste auch eine prähistorische Maschinenindustrie gegeben haben, denn die Bunkertore hatten elektrischen Antrieb mit Getriebe und Motor, der freigelegt werden konnte und von Archäologen und Maschinenbauern untersucht worden war.

Dabei wurde festgestellt, dass Eisen-Aluminiumlegierungen mit einem hohen Aluminiumanteil verwendet worden waren. Aluminium gibt es in der freien Natur nicht, also musste es damals schon eine Art der Aluminiumgewinnung mittels Elektrolyse gegeben haben. Auch Titan, Wolfram und Zink waren Legierungselemente. Die Stähle waren in zehntausend Jahren faktisch nicht korrodiert.

Die gefundene Maschinenpistole war die einzige modern anmutende Waffe, die gefunden worden war. Sonst gab es noch einige Handgranaten, Taschenlampen und Dolche aus rostfreiem Stahl.

Die restlichen tausenden Artefakte waren die persönlichen Schmuckstücke und Besitztümer der Frauen und Kinder. Diese zeugten zwar von Massenfertigung, waren aber technologisch nur auf einer Kulturstufe des Europäischen Spätmittelalters, wo es auch schon Manufakturen gegeben hatte.

Der Kern der Funde waren die zehntausenden Papyri, die nicht in Rollen aufbewahrt worden waren. Da wären sie längst zerfallen. Die Blätter waren luftdicht zwischen Glasplatten aufbewahrt, so dass sie in eins A Qualität mit allen Farben und ohne Alterung vorlagen, da sie Jahrtausende lang in völliger Dunkelheit gelagert worden waren.

Dies war der unschätzbar wertvollste Fund für die Menschheit. Doch das Übersetzen war mühsam und oft unmöglich, da es sich teilweise um fremde Hieroglyphen handelte, die aus der Ägyptologie nicht bekannt waren. Manche der Texte waren mit Sicherheit nochmals verschlüsselt, was die Übersetzung abermals verkomplizierte.

Deshalb war das KIT, das Karlsruher Institut für Technology mit seinem Supercomputer mit KI-Unterstützung in die Forschung eingebunden.

*

Frank Steiner nahm am Schreibtisch im Arbeitszimmer seiner Villa in Berlin Zehlendorf Platz und loggte sich in den Server der Humboldt Universität ein. Er wollte die neuesten Notizen seines Teams lesen.

Zu seinem Bedauern musste er feststellen, dass es nicht wirklich etwas Neues gab. Die Archäologen traten auf der Stelle. Sie konnten nichts Bahnbrechendes mehr finden.

Mehrere tausend Papyri hatten sie schon übersetzt. Es waren Texte über Landwirtschaft, Anbaumethoden, Medizin und Astronomie gewesen. Es war verblüffend, wie modern die Inhalte waren. Oft war es Wissen, das die heutige Menschheit erst seit wenigen Jahrzehnten erworben hatte. Biologische Landwirtschaft und Texte über die Funktion von Mikroorganismen im Boden. Unglaublich, dass solches Wissen bereits vor über zehntausend Jahren existiert hatte.

Doch kein Hinweis auf die Lage der Hauptstadt oder auf andere Stätten dieser Zivilisation war bisher nach drei Jahren intensiver Forschung gefunden worden.

Frank Steiner loggte sich in die Papyri- und Artefakte-Datenbank ein. Darin waren alle Forschungsergebnisse der letzten drei Jahre enthalten. Sie mussten irgendetwas übersehen haben oder sie hatten die richtigen Texte noch immer nicht gefunden und entschlüsselt.

In der Datenbank waren auch die noch nicht entschlüsselten Texte in digitaler Form als Bilder gespeichert.

Frank hatte einen Verdacht. Drei Papyrustafeln waren nicht bei den anderen gewesen, sondern waren bei einer mumifizierten Frauenleiche gefunden worden. Diese hatte sich von den anderen Frauenleichen durch besonderen Schmuck unterschieden. Es könnte sich um die Kommandantin der Gizeh Anlage, um ISIS persönlich handeln, doch der finale Beweis dafür stand noch aus.

Diese drei Tafeln hatten bisher jedem Entschlüsselungsversuch widerstanden.

Frank gab die Kennnummern für diese Tafeln in das Suchfenster ein und erschrak. „Null Treffer“ zeigte das System an.

Er probierte weitere Suchen in der Datenbank und immer kam die Antwort „Null Treffer“.

Das konnte es nicht geben, war er in der falschen Version der Datenbank?

Er stieg neu ein und probierte es zwei, drei, viermal. Jedes Mal kam dasselbe Ergebnis „Null Treffer. Es gab keinen Zweifel mehr, die Datenbank war leer.

Es war neun Uhr Abend und Frank rief den CIO der Universität auf seiner Privatnummer an und teilte ihm den Sachverhalt mit.

Dieser scheuchte den Datenbankspezialisten seines Teams, Helmut Oberhauser aus seiner Stammkneipe, wo er gerade das Europacupspiel Bayern München gegen Real Madrid verfolgte.

Oberhauser trug sein Tablet immer bei sich und checkte die Situation. Entsetzt musste er feststellen, die Datenbank war gehackt worden und nun völlig leer.

Jetzt wurde Großalarm ausgelöst. Was konnte noch gerettet werden und was war verloren.

Dreißig Minuten später stand die Webkonferenz des Krisenteams. Netzwerkspezialisten vom Internetprovider, der IT-Security Beauftragte der Universität, der CIO und ein knappes Dutzend weiterer Experten checkten die Lage online von ihren Geräten aus und tauschten ihre Informationen via Livestream aus.

Als feststand, dass es sich um Sabotage handelte, wurden sofort die Partneruniversitäten in Hamburg und Kairo informiert. Dort wurden die IT-Verantwortlichen aus dem Bett geworfen und dazu genötigt, augenblicklich die Systeme zu checken.

Es war gegen Mitternacht, als das niederschmetternde Ergebnis feststand. Sie waren alle viel zu sorglos gewesen. Es hatte bei keiner IT-Abteilung einen vierundzwanzig Stunden Überwachungsdienst gegeben. Alle hatten sich auf die automatischen KI gesteuerten Antiviren Programme verlassen, die jeden Eindringling ins System hätte melden sollen. Diese hatten aber allesamt versagt.

An allen drei Standorten waren die Datenbanken mit den Forschungsergebnissen der letzten drei Jahre gleichzeitig gehackt worden und bis aufs letzte Bit geleert worden.

Doch es gab die Backups in der Internet Cloud. Das könne doch kein Problem sein, diese rückzusichern, dachten die Spezialisten.

Bis sie erkennen mussten, dass es in der Cloud keine Backups mehr gab. Alle Backups hatten sich in Luft aufgelöst. Die Hacker waren auch in die Cloud eingedrungen und hatten einen der riesigen weltmarktführenden Internetanbieter genauso gehackt und dort die Daten gelöscht.

Nachdem das Krisenteam die Nacht durchgearbeitet hatte, wurden Festplattenspezialisten hinzugezogen, die normalerweise in der Lage sein sollten, auch gelöschte Daten auf einer Festplatte wieder herzustellen.

Denn bei einem normalen Löschvorgang wird nur der Datenindex gelöscht, der anzeigt, wo sich die Daten auf der Festplatte befinden. Die eigentlichen Daten, die Nullen und Einsen des binären Systems, sind nach wie vor an Ort und Stelle. Sie können nur nicht mehr gefunden und gelesen werden.

Nun gibt es Spezialsoftware, die eine Festplatte analysieren kann, um aus diesem Datenfriedhof mit Hilfe von KI wieder die Originaldaten zu rekonstruieren. Dies ist machbar, solange die Festplatte nicht physisch beschädigt ist.

Das war die letzte Hoffnung aller Beteiligten.

Doch gegen Mittag stand fest, dass die Spezialsoftware keine Chance hatte, denn die Daten waren nicht nur gelöscht worden, sondern die Bereiche, wo die Daten auf den Festplatten gestanden hatten, waren von einer eingeschleusten Schadsoftware mit lauter Nullen überschrieben worden. Damit waren die Daten endgültig zerstört und nicht mehr wiederherstellbar.

Drei Jahre Arbeit von drei internationalen Teams war mit einem Schlag zerstört worden.

Kapitel 3

Anna war mit dem ICE von Hamburg nach Berlin gekommen. In ihrem Schlepptau hatte sie Julia Thorwald, Starjournalistin beim Hamburger Wochenmagazin Planet.

Julia war damals in Gizeh dabei gewesen, als sie vor drei Jahren die unterirdische Bunkeranlage in Gizeh entdeckten.

Danach hatten sie sich ineinander verliebt und waren fast ein Jahr ein Paar gewesen.

Doch der temperamentvollen Julia, klein und rothaarig, immer auf der Suche nach der großen Story war die ruhige Anthropologin Anna einfach zu langweilig gewesen.

Dazu war gekommen, dass Anna immer noch nicht wusste, wollte sie jetzt lesbisch oder hetero oder beides sein.

Die intensive Liebe zwischen ihnen hatte sich abgekühlt und war einer losen Beziehung gewichen, in der Sex keine Rolle mehr spielte. Julia wollte den Kontakt zu Anna nicht ganz verlieren. Ihr Beweggrund war aber rein beruflicher Natur. Sie wollte als Erste die neuesten Forschungsergebnisse der präägyptischen Hochkultur im Planet verkünden. Deshalb hielt sie den Kontakt zu Anna aufrecht.

Im Augenblick war auch Julia Single, da sie seit Anna keine neue Freundin gefunden hatte.

Der Hack der drei Universitätsserver war im Internet rasch viral gegangen und so hatte sich Julia sofort bei Anna gemeldet, da sie messerscharf geschlossen hatte, dass das Zentrum der Ermittlungen Berlin sein würde.

Anna war es anfangs nicht recht gewesen, doch sie wusste, wenn Julia sich etwas in den Kopf gesetzt hatte, dann war es unmöglich, sie davon abzubringen.

Jetzt saßen Anna, Frank und Helmut Oberhauser, der Datenbankspezialist der Humboldt Universität im Polizeikommissariat Berlin Mitte bei Hauptkommissar Helmut Kopetzky und schilderten die Vorfälle der vergangenen Nacht.

Julia musste mit rund zwanzig anderen Journalisten vor dem Gebäude warten und durfte nicht hinein. Ihre Beziehung zu Anna hatte ihr nicht geholfen.

Erst am Nachmittag war eine Pressekonferenz angesetzt, wo dann alle zugleich informiert würden, wie ihnen ein Polizeimitarbeiter erklärt hatte.

Anna krachte der Magen, sie hatte im Morgengrauen nur einen Kaffee getrunken, bevor sie zum ICE gestürmt war. Jetzt war es zwei Uhr Nachmittag und sie hatte noch nichts gegessen.

Hauptkommissar Kopetzky stammte aus Dresden, war Mitte Fünfzig und noch in der ehemaligen DDR sozialisiert worden. Sein Hemd spannte heftig über seinem Bauch. Sein Gesicht war gerötet, denn er ärgerte sich mächtig, weil er mit dem Fall betraut worden war. Sein Englisch war grottenschlecht, dabei würde er auch mit den Ägyptern der Universität Kairo Kontakt pflegen müssen, was ihm gar nicht behagte.

Warum war für den Fall nicht Hamburg zuständig, wo doch der erste Einbruch dort stattgefunden hatte? Kopetzky verstand die Welt nicht. Er hätte gerne bis zu seiner Pensionierung eine ruhige Kugel geschoben.

Wenn da nicht heute Früh der Berliner Innensenator persönlich am Telefon gewesen wäre und ihm mit dem Fall betraut hätte. Das war absolut unüblich.

Dann hatte der Innensenator noch etwas von der Gründung einer länderübergreifenden SOKO erklärt, die Kopetzky leiten solle. Irgendetwas konnte hier nicht stimmen, ahnte Kopetzky. Er ärgerte sich, weil er nur ein kleines Rädchen war, in einem für ihn undurchschaubaren Getriebe.

Er dachte: „Warum haben die in Hamburg nicht anständig reagiert, als der Einbruch vor drei Tagen stattgefunden hat, wo sie diese Anna Steiner fast erschossen haben? Jetzt drehen oben plötzlich alle durch, nur weil ein paar Computer die Daten verloren haben. Jetzt schicken sie mich ins Feuer, wo ich doch von IT keine Ahnung habe.“

Professor Steiner verlor langsam die Nerven: „Jetzt sitzen wir hier seit fast zwei Stunden und erklären Ihnen, was passiert ist. Unsere Forschungsergebnisse dreier Jahre sind unwiederbringlich zerstört worden. Und Sie haben anscheinend keine Ahnung, was zu geschehen hat. Sie löchern uns mit Fragen, die keine Relevanz haben. Ich sage Ihnen, da waren Profis am Werk. Zuerst brechen sie in Hamburg ein und stehlen etwas. Wir wissen nicht einmal, was sie gestohlen haben, oder ob sie überhaupt etwas gestohlen haben. Denn die Datenbanken, die uns das zeigen könnten, sind plötzlich leer.

Wenn ich nicht bis gestern in Kairo gewesen wäre, hätte ich das schneller checken können.“

Ein vorwurfsvoller Blick traf dabei Anna, weil sie genau diese Recherche nicht durchgeführt hatte.

„Die Polizei in Hamburg hat gar nichts gemacht, außer ein Protokoll aufzunehmen. Das ist ein Skandal sondergleichen. Ich habe gute Lust, damit an die Presse zu gehen und das Verhalten der Polizei anzuprangern“, redete sich Professor Steiner in Rage.

Hauptkommissar Kopetzky schlug wütend mit der Faust auf den Besprechungstisch und rief: „Schluss jetzt, die Polizei kann nichts dafür, wenn Sie auf ihr altes Gerümpel nicht besser aufpassen können. Wieso liegen diese alten Dinger in Hamburg einfach in einem normalen ungesicherten Lagerraum, wenn sie angeblich so wertvoll sind? Wieso kann ihre IT ihre ach so wertvollen Daten nicht schützen? Von Ihrer Unfähigkeit abzulenken und die Polizei zu beschuldigen, das ist billig, das lasse ich mir nicht bieten. Die Besprechung ist beendet.“

Die nachfolgende Pressekonferenz geriet vollends zum Fiasko.

Nach wenigen Fragen hatten die Journalisten Professor Steiner und Hauptkommissar Kopetzky völlig aufgeblättert und die Schlagzeilen der großen deutschen Medien lauteten: „Schwere Sicherheitsmängel an der Universitäts-IT in ganz Deutschland“, „Polizei ohne IT-Kompetenz“, „Für die Menschheit unersetzliche Artefakte gestohlen“. Polizei und Universität wurden von den Journalisten in der Luft zerrissen. Alle Schlagzeilen waren nur Minuten nach der Pressekonferenz online zu lesen und wurden hunderttausende Male geklickt.

Anna hatte sich mit Julia nach der Pressekonferenz einen heftigen Streit geliefert, weil Julia bei der Pressekonferenz ihren Vater nicht unterstützt hatte. Sie hatte gar keine Fragen gestellt, sondern war still im Hintergrund geblieben.

Julia hatte daraufhin den ICE zurück nach Hamburg genommen, doch dann lautete die Schlagzeile des Hamburger Planet anders als die übrigen Headlines: „Wer will verhindern, dass die Geschichte der Menschheit neu geschrieben wird?“

Kapitel 4

Abends saß Professor Steiner in seiner Villa in Berlin Zehlendorf mit seiner Tochter und seiner Frau Elisabeth beim Abendessen und blies Trübsal.

„Meine Karriere ist im Arsch, dabei kann ich am wenigsten dafür, denn für die Sicherheit waren andere zuständig. Aber man wird mir das alles anhängen und das Projekt womöglich einstellen. Ich bin dann das Bauernopfer für eine völlig unfähige Verwaltung. Dabei weiß ich doch den wahren Grund. Die Universitäten haben zu wenig Geld, um eine wirkungsvolle Security betreiben zu können.“

„Reg dich nicht auf“, erklärte seine Frau Elisabeth, die von Archäologie keine Ahnung hatte, sondern sich als High Society Dame lieber in bester Gesellschaft herumtrieb. „Du bist immer noch der Entdecker des ganzen Schatzes und das meiste ist doch noch vorhanden, auch wenn ein paar Dinge von irgendwelchen Sammlern gestohlen worden sein sollten.“

Da rief Anna dazwischen: „Mama, du hast wirklich keine Ahnung, alles was wir übersetzt haben, ist weg. Die Motivation ist draußen, keiner im Team wird wieder bei null anfangen wollen. Alle Fotos, alle Dokumentationen, alle Forschungsergebnisse, alles ist gelöscht und überschrieben worden. Auf der Geschichte der Menschheit lastet anscheinend ein Fluch. Sie soll nicht umgeschrieben werden. Das bringt uns allen nur Unglück.“

„Seit wann ist meine Tochter abergläubisch“, seufzte Frank. „Hier waren echte Profis am Werk. Oberhauser hat mir gesagt, was sie in der IT herausgefunden haben. Bevor die Daten gelöscht wurden, wurden sie abgesaugt und irgendwohin kopiert. Das konnten die Forensiker inzwischen einwandfrei feststellen.

Jemand will die Daten selbst auswerten und uns gleichzeitig daran hindern, dass wir damit arbeiten.“

„Wer sollte das bitte sein, eine andere Universität?“, warf Anna ein. „Das macht doch keinen Sinn, denn keiner, der die Daten hat, kann die Ergebnisse publizieren, da er sich damit verraten würde.“

Der Professor seufzte abermals und meinte: „Vermutlich bin ich schuld an dem ganzen Desaster. Denn du weißt nicht alles. Es gibt ein Geheimnis, das ich hier nicht sagen kann.“

Elisabeth spitzte die Ohren und meinte: „Vielleicht können wir dir helfen, wenn du es uns verrätst.“

„Nein, meine Liebe, es würde dich nur belasten, es hat nichts mit uns zu tun. Ich darf es euch nicht sagen.“

„Gut, dann eben nicht“, schmollte Elisabeth und ging ins Wohnzimmer zum TV-Gerät, während das Dienstmädchen die Reste des Abendessens wegräumte.

Anna sah ihren Vater fragend an und sagte nichts.

Dieser murmelte leise: „Komm mit“ und ging in Richtung Arbeitszimmer. Anna folgte unauffällig, so dass die Mutter im Wohnzimmer nichts mitbekam.

Frank schloss leise die Tür zum Arbeitszimmer und sie nahmen in der kleinen Polstersitzgarnitur Platz, die vor der großen Bücherwand stand.

Frank begann mit leiser Stimme: „Ich hätte dich schon früher ins Vertrauen ziehen sollen, doch die Ägypter hatten von mir verlangt, zu schweigen. Niemand sollte erfahren, worum es wirklich geht.

Du erinnerst dich an den großen Galaempfang in der Hamburger Elbphilharmonie vor drei Jahren, wo die Entdeckung der präägyptischen Zivilisation offiziell der Welt vorgestellt wurde und wir alle groß gefeiert wurden.“

„Wie könnte ich das je vergessen“, warf Anna ein. „Einer der schönsten Tage meines Lebens“, sagte sie und musste dabei an Julia denken, wie sie Hand in Hand als Paar dort gestanden hatten.

„Nach dem offiziellen Teil wurde ich von zwei Ägyptern mit einer Waffe bedroht und im darauffolgenden Gespräch haben sie mich überredet, mit ihnen zusammenzuarbeiten.“

„Und das erfahre ich erst jetzt!“, entfuhr es Anna.

„Du weißt nicht, was mir die Ägypter gesagt haben. Sie sind Teil der Organisation TOTH, zu der ich seit damals auch gehöre. Daher die Geheimhaltung.“

„Mein Vater Mitglied in einer Geheimorganisation, ich pack es nicht.“

„Die Aufgabe von TOTH ist, die Menschheit vor sich selbst zu beschützen. Nicht mehr und nicht weniger. TOTH hat Jahrtausende lang erfolgreich verhindert, dass die Bunkeranlage beziehungsweise die Kammer des Wissens von der Menschheit entdeckt wurde. Bis ich gekommen bin und das verdammte Papyrus mit dem Testament der ISIS gekauft habe.

Dabei wollten die TOTH-Leute nur, dass ich das Papyrus außer Landes schmuggle und ihnen dann wieder zurückgebe. Sie wussten nicht, dass ich in Berlin Ägyptologie-Professor bin und Papyri lesen kann. Hätte ich ihnen die Blätter doch bloß zurückgegeben, wie sie es verlangt hatten. Doch nein, ich wollte unbedingt wissen, was da drin stand. Mein Ehrgeiz war geweckt und es war dann auch die größte Entdeckung meines Lebens.“

„Ja, weil Fabian Kuntner am KIT die Übersetzung hinbekommen hat und wir die Kammer des Wissens ohne dein Einverständnis und ohne dein Beisein wirklich gefunden haben“, warf Anna ein.

„Als ihr gerade nach Ägypten aufgebrochen wart, du, Fabian und Julia, da hattet ihr keine Ahnung, dass meine Villa hier gerade in die Luft gesprengt worden ist und ich von Unbekannten mit Maschinenpistolen quer durch Berlin gejagt worden bin.

Wenn Hans Bäumlers Security Leute mich nicht gerettet und nach Dresden verfrachtet hätten, wäre ich längst tot. Das war der Grund, warum ich damals die Aktion abbrechen wollte.“

„Paps, die Geschichte kenne ich längst. Dein Vorgänger als Grabungsleiter von Gizeh ging über Leichen, weil er nicht wollte, dass die Geschichte Ägyptens umgeschrieben wird. Aber der Typ ist doch längst tot. Wo ist das Problem?“

„Der Typ hat bei seinen eigenen illegalen Grabungen die Papyri mit dem Testament der ISIS gefunden und die TOTH-Leute haben es ihm abgenommen und mich benutzt, die Blätter außer Landes zu bringen, damit er keinen Zugriff darauf hat. Denn sie fürchteten, dass auf den Blättern echtes Geheimwissen enthalten sein könnte.“

„Das hat doch gestimmt, es war der Zugang zur geheimen Kammer des Wissens auf den Blättern enthalten“, unterbrach Anna.

„Ja, aber der verdammte Mist ist, dass wir jetzt zehntausende Papyri in unserem Besitz haben, die zwischen luftdicht verschlossenen Glasplatten bestens erhalten sind. Wir haben erst einen Bruchteil übersetzt und mein TOTH-Job besteht darin, sicherzustellen, dass das echte Geheimwissen nicht gefunden wird, da es uns alle vernichten würde. Denn dieses Wissen hat damals vor mehr als zehntauend Jahren Atlantis von der Erdoberfläche verschwinden lassen.

Die Menschen waren damals nicht reif genug, mit diesem Wissen umzugehen, und sie sind es auch heute nicht.“

„Du sprichst in Rätseln, heute haben wir Atomwaffen und können damit umgehen. Wenn das Testament der ISIS stimmt, dann hatten sie damals auch schon Atomwaffen und haben sie auch eingesetzt. Aber Gizeh wurde nicht durch Atomwaffen zerstört, die Pyramiden weisen keine Strahlungsreste auf.“

„Es gibt schlimmere Waffen als Atomwaffen“, fuhr Frank fort.

„Die TOTH-Leute sprachen von Antigravitation und Antimateriewaffen. Damit kannst du alles auslöschen, was aus Materie besteht und das darf nie in die falschen Hände gelangen. Deshalb bin ich auf den Deal mit TOTH eingegangen.“

„Aber keine der bisherigen Übersetzungen hat doch einen Hinweis darauf ergeben“, widersprach Anna. „Da war es doch immer nur um Landwirtschaft, Medizin und Astronomie gegangen. Nach dem bisherigen Stand der Übersetzungen waren diese Atlantiden entwicklungsgeschichtlich irgendwo zwischen europäischem Mittelalter und der Gegenwart angesiedelt. Maschinenpistolen und Elektrizität gibt es bei uns auch erst seit knapp mehr als hundert Jahren. Mehr an High Tech wurde doch nicht gefunden.

Kann es nicht sein, dass das ganze nur eine Erfindung ist, um allzu Neugierige von der Erforschung von Atlantis abzuhalten.“

„Schön wäre es, aber warum gibt es dann Leute, die unsere Ergebnisse stehlen und unsere Datenbanken löschen.“

„Wir sind jetzt ausgeschaltet, was die Forschung betrifft. Wenn es keine weiteren Finanzmittel geben wird, und davon gehe ich nach den jüngsten Ereignissen aus, kommen die nicht übersetzten Papyri wieder in einen Tresor für die nächsten zehntausend Jahre und sind niemandem zugänglich“, erklärte Frank.

„Paps, hast du von Technik wirklich keine Ahnung? Wir haben doch in den Datenbanken auch alle Bilder der noch nicht übersetzten Papyri drin. Die hat jetzt jemand, der sie zwar nicht lesen kann, der aber alles daransetzen wird, sie mit Hilfe von künstlicher Intelligenz zu entziffern.

Wenn den Leuten das gelingt, können sie womöglich eine solche Waffe nachbauen und die Weltherrschaft an sich reißen.“

Frank wurde blass. „Du hast recht, die Daten sind in den falschen Händen, was sollen wir bloß machen, die Gefahr für die Menschheit ist riesig und ich bin schuld daran. Wir können nur hoffen, dass denen die Übersetzung nicht gelingt oder dass alles doch bloß ein Märchen war.“

Kapitel 5

Annas Smartphone gab einen penetranten Ton von sich. „Fabian“, dachte Anna sofort, denn sie hatte einen eigenen Klingelton für Fabian eingespeichert, den sie seit dem Ende ihrer Beziehung immer noch nicht gelöscht hatte. Denn Fabian rief eigentlich nie an. Was wollte er jetzt?

Als Anna das Gespräch annahm, sprudelte es aus einem völlig euphorischen Fabian nur so heraus. Anna verstand die Hälfte nicht, da Fabian so schnell redete.

Frank brummte: „Was will denn der jetzt noch, das Projekt ist tot, und wir vielleicht auch bald.“

„Moment, Moment, langsam, ich schalte auf Lautsprecher, Paps sitzt neben mir, wir sind grad sehr deprimiert wegen unserem Projekt“, unterbrach Anna den Redefluss von Fabian.

Frank warf ihr einen strengen Blick zu und legte den Finger auf seine Lippen. Anna verstand und nickte. Sie würde Fabian nichts über TOTH erzählen.

Fabian Kuntner war inzwischen zum Projektleiter am KIT, dem Karlsruhe Institut für Technologie, aufgerückt und überwachte unter anderem die KI-Übersetzungssoftware für die Hieroglyphen. Alle Übersetzungen waren am KIT erfolgt. Dummerweise hatte der Professor drauf bestanden, dass es am KIT keine Backups gab, sondern alles auf die Universitätsserver verschoben worden war. Dies hatte Frank mit dem Hintergedanken an TOTH und an die nötige Geheimhaltung veranlasst. Jetzt könnte er sich dafür ohrfeigen. Wobei die Hacker vermutlich auch das KIT gehackt hätten und auch dort die Daten gelöscht hätten, wenn es dort welche gegeben hätte.

Doch nun hatte Fabian auf Bildschirmtelefon umgeschaltet und Anna konnte sehen, dass neben ihm noch jemand saß. Eine hässliche Rothaarige mit Sommersprossen, viel zu großer Nase und einer Computerbrille. Ihre ungepflegten Haare hingen wirr über ihre Stirn.

Fabian hatte den Arm um sie gelegt und sagte: „Darf ich vorstellen, Tina Ohlsen, unsere Rettung und seit kurzem meine Freundin. Wir haben uns beim letzten Institutsfest kennen gelernt und dann ist da mehr draus geworden.“ Bei diesen Worten grinste er schelmisch. Anna gab es einen Stich.

Sie hatte Fabian einmal geliebt, doch dann war sie in Ägypten Julia nähergekommen. Fabian hatte sich in dem Tunnelsystem als echter Feigling und Angsthase erwiesen und Julia hatte die Heldin gegeben. So war die Beziehung zwischen ihnen zerbrochen.

Doch war das jetzt der gleiche Fabian, wie vor drei Jahren, als Anna sein Bild am Smartphone betrachtete. Groß und dünn, aber jetzt vor Selbstbewusstsein strotzend, wirkte er auf sie ganz anders als früher.

„Jetzt hat er wieder eine Freundin“, musste Anna denken und verscheuchte ihre aufkommende Eifersucht und aktivierte stattdessen die Kamera des Smartphones, so dass sie und ihr Vater für Fabian und Tina sichtbar wurden.

„Ich lass das Tina erklären, denn sie hat es gemacht“, rief Fabian quietschvergnügt und drückte Tina fester an sich.

Tina legte auch sogleich mit schwedischem Akzent los. Schließlich stammte sie aus Uppsala, der tiefen schwedischen Provinz.

„Als mir Fabian erzählt hat, wie euch die Ägypter damals vor drei Jahren beinahe umgebracht hätten, war mir klar, dass ihr ein Security Problem habt. Das war vor vier Monaten. Ich bin in euer Projekt nur am Rande involviert, mein Spezialgebiet ist die IT-Security und die Kryptographie. Deshalb hat mich Fabian bei ein paar besonders unlösbaren Textstellen kontaktiert und so haben wir uns kennengelernt.“

Sie warf Fabian einen liebevollen Blick zu.

„Ihr wart viel zu sorglos mit dem Vermächtnis dieser alten Zivilisation, und daher dachte ich mir, ich baue euch ein weiteres Backup, das aber niemand kennt. Denn nur was niemand kennt, ist auch sicher.

Daher habe ich schon längst vor diesen Typen eure schlecht gesicherten Universitätsserver gehackt. Es war wirklich ein Kinderspiel, dort reinzukommen. Dann habe ich über ein Backdoor eine automatische Absaugung der Daten eingebaut und diese auf einen Server im Darknet umgeleitet, der normalerweise für illegale Kryptowährungen verwendet wird. Dort ein paar Terabyte Speicherplatz abzuzweigen ist niemandem aufgefallen.

Langer Rede kurzer Sinn, alle eure Daten sind sicher vorhanden. Ihr könnt sie wieder haben, mit Datenstand von vorgestern.“

Dem Professor stand der Mund offen, er wusste nicht, was er sagen sollte, als Tina fortfuhr: „Aber an eurer Stelle würde ich das nicht laut verkünden, denn dann sind die Daten bald wieder weg, wenn ihr eure Sicherheitslecks nicht stopfen könnt. Ihr wisst nicht, wer eure Gegner sind.“

Anna hatte sich wieder gefangen: „Wir wissen gar nicht, wie wir euch danken sollen, dir Tina ganz im Besonderen. Aber wenn wir jetzt weiterarbeiten, dann fällt das doch auf. Dann wissen doch alle, dass die Daten wieder da sind.“

Da schaltete sich Fabian ein: „Es sind auch alle Fotos wieder da, ihr könnt herausfinden, was in Hamburg gestohlen worden ist, dann haben wir eine Idee, worum es den Gangstern wirklich geht.“

„Gute Idee,“ meinte Tina, „denn ich vermute, ihr habt ein Virus in eurem System, mit dessen Hilfe die Typen genau mitverfolgen können, was ihr gerade macht. Sie haben euch drei Jahre lang in Ruhe arbeiten lassen, und jetzt plötzlich schlagen sie zu. Denkt doch einmal nach, was ihr in der letzten Zeit an neuen Erkenntnissen gewonnen habt. Vielleicht gibt es da einen Hinweis.“

Der Professor erklärte resigniert: „Wie sollen wir das am Universitätsserver hinbekommen, wenn der Feind schon im System ist und unsere IT-Security keine Ahnung hat, wie sie das Problem lösen soll. Die Gegenseite weiß dann doch alles, was wir unternehmen.“

„Ist der Darknet Server wirklich sicher?“, wollte Anna von Tina wissen.

„Absolut, denn etliche Leute vom KIT verwenden ihn für nicht ganz offizielle Aktivitäten, sozusagen für kleine Nebenjobs, die oft sehr gut bezahlt werden.

Wir sind daher gezwungen, die Security auf Geheimdienstniveau zu halten. Einige Exagenten arbeiten für uns. Aber keine Sorge, das sind Amerikaner, die auf die USA nicht gut zu sprechen sind, da sie von den US-Diensten nur ausgenützt worden sind.

Dem Professor schauderte es: „Wo bin ich hier hin geraten, ich will mit Geheimdiensten nichts zu tun haben.“

„Paps, denk an unser Gespräch von vorhin und deine Rolle im Projekt. Du steckst mittendrin und das kannst du auch nicht mehr ändern“, erinnerte ihn Anna mit einem strafenden Seitenblick.

Vor dem geistigen Auge des Professors erschien sein eigenes Begräbnis, wie der Innensenator eine verlogene Grabrede hielt und ihn lobte, weil er im Dienste der Archäologie leider sein Leben lassen musste.

Tina war da praktischer veranlagt und erklärte: „Wir holen die Daten zurück auf den KIT-Server und sehen, was wir analysieren können. Dann sehen wir weiter. Ihr müsst ein paar Tage ohne eure Daten auskommen, schafft ihr das?“

„Das werden wir wohl müssen“, erklärte Anna. „Schickt uns nur die Inventarliste für Hamburg, dann können wir feststellen, was eigentlich gestohlen worden ist.“

Kapitel 6 – 1 Woche später

Anna lehnt sich erschöpft in ihrem Drehstuhl zurück. Es war eine harte Woche gewesen, sie hatte zusammen mit zwei vertrauenswürdigen Assistenten die von Fabian erhaltene Inventarliste abgearbeitet.

Die Assistenten hatten vorher eine Geheimhaltungserklärung unterzeichnen müssen, die ihnen untersagte, irgendjemandem mittzuteilen, dass die Daten wieder verfügbar waren.

Sie hatten sich im Papyrusarchiv drei provisorische Arbeitsplätze eingerichtet und arbeiteten dort mit Notebooks ohne WLAN und ohne Internetverbindung. Sie hatten die Inventarlisten offline auf den Geräten installiert und arbeiteten mit EXCEL Tabellen, um keine Datenbankspuren zu hinterlassen.

Dadurch ging alles entsprechend langsamer und ihre Arbeitstage hatten plötzlich sechzehn Stunden.

Doch Anna wollte nicht weitere Leute ins Vertrauen ziehen, da ihr das Risiko einer undichten Stelle zu groß geworden war.

Jetzt aber waren sie im Schnellverfahren durch und hatten herausgefunden, was die Einbrecher gestohlen hatten.

Es waren bloß drei bestimmte Blätter gewesen. Wenn sie das Backup von Tina nicht gehabt hätten, würde niemand je herausfinden können, was genau verschwunden war.

Doch nun hatte Anna die Texte der drei Blätter auf ihrem Notebookbildschirm. Sie freute sich, denn es handelte sich um zwei bereits übersetzte Texte, nur das dritte Blatt war noch ausständig.

Gleichzeitig bestätigte dies den Verdacht, dass die ganze Zeit von Dritten im System der Universität mitgelesen worden war. Die Hacker mussten von Anfang an ins System eingedrungen sein und hatten nur auf entscheidende Informationen gewartet.

Aber was sollten das für entscheidende Informationen sein, die auf den Blättern enthalten waren. Anna las sich die Texte durch und konnte nichts finden, was einen Diebstahl rechtfertigen würde. Oder übersah sie Entscheidendes.

Ihren beiden Assistenten hatte sie gedankt und ihnen eine Bonuszahlung für den nächsten Gehaltszettel versprochen. Dann hatte sie die beiden nach Hause geschickt.

Es war wieder einmal spät geworden. Ihr Smartphone zeigte zweiundzwanzig Uhr. Sie war alleine im Institut.

Doch heute hatte sie eine Glock Neunmillimeter Pistole in ihrer Handtasche, die sie ständig bei sich trug, auch wenn sie nur zum Getränkeautomaten ging.

Sie rief Fabian via WhatsApp an und baute eine verschlüsselte Videokonferenz auf, um ihm von dem Ergebnis zu berichten.

Es irritierte sie immer noch, dass auch Tina in Fabians Wohnung war, noch dazu nur in Unterwäsche.

„Ich hoffe, ich störe nicht“, begann Anna das Gespräch.

„Keineswegs, was gibt es so Wichtiges, dass du mitten in der Nacht anrufst“, log Fabian.

Tina seufzte sichtbar im Hintergrund.

„Wir haben die gestohlenen Texte identifiziert“, flötete Anna ins Telefon.

„Hat das nicht bis Morgen Zeit?“, mischte sich Tina ins Gespräch.

„Ich vermute, dass die Texte doppelt verschlüsselt sind“, erklärte Anna, „da werden wir wahrscheinlich eure Hilfe brauchen. Denn wir haben bereits eine Übersetzung vom KIT, aber die gibt irgendwie keinen Sinn. Da muss mehr dahinterstecken, als auf den ersten Blick zu sehen ist.“

„Das ist aber eine längere Geschichte“, warf Fabian ein, „das schaffen wir heute Abend sicher nicht mehr.“

„Lass gut sein Fabian, sie gibt ja doch keine Ruhe und jetzt bin ich neugierig“, ließ Tina plötzlich verlauten. „Ich ziehe mir nur schnell etwas über. Dann reden wir über die Texte.“

Jetzt war es an Fabian, verstimmt zu sein: „Anna, den heutigen Abend hatte ich mir eigentlich anders vorgestellt“, grummelte er ins Telefon.

„Ich habe jetzt eine Woche mit meinem Team jeden Tag bis in die Nacht durchgearbeitet, da kannst du auch ein wenig auf dein Vergnügen verzichten, das ist nur fair“, platzte Anna heraus, die sich ihre Eifersucht auf Tina nicht eingestehen wollte. Es ärgerte sie, dass so ein weiblicher Nerd, so eine Vogelscheuche, ihre Nachfolgerin bei Fabian sein konnte.

Fabian hatte sich in den letzten Jahren zu einem sehr gut aussehenden muskulösen Mann entwickelt, der gerade die Dreißig erreicht hatte. Als er noch mit Anna zusammen war, hatte er viel mehr verweichlicht und schwächlich gewirkt. Jetzt war er nicht wiederzuerkennen, was Anna zusätzlich ärgerte. Schließlich war sie es, die ihn verlassen hatte wegen ihrer äußerst erotischen Beziehung zu Julia, die dann nach zwei Jahren in die Brüche gegangen war.

Seither war Anna Single und kam mit ihrer Situation nicht so gut zurecht. Sie dachte immer, dass Fabian auch Single sei und es eventuell eine zweite Chance für sie gäbe. Doch jetzt war Tina aufgetaucht und die Idee einer Versöhnung mit Fabian war wie eine Seifenblase zerplatzt.

Tina erschien angezogen wieder im Bild und erklärte: „Also was steht in den Texten jetzt drin, spann uns nicht auf die Folter.“

Anna wedelte mit einem Papyrusblatt herum und begann vorzulesen.

„Im Auftrag und Befolgung der Befehle von Marschall Thot ist diese Anleitung zur Nestpflege zu verstehen und zu lesen.

Die Nester sind mit allem Nötigen auszustatten und immer warm zu halten. Den Dienern der Nester ist in allen Belangen zu gehorchen und das Futter für die Donnervögel ist unter allen Umständen bereitzustellen.

Probleme bei der Futterbeschaffung sind so rechtzeitig zu melden, dass Lieferungen von anderen Nestern umgeleitet werden können.

Den Anweisungen der Dompteure der Donnervögel ist durch die Diener der Nester immer Folge zu leisten.

Kein Nest darf unbewacht bleiben und niemand ist befugt, die Orte der Nester bekannt zu geben.

Die Vogelpflege umfasst alle Gelenke, Flügel und Krallen. Diese müssen immer beweglich und stabil bleiben. Aber am wichtigsten ist die Aufrechterhaltung der Verbindung des Vogels zur göttlichen Kraft, die in seinen Kristallen gespeichert ist. Sollte diese Verbindung verloren gehen, stirbt der Donnervogel und kann nicht mehr zum Leben erweckt werden.

Zum Schluss ein Aufruf an alle Nichtswürdigen. Wollt ihr aufsteigen und nach langen Lehrjahren zu den Weihen eines Dompteurs der Donnervögel gelangen? Dann meldet euch bei einem der Stützpunkte von Marschall Thot und legt eure Fähigkeiten dar. Als Donnervogeldompteur könnt Ihr Würde und göttliches Ansehen gewinnen. Die Stützpunktkarten weisen euch den Weg.“

„Da stehen doch keinerlei neue Informationen drin“, rief Fabian enttäuschst aus.

„Mit den Donnervögeln sind die alten Düsenflieger gemeint, das wissen wir doch längst, aber niemand hat irgendeine Spur von denen je gefunden. Die Nester sind vermutlich die Fliegerhorste. Komisch, dass zehntausend Jahre später immer noch von Fliegerhorsten die Rede ist, wenn Flugplätze für Militärjets gemeint sind.“

„Das soll der ganze Text sein“, meinte Tina trocken. „Du hast doch noch mehr Blätter.

„Der Hinweis auf die göttliche Kraft, die in den Kristallen gespeichert ist, den hatten wir noch nirgendwo gefunden“, erklärte Anna, die um die Geheimnisse von TOTH wusste, dies aber den anderen nicht sagen durfte.

„Ich wüsste nicht, wie wir hier mit einer weiteren Entschlüsselung beginnen könnten. Für mich sind das Überschriften ohne zugehörigen Text“, erklärte Tina.

„Am zweiten Blatt steht auch nicht viel mehr, das spare ich euch jetzt“, erklärte Anna.

„Am dritten Blatt aber sind eure Übersetzungsversuche bisher schon dreimal gescheitert. Es ist nur eines sicher, die drei Blätter gehören zusammen. Sie wurden auch gemeinsam gefunden. Alle drei haben in der rechten oberen Ecke die gleiche Hieroglyphe als Kennung. Wir haben oft solche Kennungen bei zusammengehörigen Blättern gefunden. Die Kennung dieser Blätter ist der Ibis. Dieser Vogel ist das Symbol des ägyptischen Gottes Toth.

Nach der ägyptischen Mythologie ist Toth Gott des Schreibens, der Rechenkunst und des Wissens. Er soll den Menschen die Sprache und Schrift geschenkt haben und ist Schutzgottheit von Archiven und Bibliotheken, wie dem „Haus des Lebens“, wo das Wissen der Ägypter aufbewahrt wurde.

Er soll Urheber von allerlei Schriften sein, z.B. Verträgen, Gesetzen, dem Totenbuch, bestimmten Ritualen und Zaubersprüchen, die selbst andere Götter nicht wussten. Das gab ihm eine ungeheure Macht. Da die Ärzte der Ägypter gerne auf Zauber zurückgriffen, war Thoth auch der Patron der Heiler.

Durch seine große Zauberkraft sollen Thots Worte Götter, Menschen und Dinge erschaffen haben.

Aber durch das Testament der ISIS wissen wir, dass Toth kein Gott war, sondern Oberkommandierender der präägyptischen Streitkräfte im Raum Griechenland, zu dem auch die Provinz Ägypten gehörte. Sein Hauptquartier lag irgendwo in den Bergen des Olymp und konnte bisher trotz intensivster Suche nicht gefunden werden.“

„Habe ich das Blatt auch schon gesehen?“, wollte Tina wissen.

„Keine Ahnung“, erklärte Anna und hielt das Blatt in die Kamera ihres Smartphones.

„Das ist zu klein, da kann ich doch nichts erkennen. Mach ein Foto und schick es uns, dann starte ich noch einen Versuch.“

„Dann ist unser kuscheliger Abend endgültig Geschichte“, ärgerte sich Fabian.

„Ich liebe dich, auch wenn du dich ärgerst.“ Tina sah ihn erwartungsvoll an.

„Ich lade das Bild in den KIT-Rechner und starte das Tool. Das dauert zehn Minuten und danach haben wir ganz viel Zeit für uns“, flötete sie.

Fabian musste grinsen, so sah die Sache gleich anders aus.

Anna musste zusehen, wie die beiden sich verliebt ansahen, während sie das Bild des Papyrus übermittelte.

Tina klappte ihr Notebook auf und warf einen Blick auf das Blatt und die Texte der beiden anderen Blätter und meinte: „Nein, die kenne ich sicher noch nicht, bei dem Projektteil war ich nicht involviert. Aber ich habe eine Idee. Im Text ist doch von einer Stützpunktkarte die Rede. Was ist, wenn der dritte Text die Karte ist.“

„Tina, ich glaub, das ist Unsinn“, warf Fabian ein. „Ich habe mich mit den Hieroglyphen schon länger beschäftigt. Aus Hieroglyphen kann nie eine Landkarte werden. Die muss gezeichnet werden, sonst geht das nicht.“

„Lieber Fabian, denk doch einmal so, wie eine KI denken würde, falls du das kannst“, spottete Tina. „Schon mal an Koordinatensysteme gedacht. Da schau her, hier sind mir viel zu viele einzelne Striche und Punkte auf dem Blatt. Die Hieroglyphen dazwischen sind vielleicht die Namen der Koordinatenpunkte. Da braucht es jetzt nur mehr das richtige Koordinatensystem, in das die Koordinatenpunkte hineinpassen. Auf diese Idee seid ihr noch nicht gekommen.“

Fabian staunte und erklärte daraufhin: „Dann laden wir die alten Landkarten, die wir haben, auch noch in die KI und erklären, wonach sie suchen soll.“

„Vergesst dabei nicht, dass die Küstenlinien vor zwölftausend Jahren andere waren als heute. Der Meeresspiegel ist um mehr als hundertzwanzig Meter angestiegen, seit dem Ende der letzten Eiszeit“, warf Anna jetzt ein.

„Dazu müssen wir morgen ins Institut“, erklärte Tina mit einem Lächeln, „und daher haben wir heute frei.“

Sie legte zärtlich ihren Arm um Fabian und beendete die Webkonferenz mit Anna.

Kapitel 7 – 2 Tage später

Universitätsprofessorin DDr. Stefanie Rubinstein war eine viel beschäftigte Person. Als Managerin und Professorin leitete sie das Institut für KI am KIT. Die Entdeckungen von Anna und Fabian hatten auch sie berühmt gemacht, da sie die Chefin von Fabian war und damit ihr Institut groß in die Presse gekommen war. „KI hilft die menschliche Geschichte neu zu schreiben“, „Ohne KI keine Archäologie mehr möglich“, waren einige der Schlagzeilen von vor drei Jahren gewesen.

Es war Freitagabend, fast alle hatten das Institut schon verlassen und sie hatte endlich Zeit gefunden, sich von Fabian die Ereignisse der letzten Tage berichten zu lassen.

Fabian war inzwischen zu ihrem Stellvertreter ernannt worden und konnte es sich leisten, lässig in der Sitzgarnitur zu lümmeln, die im großen Büro der Chefin an der Fensterfront stand. Rubinstein, wie immer im Top Businesskostüm und voll gestylt, saß ihm gegenüber.

Fabian musste die Sache mit dem Hacking der Universitätsserver natürlich etwas anders darstellen als es gewesen war, sonst wäre Tina als die böse Hackerin dagestanden. So aber hatte sie nur eine zusätzliche Backup Kopie der übersetzten Daten angefertigt. Sie hatte auch nichts von der Verpflichtung gewusst, dass es keine Kopien am KIT geben sollte.

Fabian konnte Rubinstein leicht überzeugen, dass niemand fragen würde, wieso es diese Kopie gab, da alle froh waren, die Daten wieder zu haben.

Doch Rubinstein erkannte sofort, dass hier etwas Illegales geschehen sein musste: „Dann erkläre mir bitte, lieber Fabian, wie es sein kann, dass auch die noch nicht übersetzten Daten wieder da sind. Denn diese haben wir noch gar nicht bekommen, da die Archäologen noch an den Vorarbeiten waren.“

Als Fabian antworten wollte, ging der Alarm los. Die durchdringenden Sirenen des Feueralarms schrillten durch das Gebäude.

Beide sprangen auf und rannten zur Tür, als eine Explosion das Gebäude erschütterte.

Das Licht am Flur flackerte. Sie rannten den Flur entlang in Richtung Stiegenhaus. Da sahen sie zwei schwarzgekleidete Gestalten die Treppen herunterkommen. Schwarze Sturmhauben verdeckten die Gesichter.

Fabian erfasste die Situation sofort und rief Stefanie zu: „In Deckung, die sind gefährlich!“ Dann hechtete er in eine Türnische, um nicht gesehen zu werden.