Das Geheimnis starker Menschen - Monika Gruhl - E-Book

Das Geheimnis starker Menschen E-Book

Monika Gruhl

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Beschreibung

Sie sind stark, diese Männer und Frauen, im Beruf, in der Familie, im Ehrenamt, sie setzen sich ein, sind für andere da, haben die Dinge im Griff und halten die Bälle in der Luft - unablässig, bis zur Erschöpfung oder zum Burnout. Monika Gruhl macht die Mechanismen deutlich, wie gerade resiliente Menschen in die Selbstüberforderungsfalle geraten können, und zeigt, wie man gegensteuern kann. Zahlreiche Übungen und Impulse für die praktische Anwendung im Alltag weisen Starken einen Weg, wie sie stark bleiben können.

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Seitenzahl: 215

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Monika Gruhl

Das Geheimnis starker Menschen

Mit Resilienz aus der Überforderungsfalle

Impressum

Titel der Originalausgabe: Das Geheimnis starker Menschen

Mit Resilienz aus der Überforderungsfalle

© KREUZ VERLAG

in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2011

ISBN 978-3-451-61062-2

© KREUZ VERLAG

in der Verlag Herder GmbH, Freiburg im Breisgau 2014

Alle Rechte vorbehalten

www.herder.de

Umschlaggestaltung: [rincon]2 medien gmbh, Köln

Umschlagfoto: © shutterstock

Autorenfoto: © privat

E-Book-Konvertierung: epublius GmbH, Berlin

ISBN (E-Book): 978-3-451-80306-2

ISBN (Buch): 978-3-451-61062-2

Inhalt

Einleitung

1. Resilienz als zentrale Kraft im Leben

1.1 Wirksame Lebensbewältigungsstrategien

1.2 Zusammenspiel innerer und äußerer Kräfte

1.3 Resilienzprofil in Balance

2. Resilienz als Stützkorsett für Schwache?

2.1 Starke Typen

2.2 Wie und wofür Starke stark sind

2.3 Signale für Überforderung

3. Resilienz als Schlüsselkompetenz für Starke

3.1 Sieben Missverständnisse

3.2 Sieben effiziente Strategien

3.3 Hindernisse und ihre Überwindung

4. Resilienz als Gleichgewicht der Kräfte

4.1 Selbstwahrnehmung und Selbstrespekt

4.2 Selbstverantwortung und Selbstsorge

4.3 Gewinn für alle durch Balance

Schlussgedanken

Anmerkungen

Literatur

Informationen

Einleitung

Das, was du bist, hängt von drei Faktoren ab – von deinem Erbe, von deiner Umgebung und davon, was du in freier Wahl aus deinem Erbe und deiner Umgebung gemacht hast.

Aldous Huxley

Sind Sie für andere da? Finden Sie sich häufig in der Rolle desjenigen, der Menschen in seinem Umfeld unterstützt, führt oder inspiriert? Dann haben Sie mindestens einen Aspekt von RESILIENZ gut ausgeprägt. Resilienz ist die innere Stärke, die Menschen aufbringen, um mit widrigen Lebensumständen oder Schicksalsschlägen umzugehen. Und zwar so umzugehen, dass sie diese Schwierigkeiten nicht nur irgendwie überstehen, sondern durch ihre Überwindung gestärkt und bereichert werden. Dazu setzen sie ganz bestimmte Strategien ein, wie wir aus vielen wissenschaftlichen Untersuchungen wissen. Eine dieser wirksamen Strategien gegen Probleme, Stress und ungünstige Vorkommnisse ist es, in Verbundenheit zu anderen Menschen zu leben, sich mitzuteilen und auf andere einzugehen.

Wenn Sie sich um andere kümmern, kann das auch Sie selbst stärken und bereichern. Tun Sie das jedoch, weil Sie sich durch die Umgebung dazu genötigt sehen, weil Sie andere dominieren oder erobern wollen oder auf diese Weise ein schlechtes Gewissen beruhigen wollen, bleibt dieser Effekt aus. Voraussetzung für die segensreiche Rückwirkung ist, dass Sie aus freiem Herzen handeln und ohne dass die Menschen auf der anderen Seite Ihnen dafür etwas schuldig sind. Anderen etwas Gutes tun, sie ermutigen oder aufmuntern und einen wenigstens kleinen positiven Unterschied in ihrem Leben zu bewirken macht uns selbst glücklich und stolz und schenkt uns Energie. Wovon wir dabei zehren, ist die Erfahrung, nicht allein auf der Welt zu sein, Verbundenheit mit anderen Menschen zu spüren und im Zusammenwirken zu etwas Größerem beizutragen. Für diese beseelende Erfahrung ist es zweitrangig, auf welcher Seite ich gerade stehe, ob ich nehme oder gebe – das tiefe Gefühl von Verbundenheit strahlt auf alle Beteiligten, die sich ihm überlassen.

Angesichts der steigenden Anforderungen und Belastungen hört man in unserer Gesellschaft häufig warnende Stimmen. Man müsse lernen sich abzugrenzen, man sei in Gefahr sich zu verströmen und lande letztlich im Burn-out, wenn man sich zu viel um andere kümmert. Diese Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen. Sie entsteht jedoch nicht, indem Sie sich um andere Menschen kümmern. Sie entsteht, indem Sie sich dabei selbst vergessen, also nicht selbst bestimmen und steuern, was Sie in welchem Umfang übernehmen können und wollen. Gelingt Ihnen jedoch dieser Balanceakt, erleichtern und verschönen Sie im vertrauensvollen Kontakt mit anderen Menschen und Ihrem Einsatz für sie nicht nur deren Leben. Sie gewinnen gleichzeitig selbst dabei Lebensfreude, Dankbarkeit und Sinnhaftigkeit. Das Resilienzmodell zeigt anschaulich, welche Aspekte dafür zu berücksichtigen und zu integrieren sind.

Was die einzelnen Resilienzaspekte für die bedeuten, die einen großen Teil ihrer Kraft anderen Menschen zukommen lassen, davon handelt dieses Buch. Es ist entstanden vor dem Hintergrund meiner Arbeit in Training und Coaching mit unterschiedlichsten Berufsgruppen und Freiwilligen. Es fließen Geschichten und Fragestellungen vieler Teilnehmer mit ein, doch beschreiben die Fallbeispiele keine real existierenden Personen. Sie sind aus vielen in der Wirklichkeit vorhandenen Facetten zusammengesetzt und damit gleichzeitig fiktiv und authentisch. Liebe Leserinnen, bitte fühlen Sie sich auch angesprochen, wenn ich nur die männliche Form verwende. Der einzige Grund dafür ist die bessere Lesbarkeit und sprachliche Einheitlichkeit.

Im letzten Jahr habe ich den spirituellen Autor Pierre Stutz erlebt, einige seiner Bücher gelesen und darin vieles entdeckt, was ich Ihnen weitergeben wollte. Eine persönliche Erfahrung hat mir dann deutlich gemacht, dass diese Herangehensweise bei aller Wertschätzung für seine Gedanken doch an der Oberfläche bleibt. Als Folge eines Sturzes konnte ich unmöglich das Arbeitspensum an Lesen und Schreiben erfüllen, das ich mir für das lange freie Pfingstwochenende vorgenommen hatte. Der Schreck saß mir noch in den Gliedern, die Schmerzen waren zeitweise heftig, und ich haderte damit, dass ich nicht vorankam. Ich brauchte meine Zeit, um zu verstehen, dass das, wozu ich nun gezwungen war, genau die angemessene Art und Weise war, mit den Texten von Pierre Stutz umzugehen: Ich konnte nur wenige Sätze lesen, dann schmerzte die Brille auf der geprellten Nase. An Schreiben war wegen des verstauchten Handgelenks gar nicht zu denken. Mir blieb nichts anderes übrig, als die kurzen gelesenen Abschnitte immer wieder in meinem Geist und meinem Herzen zu bewegen. Doch so bekam ich einen ganz anderen Zugang zu diesen Texten. Mir wurde klar, was es für einen Unterschied macht, sie nicht nur zu konsumieren, sondern sie wirklich in mir aufzunehmen.

Diese zunächst unfreiwillige Erfahrung hat mich verstehen lassen, dass ich geistreiche Gedanken und Worte immer wieder meditieren kann und muss, um sie zu erfassen und zu verinnerlichen. Auch das Thema dieses Buches ist eng verknüpft mit eigenem Erleben: Ich kenne es sehr gut, mich zu überfordern. Die beschriebenen Muster im Denken und Tun sind mir vertraut, manche weniger, manche mehr. Ich weiß also auch aus eigener schmerzlicher Erfahrung, wovon ich rede. Deshalb wage ich darauf zu vertrauen, dass es nicht überheblich oder besserwisserisch daherkommt, wenn ich Ihnen diese Einsichten und Überlegungen nahebringe. Sie werden selbst entscheiden, was Sie damit anfangen. An dieser Stelle bedanke ich mich bei allen, die ihre Erfahrungen teilen und mitteilen, Seminarteilnehmer und Coaching-Klienten, Kollegen, Bekannte und Freunde. Sie alle tragen dazu bei, dass mir immer wieder Neues begegnet, das ich aufnehmen, verwandeln und weitergeben kann.

Ich wünsche Ihnen Gefallen daran zu entdecken, wo und wie Sie für sich gut sorgen können, ohne zum vereinsamten Einzelgänger oder rücksichtslosen Egoisten zu werden. Und ich wünsche Ihnen Entschlusskraft und Ausdauer, das auch mit Nachhaltigkeit zu tun. Wenn Sie noch bewusster als bisher Ihre Kräfte einschätzen und lenken lernen, können Sie von Ihrem selbstverantworteten und freiwilligen Engagement für andere auch selbst profitieren. Das wiederum trägt auch dazu bei, dass Sie in Ihrem Einsatz nicht erschöpft werden, ihn nicht als lästige Pflicht empfinden und nicht Gefahr laufen, sich über andere zu erheben. Mit einem gut ausgewogenen Resilienzprofil bekommen Sie Luft unter die Flügel, um für sich und andere segensreich zu wirken.

Monika Gruhl

1.Resilienz als zentrale Kraft im Leben

Federn lassen und dennoch schweben –

das ist das Geheimnis des Lebens.

Hilde Domin

1.1Wirksame Lebensbewältigungsstrategien

Resilienz als Lebens- oder Überlebensstrategie in schwierigen Zeiten ist inzwischen in aller Munde. Für viele werden die Zeiten zumindest gefühlt »schlechter«. Die wenigsten Menschen können noch von regelmäßigen Gehaltserhöhungen, stetiger Verbesserung der Wohnqualität und der Möglichkeit immer anspruchsvollerer Urlaubsreisen ausgehen oder es als realistisch betrachten, darauf hinzuarbeiten. Vielen macht die Erfahrung Angst, dass die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung nicht einfach weiter aufwärts geht. Bei anderen macht sich Unmut darüber breit, dass ihr Einfluss, ihre Sicherheit, ihre Anerkennung nicht für alle Zeiten gesichert scheinen. In dieser Gesamtsituation wächst das Interesse daran, was man tun kann, wenn althergebrachte Grundsätze und Verhaltensmuster nicht mehr greifen. Man sucht verstärkt nach etwas, das verspricht, mit solchen Veränderungen zumindest besser umgehen zu können, wenn man sie schon nicht aufhalten kann.

Resilienz scheint die Allzweckwaffe zu sein. Als Resilienz bezeichnet man all die Kräfte, die es Menschen ermöglichen, Lebenskrisen, widrige Umstände und einschneidende Veränderungen so zu meistern, dass sie ohne langfristige Beeinträchtigung damit fertig werden, ja auf lange Sicht sogar daran wachsen. In vielen wissenschaftlichen Studien ist nachgewiesen worden, dass es Stehaufmenschen1 gibt, die über solche Fähigkeiten verfügen, die ein seelisches Immunsystem zu haben scheinen, das es ihnen ermöglicht, unbeschadet aus Verlusten, Einschränkungen, ja sogar schlimmsten Erfahrungen herauszukommen. Man hat inzwischen ziemlich gut erforscht, welche Fähigkeiten das sind, und man weiß auch, dass sie nicht nur in die Wiege gelegt sind. Man kann sie lernen und trainieren.

Menschen, die man in diesem Sinn als resilient bezeichnet, zeichnen sich durch bestimmte innere Grundhaltungen und die entsprechenden Fertigkeiten aus: Optimismus, Akzeptanz und Lösungsorientierung. Sie haben die Zuversicht, dass schwierige Lebenslagen vorübergehen. Sie sind hoffnungsvoll, dass Dinge sich zum Guten wenden können, auch wenn sie noch nicht wissen, wie. Und sie sind überzeugt von ihrem persönlichen Wert, egal was ihnen widerfährt. Auf dieser Grundlage gelingt es ihnen früher oder später, das zu akzeptieren, was sie nicht ändern können, seien es unbeeinflussbare Gegebenheiten, andere Menschen oder ungeliebte Anteile bei sich selbst. Sie sind flexibel und unkonventionell genug, um individuelle und innovative Lösungen für unterschiedliche Lebenslagen zu finden und umzusetzen.

Neben diesen drei Grundhaltungen aktivieren und nutzen sie vor allem vier Fähigkeiten oder Handlungsprinzipien.

Sie sind in der Lage, sich selbst zu regulieren, ihre Impulse unter Kontrolle zu haben und unterschiedliche Emotionen handhaben zu können. Je nach Bedarf können sie sich selbst beruhigen, ermutigen oder antreiben. Wenn ihnen Schlimmes widerfahren ist, von existenziellen Einschnitten bis hin zu kleineren Verlusten oder Enttäuschungen, verlassen sie nach angemessener Zeit die Opferrolle und übernehmen (wieder) die Verantwortung für sich und ihr zukünftiges Leben. Sie haben weder den Anspruch noch die Neigung, alles mit sich selbst abmachen zu können oder gar zu müssen. Vielmehr sind sie bereit und in der Lage, sich helfen zu lassen und nährende Beziehungen zu anderen zu knüpfen und zu unterhalten. Diese sieben Resilienzstrategien gehören teilweise zu den persönlichen Ressourcen, teilweise sind sie sozial vermittelt oder erlernt. Manche werden auch in einer akuten Situation zum ersten Mal neu ausprobiert.

Wie weit Menschen zu resilienten Reaktionen in der Lage sind oder nicht, zeigt sich sehr deutlich daran, wie sie mit kritischen Lebensereignissen umgehen. Dabei kann es sich um sogenannte kollektive Krisen wie Naturkatastrophen, Anschläge oder Kriege handeln. Es können existenzielle Einschnitte sein, die den Einzelnen treffen, wie Unfälle, Krankheiten oder schwere Verluste. Auch krisenhaft erlebte Ereignisse des persönlichen Lebens wie Wohnortwechsel, Elternschaft oder Scheidung zählen dazu. Unter unseren aktuellen Lebensbedingungen wird eine Krisenerfahrung häufig durch gravierende oder ständige Veränderungen sowie zunehmende Arbeitsverdichtung und erhöhte Belastung ausgelöst. In jedem Fall ist eine Krise eine bedeutsame Situation, in der es unausweichlich um einen selbst geht. Das Weltbild und das Selbstbild geraten aus den Fugen, eine Neuorientierung ist unumgänglich. Damit das Leben wieder ins Gleichgewicht kommt, müssen Innenleben und Außenwelt neu angepasst werden. Das verlangt, dass wir ein verändertes Verständnis für die anstehenden Themen gewinnen, sie neu durchdenken und einordnen. Wir sind gefordert, eine gereifte Beziehung zu uns und zur Welt zu entwickeln.2 Genau darin liegen gleichzeitig auch die Chancen der Krise. Krisen sind immer auch Gelegenheiten, etwas, das vielleicht schon einige Zeit aus dem Ruder gelaufen ist, in Ordnung zu bringen oder neu zu gestalten. Ein drängendes Problem will gelöst werden oder ein vernachlässigter Aspekt des Selbst will wahrgenommen und ins Leben integriert werden. Diese Neuausrichtung ist aber nicht so leicht. Wir geben nicht so schnell auf, was sich bewährt zu haben scheint und unser (Über-)Leben sichert. Eine Krise zu meistern bedeutet aber, dass man sich im Spannungsfeld unterschiedlicher Pole neu positionieren muss. Für diese Anpassungsleistung reichen unsere üblichen automatischen Bewältigungsstrategien nicht mehr aus. Einige davon behalten wir zwar bei, einige verändern sich jedoch und andere werden neu gelernt. Die verschiedenen Resilienzaspekte beeinflussen sich gegenseitig und können sich auch noch im Verlauf des Verarbeitungsprozesses verändern. Sie alle entfalten ihre Wirkung auf unsere Wahrnehmung, unsere Orientierung und unser Verhalten. Starke Menschen behalten vor allem solche Muster bei, die ihr starkes Ich stabilisieren. Sie halten beispielsweise lange an der Überzeugung fest, alles irgendwie schaffen zu können. Wer einseitig in Richtung Stärke orientiert ist, braucht für diese Neuausrichtung also die Bereitschaft und die Fähigkeit, Schwäche zulassen zu können, damit sich eine wohltuende Balance (wieder) einstellt.

1.2Zusammenspiel innerer und äußerer Kräfte

Sind Sie auch der Meinung, Resilienz lasse sich daran erkennen, dass Menschen sich durch nichts unterkriegen lassen, weil sie einzelne Fähigkeiten wie Optimismus oder Lösungsorientierung in besonderem Maße ausgeprägt haben? Das ist ein verbreitetes Missverständnis. Es legt die Vorstellung nahe, man könne Menschen in einen Zustand von Unverwundbarkeit bringen, der sie in die Lage versetzt, jederzeit und mühelos mit allen Unbilden zurechtzukommen.

Mit der Verbreitung der Ergebnisse der Resilienzforschung ist vor allem bei Arbeitgebern, Pädagogen und Erziehenden das Interesse daran gewachsen, wie sie anderen Menschen Resilienz vermitteln oder zumindest deren Resilienzentwicklung fördern können. In Personalabteilungen, in pädagogischen Einrichtungen wie auch in Familien will man wissen, wie man es schafft, die stark zu machen, um die es geht. Die Motive dafür sind durchaus unterschiedlich. Manche möchten, dass ihre Kinder, Schüler oder Mitarbeiter gut gerüstet sind für die Widrigkeiten des Lebens. Andere verbinden damit eher die Zielsetzung, dass die Betreffenden weniger Frust und weniger Widerstand zeigen angesichts der Erwartungen und Forderungen, die an sie gestellt werden. Durch einige Führungsetagen geistert die unzutreffende Annahme, resiliente Mitarbeiter seien per se produktiver und willfähriger. Man ist daher bereit zu Investitionen, die sie resilient oder resilienter machen, damit sie alle strukturellen Veränderungen und Einschnitte, die ihnen zugemutet werden, mittragen und klaglos das Beste daraus machen. Doch das ist ein Trugschluss. Resilienz bedeutet keineswegs widerstandslose Anpassung an Veränderungen oder Zumutungen von außen.

Resilienz beruht weder auf einzelnen stark ausgeprägten Eigenschaften noch ist sie ein statischer Zustand. Sie entsteht vielmehr im dynamischen Zusammenspiel innerer und äußerer Kräfte, das sich je nach Ausgangslage, Kontext und Zielsetzung immer wieder neu gestaltet und ausbalanciert. Resilienz entwickelt sich also über die Zeit in unterschiedlicher Ausprägung. Welche Haltungen und Fertigkeiten sich positiv auf Ihre Resilienz auswirken, das wandelt sich mit Ihrer individuellen Lebensgeschichte, mit dem Umfeld, in dem Sie leben, mit Ihren aktuellen Lebenssituationen. In einem akuten Moment kann es sehr sinnvoll sein, schreckliche Ereignisse zu verdrängen und nicht darüber zu sprechen. Es hilft, an den Belastungen nicht zu zerbrechen. In einer anderen Lebenssituation ist es gerade das Aussprechen und Erzählen, das dabei hilft, Bedrohliches oder Beängstigendes so zu verarbeiten, dass es für den weiteren Lebensweg heilsam ist. Ein bestimmter Schutzfaktor kann daher in einem Fall relevant und wirksam sein, in einem anderen Fall weniger oder gar nicht.3

Resilienz ist also ein komplexer systemischer Anpassungsprozess, der immer wieder in Gang gesetzt und durchlaufen werden muss. Resilienz ist kein eindeutiges Konzept von Ursache und Wirkung nach dem Muster »Wenn das und das gegeben ist, dann wird mit Sicherheit das und das eintreten«. Es ist vielmehr ein mehrdimensionales Wahrscheinlichkeitskonzept. Dabei wirken nicht nur die unterschiedlichen inneren Kräfte und Fähigkeiten der beteiligten Personen. Es spielt auch eine Rolle, auf welche Weise äußere Strukturen und Maßnahmen auf diese inneren Kräfte einwirken. Wenn Sie Arbeitgeber oder Führungskraft sind, ist daher die Frage »Wie werden meine Mitarbeiter resilient, damit sie meine Entscheidungen bejahen und vertreten?« nicht zielführend. Was Sie weiterbringt, sind vielmehr Fragen wie »Welche unserer Aktionen dämpfen den Optimismus der Mitarbeiter? Welche Zumutungen übersteigen ihre Bereitschaft zur Akzeptanz? Wodurch blockieren wir ihre Kreativität? Welche Maßnahmen unterstützen ein hohes Verantwortungsbewusstsein?« Häufig erreichen Sie schon eine ganze Menge, indem Sie alles unterlassen, was die Resilienz Ihrer Mitarbeiter behindert oder bremst. Gleiches gilt natürlich auch für Mitstreiter auf allen Gebieten, für Schüler, Kinder oder Patienten. Die Frage »Wie mache ich mein Kind resilient?« entspringt der Vorstellung, dass Sie diese inneren Kräfte bei anderen erzeugen können. Im Bereich Ihrer Möglichkeiten als Eltern, Erzieher, Lehrer oder Ausbilder liegt es aber lediglich, die inneren Kräfte des Kindes oder des Jugendlichen anzusprechen und zu stärken. Dafür eignen sich eher die Fragen »Wie greife ich in die Selbstregulierung des Kindes ein oder behindere sie sogar? Was kann ich hingegen tun, damit das Kind seine Fähigkeiten zur Selbstregulierung entdeckt und entwickelt?« Ein Kind, das sich langweilt, ständig zu unterhalten stärkt es keineswegs, sondern macht es abhängig vom Eingreifen des Erwachsenen. Wenn Sie Ihren pädagogischen Auftrag ernst nehmen und das Kind nicht stattdessen einfach sich selbst überlassen, könnten Sie mit dem Kind zusammen besprechen, was es selbst gegen Langeweile tun kann und tun möchte. Sie können auch mit ihm überlegen, wie es mit Langeweile zurechtkommt, ohne sie gleich wegmachen zu müssen und ohne sie an anderen auszulassen. Zudem können Sie beobachten und überlegen, wie Sie selbst es aushalten, dass das Kind sich eben auch mal langweilt. Was leiten Sie für sich daraus ab? Und wie gehen Sie selbst mit Langeweile um?

Wenn ich andere stärken will, setzt das voraus, dass ich diese erwünschten Haltungen und Handlungsweisen auch selbst pflege und zum Ausdruck bringe. Wer seine Mitarbeiter respektlos behandelt, wird es schwer haben, wenn er Akzeptanz von ihnen erwartet. Wer seinem Kind wenig Eigeninitiative zutraut und zugesteht, braucht sich über dessen fehlenden Optimismus nicht zu wundern. Und wer ständig die schlechten Zeiten oder die schwierigen Kunden beklagt, kann kaum erwarten, dass seine Mitarbeiter selbstverantwortlich und pro-aktiv auch schwierige Situationen angehen.

1.3Resilienzprofil in Balance

Wenn wir mit Ereignissen oder Situationen konfrontiert sind, die wir nicht mit unseren üblichen »Bordmitteln« bewältigen können, sind neue Denk- und Verhaltensmuster gefragt und einzusetzen. So haben Menschen, die als resilient gelten, im Laufe ihrer persönlichen Entwicklung ihr Reaktionsrepertoire vergrößert. Nun streben Menschen aber in der Regel auch danach, Erreichtes zu sichern und bewährte Abläufe zu wiederholen. Man könnte auch sagen, solange sie mit bewährten – und damit eingeschränkten – Möglichkeiten zurechtkommen, probieren die meisten wenig Ungewohntes aus. Daraus folgt, dass wir ohne Krisen, ohne Schwierigkeiten, ohne Herausforderungen auch keine besonderen Kräfte entwickeln. Genau das, was wir als beschwerlich, leidvoll oder schlichtweg ärgerlich empfinden, ist daher ein Trainingslager für unsere inneren Kräfte.

Wir neigen dazu, Bekanntes zu wiederholen. Je besser das Alte funktioniert, umso fester prägen sich die Handlungsmuster ein. Wir bauen sozusagen Verhaltens-Autobahnen aus, auf denen wir ohne Nachdenken durchs Leben rollen. Menschen, die dazu neigen, sich auf andere zu verlassen, verfestigen dieses Verhalten, solange sich immer wieder jemand findet, der für sie die Kastanien aus dem Feuer holt. Sie verfeinern sogar – bewusst oder unbewusst – ihre Methoden, andere dazu zu bringen. So werden sie immer mehr in diesem Lösungsansatz bestätigt und werden immer besser darin, anderen die Verantwortung aufzuladen. Das Gleiche gilt natürlich für diejenigen, die die Kastanien bereitwillig aus dem Feuer holen. Sie werden immer tüchtiger darin, weil sie es ständig trainieren. Gleichzeitig denken sie immer weniger darüber nach, ob sie das überhaupt wollen und was sie letztendlich damit erreichen. So entstehen unterschiedliche Ausprägungen im Resilienzprofil. Manche setzen besonders auf ihre Kreativität und die Erfahrung, dass sie viele Ideen produzieren können. Andere sind sehr geübt und erfolgreich darin, unabänderliche Tatsachen zu konstatieren und zu akzeptieren. Wieder andere trainieren kontinuierlich ihre Fähigkeit, immer wieder Frust und Unlustgefühle beiseitezuschieben und sich stattdessen zu disziplinieren.

Da unterschiedliche Situationen aber unterschiedliche Aspekte von Resilienz erfordern, sind die am besten gerüstet, die ein möglichst ausbalanciertes Profil vorweisen, die also je nach Bedarf den einen oder anderen Aspekt hervorbringen können. So gesehen sind Menschen, die sich selbst für stark halten oder von anderen als hoch belastbar betrachtet werden, oft genauso wenig ausbalanciert wie die »Schwachen«. Denn sie verfügen oft nur über äußerst schmale Trampelpfade für Verhaltensweisen wie um Hilfe bitten, spüren und berücksichtigen, wenn sie müde oder lustlos sind, oder Grenzen setzen, auch wenn sie jemanden damit enttäuschen. Je länger und intensiver sie aber die Rolle der Starken ausfüllen, die immer noch mehr Aufgaben übernehmen und deren Kräfte unerschöpflich scheinen, desto nötiger brauchen sie gerade diese Aspekte von Resilienz und desto schwerer fällt es ihnen, sie hervorzubringen. Die Befürchtung, dass ihnen alles um die Ohren fliegt, wenn sie sich und ihren Einsatz zurücknehmen, lässt sie Entlastung und andere Wege gar nicht erst in Erwägung ziehen. Langsam aber sicher manövrieren sie sich auf diese Weise mit der Zeit in einen Zustand der Erschöpfung und der Schwäche. Dafür aber haben sie nur wenige oder gar keine wirksamen Strategien zur Verfügung. Diese ganz neu zu lernen kann dann wieder zum Kraftakt werden und am Ende professionelle Hilfe erfordern.

2.Resilienz als Stützkorsett für Schwache?

Ein Mann ist stark,

wenn er sich seine Schwäche eingesteht.

Honoré de Balzac

2.1Starke Typen

Auf den ersten Blick scheint Resilienz ein Bündel von Kernfähigkeiten zu umfassen, das vor allem für diejenigen wichtig ist, die mit ihrem Leben zumindest vorübergehend nicht zurechtzukommen scheinen. Für Menschen, denen Schlimmes widerfährt, das sie nicht bewältigen können, die Verluste zu erleiden haben, die sie nicht kompensieren können, die immer wieder in Schwierigkeiten geraten, die körperlich oder seelisch erkranken, aggressiv oder straffällig werden. Natürlich können solche Personen sehr davon profitieren, wenn ihre inneren Kräfte gestärkt werden. Sie haben es bitter nötig, dass auch äußere Kräfte zusammenwirken an der Verbesserung ihrer Situation, an der konstruktiven Auseinandersetzung mit dem, was ihnen widerfahren ist und widerfährt, an ihrer persönlichen Stabilisierung und Entwicklung.

Es gibt verschiedene Förderprogramme auf der Grundlage des Resilienzkonzeptes, die dazu beitragen sollen, dass Kinder aus schwierigen Familienverhältnissen gestärkt werden. Für Jugendliche, die aus dem üblichen gesellschaftlichen Rahmen fallen, werden Maßnahmen entwickelt, wie sie durch Bildung und Begleitung realistische optimistische Perspektiven entwickeln und verfolgen können. Für Erwachsene, die aus unterschiedlichen Gründen als nicht sehr belastbar gelten, gibt es Projekte, damit sie im Arbeitsprozess Unterstützung erfahren in Form von Hilfen zur Wiedereingliederung, Anpassung an veränderte Bedingungen oder Neuorientierung in ihrer beruflichen und privaten Situation. Auch im privaten Bereich werden Einzelpersonen und auch ganze Systeme, die schwierig oder in Schwierigkeiten sind, gestützt, manchmal über lange Zeiträume hinweg. Als Initiatoren, Begleiter, Mitstreiter an solchen Aktionen wirken häufig Menschen mit, die selbst viel von dem zu haben und zu bieten scheinen, was unter dem Sammelbegriff Resilienz beschrieben wird. Eine Menge davon lassen sie auch in die Unterstützung anderer einfließen. Sie sind Motoren und Motivatoren für andere. Sie passen sich gut auch an ständige Wechsel und Veränderungen an. Sie scheinen über nahezu unerschöpfliche Energien zu verfügen, mit denen sie das Leben für sich und die Menschen in ihrer beruflichen und privaten Umgebung managen und organisieren.

Sandra zum Beispiel tritt nicht im Zirkus auf. Doch sie jongliert gekonnt mit ihren verschiedenen Rollen und achtet seit vielen Jahren konzentriert darauf, dass kein Ball auf die Erde fällt. Sandra investiert viel Aufmerksamkeit, Energie und Herzblut in die Erziehung ihrer beiden Töchter. Als überdurchschnittlich engagierte Lehrerin gestaltet sie über ihren eigenen Unterricht hinaus das Schulleben maßgeblich mit. Ihren Lebensgefährten Enno, der als Autor und Regisseur von Theaterstücken lieber von der Hand in den Mund lebt, als künstlerische Kompromisse einzugehen, unterstützt sie emotional und finanziell. Ihren Eltern bringt sie jede Woche eine kleine Aufmerksamkeit vorbei, obwohl sie sich von ihnen ständig kritisiert fühlt. Eine starke Frau?

Ein weiteres Beispiel: Andreas ist 16, als sein Vater an Parkinson erkrankt. Damit steht in dem Handwerksbetrieb auch die Existenz der Familie auf dem Spiel. Da sein ältester Bruder bereits im Jurastudium ist, schlüpft Andreas, der eigentlich Lehrer werden will, in die Rolle des männlichen Versorgers. Er verlässt die Schule, um eine Tischlerlehre zu machen, und übernimmt nach dem Tod seines Vaters als junger Handwerksmeister die Verantwortung für den elterlichen Betrieb. Die Mutter ist erleichtert, dass Haus und Firma gerettet sind. Seiner jüngeren Schwester ermöglicht Andreas damit, eine Ausbildung nach ihren Vorstellungen zu machen. Den kleinen Handwerksbetrieb baut er mit der Zeit aus zu einem florierenden Unternehmen für maßgeschneiderte Innenausbauten. Ein starker Mann?

Ariane hat ein sehr gespanntes Verhältnis zu ihrer Mutter, die sich öfter für ein paar Tage bei ihr einlädt und die ganze Familie sehr in Anspruch nimmt. Um die Atmosphäre wenigstens für Mann und Sohn zu entlasten, beißt Ariane dann jedoch die Zähne zusammen und begegnet ihrer Mutter mit aller Freundlichkeit und Geduld, die sie aufbieten kann. Zu ihren Schwiegereltern hat sie ein herzliches Verhältnis, sie haben sie seinerzeit mit offenen Armen in ihre Familie aufgenommen. Als die Schwiegermutter ihren an Krebs erkrankten Mann nicht mehr alleine pflegen kann, bietet Ariane den beiden an, zu ihnen zu ziehen. Schnell stellt sich heraus, dass auch die Schwiegermutter selbst schon Hilfe braucht. Ariane gibt ihre Stelle als Empfangsdame in einem Wellnesscenter auf, damit sie sich kümmern kann. Ein starker Einsatz?

Haben Menschen, die zu solchen Lebensleistungen in der Lage sind, überhaupt Bedarf an (mehr) Resilienz? Können die Ergebnisse der Resilienzforschung auch für sie von Nutzen sein? Inwiefern sollten gerade sie von diesen Erkenntnissen und Erfahrungen profitieren können?

Menschen wie Sandra, Andreas und Ariane werden gemeinhin als Menschen betrachtet, die stark und belastbar sind und etwas aushalten können. Sie selbst sehen sich gar nicht unbedingt so. Sie handeln auf ihre Weise, weil sie es auf der Grundlage ihres Wertesystems so für notwendig und richtig halten. Dieses Wertesystem entsteht durch unterschiedliche Einflüsse. Es spielt eine Rolle, wie die Herkunftsfamilie uns prägt, wie weltanschauliche und gesellschaftliche Normen der Umgebung auf uns einwirken, wie wir mit unserem persönlichen Stil auf die Erwartungen anderer reagieren und nicht zuletzt, wie wir die eigenen Voraussetzungen und Lebenserfahrungen verarbeiten.

Manchmal haben zufällige Sachlagen und Konstellationen einen entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung der Persönlichkeit und des Selbstbildes. Marina hat sehr früh gelernt, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen. Immer hatten die Bedürfnisse ihres behinderten Bruders Vorrang. So hat sie sich daran gewöhnt, ihre Gefühle und Anliegen zurückzustellen. Andere übernehmen schon als Jugendliche oder sogar als Kind die Verantwortung eines Erwachsenen, wenn ein Elternteil schwer erkrankt, stirbt oder die Familie verlässt. Torstens Vater lässt jahrelang abfällige Bemerkungen und respektloses Verhalten seiner Schwiegerfamilie widerspruchslos über sich ergehen, weil er sich finanziell