Das hilft bei Osteoporose - Alles zu Ursachen, Diagnostik und ganzheitlicher Behandlung - Tassilo König - E-Book

Das hilft bei Osteoporose - Alles zu Ursachen, Diagnostik und ganzheitlicher Behandlung E-Book

Tassilo König

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Beschreibung

Dieses Buch ist Osteoporose-Pflichtlektüre. Dr. med. Tassilo König fasst darin seine langjährigen Erfahrungen in der Patienten-Betreuung sowie aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu Ursachen, Diagnose und Behandlung der Osteoporose zusammen und behandelt alle Aspekte der Erkrankung. Sein Anliegen: Osteoporose ist kein Schicksal, und jeder kann lernen, damit eigentverantwortlich und selbstbewusst umzugehen und trotz Krankheit ein erfülltes und selbstbestimmtes Leben führen.

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Zum Geleit

Die Zunahme der Frakturhäufigkeit, insbesondere bei Menschen über 70 Jahre, stellt eine Herausforderung für die Akteure im Gesundheitswesen dar. Maßnahmen zur Verhinderung verdienen aufgrund der vorliegenden besorgniserregenden Zahlen besonderes Interesse. Man sollte so weit gehen zu sagen:

Es muss sich etwas ändern bei der Diagnostik und Therapie der Volkskrankheit Osteoporose!

Trotz des umfassenden Wissens über die möglichen Ursachen der Osteoporose wird die Diagnose dieser das Leben und den Alltag der Betroffenen schwer beeinträchtigenden Systemerkrankung in der Regel erst so spät ­diagnostiziert, dass Brüche von ­Wirbelkörpern, peripheren ­Knochen oder des Schenkelhalses es unübersehbar machen. Altersgerechte, qualifiziert angeleitete Bewegung mit den Schwerpunkten Koordination, Kraft, Ge­­schicklichkeit und Ausdauer sind unverzichtbar für einen gesunden Stoffwechsel und damit auch für die Leistungsfähigkeit des Halte- und Bewegungsapparates.

Die heute leider aus verschiedensten Gründen häufig so oberflächlich gewordene symptom- und nicht mehr ausreichend ursachenorientierte Medizin bekommt mit diesem Buch Anregungen, jeden Patienten wieder als eine besondere diagnostische Herausforderung anzusehen und detektivisch ursächliche Zusammenhänge zu identifizieren. Die Korrektur der Symptom-Bekämpfungs-Medizin und damit ein Paradigmenwechsel zur Förderung der Gesundheit im Sinne der von der WHO geforderten Saluto­genese ist dringend erforderlich. Mit diesem Buch halten Sie den Anfang in Ihren Händen.

Dr. med. Ulrich Frohberger

Zentrum für Orthopädie und regenerative Medizin Münster (ZOR)

Vorwort

Die erste Patientin mit Osteoporose, die ich als junger Assistenzarzt behandeln durfte, war meine geliebte Großmutter. Es tat mir in der Seele weh, mitansehen zu müssen, wie die Frau, die mich 25 Jahre lang mit ihren Kochkünsten verwöhnt hatte, sprichwörtlich unter meinen Händen zerbrach. Es gab in den 1980er-Jahren außer konventionellen Röntgenbildern keine weitere Möglichkeit der Diagnostik, kaum Laborwerte und nur wenige helfende Medikamente. So beschränkten sich die Maßnahmen, die wir ergreifen konnten, auf Schmerzlinderung, Korsettbehandlung, Krankengymnastik und Massagen sowie auf den Einsatz des einzig sinnvollen Medikaments, das es damals gab.

Die Suche nach den Zusammenhängen, der hormonellen Steuerung und möglichen Beeinflussung des Knochenstoffwechsels währt schon über 100 Jahre. Von Anfang an war es auch eine Suche nach Substanzen, die die Knochenalterung aufhalten (Antiresorptiva) oder den Knochen im Sinne eines »Better Aging« gar wieder aufbauen können (Osteoanabolika). Bereits um 1900 gab es erste Untersuchungen zum Einfluss von Strontium auf den Knochenstoffwechsel. Mit der Innovation der Knochendichtemessgeräte und deren Verbreitung in der Praxis in den 1980er-­Jahren geriet die Osteoporose immer mehr in den Fokus von ­Forschung und Praxis. Im Jahr 1992 habe ich mein erstes Knochendichtemessgerät für die Praxis angeschafft und seither viele Tausend Knochendichtemessungen durchgeführt.

Aber mit der Therapie blieb es weiterhin so eine Sache. Die Bedeutung von Kalzium und Vitamin D war unstrittig. Bei Kal­zitonin, Testosteron und Östrogen war es schon komplizierter. Zur spezifischen Therapie gab es eigentlich nur ein Medikament: ­Natriumfluorid, ein in der Natur vorkommendes Mineral. Dessen Einsatz zur Behandlung der Osteoporose gründete auf der Beobachtung, dass in Regionen mit Trinkwasser-Fluoridierung weniger Schenkelhalsfakturen auftraten. Im Jahr 1961 wurde Natrium­fluorid zur Behandlung der postmenopausalen Osteoporose zugelassen. Allerdings war die Nutzung nicht einfach und auch nicht ungefährlich. Denn eine Überdosierung oder eine zu lange Behandlungsdauer führten zwar zu einer erheblichen Verdichtung des Knochens, die man im Röntgenbild dokumentieren konnte. Allerdings ging dieser Knochenzuwachs paradoxerweise mit einer erhöhten Knochenbrüchigkeit einher, das Gegenteil dessen, was wir erreichen wollten. Das zeigte uns Ärzten, dass die Knochendichte allein zur Beurteilung des Therapieerfolges keineswegs ausreichend war.

Inzwischen bin ich selbst Großvater. Wir Ärzte sind nun in der Lage, individuell angepasst und zuverlässig Sie als Patientinnen und Patienten mit Osteoporose zu behandeln. Den Ärztinnen und Ärzten steht heute eine Vielzahl an spezifischen Medikamenten mit unterschiedlichem Wirkungsspektrum zur individualisierten Therapie zur Verfügung. Um aber eine auf den Einzelfall abgestimmte ganzheitliche Therapie anbieten zu können, ist es erforderlich, die individuellen Risikofaktoren zu erkennen, eine entsprechende und umfassende Diagnostik durchzuführen und mit den Patienten im Team unter Beteiligung von Arzt, Physio­therapeuten, Angehörigen, Sozialdiensten und Ernährungscoach ein Therapiekonzept zu erstellen.

Ich möchte Ihnen, ob betroffen oder interessiert, einen Überblick über die aktuellen Erkenntnisse zum Thema Osteoporose geben und Ihnen das nötige Wissen vermitteln, damit Sie zukünftig auf Augenhöhe mit den Therapeutinnen und Therapeuten kommunizieren können. Besonderen Wert lege ich auf die In­­formationen, die Sie in die Lage versetzen, Ihren persönlichen Lebensstil der Erkrankung Osteoporose anzupassen – um aktiv mit Osteoporose leben zu können. So können Sie sich auf den Weg zu Ihrer Genesung machen. Ich wünsche Ihnen eine helfende ­Lektüre!

Tassilo König

Ursachen – Wissenswertes zur Osteoporose

Osteoporose ist eine tückische Krankheit. Sie kommt schleichend und über die Jahre, um dann unvermittelt mit dem akuten Frakturereignis zuzuschlagen. Sei es bei einem Sturz auf Glatteis und dem folgenden Handgelenk- oder Unterarmbruch, sei es mit dem Bruch eines Wirbelkörpers beim Anheben des Enkelkindes oder mit einem Schenkelhalsbruch beim nächtlichen Toilettengang. All diese Ereignisse machen aus den Betroffenen im ungünstigsten Fall gebrochene Seelen.

Im Jahr 2019 waren in Deutschland über fünf (!) Millionen Menschen von Osteoporose betroffen, davon 4,5 Mio. Frauen und ca. 1,2 Mio. Männer. Es ereignen sich pro Jahr 831 000 durch eine Osteoporose bedingte Knochenbrüche, das sind 2300 jeden Tag oder 95 Schicksale pro Stunde! Bis zum Jahr 2034 wird sich die Zahl der durch eine Osteoporose bedingten Knochenbrüche auf eine Million erhöhen. Auch in meiner Praxis ist das Frakturereignis einer der häufigsten Gründe, der Patienten mit dem Krankheitsbild Osteoporose konfrontiert. Aber muss es denn erst so weit kommen? Kann man nicht vorbeugend etwas unternehmen, werden Sie berechtigterweise fragen.

Im internationalen Rahmen werden zunehmend die Anstrengungen intensiviert, belastbare Daten und Erkenntnisse über Maßnahmen zur Verhinderung altersassoziierter Knochenbrüche zu erhalten, um faktengestützte Entscheidungsalgorithmen entwickeln zu können. Durch die demografische Wandlung ent­wickelt sich das Krankheitsbild der Osteoporose zur gesamtge­sellschaftlichen Herausforderung. Leider wird aber in den Industrienationen Gesundheit zunehmend als Kostenfaktor und nicht als Ressource empfunden.

Der Aufbau der Knochen

Nach der Definition der Weltgesundheitsorganisation WHO und Fachgesellschaften für Knochenstoffwechselkrankheiten (Osteologie) handelt es sich bei der Osteoporose um eine systemische Erkrankung des gesamten Skeletts, die durch eine Verminderung der Knochenmasse, dem Substanzverlust, zu einer Verschlechterung des Knochengewebes, dem Strukturverlust, führt, die dann mit dem Versagen der Knochenfunktion, dem Funktionsverlust in Form des Knochenbruchs einhergeht.

Mit den Millionen Betroffenen gehört die Osteoporose zu den häufigsten Volkskrankheiten. Sie ist eine lebenslange Erkrankung, und die Behandlung muss, in welcher Form auch immer, lebenslang erfolgen. »Die letzte Tablette nehmen Sie mit ins Grab«, gebe ich meinen Patienten immer mit auf den Weg. Die Versorgung der Frakturen aufgrund von Osteoporose kostet die Gesellschaft derzeit fünf Milliarden Euro jährlich, Tendenz steigend. Aufgrund der dramatischen demografischen Entwicklung der Bevölkerung in den Industrieländern werden die sozioökonomischen Auswirkungen der Osteoporose enorm an Bedeutung gewinnen.

Eine für den Therapieerfolg entscheidende Tatsache ist die Therapietreue der Patienten. Nach dem ersten Jahr der Osteoporosetherapie sind leider auch heute nur etwa 17 % der Patienten der eingeleiteten speziellen Therapie treu. Hier stellt sich die wichtige Frage: Wie können wir die Bedeutung einer effektiven Therapie der Krankheit Osteoporose für die Lebensqualität der Patientinnen und Patienten sowie bei den Angehörigen steigern? Wie können wir die Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen Krankenhäusern, Reha-Kliniken und ambulant tätigen Ärzten entscheidend verbessern? Wie kann die Compliance der Patientinnen und Patienten für die Therapie verbessert werden? Denn nur ein Medikament, das auch tatsächlich eingenommen wird, kann helfen!

Einige Fakten vorweg

Mit über 81 000 Fällen zählt die Schenkelhalsfraktur inzwischen zu den häufigsten Frakturen in Deutschland, und durch den derzeit stattfindenden demografischen Wandel steigt auch die Häufigkeit. Unabhängig von der Art der Versorgung versterben heute etwa 33 % der Patientinnen und Patienten nach einem Schenkelhalsbruch in Deutschland noch im ersten Jahr. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob eine zementierte oder eine zementfreie Hüftprothese oder eine Frakturverschraubung stattfand. Von den Überlebenden kehren 25 % nie wieder in ihre Wohnung zurück! Und jeder Knochenbruch erhöht das Risiko auf weitere Knochenbrüche (Anschlussfrakturen) deutlich. Bei den über 74-jährigen Frauen beträgt die Frakturrate 41 %, bei den Männern 35 %. Aber nur 9 % (!) der Versicherten (Daten von BARMER) mit einem altersbedingten Knochenbruch erhielten innerhalb eines Jahres eine entsprechende Grundlagendiagnostik mittels Knochendichtemessung und nur 18 % eine adäquate medikamentöse Behandlung. Das sind für eine Industrienation beschämende Daten.

Es gehört auch heute noch in meiner Praxis leider zum Alltag, dass Patienten nach einem Oberschenkelhalsbruch oder nach einer Wirbelkörperfraktur aus dem Krankenhaus entlassen werden, ohne auf die Notwendigkeit einer Messung der Knochendichte hingewiesen oder über die Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer Osteoporose aufgeklärt worden zu sein. Diese Zahlen haben sich in den 30 Jahren meiner beruflichen Tätigkeit zwar leicht verbessert, sind aber immer noch weit von den erforderlichen Zielen entfernt, um einem demografisch begründeten Desaster in den kommenden Jahren zu entgehen. Die Kenntnis und ­Einstellung vieler klinischer Kollegen zum Krankheitsbild Osteoporose ist sehr zum Leidwesen unserer Patienten weiterhin von Unkenntnis und vielerorts von Ignoranz geprägt.

Hausärzte übermitteln noch viel zu selten notwendige Vorbefunde an die Fachärzte, zu denen sie ihre Patienten zur weiteren Versorgung überweisen. Es verzögert und erschwert die Behandlung der Patienten in unnötiger Weise, wenn die Kapazitäten der Facharztpraxen mit der Herbeischaffung der erforderlichen Vorbefunde beschäftigt sind. Doppeluntersuchungen besonders im Röntgen und Labor sind die Folge. Ein großes Lob muss ich allerdings den Hausärzten in meinem Einzugsbereich aussprechen. In 30 Jahren vertrauensvoller Zusammenarbeit kann man doch einiges optimieren. Es geschieht heute in guter Regelmäßigkeit, dass ich von den Hausärzten die aktuellen Laborbefunde übermittelt bekomme oder dass von mir empfohlene Laboruntersuchungen beim Hausarzt durchgeführt werden.

Unsere Knochenarchitektur

Die Knochenfunktion gliedert sich in die Stützfunktion des Skeletts und die Stoffwechselfunktion des Knochengewebes. Die Stützfunktion ermöglicht dem Menschen den aufrechten Gang und den Schutz der inneren Organe. Zu den Aufgaben des Knochens als Stoffwechselorgan zählen vor allem die Kontrolle und Gewährleistung eines gesunden Kalzium- und Phosphatstoffwechsels, die Speicherung verschiedener Mineralien und die Hormonproduktion. So stellt das Knochengewebe mit 1 kg Kalzium das größte Kalziumdepot unseres Organismus dar. Die Knochen sind Teil des neuro-muskulo-skelettalen Systems und bilden mit den Nerven, den Muskeln, Sehnen, Faszien und Bändern den Bewegungsapparat. Sie geben dem menschlichen Körper eine Form und ermöglichen ihm die Fortbewegung im Raum. Der grundsätzliche Aufbau eines Knochens gliedert sich in die äußere Knochenhaut (Periost), die dicht gepackte Rinde (Kortikalis) und das Innere, ein Netzwerk aus kleinen Knochenbälkchen, die Spongiosa.

Der Aufbau des Knochens© Adobe Stock / Oleksandr Pokusai

Um sich den wechselnden statischen Anforderungen im Laufe eines Lebens anpassen zu können, unterliegt diese Knochenarchitektur einem lebenslangen und beständigen Auf-, Um- und Abbau. Dieser als bone modelling bezeichnete Prozess wird physikalisch durch Druck-, Scher- und Zugkräfte getriggert und biochemisch durch mannigfache Signalmoleküle orchestriert. Das Zusammenspiel von Knochenauf- und -abbau muss aufeinander abgestimmt und ausbilanziert sein, da sonst Mineralisationsstörungen folgen können. Die mitwirkenden Signalmoleküle werden durch ein fein abgestimmtes Zusammenspiel im Körper mehrfach kontrolliert. Für den Organismus ist dabei ein ausgewogenes Verhältnis der Konzentration von Kalzium, Phosphat und Magnesium erforderlich. Die Konzentrationen werden u. a. durch die Aktivität des Parathormons, des Kalzitonins und durch Vitamin D eingestellt. Die Konzentration von Kalzium im Blut unterliegt einem streng kontrollierten Regelkreis und erlaubt nur eine geringe Schwankungsbreite. Um Defizite im Serum-Kalzium auszugleichen, dient der Knochen als schnell verfügbarer Kalziumspeicher und auch -lieferant. Deswegen sollten Sie auf eine ausgewogene Ernährung mit Gewährleistung einer ausreichenden Kalziumversorgung achten. Kommt es bei einer über die Jahre zu niedrigen Kalziumzufuhr zu einem Kalziummangel, wird dieser durch die unbemerkte Freisetzung von Kalzium aus dem Knochen kompensiert. Eine Osteoporose ist die sichere Konsequenz. Für den Knochenaufbau sind die Osteoblasten, für den Knochenabbau die Osteoklasten verantwortlich. Die Dirigenten des Orchesters sind die Osteozyten. Sie kontrollieren den Regelkreislauf aus Auf- und Abbau. Dabei stehen die Osteozyten als Schaltzentrale durch ein ultrafeines Kanalsystem miteinander in Kommunikation. Dieses Kanalsystem ist mit einer Endolymphe gefüllt, deren physiologische, durch jede Körperaktivität induzierte Bewegung die biochemischen Prozesse in den Osteozyten auslöst.

Unsere Knochen bestehen aus der Knochengrundsubstanz, dem Osteoid, die zum größten Teil aus dreidimensional vernetzten Kollagenmolekülen gebildet wird. In diese Grundsubstanz werden entlang der Kollagenstränge anorganische Kalziumverbindungen eingelagert, die dem Knochen seine Stabilität geben. Die Ausrichtung der Kollagenstränge und damit auch die räumliche Ausrichtung der Kalziumeinlagerung, Trabekel genannt, folgt strengen physikalischen Prinzipien, die sich aus der Druck- und Zugbeanspruchung des jeweiligen Knochens ergeben. Sie sind auch abhängig von der individuellen Konstitution, der Körperhaltung, dem Alter und der körperlichen Beanspruchung des Individuums.

Kollagen weist einen hohen Anteil an Eiweiß auf und sorgt für die notwendige Elastizität des Knochens. Die Aminosäuren Glycin, Prolin und Hydroxyprolin sind die Hauptbestandteile. Eine Eiweißmangelernährung, wie bei Essstörungen, Resorptionsstörungen, bei Darmkrankheiten, durch Medikamente oder Diäten kann eine verminderte Kollagensynthese und damit auch eine Osteoporose zur Folge haben. Achten Sie deshalb immer auf eine ausgewogene Ernährung und sorgen Sie besonders in der Wachstumsphase und im höheren Lebensalter für eine dem erhöhten Bedarf angepasste Proteinaufnahme.

Die Kortikalis ist für ca. 75 % der Knochendichte beim Erwachsenen verantwortlich. Allerdings ist die Knochenfestigkeit nur im Zusammenspiel aller Knochenbestandteile gewährleistet. Der anatomische Aufbau der einzelnen Knochen, ob Röhrenknochen wie beim Schenkelhals, mit einem überwiegenden Anteil von kortikalem Knochen, oder spongiöser Knochen wie im Wirbelkörper, hat erheblichen Einfluss auf die Wirksamkeit der unterschiedlichen Osteoporose-Medikamente.

Störungen im Aufbau

Die maximale Knochenmasse (peak bone mass, kurz PBM) erreicht der menschliche Organismus kurz nach der Pubertät. Diese PBM ist durch genetische Faktoren (Kollagensynthese, Vitamin-D-Rezeptoren u. a.), hormonelle Faktoren (Wachstumsfaktoren, Sexualhormone), über die mechanische Beanspruchung (körperliches Training, Muskelmasse) sowie die Ernährung (Diäten, Eiweißzufuhr, Phosphatbelastung, Vitaminversorgung, Mineralversorgung) beeinflusst. Im Kindesalter zum Beispiel findet das Längenwachstum der Knochen vor allem an den Enden der langen Röhrenknochen, in besonderen Wachstumszonen, den Epiphysenfugen, in den Nachtstunden statt. Deshalb ist ein ausreichend langer und tiefer Schlaf für die Skelettreifung unabdingbar.

Sensible Momente – die Pubertät

Eine besonders sensible Phase der Knochenmineralisation liegt in der Pubertät. Allein in dieser Periode des Wachstums wird etwa die Hälfte der Erwachsenenknochenmasse angelegt. In dieser Phase ist der Knochen daher auch besonders anfällig für Störungen. Östrogenmangel, Zyklusstörungen bei der Frau, Testosteronmangel beim Mann, Störungen der Wachstumshormone, Essstörungen, Diäten, Schlafmangel, vegane oder vegetarische Ernährung oder Mineralmangel sind mögliche negative Einflussfaktoren. So kann es passieren, dass Jugendliche nach der Pubertät bereits ein zu geringes »Guthaben« auf dem Konto der Knochenmasse haben. Die moderne Lebens- und Ernährungsweise heutiger junger Menschen (Fast Food, Softdrinks, Zuckerkonsum, Bewegungsmangel) kann uns zukünftig vor große ­He­rausforderungen stellen.

Ein latenter Testosteronmangel ist weit verbreitet und betrifft auch zunehmend jüngere Männer. Allerdings zeigt sich der Testosteronmangel in jüngeren Jahren eben nicht in einer erektilen Dysfunktion oder verminderter Libido, sondern eher in unspezifischen Symptomen wie Müdigkeit, Kraftlosigkeit, Erschöpfung und Energiemangel. Deshalb sollte bei jüngeren Männern lieber einmal mehr der Testosteronspiegel gemessen werden. Die Bestimmung eines altersadjustierten Testosteronspiegels ist wichtig, um einschätzen zu können, ob eine Testosteronersatztherapie sinnvoll sein könnte. Viele jüngere Männer mit Symptomen eines Testosteronmangels erhalten keine Ersatztherapie, da die Werte nicht erhoben werden. Ein normaler Testosteronspiegel von 300ng/dl für einen 45-Jährigen ist für einen 20-Jährigen eben nicht ausreichend! In der Folge kommt es zu einer verminderten Bildung der peak bone mass.

Verschiedene Studien lassen ebenfalls den Verdacht zu, dass eine frühe kontrazeptive Behandlung (Antibabypille) in Abhängigkeit von den verwendeten Medikamenten einen negativen Effekt auf die PBM hat. So hemmen orale Kontrazeptiva im ­Tierversuch den adoleszenten Knochenstoffwechsel mit dem Effekt einer reduzierten peak bone mass und einem später erhöhten Frakturrisiko. Insbesondere bei jungen Frauen mit Ko-Risikofaktoren (Osteoporose in der Familie, Nikotinkonsum, Alkoholkonsum, Fehlernährung, Softdrinks, Diabetes mellitus Typ 1) sollte man mit der Verordnung von hormonellen Kontrazeptiva sorgsam sein und vor Beginn der Behandlung die Knochendichte kontrollieren.

Die für den Knochenstoffwechsel der Frau wichtigsten Se­­xualhormone sind die Östrogene. Da Östrogene die knochen­abbauenden Zellen (Osteoklasten) hemmen und damit die ­Knochenabbaurate bei der Frau kontrollieren, kann durch eine Hormonersatztherapie (HRT) besonders bei früh postmenopausalen Frauen der klimakterisch bedingte Knochenverlust gebremst und auf ein späteres Lebensalter verschoben werden. Die Frau gewinnt Zeit! Doch kann es durch eine alleinige Gabe von Östrogenen in der HRT unter Umständen zu negativen Auswirkungen auf die Gebärmutterschleimhaut kommen. Eine HRT sollten Sie deshalb nur in enger Abstimmung mit Ihrer Frauenärztin oder Ihrem Frauenarzt durchführen. Für den Knochen kann sie dennoch ein Segen sein.

Postmenopausal kommt es durch den relativen Östrogenmangel zu einem beschleunigten Knochenabbau, der sich durch einen raschen Verlust der Knochenmasse an der Wirbelsäule auszeichnet. Deshalb ist der Wirbelkörperbruch auch die häufigste Fraktur für prä- und jüngere postmenopausale Frauen, der Schenkelhalsbruch jedoch für die Hochbetagten. Diesen Tatsachen muss man bei der Auswahl der entsprechenden Medikamente gerecht werden. Im höheren Alter steht neben dem Mineralverlust der be­­reits eingetretene Strukturverlust in den Röhrenknochen im Vordergrund. Deshalb kommt es zum exponentiellen Anstieg der ­Häufigkeit von Unterarm- und Schenkelhalsfrakturen im Alter ab 75 Jahre. Während sich der durch den Östrogenmangel beschleunigte postmenopausale Knochenabbau mit antiresorptiven Medikamenten gut behandeln lässt, kann es im hohen Lebensalter nach einem Unterarm- oder Schenkelhalsbruch von großem Vorteil sein, zuerst knochenaufbauende (osteoanabole) Medikamente zu verordnen. Dabei spielt die zeitliche Reihenfolge der verwendeten Medikamente für den Therapieeffekt eine entscheidende Rolle.

Beim Mann tritt adäquat zur Menopause die Andropause auf. Testosteron ist das Hormon der männlichen Keimdrüsen und unser Leistungshormon. Auch Östradiol spielt im Knochenstoffwechsel des Mannes eine Rolle, genauso wie Testosteron im weiblichen Organismus von Bedeutung ist. Testosteron baut durch seine anabolen Effekte Eiweiß und somit Muskelmasse auf, was besonders für junge männliche, sportlich aktive Erwachsene einen positiven Effekt auf das Skelettsystem hat. Eine gute Muskelmasse ist für die Körperkraft, Koordination und eine ausreichend hohe Fettverbrennung entscheidend. Es ist erwiesen, dass Testosteron die Knorpel- und Knochenneubildung stimuliert! Durch den relativen Testosteronmangel in der Andropause kommt es auch im männlichen Organismus zu deutlichen Verschiebungen. Ein beschleunigter Muskelkraft- und Muskelmasseverlust geht mit einem Knochenmasseverlust einher. Der Umbau der Fettreserven hin zum viszeralen Bauchfett bedingt eine zunehmende Insulinresistenz und einen proentzündlichen Hypercortisolismus, also einen dauerhaft erhöhten Cortisolspiegel im Blut. Dieser hat negative Effekte auf den Knochen, indem er die Kalziumausscheidung über den Urin erhöht, die Kalziumaufnahme im Magen-Darm-Trakt hemmt und den Knochenabbau stimuliert.

Stadien der Osteoporose© Adobe Stock / nmfotograf

Dem soeben beschriebenen, altersbedingten Verlust an Knochenmasse (primäre Osteoporose) stehen die Fälle spezifischer, durch Begleiterkrankungen ausgelöster Osteoporosen (sekundäre Osteoporose) gegenüber. So kann eine Osteoporose infolge medizinischer Eingriffe auftreten. Bei Frauen ist das häufig bei einer Therapie des Brustkrebses mit Aromatasehemmern, bei Männern durch die antiandrogene Behandlung bei Prostatakarzinom der Fall. Eine Cortisonbehandlung chronisch-entzündlicher Krankheiten wie COPD oder Rheuma löst leider sehr häufig, so segensreich sie für die Betroffenen ist, als Nebenwirkung eine ver­heerende Osteoporose aus. Auch eine chronisch-entzündliche Darmerkrankung (Morbus Crohn, Zöliakie, Colitis) führt sehr häufig zu Resorptionsstörungen und damit zu einer Osteoporose. Resorptionsstörungen treten aber auch nach einer Operation wegen krankhafter Adipositas auf und verursachen eine schwer zu behandelnde sekundäre Osteoporose. Tatsächlich können viele der im Alltag eingesetzten Medikamente als Nebenwirkung eine Osteoporose nach sich ziehen.

Was unterscheidet eine primäre von einer sekundären Osteoporose?

Der altersassoziierte, das Normalmaß überschreitende Verlust an Knochenmasse wird als primäre Osteoporose bezeichnet. Hauptursachen dieser Form der Osteoporose sind neben der genetischen Disposition individuelle Ernährungs-, Verhaltens- und hormonelle Faktoren.

Im klinischen Alltag begegnen uns immer häufiger die Fälle sekundärer Osteoporosen, die infolge medizinischer Maßnahmen oder als Begleiterscheinung einer schweren Grunderkrankung auftreten. So segensreich manches Medikament für die Behandlung von schweren Krankheiten ist, dessen Nebenwirkungen auf den komplexen Knochenstoffwechsel sollten immer Beachtung finden. Nachdenklich müssen uns die sekundären Osteoporosen machen, die als Nebenwirkung einer viel zu unkritischen oder vermeidbaren Medikamenteneinnahme auftreten.

Nicht zuletzt sind viele Krankheitsbilder, wie zum Beispiel ­Arthrose oder Osteoporose, polygenetisch und epigenetisch beeinflusst. Verschiedenste Gene spielen in der Regulation des Knorpel- und Knochenstoffwechsels eine bedeutende Rolle. So können Veränderungen auf einer Vielzahl von Genen zu mannigfaltigsten Störungen vom Kalziumstoffwechsel über die Matrix- und Eiweißsynthese bis zum Hormonhaushalt und zu Alterungsprozessen führen. Über die Veränderungen im Darmbiom können epigenetische Einflüsse festgelegte genetische Programme individuell beeinflussen.

Der Knochenstoffwechsel

Der gesunde Knochen unterliegt zeitlebens einem ständigen ­­Auf- und Abbau, alter Knochen wird abgebaut und durch neuen Knochen ersetzt. Dieser bone remodelling genannte Umformungsprozess dient der strukturellen Anpassung der Knochen­architektur an veränderte Belastungsbedingungen nach dem ­Pauwel’schen Gesetz. So kann sich zum Beispiel nach einem ­Knochenbruch eine Belastungsachse verschoben haben. Auch im Rahmen eines ­Krafttrainings ist eine Anpassung der Knochenstruktur an die geänderten Anforderungen erforderlich. Im ge­­sunden Kochen herrscht ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Knochenaufbau und Knochenabbau.

Die Knochensubstanz besteht zu 30 % aus kollagenem ­Bindegewebe (Knochenmatrix mit den darin befindlichen Kno­chen­zellen) sowie 70 % Mineral (Hydroxylapatit). Die knochen­produ­zierenden Zellen (Osteoblasten) findet man an der Knochenoberfläche. Sie sorgen für die Synthese des Stützgewebes (Knochenmatrix) und deren Mineralisation (bone remodelling). Die knochenfressenden Zellen (Osteoklasten) sind für den Abbau alten Knochens zuständig und finden sich demzufolge in den Resorptionslakunen. Die dritte Zellart im Knochen, die Osteo­zyten, die unter dem Einfluss verschiedenster Regulatoren und Stimuli stehen, synchronisieren das Zusammenspiel (coupling) von Knochenaufbau und Knochenabbau. Das modelling stellt das normale Knochenwachstum dar, während das bone remodelling der Anpassung, Knochenbruchheilung und dem Kalziumgleichgewicht dient. Die Konzentration, Aktivität und Zusammensetzung der verschiedenen Botenstoffe und Stimuli entscheiden über die Bilanz des Umbaus. Sinkende Östrogen- oder Testosteronspiegel führen ebenso zum Überwiegen des Knochenabbaus wie die langfristige Einnahme von Cortison, eine chronische Entzündung oder ein Vitamin-D-Mangel. Körperliches Training und mechanische Belastung (u. a. Vibration, Krafttraining) können den Knochenaufbau stimulieren.

Ausschnitt der Regulation des Knochenstoffwechsels© Tassilo König

Über ein komplexes Rückkopplungssystem mit mannigfachen Botenstoffen wie zum Beispiel RANKL, FGF23, Osteoprotegerin, Sclerostin, Osteocalcin und Cathepsin wird ein ausgewogenes Verhältnis von Knochenaufbau und Knochenabbau sichergestellt. Auf einen beschleunigten Abbau nach einem Knochenbruch folgt in der Regel ein gesteigerter Knochenaufbau (Kallus). Erst die Entkopplung dieser Regelkreisläufe führt zu krankhaften Veränderungen mit überwiegendem Knochenabbau (Osteoporo­se, Pseudarthrose), überwiegendem Knochenaufbau (Sklerose) oder zu einer Knochenmineralisationsstörung (Osteomalazie).

In den letzten Jahren erlangte der Knochen immer mehr Aufmerksamkeit als Stoffwechselorgan und als ein Hormone produzierendes Organsystem. Dabei sind die Osteozyten die Vermittler der Reizaufnahme und Reizweiterleitung im Knochen. Die mechanische Belastung ist der Schlüsselreiz für den Knochen. Die Informationsverarbeitung erfolgt in einem dreidimensionalen Endolymphsystem, in das die Osteozyten mit ihren Zellfortsätzen, den Dendriten, eintauchen. Sie sind für die Umwandlung mechanischer Reize in komplexe biochemische Reaktionen verantwortlich. Jeder Osteozyt besitzt bis zu neunzig dieser Fortsätze, mit denen er Kontakt zu den benachbarten Osteozyten aufnimmt und In­­formationen austauscht. Stellen Sie sich dies am besten ähnlich zu der Kommunikation unter Nervenzellen im Gehirn vor.

Gerät die Endolymphe durch Körperbewegungen in Schwingungen (Fluid Flow) werden die Fortsätze der Zellen gereizt. Unter adäquater mechanischer Belastung erhöht sich der Fluid Flow im Osteozytennetzwerk. In der Folge kommt es zu einer Hemmung von knochenabbauenden und einer Stimulation von knochen­aufbauenden Zellen. Der Prozess des Remodelling ist gestartet. Eine Ruhigstellung von Knochen, wie bei Bettruhe oder im Gipsverband, hat eine sofortige Verminderung des Fluid Flow zur Folge. Das erklärt den sehr schnellen Knochendichteverlust, wenn eine Krankheit zur Ruhigstellung zwingt. In der Schwerelosigkeit kommt der Fluid Flow komplett zum Erliegen. Deshalb verdanken die Osteologen wichtige Erkenntnisse der Grundlagenforschung der Raumfahrtmedizin. Eine Immobilisierung älterer Patienten muss aus diesem Grund unbedingt vermieden werden. Bei einer mechanischen Überlastung des Systems, dem Knochenbruch, kommt es zur Durchtrennung der Dendriten und dem Erliegen des Fluid Flow. So wird die zur Reparatur notwendige Knochenresorption eingeleitet und über eine positive Rückkopplung die Knochenneubildung angeregt.

Besonders erwähnenswert ist einer der wichtigsten Botenstoffe in diesem Regulationssystem: das Stickstoffmonoxid (NO). NO löst eine Knochenneubildung aus und hält die Osteozyten am Leben. In Folge fehlender mechanischer Belastung kommt es zu einem Mangel an NO. Das führt zum Absterben der Osteozyten und zu beschleunigter Knochenresorption. Die Aminosäure L-Arginin ist mit vier Stickstoffatomen der wichtigste Stickstofflieferant im Organismus. Das zeigt die Bedeutung einer adäquaten Nährstoff-, insbesondere Proteinversorgung für den Knochen, die auch für die Kollagensynthese in der Knochen- und Knorpel­matrix essenziell ist.

All diese Prozesse sind in höchstem Maße energieabhängig. Die dafür erforderliche Energie liefern die Kraftwerke der Zellen, die Mitochondrien. Diese Erkenntnis ist derartig bahnbrechend, dass seit kurzer Zeit eine ganz neue Richtung in der Medizin ent­standen ist, die mitochondriale Medizin. Besonders während der Knochenbruchheilung sind die Mitochondrien auf eine adäquate Versorgung mit Substraten, Nährstoffen, Vitaminen und Mineralien angewiesen. Der Energiebedarf ist während einer Erkrankung und in einer Genesungsphase wesentlich erhöht. Im Ergebnis der erhöhten mitochondrialen Aktivität kommt es zu einem vermehrten Anfall freier Radikale mit der Folge nitrosativen und oxidativen Stresses. Dafür ist eine ausreichend hohe Versorgung mit Antioxydantien wie Vitamin C und E sowie Coenzym Q10 Grundvoraussetzung zur Entgiftung. Der Bedarf an diesen Substanzen kann die empfohlenen Verzehrempfehlungen auch zeitweilig überschreiten.

Eine komplexe Krankheit

Die Osteoporose ist ein klassischer Vertreter einer Volkskrankheit. Obwohl sie so häufig auftritt, hohe volkswirtschaftliche Kosten verursacht und den Betroffenen großes Leid zufügt, ist sie in der Aufmerksamkeit der Gesellschaft und Politik unzureichend repräsentiert. Sie ist eben nicht nur eine Erkrankung der Alten, sondern kann aufgrund unterschiedlichster individueller Risikofaktoren in jedem Lebensalter auftreten.

Die wechselseitigen Bedingtheiten im neuro-muskulo-skelettalen System zeigen uns den komplexen Charakter des Krankheitsbildes. Ein so sensibel und fein vernetztes System wie der Knochenstoffwechsel kann immer nur so leistungsfähig sein wie sein schwächstes Glied. Ein Mangel einer Substanz oder einer Ressource zieht unweigerlich eine Dysfunktion des ganzen Systems nach sich. Eine erfolgreiche Behandlung setzt daher neben einer komplexen Diagnostik einen multifaktoriellen Therapieansatz von Patient und Arzt voraus.

Woher Osteoporose kommt

Das Risiko, an Osteoporose zu erkranken, wird durch allgemeine, individuelle unvermeidbare und vermeidbare Faktoren wesentlich mitbestimmt. Diese Faktoren werden in ihrer Bedeutung unterschiedlich stark gewichtet. Hatten Ihre Mutter oder Ihr Vater einen Schenkelhalsbruch, so ist Ihr eigenes Risiko für eine Osteoporose stark erhöht. Ist es bei Ihnen selbst bereits zu einem Knochenbruch nach dem 50. Lebensjahr gekommen, so ist das Risiko, weitere Brüche zu erleiden, wesentlich erhöht. Es gibt auch Medikamente, die zu einer Erhöhung des Knochenbruchrisikos führen. So gilt Cortison, das bei schweren Entzündungen, Autoimmunkrankheiten oder Rheuma sehr hilfreich eingesetzt wird, als knochenschädigendes Präparat. Oft kommt es bereits innerhalb des ersten halben Jahres der Cortisoneinnahme zu einer Entkalkung des Knochens. Deshalb sollte heute vor Beginn einer längerfristigen Cortisonbehandlung eine Knochendichtemessung erfolgen.

Mögliche Faktoren der Erkrankung

Familiäre Disposition. In jeder Stunde ereignen sich in Deutschland 95 Schenkelhalsbrüche. Ist ein solcher Bruch bei Ihrer Mutter oder Ihrem Vater eingetreten, erhöht das Ihr eigenes Risiko, einen Knochenbruch zu erleiden, um das 1,5- bis 2-Fache! In einem solchen Fall sollten Sie Ihre eigene Knochendichte messen und Ihr Frakturrisiko bestimmen lassen, um bei Bedarf eine genaue Diagnose und eine rechtzeitige Behandlung zu erhalten. Jedoch sind nicht alle Schenkelhalsbrüche auf Osteoporose zurückzuführen. Es gibt auch andere Gründe, warum ein Schenkelhalsbruch auftreten kann, wie beispielsweise eine traumatische Verletzung. Wenn in Ihrer Familie also ein Schenkelhalsbruch aufgetreten sein sollte, ist es wichtig, dies mit Ihrem Arzt zu besprechen, um eine genaue Diagnose und eine entsprechende Behandlung zu erhalten. Die Schenkelhalsfraktur von Vater oder Mutter ist sowohl bei Männern als auch bei postmenopausalen Frauen ein alters- und geschlechtsunabhängiger Risikofaktor für eine eigene Schenkelhalsfraktur. Die Knochendichte hat im Fall der Schenkelhalsfraktur nur einen unwesentlichen Einfluss auf das Krankheitsgeschehen.

Ethnische Zugehörigkeit. Es gibt einige Hinweise darauf, dass die ethnische Zugehörigkeit eine Rolle bei der Entwicklung von Osteoporose und dem Risiko von Knochenbrüchen spielen kann. Studien zeigen, dass Asiaten, insbesondere Frauen aus Südasien, ein höheres Risiko für Osteoporose und Knochenbrüche haben können als Kaukasier. Eine der Hauptursachen für dieses erhöhte Risiko ist ein niedriges Niveau der Knochenmineraldichte, das bei diesen Bevölkerungsgruppen häufiger vorkommt. Es gibt auch Hinweise darauf, dass genetische Faktoren eine Rolle bei der ­Entwicklung von Osteoporose und dem Risiko von Knochenbrüchen spielen können. Auf der anderen Seite haben Afroamerikaner und Hispanics in einigen Studien ein geringeres Risiko für Osteoporose und Knochenbrüche als Kaukasier. Dies könnte auf höhere Werte an Knochenmineraldichte zurückzuführen sein, die bei diesen Gruppen beobachtet wurden. Es können jedoch auch innerhalb von Bevölkerungsgruppen große Unterschiede in der Knochengesundheit und dem Risiko von Knochenbrüchen bestehen.

Alter. Das Alter spielt eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Osteoporose. Mit zunehmendem Alter verlieren die Knochen physiologisch an Dichte und Festigkeit, was zu einem höheren Risiko für Osteoporose und Knochenbrüche führen kann. Osteoporose wird daher oft als altersbedingte Erkrankung betrachtet. Bei Frauen beschleunigt sich der Knochendichte-Verlust insbesondere nach der Menopause, da der Östrogenspiegel sinkt. Wenn die Östrogenproduktion nach der Menopause abnimmt, kann dies zu einem beschleunigten Knochenverlust führen.

Es besteht ein generell erhöhtes Risiko für das Vorliegen einer Osteoporose und Frakturen bei Frauen ab dem 70. Lebensjahr und für Männer ab dem 80. Lebensjahr. Männer erleiden zwar im Durchschnitt später im Leben Knochenbrüche als Frauen, aber wenn sie Knochenbrüche erleiden, sind diese häufiger mit einer höheren Sterblichkeitsrate verbunden. Die Rate von Schenkelhalsfrakturen (Inzidenz) steigt von 33,5 Fällen bei den 50-Jährigen auf über 1800 Fälle bei den über 90-jährigen Frauen. Die Rate an Wirbelkörperfrakturen verdoppelt sich ab dem 50. Lebensjahr mit jedem Lebensjahrzehnt. Jedoch: Osteoporose ist nicht zwangsläufig ein natürlicher Teil des Alterungsprozesses. Es gibt viele Faktoren, die das Risiko für Osteoporose und Knochenbrüche beeinflussen.

Geschlecht. Frauen erkranken 5- bis 7-mal häufiger an Osteo­porose als Männer. Vor allem mit Beginn der Menopause sind Frauen einem erhöhten Risiko für Knochenbrüche ausgesetzt. Durch den Östrogenmangel wird ein beschleunigter Knochen­umbau induziert. Nach den Wechseljahren produzieren Frauen weniger Östrogen, was zu einem verstärkten Knochenabbau führen kann. So verlieren Frauen früher und schneller an Knochenmasse und -dichte als Männer. In der Regel setzt die Krankheit bei Männern zehn Jahre später ein als bei den Frauen.

Aber auch der Knochenstoffwechsel von Männern ändert sich in der Andropause. Die nachlassende Testosteronproduktion induziert ein Ungleichgewicht von Knochenaufbau und -abbau. Sowohl bei den Frauen als auch bei den Männern kann in dieser frühen Phase des hormonell induzierten beschleunigten Knochenabbaus der Einsatz niedrig dosierter Hormone segensreich wirken und das Auftreten der Osteoporose verzögern.

Bei etwa 66 % der Männer mit Osteoporose liegt eine ursäch­liche Grunderkrankung vor. Die sogenannten sekundären ­Osteoporosen können bedingt sein durch hämatologische Er­­krankungen (Myelom, Leukämie, Mastozytose), durch hormonelle Ursachen (Schilddrüse, Nebenschilddrüse, Sexualorgane), gastrointestinale Krankheiten (chronisch entzündliche Darm­erkrankungen, Leberzirrhose), rheumatische Krankheiten (rheumatische Arthritis, ankylosierende Spondylarthritis), angeborene Defekte oder weitere Krankheiten wie Diabetes mellitus, Niereninsuffizienz, COPD, Essstörungen und Dauermedikamente (Cortisonpräparate). Wegen der Gefahr einer versteckten Grunderkrankung sollten Männer ihre Risikofaktoren beachten und die Diagnose ernst nehmen. Je jünger der Mann zum Zeitpunkt der Erstdiagnose einer Osteoporose ist und je schwerer die Minderung der Knochendichte ist, umso wahrscheinlicher ist das Vorliegen einer Grunderkrankung, nach der gesucht werden muss, wenn sie nicht bekannt ist. Besonders in Fällen mit einer Diskrepanz zwischen einer moderaten Minderung der Knochendichte, aber vorbestehenden Knochenbrüchen sollte eine konsequente Differenzialdiagnostik erfolgen.

Die Bedeutung von interdisziplinärer Zusammenarbeit – Der Fall Herr K. H.