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Beschreibung

Wie große Unternehmerfamilien von Fugger bis Quandt unser Land geprägt haben

Henkel, Porsche, Miele, Krupp oder Faber-Castell. Diese Namen sind allseits bekannt, doch wer waren die Menschen, die diese Firmen gründeten? Wer sind die Familien, deren Erzeugnisse seit Jahrzehnten, teils seit Jahrhunderten – nicht immer zu Recht – für deutsche Qualität und Wertarbeit stehen? Über Generationen hinweg schafften sie es, ihre Unternehmen erfolgreich zu führen und in der Familie zu halten. So prägten Unternehmerdynastien nicht nur die deutsche Wirtschaft, sondern das ganze Land. Sie beeinflussten die Politik, trieben technische und soziale Entwicklungen voran und gründeten sogar ganze Städte. Dieses Buch erzählt von den wichtigen Familien der deutschen Wirtschaft: Wie sie reich und mächtig wurden, welche Streitigkeiten sie auszustehen hatten – und wo sie scheiterten.

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Wie große Unternehmerfamilien von Fugger bis Quandt unser Land geprägt haben

Henkel, Porsche, Miele, Krupp oder Faber-Castell. Die Namen sind allseits bekannt, doch wer waren die Menschen, die diese Firmen gründeten? Wer sind die Familien, deren Erzeugnisse seit Jahrzehnten, wenn nicht Jahrhunderten – nicht immer zu Recht – für deutsche Qualität und Wertarbeit stehen? Über Generationen hinweg schafften sie es, ihre Unternehmen erfolgreich zu führen und in der Familie zu halten. So prägten Unternehmerdynastien nicht nur die deutsche Wirtschaft, sondern das ganze Land. Sie beeinflussten die Politik, trieben technische und soziale Entwicklungen voran und gründeten sogar ganze Städte. Dieses Buch erzählt von den wichtigen Familien der deutschen Wirtschaft: Wie sie reich und mächtig wurden, welche Streitigkeiten sie auszustehen hatten – und wo sie scheiterten.

Joachim Mohr, geboren 1962, hat Zeitgeschichte, Deutsche Literatur und Linguistik studiert. Seit 1993 ist er Redakteur beim SPIEGEL, zunächst im Ressort Innenpolitik, inzwischen schreibt er für das Ressort Geschichte. Er ist Autor und Herausgeber mehrerer Bücher, darunter die SPIEGEL-Bücher »Das Kaiserreich« (2014), »Die Weimarer Republik« (2015) und »Die Gründerzeit« (2019).

Eva-Maria Schnurr, geboren 1974, ist seit 2013 Redakteurin beim SPIEGEL und verantwortet seit 2017 die Heftreihe SPIEGEL Geschichte. Zuvor arbeitete die promovierte Historikerin als freie Journalistin, unter anderem für »Zeit« und »Stern«. Sie ist Herausgeberin zahlreicher SPIEGEL-Bücher. Zuletzt erschienen »Die Macht der Geheimdienste« (2020), »Die Welt des Adels« (2021) und »Deutschland in den Goldenen Zwanzigern« (2021).

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Joachim Mohr und Eva-Maria Schnurr (Hg.)

DASGEHEIMNISDESERFOLGS

Deutsche Wirtschaftsdynastien und ihr Weg zu Macht und Weltruhm

Ein SPIEGEL-Buch

Mit Beiträgen von

Johannes Bähr, Christoph Gunkel, Ruth Hoffmann, Katja Iken, Michael Kißener, Uwe Klußmann, Armin Mahler, Joachim Mohr, Frank Patalong, Martin Pfaffenzeller, Simone Salden, Eva-Maria Schnurr, Johannes Saltzwedel, Joachim Scholtyseck, Benno Stieber, Volker Weidermann, Klaus Wiegrefe

Deutsche Verlags-Anstalt

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.Die Texte dieses Buches sind erstmals in dem Magazin »Dynastien der deutschen Wirtschaft. Ihr Aufstieg, ihr Reichtum, ihre Skandale« (Heft 4 / 2020) aus der Reihe SPIEGEL Geschichte erschienen.Copyright © 2021 by Deutsche Verlags-Anstalt, München, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 Münchenund SPIEGEL-Verlag Rudolf Augstein GmbH, Hamburg, Ericusspitze 1, 20457 HamburgUmschlaggestaltung: Büro Jorge Schmidt, MünchenUmschlagabbildungen Vorderseite (beginnend v. o. l.): Imagno/Hulton Archive/Getty Images; © Christie‘s Images/Bridgeman Images; picture-alliance/dpa/Boris Roessler; akg-images/Interfoto; Heritage Images/Hulton Archive/Getty Images; © SZ Photo/Scherl/Bridgeman ImagesUmschlagabbildungen Rückseite: Imagno/Hulton Archive/Getty ImagesSatz: Vornehm Mediengestaltung, München978-3-641-28231-8www.dva.de

Monumental: Das Familienporträt malte der schottische Maler George Harcourt 1930/31 nach einem Foto. Es zeigt Bertha und Gustav Krupp von Bohlen und Halbach mit ihren Kindern. Quelle: Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung / Anne Stoll

Industriearchitektur: Die AEG-Turbinenfabrik in der Huttenstraße 12–19 im Berliner Ortsteil Moabit wurde von Peter Behrens erbaut. Quelle: bpk / Georg Büxenstein Co

INHALT

VORWORT

»DERFAMILIÄREZUSAMMENHALTGARANTIERTEDENERFOLG«

VOMURURURURURURURURURURURURURURURGROSSVATER

IMMERTREU

ALSDEMENGELFLÜGELWUCHSEN

DIEFRAU, DIEESRAUSRISS

MITKLEINENHEFTENZURWELTMARKE

DEREINSAMEPATRIARCH

»VERBRECHENGEGENDASVOLK«

»LIEBERGELDVERLIERENALSVERTRAUEN«

HINAUSINDIEWELT

DIECHEFINNEN

GANZOBEN

»GEHENSIEJEDENTAGINDIEFABRIK!«

DASWUNDERAMENDEDERWELT

OHNESKRUPEL

»NAIVESCHUTZBEHAUPTUNG«

FAUSTISCHERPAKT

»DUGIBSTEHERZUVIELAB«

NICHTZUVIELVERTRAUEN. KONTROLLIEREN.

JESUSUNDDERPROFESSOR

DEUTSCHEWIRTSCHAFTSDYNASTIENIMPORTRÄT

ANHANG

CHRONIK

BUCHEMPFEHLUNGENZUMWEITERLESEN

AUTOR*INNENVERZEICHNIS

DANK

PERSONENREGISTER

VORWORT

Am Anfang stand eine gute Geschäftsidee, hinzu kamen geschicktes Wirtschaften, günstige Umstände und vor allem Nachfahren, die willig wie auch fähig waren, die Firma ihrer Vorfahren erfolgreich fortzuführen – so entstanden Unternehmerdynastien mit Namen, die heute noch jeder kennt: Fugger, Reclam, Miele, Faber-Castell, Quandt, Thyssen, Henkel, Bosch und viele mehr.

Das ist die Kurzfassung. In der Langfassung sind die Geschichten der großen deutschen Familienunternehmen oftmals verwickelter – nicht zuletzt, weil es mit der Verwandtschaft ja fast immer kompliziert ist. Selten war die erste Geschäftsidee jene, mit der eine Firma groß wurde. Bisweilen sorgte erst ein heller Kopf einer späteren Generation für den entscheidenden Schub, wie etwa beim Pharmaunternehmen Merck. Und nicht selten lief der Übergang zu den Nachfolgenden sehr viel konfliktreicher ab, als die Firmenchroniken es suggerieren. Der mächtige Stahlbaron August Thyssen beispielsweise hinterließ seiner Familie schlicht einen Scherbenhaufen.

In nicht wenigen Fällen brachte erst die Nähe zu Macht und Politik den Aufstieg so richtig in Schwung, wie bei Krupp oder bei Porsche. Stahlunternehmer Alfred Krupp umschmeichelte Kaiser Wilhelm II., den er gern in seine gigantische Villa Hügel in Essen einlud. Der Kaiser soll bei seinem ersten Besuch dort ob des immensen Luxus »unjlaublich« gerufen haben. Der Autokonstrukteur Ferdinand Porsche suchte gezielt die Nähe des nationalsozialistischen Diktators Adolf Hitler, um seinen Traum vom Auto, vom Volkswagen, verwirklichen zu können. Er trat nicht nur in die NSDAP ein, sondern ließ sich von Hitler den »Nationalpreis« verleihen und 1939 zum Leiter der Panzerkommission ernennen.

Dieses Buch erzählt facettenreich von den großen Familien der deutschen Wirtschaft. Es berichtet davon, wie diese Familien reich und mächtig wurden, welche Streitigkeiten sie auszustehen hatten – und wo sie scheiterten. Familienunternehmen seien die Urform aller Unternehmen, sagt der Wirtschaftshistoriker Werner Plumpe im Gespräch. Und für ihn ist klar: »Der familiäre Zusammenhalt garantiert den Erfolg.« Gleichzeitig müssten die Eigentümer stets fähig sein, den oft radikalen »technischen Wandel und den der Märkte mit zu vollziehen«.

Beeindruckend ist, wie es einigen Familien gelang, ihr Unternehmen über viele Generationen und große gesellschaftliche Umbrüche hinweg selbst zu führen. So macht The Coatinc Company, das älteste Familienunternehmen Deutschlands, seit mehr als 500 Jahren in Eisen und Stahl. Paul Niederstein, der die Firma heute in der 17. Generation leitet, sagt: »Meine Vorfahren hatten es mit Pest und Weltkriegen zu tun. Zu wissen, dass die früheren Generationen schon große Herausforderungen gemeistert haben, gibt einem Zuversicht.«

Aufschlussreich ist es auch, nachzuvollziehen, wie sehr die großen Dynastien Wirtschaft und Gesellschaft des Landes geprägt haben: Der Chemiekonzern Bayer gründete gar eine Stadt, nämlich Leverkusen. Das Unternehmen Bosch setzte neue Standards bei modernen und sozialen Arbeitsbedingungen. Firmen wie Bahlsen, Niederegger oder Kühne wiederum vertrieben und vertreiben Produkte, die sich teilweise seit über 100 Jahren in vielen Haushalten finden. Wie diese enormen Leistungen den Unternehmen gelingen konnten, das lesen Sie auf den folgenden Seiten.

Wir wünschen Ihnen eine spannende, erhellende und unterhaltsame Lektüre!

Hamburg, im Juni 2021

Joachim Mohr und Eva-Maria Schnurr

»DERFAMILIÄREZUSAMMENHALTGARANTIERTEDENERFOLG«

Der Historiker Werner Plumpe erklärt im Gespräch, vorwelchen Herausforderungen Unternehmerdynastien imLaufe der Jahrhunderte standen – und warum nur wenige von ihnen überdauerten.

Ein Interview von Joachim Mohr und Eva-Maria Schnurr

SPIEGEL: Herr Plumpe, am Ende des Mittelalters hatten sich im Heiligen Römischen Reich bedeutende Kaufmannsgeschlechter wie etwa die Fugger in Augsburg etabliert. Waren das die ersten deutschen Familienunternehmer?

Plumpe: Es kommt darauf an, wie man Unternehmen definiert. Die Familie ist so etwas wie die Keimzelle aller wirtschaftlichen Tätigkeiten, Familie und wirtschaftlicher Betrieb waren ganz früh schon eine Einheit. Die Grundfrage war immer: Wie kann die Familie wirtschaftlich überleben?

SPIEGEL: Auf einem Bauernhof mussten eben alle mitarbeiten …

Plumpe: … und ebenso bei Handwerkern und Kaufleuten. Auch Händler wie der Schwabe Jakob Fugger, genannt der Reiche, setzten ihre Familien in der Zeit um 1500 in ihren Unternehmen ein. Verwandtschaftliche Netzwerke halfen sich mit Geld, Kontakten und Arbeitskraft, da wurde gezielt mit Blick auf den materiellen Nutzen geheiratet. Natürlich spielte es schon damals eine große Rolle, Gewinn zu machen. Doch das eigentliche Unternehmensziel war die Aufrechterhaltung und Versorgung der Familie.

SPIEGEL: Das Familienunternehmen ist somit die Urform des Unternehmens?

Plumpe: Das kann man so sagen. In Italien gibt es die schöne literarische Überlieferung der Libri di famiglia. Das sind dicke Familienbücher, die in den Kaufmannshäusern Norditaliens, etwa in Venedig, geführt wurden. Die ältere Generation hielt darin ihr wirtschaftliches Wissen, im Grunde ihr ganzes Weltwissen fest, eine Mischung aus Lebensregeln, religiösen Vorschriften, aber auch von kaufmännischen und anderen Praktiken, die an die nächste Generation weitergegeben wurden. Eine enge Verbindung von Familie und Unternehmen ist bis weit ins 19. Jahrhundert hinein vorherrschend. Und in Deutschland eigentlich bis heute: Von den kleinen und mittleren Unternehmen sind noch heute die allermeisten Familienunternehmen.

SPIEGEL: Warum haben einige der frühen Unternehmen bis heute Bestand und andere nicht?

Plumpe: Der große Bruch fand zwischen dem 18. und 19. Jahrhundert statt. Mit der industriellen Revolution begann die kapitalistische Massenproduktion von Gütern und Dienstleistungen. Die stellte die herkömmlichen Formen handwerklichen und kaufmännischen Handelns infrage. Nun musste enorm viel Kapital mobilisiert werden, große Produktionsstätten entstanden. In dieser Zeit fiel die bis dahin übliche Identität von Werkstatt, Wohnung und Familie auseinander – nun entstand etwas Neues außerhalb der Familie.

SPIEGEL: Bedeutete das für viele der früheren Familienfirmen den Untergang?

Plumpe: Unzählige Handwerks- oder Kaufmannsbetriebe verschwanden einfach. Allerdings gingen die Gründer neuer Unternehmen zu Beginn der Industrialisierung häufig aus Familien hervor, die auch schon vorher erfolgreich waren. Wenn Kapital vorhanden war, technisches und kaufmännisches Wissen existierte, dann waren die Bedingungen gegeben, um auch in moderneren Unternehmensformen wirtschaften zu können.

SPIEGEL: Schon im 17. und 18. Jahrhundert gab es Vorläufer der Massenproduktion: die Manufakturen, die mit staatlichen Privilegien Monopole schufen, und das Verlagssystem, bei dem Kaufleute die Massenproduktion bestimmter Produkte dezentral organisierten. Welche Form war für die Entwicklung von Familienunternehmen wichtiger?

Plumpe: Ganz klar das Verlagssystem. Die Manufakturen im deutschen Raum gingen nach der napoleonischen Zeit fast alle unter, als sie Konkurrenz aus anderen Ländern bekamen. Im Verlagssystem hingegen konnten einzelne Familien überaus erfolgreich werden. Im Textilgewerbe beispielsweise banden Kaufleute ländliche Spinner und Weber an sich, nahmen ihnen ihre Waren ab und vertrieben diese dann weltweit. So mussten die Kaufleute keine eigenen großen Produktionsstätten errichten. Aus diesem Verlagssystem entstanden im 19. Jahrhundert nicht selten die Vermögen, mit denen dann Unternehmen in unserem heutigen Sinn gegründet wurden. Ein schönes Beispiel hierfür ist die Familie Harkort aus dem Hagener Raum, die die Verbindung älterer Verlagsstrukturen zur modernen Montanindustrie an der Ruhr geradezu idealtypisch verkörpert. Die Familie nahm lokalen Schmieden ihre Eisenwaren ab und vermarktete diese. Friedrich Harkort, der lange als Vater des Ruhrgebiets galt, entstammt dieser Familie und setzte deren Tätigkeit fort.

SPIEGEL: Aus solchen Unternehmungen entwickelten sich also Familiendynastien?

Plumpe: Sie entstanden immer dann, wenn eine Generation Vermögen erwirtschaftete, das die nächste Generation in Erfolg versprechende Projekte investierte. So war es etwa bei der Familie Rothschild in Frankfurt am Main. Amschel Mayer von Rothschild machte Anfang des 19. Jahrhunderts als Bankier ein großes Vermögen und sagte sich dann: Ich habe fünf Söhne, die schicke ich jetzt an die Hotspots der derzeitigen Finanzwelt, damit sie das Unternehmen weiterführen. Die Söhne gingen unter anderem nach Wien, London und Paris und haben dort Geldgeschäfte gemacht, einige haben auch noch gut geheiratet. Das ist ein typischer Fall, wie eine frühindustrielle Dynastie entsteht.

SPIEGEL: Das kapitalistische Wirtschaftssystem, das im 18. Jahrhundert entstand, verband marktwirtschaftliche Strukturen mit kapitalintensiver Güterproduktion. Wie wirkte sich dieser Wandel auf Familienunternehmen aus?

Plumpe: Treiber für diese Entwicklung waren das Bevölkerungswachstum und die Verstädterung. Mit den größeren Städten entstanden Massenmärkte, traditionelle Familienfirmen in Handwerk oder Handel waren damit oft überfordert – wenn es ihnen nicht gelang, sich anzupassen. Die Brauereien im niedersächsischen Einbeck sind ein gutes Beispiel.

SPIEGEL: Wie erging es denen?

Plumpe: Brauen war eine ganz traditionelle, an die Familie gebundene häusliche Tätigkeit, meist ausgeübt von Frauen. In kleinen Orten wie in Einbeck hatte fast jedes Haus das Braurecht. Die damaligen Familien hatten aber eine sehr begrenzte Angebotselastizität, wie man heute ökonomisch sagen würde. Das heißt, sie konnten eine bestimmte Menge brauen, aber mehr auch nicht. Schon Ende des 18. Jahrhunderts fügte man die Braurechte deshalb zu einer Stadtbrauerei zusammen, die einzelnen Familien verloren damit an Bedeutung. Anders verlief die Entwicklung in einer Großstadt wie Amsterdam, die von 200 000 Einwohnern um 1830 auf mehr als 700 000 um 1930 wuchs. Der junge Unternehmer Gerard Heineken stieg 1873 in Amsterdam ins Brauereiwesen ein, mit einer aggressiven Preispolitik konnte er sich durchsetzen und seine Firma zu einer Großbrauerei ausbauen.

SPIEGEL: Woher kam das Kapital für größere Investitionen?

Plumpe: Vor dem 19. Jahrhundert gab es noch keine Finanz- und Kreditmärkte, wie wir sie heute kennen. Deshalb mobilisierte man das Kapital meist in der Verwandtschaft; man fragte die Geschwister, ging zum Onkel, zur Tante.

SPIEGEL: Heute hätte man Angst vor Familienzwist.

Plumpe: Das ist eine moderne Sicht auf die Dinge. Aber über Jahrhunderte hinweg garantierte einzig der familiäre Zusammenhalt den Erfolg eines Familienunternehmens, und der wirtschaftliche Erfolg wiederum stützte den familiären Zusammenhalt. Wenn jemand sich stattdessen an seinem individuellen Nutzen orientierte und etwa die Frage stellte, warum er sich der Familientradition unterwerfen sollte, sprengte das die Grundkonstellation. Dieser Konflikt zwischen Familien- und Unternehmensinteresse auf der einen und persönlichen Zielen auf der anderen Seite wurde erst im 19. Jahrhundert häufiger.

SPIEGEL: Wie gingen die Unternehmerfamilien damit um?

Plumpe: Oft löste sich der Konflikt, wenn die Ehen kinderreich waren. Wenn man acht, neun oder zehn Kinder hatte, von denen vielleicht fünf oder sechs überlebten, fand sich schon einer, der geeignet war, das Unternehmen weiterzuführen. Dann konnte man Kinder, die aus der Art schlugen, etwa Künstler werden wollten, verkraften. Heute ist es für Familienunternehmen ein zentrales Problem, einen geeigneten Nachfolger in der Familie zu finden.

SPIEGEL: Welche Rolle spielte das Erbrecht bei der Frage, ob ein Familienunternehmen bestehen bleibt?

Plumpe: Dass es in Deutschland viel mehr Familienunternehmen gibt als etwa in den USA, liegt an einem Erbrecht, das es ermöglichte, den Besitz und das Vermögen zusammenzuhalten. Wo das sogenannte Anerbenrecht galt, mit dem das Erbe an einen einzigen Erben vererbt wurde, etwa den ältesten Sohn, kam es nicht zur Zersplitterung der Firmen.

SPIEGEL: Mit der Aufklärung begann der Aufstieg des Bürgertums. Begünstigte das die Unternehmer?

Plumpe: Auf jeden Fall. In der Gesellschaft setzte sich ein meritokratisches Denken durch, individuelle Leistung zählte mehr, Familienzusammenhänge wurden weniger bedeutend. So saßen im Parlament der Paulskirche bei der Revolution 1848 nicht zufällig neben Professoren vor allem Unternehmer. Auch auf kommunaler Ebene spielten sie in der Politik eine zentrale Rolle. Das beschränkte Wahlrecht entsprach dem wirtschaftsbürgerlichen Denken: Man sollte gebildet sein, ein bestimmtes Einkommen haben, wenn man politisch partizipieren wollte. Die bürgerliche Emanzipation und der Aufstieg der Unternehmerschaft hängen sehr eng miteinander zusammen. Bis etwa 1870 bildeten die Unternehmer den Kernbestandteil des Bürgertums.

SPIEGEL: Viele Unternehmer verdienten bald aber sehr viel mehr als etwa Professoren. Versuchten sie, dem Adel nachzueifern, oder eher, sich abzugrenzen?

Plumpe: Ihre Lebensführung war bis in die Kaiserzeit hinein sehr bürgerlich: Die Unternehmerfamilien lebten nicht übertrieben luxuriös, gingen zur Kirche und erzogen ihre Kinder eher streng. Ein Beispiel ist Friedrich Engels, der 1820 in eine Elberfelder Spinnereiunternehmer-Familie geboren wurde. Er wurde von der Schule genommen, als er seinen mittleren Abschluss hatte, wurde in die Lehre gesteckt, musste zum Militär. Von großer Welt war da noch nicht viel zu sehen.

SPIEGEL: Engels wurde kommunistischer Revolutionär und brach mit der Familientradition. Wie war es bei Alfred Krupp, der sich ja die palastartige Villa Hügel bauen ließ – wollte der nicht doch mithalten mit den adeligen Häuptern?

Plumpe: Auch Krupp führte ein von Grund auf bürgerliches Leben, die Villa wirkte vor diesem Hintergrund wie ein Donnerschlag, als müsste er plötzlich doch sagen: Guckt mal her, was ich darstelle! Hier zeigt sich auch ein Wandel: Von 1890 an, als große Unternehmen sehr schnell immense Gewinne einfuhren und die Unternehmer persönlich extrem reich wurden, fand eine moderne, am Luxus und Geld orientierte Lebensweise Eingang. Nun trat auch das Religiöse stark zurück.

SPIEGEL: Mussten frühere Unternehmerinnen und Unternehmer eigentlich Alleskönner sein – Techniker, Kaufmann, Personalchef und Vertriebsexperte in einer Person?

Plumpe: Das war sehr lange so, ließ sich von einem bestimmten Punkt an aber nicht mehr aufrechterhalten. Dafür ist wieder Alfred Krupp ein gutes Beispiel. Als dieser 1826 von seinem verstorbenen Vater das Unternehmen übernahm, war der Betrieb so gut wie pleite. Alfred musste sich alles selbst aneignen. Er begann mit etwa zehn Leuten und betrieb die Expansion des Unternehmens zum größten deutschen Unternehmen – bis er Schiffbruch erlitt. Anfang der 1870er-Jahre drohten ihm die Banken, bei denen er hohe Schulden hatte: Du professionalisierst die Leitung deines Unternehmens, oder wir nehmen es dir weg. Bis dahin war die Vorstellung, dass alles in der Familie bleibt. Einer ist der Chef, ein Bruder verantwortet die technische Seite, ein Bruder die kaufmännische, ein Familienmitglied die sozialen Dinge, und einer reist durch die Lande. Aber das funktionierte nun nicht mehr.

SPIEGEL: Waren die Unternehmen zu groß geworden?

Plumpe: Je größer und komplexer die Unternehmen wurden, desto mehr zeigte sich, dass Familien nicht automatisch Horte professioneller Kompetenzen sind. Wenn man Glück hat, findet man dort die nötigen Fähigkeiten, um das Unternehmen zu führen, aber die Regel ist das nicht; insbesondere wenn sich die Produktion verwissenschaftlicht und man komplizierte Finanzierungstechniken beherrschen muss. Denken Sie an Arndt Krupp von Bohlen und Halbach, den man aus dem Unternehmen herauskaufen musste, weil seine Allüren das Geschäft gefährdet hätten.

SPIEGEL: Begann damit der Siegeszug des Managers?

Plumpe: In der Unternehmensgeschichte spricht man davon, dass Eigentum und Kontrolle auseinanderfallen. Bis etwa 1880 lagen familiäres Eigentum und die Kontrolle des Unternehmens fast immer in einer Hand. Bei kleineren Firmen und bei manchen großen ist das bis heute so. Aber bei den meisten großen Kapitalgesellschaften wurden Eigentum und Kontrolle irgendwann getrennt. Bei den wenigen heute noch existierenden großen Familienunternehmen sind die Familien nur noch bei großen strategischen Entscheidungen dabei, etwa bei Oetker, Freudenberg oder Merck.

SPIEGEL: Es kamen familienfremde Leitungspersonen in die Unternehmen. Sprengte das nicht den Zusammenhalt der Familien?

Plumpe: Die Familien mussten lernen, damit umzugehen. Das Chemieunternehmen Bayer startete als Familienbetrieb, gegründet 1863 von Friedrich Bayer und Johann Friedrich Weskott, einem Farbstoffhändler und einem Färber. Doch schon die zweite Generation stellte fest, dass sie ohne akademisch ausgebildete Chemiker, auch in Führungspositionen, nicht mehr auskamen. 1865 war mit der BASF ein Konkurrent für Bayer gegründet worden, von Anfang an ein nicht familiäres Kapitalmarktunternehmen. Und die setzten Bayer mächtig zu. Ein Familienmodell funktioniert nur, wenn es sich auch als konkurrenzfähig erweist.

SPIEGEL: Betrifft das lediglich die Kontrolle, also die Unternehmensführung, oder auch das Eigentum, den Besitz an der Firma?

Plumpe: Das kann beides betreffen. Ein Beispiel ist Siemens. Der alte Werner Siemens, der den Laden groß gemacht hat, weigerte sich, an die Börse zu gehen. Etwa gleichzeitig gründete Emil Rathenau die Allgemeine Elektrizitätsgesellschaft, AEG, und zwar von Beginn an als dynamisches Kapitalmarktunternehmen. Denn es war von Beginn an klar: Das wird nichts mit einer Dynastie. Emils Sohn Walther hätte zwar gern übernommen, aber jeder wusste, das passte nicht, der sollte lieber Politik machen. Die AEG entwickelte sich sehr viel besser als Siemens. Und als Werner Siemens starb, haben die Erben sofort entschieden, fremdes Kapital ins Haus zu holen und die Firma ebenfalls in eine Aktiengesellschaft umzuwandeln, die am Kapitalmarkt ganz anders auftreten konnte.

SPIEGEL: Welche Bedeutung hatte für Familienunternehmen die Nähe zur Macht? Wie wichtig war es etwa im 19. Jahrhundert, Kontakte bis hinauf zum Kaiser zu haben?

Plumpe: Alfred Krupp hat seine imposante Villa Hügel in Essen natürlich auch gebaut, um einen entsprechenden Eindruck zu erwecken. Später konnte das Unternehmen hier den Kaiser prunkvoll empfangen und beeindrucken – der Staat war ja ein wichtiger Kunde des Hauses. Aber der Rüstungsproduzent Krupp ist nicht typisch für seine Zeit. Sein größter Konkurrent August Thyssen hielt Distanz zum Kaiser und seinen Schranzen und betrachtete Adlige eher als Nichtsnutze. Er produzierte aber auch keine Rüstung.

SPIEGEL: Die Unternehmer suchten die Nähe zur Macht, wenn es wirtschaftlich hilfreich war?

Plumpe: Aber meist nicht darüber hinaus. Und auch die Übernahme aristokratischer Werte und Vorstellungen kann man weitgehend ausschließen: Die neuere Forschung zeigt eindeutig, dass von einer Feudalisierung der Unternehmerschaft nicht die Rede sein kann.

SPIEGEL: Wo hatte der politische Opportunismus Grenzen?

Plumpe: Unternehmen passen sich dem politischen Umfeld immer an. Und eigentlich erwarten wir das auch. In einer demokratischen Gesellschaft ist der politische Wechsel das Normale, und die Unternehmen akzeptieren das. Der Sonderfall in der deutschen Unternehmensgeschichte ist – im Unterschied zu den USA oder Großbritannien – , dass die politischen Wechsel zum Teil extrem ausgefallen sind. Hätte es den Nationalsozialismus nicht gegeben, wäre die Anpassung der Unternehmen vermutlich auch in Deutschland gar nicht weiter aufgefallen.

SPIEGEL: Viele Unternehmer haben mit den Nazis zusammengearbeitet, natürlich auch Familienunternehmen.

Plumpe: Der Nationalsozialismus folgte der schwersten Wirtschaftskrise, die es bis dahin gab. Die Firma Reemtsma Cigarettenfabriken etwa stand Anfang und Mitte der Dreißigerjahre geschäftlich mit dem Rücken zur Wand; um überleben zu können, baute sie gute Kontakte zu Hermann Göring auf, der von 1936 an die deutsche Wirtschaft steuerte. Reemtsma finanzierte zu einem nicht unerheblichen Teil die Kunstsammlung Görings, einfach um gut Wetter zu machen. Man konnte damals kaum wirtschaftlich erfolgreich sein, wenn man ständig Ärger mit den Nazis hatte, um es salopp zu sagen.

SPIEGEL: Das kann es doch nicht rechtfertigen, die Nazis zu unterstützen?

Plumpe: Die Unternehmer hofften 1933 erst einmal, dass es ihnen unter stabilen politischen Rahmenbedingungen wieder besser gehen würde. In die Vielzahl verbrecherischer Praktiken rutschten sie Stück für Stück hinein.

SPIEGEL: War es nicht möglich, sich rauszuhalten?

Plumpe: Wenn die Unternehmen sich nicht beugten, waren die Nazis knallhart. Dann bekam eine Firma keine Aufträge mehr, keine Rohstoffe, galt im Krieg als nicht so kriegswichtig, oder die Nazis gründeten Konkurrenzunternehmen. Also arrangierten die Unternehmen sich, machten mit. Bei Reemtsma trat ein Familienmitglied in die Reiter-SS ein. Die Deutsche Bank holte den Bankier Karl Ritter von Halt in den Vorstand, einen hohen Sportfunktionär der Nationalsozialisten. Das garantierte gute Kontakte zum Regime.

SPIEGEL: Aber noch mal gefragt: Kann wirtschaftlicher Erfolg das alles rechtfertigen? Eindeutig nein!

Plumpe: Man muss sich das Kalkül eines Unternehmers vorstellen. Der fragt sich immer an oberster Stelle, wie seine Firma überleben kann. Deshalb findet sich so gut wie kein Unternehmen, das nicht kriegswichtig sein wollte. Und viele waren nach dieser Logik auch zu schrecklichen Verbrechen bereit: Die IG Farben, in der unter anderem auch Bayer und Hoechst aufgingen, hat etwa das Werk in Auschwitz Monowitz gebaut, in dem Häftlinge aus dem benachbarten Konzentrationslager Auschwitz arbeiteten – mit Wissen des Unternehmens wohlgemerkt.

SPIEGEL: Moralisch hinterfragt haben die Unternehmer ihr Verhalten nicht?

Plumpe: Auch unter den Unternehmern gab es natürlich überzeugte Nationalsozialisten, etwa Richard Kaselowsky, der in die Familie Oetker einheiratete und die Führung der Firma übernahm. Der wollte seine Puddingfabrik in Bielefeld zu einem nationalsozialistischen Musterbetrieb machen. Aber zumeist ging es um das opportunistische Ausnutzen von Handlungsspielräumen, die in dieser Zeit sehr eingeschränkt waren. Ob die Unternehmer das moralisch reflektiert haben, ist im Einzelnen nur schwer zu beurteilen. Wenn es vorkam, dann bestimmte es nur selten das Handeln oder konnte zu besonderer Skrupellosigkeit führen, da man sich ja »moralisch« gerechtfertigt fühlte. Es gab etwa die sogenannte Siemens-Schnitte, zusätzliches Brot, mit dem Siemens versuchte, seine Zwangsarbeiter ein wenig besser zu behandeln.

SPIEGEL: Das war aber die Ausnahme.

Plumpe: Ja. Es gab eben auch Typen, die die Rahmenbedingungen skrupellos nutzten. So profitierte Friedrich Flick nicht nur systematisch von der Arisierung. Er wusste auch, dass er Verbrechen beging, und versuchte noch während der Nazizeit, Spuren zu verwischen. Daneben gab es die Masse der Unternehmer, die mehr oder weniger mitmachen, weil sie dachten, es gebe keine Alternative. Und es gab ein paar, die widerstandsähnliche Dinge taten wie Berthold Beitz, der später bei Krupp Karriere machte und im Krieg jüdische Zwangsarbeiter rettete. Oder auch Robert Bosch, der den Widerstand gegen die Nationalsozialisten unterstützte und Verfolgte vor der Deportation schützte. Wobei auch bei der Firma Bosch Zwangsarbeiter tätig waren.

SPIEGEL: Robert Bosch vertrat eigentlich andere Werte. Aber die Logik der Wirtschaft setzt sich auch gegen die Überzeugungen der Familie durch?

Plumpe: Robert Boschs Überzeugungen waren das eine, die Führung des Unternehmens in der Kriegswirtschaft das andere. Wir können unser Unternehmen nicht nach privaten familiären Präferenzen führen, werden die meisten Eigentümerfamilien heute sagen, die regelrecht bemüht sind, klare Trennlinien zwischen der Corporate Governance ihrer Unternehmen und den jeweiligen familiären Interessen zu ziehen. Bei großen Familienverbänden mit Hunderten Mitgliedern ist es anders auch kaum noch vorstellbar. Das Interesse der Familienmitglieder am Unternehmen ist in erster Linie ein Einkommensinteresse, und das wiederum ist abhängig vom Unternehmenserfolg, der also klar im Vordergrund steht. Entsprechend sind auch die Erwartungen; Familienmitglieder dürfen im Regelfall nicht die Existenz der Unternehmung gefährden, sei es durch zu große Einkommenserwartungen, sei es durch das Abziehen von Geld oder durch das Veräußern von Anteilen an unternehmensfremde Interessenten.

SPIEGEL: Was ist entscheidend, dass Unternehmen zum Teil Jahrhunderte überleben?

Plumpe: Die allermeisten Unternehmen hatten keinen Bestand – aber das ist in der modernen Wettbewerbswirtschaft bei starkem technologischem Wandel ohnehin nicht zu erwarten. Überleben ist aber auch nicht unmöglich; viele Namen sind seit Jahrzehnten für die deutsche Wirtschaftsgeschichte prägend. Wenn es Unternehmen schafften zu überleben, war in der Regel ausschlaggebend, den technischen Wandel und jenen der Märkte mit zu vollziehen, also etwa rechtzeitig in neue Technologien zu investieren. Hier liegt das eigentliche Geheimnis, für das es ja keinen Automatismus gibt. So gibt es den Automobilzulieferer Borgers aus Bocholt, gegründet 1866. Der Betrieb ist eines der wenigen westmünsterländischen Familienunternehmen in der Textilindustrie, die es heute noch gibt. Im 19. Jahrhundert hat die Firma Wollreste verarbeitet, unter anderem zu Filzpantoffeln. Heute stellt sie Autozubehör wie Kofferraumauskleidungen her. Sie hat überlebt, weil sie den Übergang von billig herzustellenden Gebrauchstextilien zu technischen Textilien geschafft hat. In erfolgreichen Unternehmen steckt immer technologische Wandlungsfähigkeit.

SPIEGEL: Was unterscheidet ein Familienunternehmen heute noch von anderen Firmen?

Plumpe: Familienunternehmen sind sich ihrer eigenen Geschichte bewusster und gehen mit dieser sensibler und auch verantwortungsbewusster um als viele andere Unternehmen. Selbst wenn heute externe Manager ein Familienunternehmen leiten: Es steht nun einmal der Familienname drauf, die Eltern, Großeltern oder noch frühere Generationen haben das Geschäft aufgebaut. Was während der Nazizeit geschah, hatten Familienmitglieder zu verantworten, aber ebenso, wie der Wiederaufbau nach dem Krieg gelang, davon kann man sich nicht so einfach distanzieren. Die Erfolge wie die Niederlagen sind Familiengeschichte.

Werner Plumpe, geboren 1954, ist Professor für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Frankfurt am Main.

VOMURURURURURURURURURURURURURURURGROSSVATER

The Coatinc Company ist das älteste Familienunternehmen Deutschlands – es macht seit mehr als500 Jahren in Eisen und Stahl.

Von Joachim Mohr

Im Jahr 1502 gab in Siegen ein gewisser Heylmann Dresseler einen Feuerschilling aus, um die örtliche Feuerstelle benutzen zu dürfen. Der Handwerker wurde in einer Urkunde als Meister der Stahlschmiedezunft geführt, damals ein bedeutender Titel in der Stadt mit ihren etwa 2500 Einwohnern. Heylmanns erste Frau, die früh verstarb, stammte wie auch seine zweite aus einer angesehenen Schmiedefamilie.

Mehr als ein halbes Jahrtausend später leitet Paul Niederstein in Siegen ein Stahl- und Metallunternehmen, das rund 1400 Mitarbeiter beschäftigt und etwa 185 Millionen Euro Umsatz pro Jahr erwirtschaftet. Gerade muss er die Firma durch die vom Coronavirus verursachte Wirtschaftskrise führen. »Sich immer wieder neuen Situationen und Krisen anzupassen, das gehört zum Geschäft«, sagt Niederstein im Gespräch am Telefon. Im Falle seiner Firma sind das mehr als nur wohlgesetzte Worte: »Meine Vorfahren hatten es mit der Pest und Weltkriegen zu tun. Zu wissen, dass die früheren Generationen schon große Herausforderungen gemeistert haben, gibt einem Zuversicht.«

Der 1974 geborene Betriebswirt stammt in der 17. Generation in direkter Linie vom mittelalterlichen Schmied Dresseler ab. The Coatinc Company, so heißt das Unternehmen heute, gilt damit als das älteste Familienunternehmen in Deutschland. Der moderne Name, den es seit gut zehn Jahren trägt, ist den internationalen Geschäftsbeziehungen der globalisierten Welt geschuldet (Coatinc ist zusammengesetzt aus der englischen Silbe »coat« von »coating« – Beschichtung – und aus der Silbe »inc« aus dem englischen Wort »zinc« für Zink).

Die Geschichte der Firma hängt eng mit der Geschichte des Siegerlands zusammen. Die Gegend ist eine der ältesten Montanregionen Europas. Schon aus der Zeit der Kelten um 500 vor Christus finden sich dort Reste von Bergbau und Erzgewinnung. Um das Jahr 1500 gab es in der Region schon mehr als 40 Hütten, in denen Metall, vor allem Eisen, erzeugt wurde. Die Eiserfelder Hütte etwa, sieben Kilometer südlich von Siegen gelegen, bestand von 1463 bis ins Jahr 1972. Bis heute sind metallverarbeitende Betriebe für die Stadt Siegen mit ihren rund 100 000 Einwohnern ebenso wie für die Umgebung ein wichtiger Wirtschaftsfaktor.