Das Heimchen am Herde - Charles Dickens - E-Book

Das Heimchen am Herde E-Book

Charles Dickens.

0,0

Beschreibung

Das Heimchen am Herde, Originaltitel The Cricket on the Hearth, ist eine Erzählung von Charles Dickens aus dem Jahr 1845. Cricket on the Hearth ist eine Geschichte über das Glück, das die Grillen im Ofen bringen sollen.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 174

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Das Heimchen am Herde

Charles Dickens

Inhalt:

Charles Dickens – Biografie und Bibliografie

Das Heimchen am Herde

Erstes Zirpen.

Zweites Zirpen.

Drittes Zirpen.

Hochzeitsttanz.

Das Heimchen am Herde, C. Dickens

Jazzybee Verlag Jürgen Beck

Loschberg 9, 86450 Altenmünster, Deutschland

ISBN: 9783849609740

www.jazzybee-verlag.de

[email protected]

Charles Dickens – Biografie und Bibliografie

Früher bekannt unter dem Pseudonym Boz, berühmter engl. Schriftsteller, nebst Thackeray der Hauptvertreter der Londoner Romanschule, geb. 7. Febr. 1812 in Landport bei Portsmouth, wo sein Vater bei der Marine angestellt war, gest. 9. Juni 1870, kam mit seinen mittellosen Eltern 1816 nach Chatham, im Winter 1822/23 nach London, war schwächlich und genoß keine gute Schulbildung, zeichnete sich aber schon als Kind durch eifriges Lesen von Romanen und Dramen aus. Eine Weile saß der Vater im Schuldgefängnis, und Charles machte in einem Geschäftshaus Pakete für 6 oder 7 Schilling die Woche. Dann besserten sich die Verhältnisse; Charles besuchte eine »Academy« in Hampstead Road, wurde Advokaturschreiber, wobei er Gelegenheit hatte, das englische Volksleben zu studieren, trieb zugleich im Britischen Museum literarische Studien, lernte stenographieren, bekam eine Stelle als Reporter und zeigte dabei so großes Geschick, daß er zur Mitarbeit an »The true sun« und später am »Morning Chronicle« herangezogen wurde. Im »Monthly Magazine«, »Morning Chronicle« und in ähnlichen Zeitschriften veröffentlichte er seit Dezember 1833 die Skizzen vom bunten Treiben der Hauptstadt, die er gesammelt als »Sketches of London« (1836, 2 Bde.) mit Zeichnungen von Cruikshank herausgab. Im August 1834 unterzeichnete er zum erstenmal einen Aufsatz mit Boz, einer Kinderform für Moses, wie sein jüngerer Bruder, Augustus, nach einem Knaben im »Vikar von Wakefield« gewöhnlich genannt wurde. Eine zweite Reihe »Sketches« folgte noch 1836. Seinen Ruhm aber gründete er durch die »Pickwick papers« (1836–37), die in wöchentlichen Heften mit Federzeichnungen von Cruikshank und Phiz erschienen und von allen Schichten der Gesellschaft mit Freude begrüßt wurden. Das Buch enthält lustige Abenteuer einiger Herren des Pickwickklubs, die auf einer Reise durch England die Sitten verschiedener Gesellschaftsklassen beobachten. Die Frische, Schwäche und Gutherzigkeit des Londoners (cockney) ist darin mit ebensoviel Menschenkenntnis als Gemütsteilnahme dargestellt, ja literarisch entdeckt worden. D. hat seinem Volke die Poesie des gewöhnlichen Lebens durch das Medium des Humors zum Bewußtsein gebracht. Am 2. Dez. 1836 heiratete D. Katharina, die Tochter eines Kollegen beim »Morning Chronicle«. Im Januar 1837 begann er einen zweiten Roman: »Oliver Twist«, eine Erzählung aus den untern Volksschichten (1837 bis 1839). Es folgten: »Nicholas Nickleby« (1839), noch erfolgreicher als die »Pickwickier«; »Master Humphrey's clock« (1840–41), eine Reihe von Erzählungen, in denen die Zeichnung von Leidenschaften und die Schilderung des oft hoffnungslosen Elends in den Fabrikstädten besonders ansprechen (aufgelöst in zwei Geschichten: »The old curiosity shop« und »Barnaby Rudge«), u. »Martin Chuzzlewit«, worin manche Früchte einer inzwischen unternommenen Reise nach Amerika eingestreut sind. Seine im Allgemeinen nicht günstigen Eindrücke von Amerika legte er in eignem Zusammenhang nieder in den »American notes« (1842). D. bewohnte nun ein hübsches Haus mit Garten am Regent's Park, wurde viel gefeiert, auch hoch bezahlt. Er blieb aber auch im Wohlstand ein Philanthrop und bewährte dies besonders durch seine Weihnachtsgaben: »A Christmas carol« (1843), »Chimes« (geschrieben in Italien, 1844), »The cricket oa the hearth« (1845), »Battle of life« (geschrieben am Genfer See, 1846); »The haunted man« (1848). Dazwischen entstand der Roman »Dombey and son« (1846–48), ein erschütterndes Bild bürgerlichen Lebens. Mit erstaunlicher Arbeitskraft ließ D. bereits 1849–50 den mehr autobiographischen Roman »David Copperfield« folgen, durch treffliche Charakterzeichnung und einen wahrscheinlichern Plan vor den andern Werken ausgezeichnet; ferner »Bleakhouse« (1852), »Hard times« (1853), »Little Dorrit« (1855), »Tale of two cities« (1859), »Great expectations« (1861), »Our mutual friend« (1864–65). Dazu gesellten sich journalistische Unternehmungen: er wurde 1845 Redakteur der neubegründeten liberalen Zeitung »Daily news«, in der er »Pictures of Italy« veröffentlichte, zog sich aber bald von dem Blatt zurück und begann 1849 die Herausgabe einer Wochenschrift: »Household words«, die Unterhaltung mit Belehrung verbinden sollte und, seit 1860 u. d. T.: »All the year round« erscheinend, ungemeine Verbreitung fand. Seine spätern Romane sind regelmäßig darin erschienen. Eine Ergänzung bildete das monatlich erscheinende -»Household narrative of current events«, eine Übersicht der Zeitgeschichte. »A child's history of England« (1852) ist eine behaglich geschriebene Geschichte Englands. In den von der »Literary guild«, einer Anstalt für altersschwache Schriftsteller, in den großen Städten gegebenen Theatervorstellungen entwickelte D. auch dramatisches Talent, wie er denn seit seiner Kindheit sich an Dilettantenschauspielen mit Lust beteiligte. Indes wirkten die Anstrengungen doch auf seine Gesundheit, um so mehr, als sich Verluste und Unbefriedigtheit in der Familie (Trennung von der Frau 1858) dazu gesellten; eine Rastlosigkeit befiel ihn, deren Spuren man in seinen Schriften zuerst in »Bleakhouse« bemerken will. Auf mannigfachen Reisen und in seinem Hause Gadshill Place, das er seit 1856 besaß und verschönerte, suchte er rastlos nach Erholung. Vollends verderblich wurden ihm die Vorlesungen aus seinen Werken, die er seit 1858 in Cyklen in London, der Provinz, Schottland, Irland und 1868 auch auf einer zweiten Reise nach Nordamerika hielt. Er gewann Ehren und ungeheure Honorare, fühlte sich aber oft am Ende seiner Kraft. Ein Blutaustritt im Gehirn führte schließlich seine Auflösung herbei. Er starb im geliebten Gadshill Place, während er an dem »Mistery of Edwin Drood« arbeitete, das deshalb Fragment blieb, und wurde in der Westminsterabtei beigesetzt. In den 12 Jahren nach seinem Tode wurden von seinen Werken über 4 Millionen in England verkauft. Die erste Sammelausgabe war schon 1847 begonnen worden. Die »Charles D. edition«, in Amerika unternommen, erschien in England 1868–70 u. ö.; 1881 in 21 Bdn.; die »Library edition« 1881 in 30 Bdn. Seine »Speeches, literary and social« veröffentlichte Shepherd (Lond. 1870, 2. Aufl. 1883), der auch die »Plays and poems« sammelte (das. 1882–85, 2 Bde.). Von Gesamtausgaben deutscher Übersetzungen sind zu erwähnen: die Webersche (von Roberts, Leipz. 1842–70, 125 Bde., illustriert), die Hoffmannsche (von Kolb u. a., Stuttg. 1855ff., 25 Bde.), die Seybtsche (Leipz. 1862, 24 Bde.), die Scheibesche (Auswahl, Halle 1892, 15 Bde.), die Schirmersche (von Heichen, Naumb. 1902ff., 34 Bde.). Zur Erläuterung seiner Schriften veröffentlichte Pierce ein »D. Dictionary« (2. Aufl., Boston 1878). D. schildert das Leben, die Charaktere der Weltstadt von den Gemächern der Aristokratie bis zur Dachstube oder den Kellern, wo die Armut und das Verbrechen wohnen, mit einer glücklichen Mischung von Satire und Gefühl, nicht ohne die Absicht, zu bessern und Mißbräuche zu beseitigen. Das Londoner Leben der mittlern und untern Stände ist seine eigentliche Sphäre; will er weiter hinauf und Bilder aus den höhern Ständen oder aus der Geschichte liefern, so mißlingt es ihm. Sein Pathos reicht aus, wahr und ergreifend den Tod eines Kindes zu schildern; eine tiefe Leidenschaft zum Ausdruck zu bringen, lag nicht in der realen Richtung seines Wesens. Seine Liebesszenen sind gern drollig, seine Verbrecher Ungeheuer. Nebenfiguren baut er sich auf aus einigen Eigentümlichkeiten, Launen, Sprechweisen. Von Frauengestalten weiß er alte Damen und Dienstboten gut zu schildern; seine Liebhaberinnen sind unbedeutend. Dagegen gelingt ihm die Zeichnung von Kindern meisterhaft, weil ihm bei allem Realismus der Sinn des Poeten für das Märchenhafte nicht abging. Dadurch wußte er selbst dem Häßlichen eine Anziehungskraft zu leihen und bei allem Realismus dezent zu wirken. Charakteristisch für seine Romane ist der Mangel an einheitlichem Plan, z. T. wahrscheinlich eine Folge davon, daß sie in Lieferungen erschienen; das Gedränge am Ende, wenn über Hals und Kopf abzuschließen ist, wird oft sehr fühlbar. Aber wie bei Walter Scott bleibt der Verfasser selber und um so mehr der Leser bis zum Ende in Spannung, wie es ausgehen wird. Sein Leben schrieben I. Forster (Lond. 1872–74, 3 Bde.; zuletzt 1891; deutsch von F. Althaus, Berl. 1872–75; in abgekürzter Ausg. von Gissing, Lond. 1898), Julian Schmidt (»Bilder aus dem geistigen Leben unserer Zeit«, neue Folge, Leipz.1872), A. W. Ward (1882), Marzials (1887), Kitton (1902), Heichen (1902); vgl. auch Langton, Childhood and growth of D. (1891); G. Dolby, D. as I knew him (neue Ausg. 1900); R. Bluhm, Autobiographisches in »David Copperfield« (Leipz.1891); »The letters of Charles D.« (hrsg. von seiner Schwiegertochter und ältesten Tochter Lond. 1880, 3 Bde.); »Letters to Wilkie Collins« (das. 1892). Eine brauchbare »Bibliography of D.« lieferte Shepherd (Lond. 1880), zu ergänzen durch Kitton, Dickensiana (das. 1886), der auch »Minor writings of D.« herausgab (das. 1900) und in »The novels of D.« (1897) bequeme Inhaltsübersichten bot. Seinen Jugendeinflüssen ging Benignus nach (Straßb. 1894), seinen Beziehungen zu Addison Winter (Leipz. 1899), zu Fielding und Smollet Wilson (das. 1899).

Das Heimchen am Herde

Erstes Zirpen.

Der Kessel fing an! Sprecht mir nicht davon, was Mrs. Peerybingle behauptet hat. Natürlich weiß ich es besser als sie. Für ewige Zeiten mag Mrs. Peerybingle es vor Gericht zu Protokoll geben, daß sie nicht imstande sei, auszusagen, wer von ihnen beiden den Anfang gemacht hat – ich behaupte, daß der Kessel es war. Wer sollte es denn sonst wissen, wenn nicht ich. Dort in der Ecke steht eine kleine Schwarzwälderuhr, und deren Wachsgesicht zeigte an, daß der Kessel ganze fünf Minuten vorher angefangen hat, bevor das Heimchen überhaupt zu zirpen begann.

Gerade als hätte die Uhr nicht voll ausgeschlagen und als hätte der kleine Landmann oben drauf, der mit seiner Sense vor einem maurischen Schloß rechts und links drauflos arbeitete, nicht einen halben Morgen Gras abgemäht – das, nebenbei gesagt, garnicht da war, bevor das Heimchen überhaupt daran dachte, einzufallen.

Nicht, daß ich von Natur aus immer recht haben will. Alle Welt weiß das. Um nichts in der Welt möchte ich Mrs. Peerybingle widersprechen, wenn ich nicht vollkommen von der Wahrheit meiner Aussage überzeugt wäre. Wahrlich, nichts könnte mich dazu veranlassen. Hier jedoch sprechen Tatsachen. Und Tatsache ist, daß der Kessel mindestens fünf Minuten vorher begann, bevor das Heimchen überhaupt ein Lebenszeichen von sich gab. Wenn mir jetzt jemand widerspricht, so sage ich zehn!

Erlaubt jetzt, daß ich exakt erzähle, wie es geschah. Freilich hätte ich das gleich tun sollen, – aber das ist einfach so: soll ich eine Geschichte erzählen, so habe ich mit dem Anfang anzufangen – und wie kann ich mit dem Anfang anfangen, wenn ich nicht mit dem Kessel beginne?

Ist es nicht gerade, als handelte es sich um eine Wette oder ein musikalisches Preisringen? Natürlich zwischen dem Kessel und dem Heimchen. Und nun erzähle ich auch, wie es zugegangen ist und wie sich die Sache verhält.

Mrs. Peerybingle ging in die unheimliche Dämmerung hinaus und klapperte mit ihren Pantoffeln, unendlich viele rohe Abdrücke des ersten Euklidischen Lehrsatzes auf dem Hofe zurücklassend, über die nassen Steine, um den Kessel aus dem Wasserfaß zu füllen. Sodann kehrte sie in das Haus zurück, d. h. ohne die Pantoffel – und das ist ein großer Unterschied, denn die Pantoffel waren hoch und Mrs. Peerybingle war klein – und nun stellte sie den Kessel ans Feuer. Dabei verschwand ihre gute Laune, oder Mrs. Peerybingle hatte sie beiseite gelegt. Denn das Wasser auf dem Hofe – das sehr kalt war und außerdem so klebrig und glitschig, daß es alle möglichen Stoffe, selbst Pantoffel nicht ausgenommen, durchdringt – hatte Mrs. Peerybingles Füße nicht geschont und selbst ihre Waden bespritzt. Bilden wir uns aber nun – und das mit Fug und Recht – etwas auf unsere Beine ein und sind wir obendrein sehr eigen, was Sauberkeit und saubere Strümpfe betrifft, so empfinden wir das natürlich zunächst als eine große Unannehmlichkeit. –

Nun kommt noch dazu, daß auch der Kessel überaus widerspenstig war. Er wollte auf der Eisenstange nicht sitzen bleiben: er wollte nichts davon wissen, sich den Kohlen freundlich anzubequemen. Er beugte sich absolut wie ein Betrunkener vornüber und, als richtiger Einfaltspinsel von einem Kessel, ließ er seinen Inhalt auf den Herd tröpfeln. –

Er war streitsüchtig und zischte und sprudelte mürrisch über dem Feuer. Schließlich widersetzte sich auch der Deckel Mrs. Peerybingles Fingern; erst schlug er einen Purzelbaum und dann fiel er mit boshafter Hartnäckigkeit, die einer besseren Sache würdig gewesen, seitwärts bis auf den Grund des Kessels hinunter. Sogar der Rumpf des »Königlichen Georg« hat, um aus den Tiefen des Meeres gehoben zu werden, den Ingenieuren nicht halb soviel Widerstand geleistet, als dieser widerspenstige Kesseldeckel den Fingern der Mrs. Peerybingle.

Auch dann noch erwies sich der Kessel widerspenstig und dickköpfig; streckte seinen Henkel keck empor und schien seine Schnauze impertinent und höhnisch gegen Mrs. Peerybingle zu rümpfen, als wollte er sagen:

»Ich will nicht kochen. Nichts kann mich dazu bewegen!«

Aber Mrs. Peerybingle hatte ihre gute Laune wiedergefunden: sie rieb ihre molligen rundlichen Hände aneinander und setzte sich vergnügt vor den Kessel. Inzwischen schlug die Flamme fröhlich empor und beleuchtete freundlich den kleinen Grasmäher auf der Schwarzwälder Uhr, so daß man hätte glauben können, er stehe stockstill vor dem maurischen Palast und nur die Flamme sei in Bewegung.

Allein er bewegte sich doch; er hatte noch ganz richtig und regelmäßig seine Anfälle, immer zwei in der Sekunde. Aber es war schrecklich, seine Leiden anzusehen, wenn die Uhr im Begriff war zu schlagen, und sooft der Kuckuck aus seiner Klapptür im Palast herausguckte und sechsmal einsetzte, schüttelte es ihn jedesmal wie eine Gespensterstimme, oder wie ein Eisendraht, der an seinen Beinen zerrte.

Erst nach einer heftigen Erschütterung, und nachdem das Schnarren und Rasseln der Gewichte und der Schnüre unter ihm vollständig aufgehört hatte, kam der geängstete Grasmäher wieder zu sich. Sein Schrecken war übrigens begründet gewesen; denn die rasselnden Knochengerippe von Uhren sind mit ihrer lärmenden Tätigkeit ganz danach angetan, jeden außer Fassung zu bringen, und es wundert mich sehr, wie sich irgendein Mensch, ganz besonders aber ein Schwabe, daran ein Vergnügen finden konnte, sie zu erfinden. Behauptet man doch überhaupt, die Schwaben liebten weite Gehäuse und viel Kleidungsstoff für die unteren Teile ihres Körpers, und sie hätten darum schon der Übereinstimmung wegen ihre Uhren nach unten zu nicht so ganz nackt und unbekleidet lassen sollen.

Aber dies war der Augenblick, wo der Kessel sich zu amüsieren anfing. Dies war der Augenblick, wo der Kessel, sanft und musikalisch werdend, in seiner Kehle ein ununterdrückbares Gurgeln zu bekommen begann und kurze Schnaubetöne hören ließ, die er jedoch sofort erstickte, als wüßte er selbst noch nicht, ob er ein angenehmer Gesellschafter wäre. Dies war der Augenblick, wo er, nach zwei oder drei vergeblichen Anläufen seine zutraulichen Gefühle nicht zu verraten, alle üble Laune, alle Zurückhaltung beiseite schob und plötzlich in so fröhliche, trauliche Melodien ausbrach, daß sogar die sentimentalste Nachtigall ihn darum beneidet hätte.

Und wie einfach war der Gesang! Gott, ihr hättet ihn verstanden wie ein Buch – ja vielleicht besser als gewisse Bücher, die ich nicht nennen will. Während er seinen warmen Atem in einer lichten Wolke ausströmte, der fröhlich und anmutig einige Fuß emporstieg, und dann in der Kaminecke als an seinem Privathimmel hängen blieb, trällerte der Kessel sein Lied mit solchem Elan und einer Begeisterung, daß sein metallischer Körper auf dem Feuer summte und vor Freude schaukelte; und selbst der Deckel, der vorhin so widerspenstige Deckel – so viel vermag ein gutes Beispiel! – führte eine Art von Polka auf und klapperte wie ein taubstummes junges Zimbelbecken, das nie etwas von den Gewohnheiten seines Zwillingsbruders gehört hat.

Daß dieser Gesang des Kessels ein Einladungs- und Willkommensgruß für jedermann da draußen war, für jemand, der sich in diesem Augenblick dem kleinen behaglichen Hause und dem flackernden Feuer näherte, darüber kann gar kein Zweifel bestehen. Mrs. Peerybingle wußte das freilich sehr gut, während sie nachdenklich vor dem Herde saß.

Die Nacht ist finster, sang der Kessel, und dürre Blätter liegen am Wege; und oben ist alles Nebel und Dunkelheit, unten alles Schmutz und Schlamm; nur einen hellen Punkt gibt es in der traurigen düstern Luft, doch ich weiß nicht einmal, ob es einer ist, denn er scheint nur ein dunkelroter, zorniger Schimmer an der Stelle zu sein, wo Sonne und Wind gemeinsam den Wolken ein Brandmal aufdrücken, um sie wegen eines solchen Wetters zu strafen; und wohin man sieht, ist die Landschaft nur ein einziger trübseliger schwarzer Streifen; und Reif bedeckt den Wegweiser und Glatteis die Pfade; und das Eis ist kein Wasser und das Wasser kann nicht fließen und kein Wesen kann sagen, daß etwas sei, wie es sein sollte; aber er kommt, kommt, kommt! ...

Und hier, wenn ihr erlaubt, stimmte das Heimchen ein mit einem Zirp–zirp–zirp von einer Großartigkeit wie ein Chor, – mit einer Stimme, die in einem so fabelhaften Mißverhältnis stand zu seiner Größe im Vergleich mit der des Kessels – (was sag' ich Größe! man konnte es ja nicht einmal sehen!) – daß, wenn es geplatzt wäre wie ein zu stark geladenes Gewehr, es als ein Opfer seines Fleißes auf der Stelle geblieben wäre und seinen kleinen Körper in tausend Splitter zerzirpt hätte – es würde euch das nur als eine natürliche und unvermeidliche Folge erschienen sein, auf die es extra losgearbeitet hatte. –

Bei dem Kessel war es aus mit seinem Solo. Allerdings fuhr er mit ungeschwächter Anstrengung fort; aber das Heimchen spielte jetzt die erste Violine und behielt sie. Gott, wie das zirpte! Seine schrille, harte, durchdringende Stimme tönte durch das ganze Haus und schien in der Dunkelheit draußen zu scheinen wie ein Stern. Es lag ein unbeschreibliches Trillern und Tremulieren in seinen höchsten Noten, das auf den Gedanken brachte, es sei ihm, hingerissen von dem Feuer seiner Begeisterung, nicht mehr möglich, sich aufrecht zu erhalten und müsse nun immer hüpfen und springen. Doch stimmten sie ganz ausgezeichnet zusammen, das Heimchen und der Kessel. Der Refrain des Liedes war immer derselbe, und lauter, lauter, immer lauter sangen sie in ihrem Wetteifer.

Die hübsche kleine Zuhörerin – denn hübsch war sie und jung, obgleich ein wenig rundlich, was mir persönlich aber durchaus nicht unsympathisch ist – die hübsche kleine Zuhörerin zündete ein Licht an, warf einen Blick nach dem Heumäher oben auf der Uhr, der schon eine recht schöne Mittelernte von Minuten geerntet hatte, und blickte dann zum Fenster hinaus, wo sie jedoch dank der Finsternis nichts sah als ihr eigenes Gesicht, das sich in den Scheiben spiegelte. Allerdings ist meine Ansicht – und ich glaube, auch die eure –: sie hätte lange hinausblicken können, ehe sie nur etwas halb so Anmutiges gesehen hätte.

Als sie auf ihren alten Sitz am Herde zurückkehrte, waren das Heimchen und der Kessel noch immer am Musizieren in einer Art wütenden Wettstreites – offenbar war die schwache Seite des Kessels die, daß er nicht wußte, wann er besiegt war.

Eine Aufregung, ganz wie bei einem Wettrennen. Zirp, zirp, zirp! Heimchen eine Weile voran Sum, sum, sum–m m! Kessel tapfer hinterdrein, gerade wie ein großer Brummkreisel. Zirp, zirp, zirp! Heimchen biegt um die Ecke. Sum, sum, sum–m–m! Kessel folgt natürlich: kein Gedanke, sich für besiegt zu halten. Zirp, zirp, zirp! Heimchen lustiger als je. Sum, sum, sum–m–m! Kessel bedächtig, aber beharrlich! Zirp, zirp, zirp! Heimchen legte sich ins Geschirr, um ihm den Garaus zu machen. Sum, sum, sum–m–m! Kessel gibt nicht nach – bis sie schließlich im Holterpolter des Wettrennens sich so miteinander vermischen, daß, um einigermaßen sicher zu entscheiden, ob der Kessel zirpte und das Heimchen summte, oder ob das Heimchen zirpte und der Kessel summte, oder ob sie beide zirpten und beide summten, ein hellerer Kopf als der eure und der meine dazu nötig gewesen wäre. – Darüber kann jedoch kein Zweifel bestehen: daß der Kessel und das Heimchen genau in demselben Augenblick und vermöge einer ihnen allein bekannten Harmonie ihren Herdgesang auf den Flügeln eines Lichtstrahls, der durch das Fenster drang, die ganze Straße hinunter sandten. Und dieser Strahl, der auf einen gewissen Jemand fiel, der sich in der Dunkelheit dem Hause näherte, teilte ihm sofort die ganze Sache mit und rief: »Willkommen zu Hause, alter Knabe! Willkommen, lieber Freund!«

Gerade als dies Ziel erreicht war, kochte der Kessel, vollständig besiegt, über und wurde schnell vom Feuer genommen. Dann lief Mrs. Peerybingle nach der Tür, und bei dem Gerassel von Wagenrädern, dem Stampfen eines Pferdes, dem Rufen eines Mannes, dem Drauflosstürmen eines aufgeschreckten Hundes und dem ebenso überraschenden wie geheimnisvollen Erscheinen eines Wickelkindes wußte sie bald gar nicht mehr, wo ihr der Kopf stand. –

Woher das Wickelkind kam oder wo Mrs. Peerybingle es nur so im Handumdrehen herbekommen, das kann ich beim besten Willen nicht erzählen. Jedenfalls aber lag ein lebendiges Wickelkind in Mrs. Peerybingles Armen, und sie schien sogar glücklich und stolz darauf zu sein, als sie von der robusten Gestalt eines Mannes sanft ans Feuer gezogen wurde, der viel größer und viel älter als sie war; er mußte sich tief herabbücken, um sie zu küssen. Aber es war auch der Mühe wert. Sogar für einen Mann von sechs Fuß sechs Zoll lohnte es sich, ja, wäre er noch obendrein mit Kreuzschmerzen behaftet gewesen!

»Herr, mein Gott!« sagte Mrs. Peerybingle. »Wie siehst du aus, bei dem Wetter!«

Man konnte in der Tat nicht leugnen, daß er recht schlimm aussah, – der dicke Nebel hing in großen Tropfen an seinen Augenwimpern wie gefrorener Tau, und das Feuer und die Nässe ließen richtige Regenbogen in seinem Backenbart spielen.