DAS ist Yoga - Rixa Regina Kroehl - E-Book

DAS ist Yoga E-Book

Rixa Regina Kroehl

0,0

Beschreibung

Alle machen Yoga, von der Zahnarztgattin bis hin zum Anlageberater. Doch wer versteht eigentlich, um was es dabei tatsächlich geht? In der westlichen Welt wird Yoga zu oft als Trendsport oder Gymnastik missverstanden. Dabei ist Yoga so viel mehr: eine jahrtausendealte Philosophie, die auf den Einklang von Körper, Geist und Seele setzt. Rixa Regina Kroehl entlarvt die aktuelle Praxis vieler Sportstudios und Yogaschulen und zeigt in acht Schritten den oftmals vergessenen Weg zu einem erfüllten Leben auf. Ein Buch für alle Yoga-Begeisterten, die nicht nur turnen, sondern im Alltag und in Stresssituationen aufmerksam, bewusst und respektvoll mit sich und anderen umgehen möchten.

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 212

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



DER GROSSE YOGA-IRRTUM

Vorwort vom erfüllten Leben

MACH MEHR DRAUS!

Was stimmt mit mir nicht?

Sie sind anders – Yoga auch

Yoga ist erst Yoga, wenn es Ihr Yoga ist

Wie Yoga gedacht war

Yoga-Bremse Unwissenheit

Yoga-Bremse Bequemlichkeit

Yoga-Bremse Mode

Yoga ist überall

Feel it!

Das Yoga-Aha

Was Yoga ist

Sie sind eingeladen!

DER ERSTE SCHRITT: SPÜR DAS LEBEN!

Warum lesen Sie dieses Buch?

Spüren Sie!

Spüren heißt eins werden

Fluch des Wohlstands

Die Rosine von Jon Kabat-Zinn

Wasser kochen, Holz sammeln

Müdigkeit ist eine Illusion

Bloß nichts fühlen!

Sensorische Vermeidung

Furcht ist der Name des Feindes

Keine Angst vor der Angst

Das Leben spüren

DER ZWEITE SCHRITT: SEI DIE RUHE SELBST!

Stress ist gut

Der Atem: Quell der Ruhe

Die Power-Pause: Kumbhaka

Jogging hilft nicht gegen Stress

Wir lieben Stress!

Nadi Shodhana

Besser als Koffein: Kapalabhati

In der Ruhe liegt die Kraft

DER DRITTE SCHRITT: BEFREIE DICH!

Lass den Druck los!

Der Haken am Loslassen

Körper befreit Geist

Loslassen lernen: Kein Vergleich!

Loslassen mit Paschimottanasana

Atmen heißt Loslassen

Immer und überall loslassen

Ein Leben in Freiheit

Mut zum eigenen Leben

Loslassen: Täglich mehrmals üben!

DER VIERTE SCHRITT: SEI GUT ZU DIR!

Sind Sie zufrieden mit Ihrem Leben?

In der Falle

Der Egoismus-Einwand

Die seitliche Planke

Die Stellvertreter-Technik

Mensch, sei gut – zu dir!

Wie sich Glück anfühlt

Mit dem Atem in die Mitte

Die eigenen Grenzen annehmen

Unseres eigenen Glückes Schmied

Selbstwert für Fortgeschrittene

Bedingungslos

Weil Sie es sich wert sind

DER FÜNFTE SCHRITT: WECHSEL DEINE PERSPEKTIVE!

Glücklich unter allen Umständen

Im Regen tanzen

Das Nena-Rezept: Wie wir die Welt erschaffen

Herrlich frei mit Ustrasana

So verändern Sie Ihre Welt

Kampf ist Krampf

Annehmen statt Kämpfen

Akzeptanz üben

Die Kunst des Perspektivwechsels

Perspektiv-Stabilität

DER SECHSTE SCHRITT: FREU DICH!

Yoga macht Freude

Warum wird beim Yoga so viel gestöhnt?

Spaß mit der Krähe

Turnst du noch oder lächelst du schon?

Machen Sie es sich doch nicht so schwer!

Kleshas: Die fürchterlichen Fünf

Warum Freude?

Freude rettet Leben – auch Ihres

DER SIEBTE SCHR ITT: HAB VERTRAUEN!

Wem vertrauen Sie? Auch sich selbst?

Vertrau Yoga

Hitparade der Defätisten

Handstand

Unbedingtes Selbstvertrauen

Arrogant und eigensüchtig

Die Vertrauensvernichter

DER ACHTE SCHRITT : MICH WIRFT NICHTS UM!

Wenn es hart auf hart kommt …

Stehen lernen

Stehvermögen mit Tadasana

Das Geheimnis der Standfestigkeit

Wer sind Sie?

Die Helden-Haltung

Was Kinder noch können

Die ideale Persönlichkeit

Wer wollen Sie sein?

Wie wir werden

LEBEN IST YOGA

Was erwarten Sie vom Leben?

Yoga hilft und heilt: Studienergebnisse

Nicht Hühnersuppe, sondern Yoga für die Seele

Wir wollen mehr: Yoga zu Glück und Sinn

Rapid Response Yoga

Ubiquitär praktizieren: Yoga ist immer und überall

Das echte Leben

Das Glück der Autonomie

„It’s not important what it looks like,

it’s only important how it feels.“

Bryan Kest

VORWORT VOM ERFÜLLTEN LEBEN

„Yoga hilft, ein erfüllteres Leben zu haben“, sagt Sting, der Popstar und Musikmillionär. Phantastisch! Wollen wir das nicht alle? Ein erfülltes Leben. Und wenn wir schon dabei sind: ein angenehmeres Leben, mehr Erfolg im Beruf, ein besseres Aussehen, mehr Charisma, größere Fitness … Und Sting hat das alles bekommen? Mit Yoga? Wo gibt’s den passenden Kurs? Da liegt der Haken.

Vielleicht haben Sie sich das auch eben frustriert gedacht: „Jetzt mache ich schon seit zig Jahren Yoga – aber deshalb hat sich in meinem Leben noch nichts großartig verändert!“ Warum bei Sting und nicht bei Ihnen? Was läuft da schief? Im Grunde etwas herzlich Simples.

Sting meint das andere Yoga. Er meint mit „Yoga“ etwas komplett anderes als das, was 90 Prozent der Yogatreibenden so treiben. Er meint eben nicht: „Wenn ich mich ganz toll verbiegen kann, bringt das in allen Bereichen meines Lebens den absoluten Durchbruch.“ Ich unterrichte seit vielen Jahren als zertifizierte Yogalehrerin, betreibe schon viel länger selber Yoga und kann Ihnen versichern: Wenn Sie Yoga so ausüben wie es gegenwärtig leider meist verkauft und geübt wird, passiert absolut nichts. Weder hier noch sonstwo. Nichts verändert sich. Nichts wird besser. Und wenn Sie dieses enttäuschende Nichts empört einem indischen Guru klagen würden, würde dieser Sie mit dem Yogagurt aus dem Ashram vertreiben. Weil er empört wäre. Er wäre in seiner tiefsten Seele verletzt. Er wäre fassungslos, wie wir westlich geprägte Menschen sein geliebtes Yoga derart verhunzen, verkürzen, verbiegen und so radikal wie nur irgend möglich missverstehen können. Das sagen einem übrigens auch die Inder. Zum Beispiel jene, die hierzulande arbeiten und wohnen. Wenn man sie mal fragen würde. Dann würden sie dem Fragenden etwas verraten, das für sie die größte Selbstverständlichkeit ist und uns angeblich aufgeklärten Westlern meist völlig unbekannt:

YOGA IST KEINE GYMNASTIK.

Doch genau als solche wird Yoga im Westen hauptsächlich betrieben. Yoga als Rumgeturne. Yoga als „Guck mal, wie irre ich mich verbiegen kann!“ Yoga als „Die Mädels machen’s alle, also muss ich ja wohl mitmachen.“ Yoga als „Hält halt gesund und macht was her, weil Jogging mir zu banal ist.“ Yoga als „Der moderne Mann von heute ist metrosexuell und macht Yoga.“ Wer nicht CrossFit macht oder mit den Kumpels kickt, macht eben Yoga. Als ob Yoga lediglich eine ganz normale Sportart wäre. Wenn es das wäre, hätten Sting und mit ihm zehntausende das echte Yoga treibende Menschen kein in allen Belangen besseres Leben. Haben sie aber. Was nur bedeuten kann: Sting und alle diese vielen anderen machen ein anderes Yoga. Und nicht nur ein x-beliebiges anderes.

„Nachdem wir das Ziel aus unseren Augen verloren hatten, verdoppelten wir unsere Anstrengungen.“

Mark Twain

Bezeichnend an Sting und den echten Yogis ist, dass sie genau jenes Yoga ausüben, das von den Ur-Yogis erfunden wurde. Schon in den 2200 Jahre alten Yoga-Sutren von Patanjali lesen wir – wenn wir denn darin nachlesen würden – dass die Asanas, die heute von der Zahnarztgattin bis zum Vorstandsmitglied jede(r) unerbittlich nachturnt, eigentlich nicht das richtige Yoga sind. Sie sind nur ein Teil davon. Sie sind wichtig, schön, nützlich, toll, gesund, figurformend und hilfreich.

Doch sie sind eben nur eine zwar nötige, aber untergeordnete „Vorstufe“ für den tieferen Zweck und das eigentliche Ziel von Yoga. Und dieses eigentliche Ziel, auf das hin Sting unterwegs ist, ist Samadhi – der dauerhafte Zustand des erfüllten, ausgeglichenen, leichten, erfolgreichen und zufriedenen Lebens. Ein Zustand, in dem das ganze Leben sehr viel besser gelingt und sich um Längen besser anfühlt. Und nun verraten Sie mir: Wie viele, die Yoga treiben, habe noch nie etwas von Samadhi gehört?

Das ist erstaunlich. Die indischen Yogis müssen denken, wir sind verrückt geworden. Wenn sie dabei zusehen, wie wir Yoga treiben, müssen wir ihnen vorkommen wie jemand, der mit einem 200.000-Euro-Mercedes-SLS den Kuhmist aus dem Stall fährt. Da muss doch jeder Bauer sagen: Junge/Mädel, du hast den Sinn eines Luxusautos nicht kapiert. Natürlich kann man mit einer S-Klasse auch den Mist auf den Acker karren – und genau das machen wir mehrheitlich mit Yoga. Doch das ist nicht der tiefere und höhere Sinn von Yoga oder des SLS. Das ist einfach eine brüllende, mega-peinliche und steinzeitliche Verschwendung. Stellen Sie sich vor: Sie könnten ein so glückliches und erfülltes Leben führen wie der Multimillionär und Yoga-Übende Sting. Unbeschwert, sorgenfrei, voller Genuss – und Sie begnügen sich stattdessen damit, sich einmal die Woche zwei Stunden schmerzhaft zu verbiegen. Das ist ein Witz.

Sie könnten ein glücklicheres, erfüllteres, ausgeglichenes, harmonisches, fittes und gesünderes Leben führen, ohne sich dafür eine Beförderung, eine Gehaltserhöhung, einen anderen Körper, einen anderen Beziehungspartner, andere Kinder oder Eltern zuzulegen oder auch nur mehr Anstrengungen zu unternehmen – einfach nur, indem Sie Yoga richtig machen.

Offensichtlich machen Sie schon etwas richtig. Deshalb haben Sie dieses Buch zur Hand genommen. Das bedeutet etwas. Nämlich, dass Sie neugierig sind auf das andere, das reichere, das tiefere Yoga. Dass Sie das Gefühl haben: Verbiegen reicht mir nicht mehr. Da muss es doch noch mehr geben. Gibt es. Es gibt mehr. Sehr viel mehr.

Es wartet auf Sie!

„Wenn Sie immer das tun, was Sie bisher getan haben, werden Sie auch immer das bekommen, was Sie bisher bekommen haben.“

Anthony Robbins

„Die Zukunft, die wir uns wünschen, werden wir nur bekommen, wenn wir eine Vision von ihr haben.“

Per Dalin

„Unser Leben ist das, wozu es unsere Gedanken machen.“

Marc Aurelius

„Das Leben findet im Kopf statt. Es kommt darauf an, wie du es siehst.“

Janosch

„Disharmonie in Denken, Wort und Tat ist der Ursprung aller Probleme, allen Elends und aller Streitigkeiten in dieser Welt.“

Swami Sivanananda

Mach mehr draus!

WAS STIMMT MIT MIR NICHT?

Yoga ist eine tolle Sache. Aber seien wir ehrlich: Sie haben wahrscheinlich auch schon beim „Herabschauenden Hund“ oder bei der „Kobra“ gedacht: Und? Ist es das jetzt? Oder kommt da noch was?

Manchmal fragt mich eine Teilnehmerin oder ein Teilnehmer in der Yogastunde: „Während der Übung eben hatte ich so ein komisches Gefühl, als ob alles warm ist und friedlich … Ist das normal? Oder stimmt was nicht mit mir?“

Dann muss ich leider sagen: weder noch. Das ist nicht normal, aber da ist auch nichts kaputt bei dir. Das ist vielmehr das echte Yoga und du hast es eben erfahren – und bist erschrocken. Damit hast du nicht gerechnet. Davor hat dich keiner gewarnt. Deshalb ist das ein Aha-Erlebnis, eine Erfahrung, wie man sie bei acht Todesloopings im Vergnügungspark nicht halb so intensiv und vor allem erfüllend erlebt. Da fällt der Boden raus. Da öffnet sich das Universum.

Da spürt man phantastische, tiefe, manchmal überwältigende Gefühle, die einen wegzuspülen scheinen; an einen besseren Ort. Alles ist licht, leicht, hell. Entgrenzung würde der Psychologe sagen und viel Geld für jede Menge Therapiesitzungen nehmen, in denen dieses tolle Gefühl ausführlich beredet und analysiert, aber nicht unbedingt wieder gefühlt würde (weshalb etliche Therapeuten Yoga betreiben: Man fühlt sich dabei besser als auf oder neben der Couch).

„Der Weise trachtet nie nach dem Großen, folglich erlangt er Größe.“

Laotse

So ein tolles Gefühl gibt es? Sie haben das auch schon blitzartig und viel zu selten einmal erlebt? Das möchten Sie häufiger spüren? Wenn möglich permanent? Wer würde nicht! Genau deshalb lesen Sie dieses Buch: um mehr daraus zu machen. Mehr aus Yoga. Dieses Mehr habe nicht ich erfunden. Dieses Mehr steckt schon immer in Yoga drin. Das wissen nur leider sehr wenige. Bald gehören Sie zu diesem ausgewählten Kreis.

SIE SIND ANDERS – YOGA AUCH

Aus heutiger Sicht kaum zu glauben, aber: Yoga war nie als bloßes Rumgeturne gedacht. Yoga war schon immer mehr. So verstanden es die Gründerväter, zum Beispiel Krishnamacharya. Dieser war Anfang des 20. Jahrhunderts sozusagen der Personal Trainer der indischen Königsfamilie. Daneben hatte er regen Trainingsbesuch von ganz normalen Leuten, darunter auch drei besonders eifrige Teilnehmer. Sie gelten heute als Mitbegründer des modernen Yoga und liefern das beste Beispiel für das Prinzip „Mehr“.

Die drei waren nämlich ziemlich unterschiedlich. Der eine war ein etwas kränklicher junger Mann, der zweite ein grüblerischer Introvertierter und der dritte hatte ein echtes Problem mit Autoritäten. Deshalb war es Krishnamacharya im Gegensatz zu vielen heutigen Westlern sofort klar, dass es „Das Yoga“ nicht geben konnte. Er legte vielmehr der Weitergabe des Yoga ein Prinzip zugrunde, das wir heute fast vollständig vergessen haben, das es aber erst ermöglicht, das volle Yoga-Potenzial auszuschöpfen: Individualisierung. Jeder seiner drei engagiertesten Schüler bekam ein anderes Yoga. Und jeder dieser drei Stile wird heute noch ausgeübt. Auf Krishna Pattabhi Jois geht das bekannte Ashtanga (Vinyasa) Yoga zurück, auf B.K.S. Iyengar geht das Iyengar Yoga zurück und der relativ unbekannte T.K.V. Desikachar ist der Begründer des stark gesundheitsorientierten Viniyoga.

Der Meister maßschneiderte Yoga so meisterlich auf die drei unterschiedlichen jungen Herren zu, dass jeder von ihnen jenes tolle Gefühle erlebte, von dem wir eben sprachen und das im heutigen Westen eher zufällig und sporadisch auftritt und wenn, dann eher als Überraschung oder gar „Störung“ gewertet wird. Dabei ist es das Gegenteil:

YOGA-GEHEIMNIS

WENN YOGA IHNEN MEHR GEBEN SOLL,

VERGESSEN SIE YOGA VON DER STANGE.

SIE SIND ANDERS ALS ANDERE –

ALSO MUSS AUCH IHR YOGA ANDERS SEIN.

Wenn Ihnen zum Beispiel der Lotossitz teuflisch weh tut und das auch nicht mit „Disziplin und Übung“ besser wird, dann sind Sie nicht ein „ungelenker Bock“. Dann ist diese Übung schlicht (noch) nichts für Sie. Dann liegt der Weg zum wahren Glück nicht in eiserner Disziplin und starkem Willen – sondern in der Wahl einer anderen Übung. Dann sind Disziplin und eiserner Wille genau das, was Sie vom Yoga und vom Glück wegführen.

Der Weg zum Glück ist zum Glück ganz einfach: Lassen Sie den Lotossitz weg oder setzen Sie sich mit dem Podex auf zwei zusammengefaltete Handtücher (wenn der Po gegenüber den Beinen höher liegt, geht der Sitz leichter – aber immer noch nicht wirklich leicht). Die Erleuchtung kommt nicht vom Lotossitz, sondern davon, was Sie daraus machen.

YOGA-GEHEIMNIS

YOGA GIBT IHNEN ALLES – WENN ES IHR YOGA IST.

Machen Sie Yoga zu Ihrem Yoga. Respektieren Sie Ihre Besonderheit, respektieren Sie Ihre Grenzen (siehe Kapitel 4). Achten Sie Ihre Individualität, wie es Krishnamacharya getan hätte: Individualisieren Sie Yoga. Machen Sie aus Yoga Ihr Yoga – erst dann ist es Yoga im Sinne Krishnamacharyas.

YOGA IST ERST YOGA, WENN ES IHR YOGA IST

Gute Yogatrainer wissen das und wenden das in den Yogastunden auch an. Sie individualisieren (der Fachausdruck der Trainingslehre). Eine gute Yogatrainerin hat für jede Übung genügend Variationen, Alternativen und Light-Versionen auf Lager, die sie dann je nach Stand der körperlichen Entwicklung jedes einzelnen Teilnehmers anleitet. Deshalb sind in einem guten Yogakurs auch keine 30 Teilnehmer. 30 sind zu viele für eine professionelle Individualisierung.

Damit haben Sie ein schönes Gütekriterium für die Suche nach einem guten Yogatrainer an der Hand: Er oder sie schert nicht alle Teilnehmenden über einen Kamm, sondern individualisiert so gut, dass jede(r) „sein“ und „ihr“ Yoga bekommt. Das macht Yoga menschlich: suum cuique, wie schon Cicero unter Rückgriff auf Platon sagte. Jedem das Seine und jeder das Ihre. Natürlich soll man fleißig üben und sich stetig weiterentwickeln. Aber wer einen Anfänger grundlos mit einer Fortgeschrittenenübung triezt, macht sich der Fahrlässigkeit schuldig. Der Mensch ist das Maß aller Dinge – gerade beim Verbiegen.

Wenn mein ungesunder Ehrgeiz oder der Trainer mich zwingt oder verführt, mich über meine eigenen Grenzen hinaus zu verbiegen, bin ich ex definitionem nicht frei und glücklich, sondern stehe unter Zwang. Leider fühlen exakt diesen Zwang viele Yogatreibende (und euphemisieren den Zwang als „Disziplin“). Dann ist Yoga nichts weiter als eine begrenzte und begrenzende Nachturnerei. Nicht mehr als CrossFit ohne Box und Kettle Bell.

YOGA-GEHEIMNIS

WENN SIE MEHR AUS YOGA MACHEN WOLLEN: INDIVIDUALISIEREN SIE SO WEIT WIE IRGEND MÖGLICH! FANGEN SIE DAMIT BEI DER NÄCHSTBESTEN GELEGENHEIT, BEI DER NÄCHSTEN ÜBUNG AN, DIE SIE SICH VORNEHMEN. WIE KÖNNEN SIE DIESE (BESSER) AN SICH ANPASSEN?

Natürlich wehren sich viele Menschen innerlich dagegen. Sie wollen nicht individualisieren. Sie wollen das nachturnen, was der/die da vorne vorturnt und was die Herde mitturnt. Dieses Lemming-Yoga ist für sie kein Instrument zur persönlichen Weiterentwicklung, sondern vielmehr Ausdruck obsessiv-kompulsiver Normentreue und zwanghaften Auslebens des Herdentriebs. Nichts dagegen. Auch Herdentiere leben. Sich in der Herde verstecken zu wollen ist menschlich und verständlich – aber nicht ganz Ihre Neigung? Gut. Dann individualisieren Sie.

Machen Sie beim Yoga jene und ausschließlich jene Übungen, die Ihnen guttun und machen Sie sie in einer Version, die Ihnen guttut. Natürlich sollte es schon ein wenig „ziehen“ – aber eben nicht schmerzen (den Unterschied lernen wir mit dem Atemkriterium in Kapitel 4 kennen). Das heißt: Kein falscher Ehrgeiz!

Nicht an Ihre wahren Bedürfnisse angepasster Ehrgeiz ist zwar anfänglich toll. Man reißt sich fast das sprichwörtliche Bein dabei aus, hat danach das tolle Gefühl, echt was gerissen zu haben (hat man auch oft, nämlich Muskelfibrillen, Sehnen und Bänder) und hat damit seinen Ehrgeiz befriedigt. Aber das gute Leben, die wohlige Zufriedenheit, die Erhaltung der eigenen Gesundheit, die bereichernde Entgrenzung, das eigene sich Kennenlernen und das starke Selbstwertgefühl stellen sich durch Reißen, Zerren und Ehrgeiz eben nicht ein – einmal ganz davon abgesehen, dass es echte Yogis königlich amüsiert, wenn wir Westler mit „gesundem“ Ehrgeiz und „eiserner Disziplin“ an Yoga rangehen.

Nein, Ehrgeiz schwächt im Endeffekt Selbstwertgefühl und Gesundheit, weil Ehrgeiz eben auch nur eine Form von Stress ist. Was zugegebenermaßen etwas paradox ist: Je mehr man „Yoga“ macht, je ehrgeiziger man rangeht, desto stärker schadet man sich damit. Wie gesagt: Das kann man machen. Ehrgeiz ist ein alter Reflex und belohnt kurzfristig und oberflächlich. Aber ich glaube nicht, dass Menschen, die auf den kurzfristigen und oberflächlichen Kick aus sind, die richtige Zielgruppe sind. So war Yoga nicht gedacht.

WIE YOGA GEDACHT WAR

Es gibt zwei zentrale Ursprungstexte des Yoga: die Bhagavad-Gita (500 bis 600 v. Chr. entstanden) und die Sutren (sie wurden 600 Jahre später geschrieben). Wenn Sie in den Sutren nach Asanas suchen, finden Sie wie viele? Na los, wer Yoga macht, müsste das doch abschätzen können. 1000? 400? 28?

Sie finden überhaupt keine. Und in der Bhagavad-Gita (übersetzt übrigens „göttlicher Gesang“ oder „Gesang des Erhabenen“)?

Genau so viele. In der Bhagavad-Gita steht ausführlich, wie man ein gutes und erfülltes Leben führt (Götter sind keine Gymnastiklehrer). Kein Wort von Verbiegen oder Nasenspitze zum Boden. Denn eine per Rumpfbeuge bis zum Boden reichende Nasenspitze ist für ein gutes, erfülltes Leben weder nötig noch zuträglich – meinten die Yoga-Erfinder. Ihnen ging es vielmehr um ethisch vertretbares Handeln und ein rechtschaffenes Leben. Das sind der Rahmen und die Basis für Yoga. Verlässt Yoga diese Basis zum Beispiel für blindes Nachturnen, fällt es buchstäblich aus dem Rahmen. Es degeneriert zum Rumgeturne. Das wussten die Urväter des Yoga.

Folglich findet man in den Sutren nur einen einzigen konkreten Bezug zu einem Asana, nämlich zum Lotossitz für die Meditation: „Leicht und stabil“ solle sie sein, die Sitzhaltung. Ansonsten geben die beiden Urschriften dem Übenden nicht „rechter Ellbogen hinters linke Ohr“ als Anweisung, sondern die Prinzipien eines guten Lebens – zu dem natürlich auch im weitesten Sinne „Gymnastik“ gehört.

„Wir tragen in uns Keime aller Götter.“

Gottfried Benn, Kann keine Trauer sein

Die Bhagavad-Gita beschreibt, wie auf dem Schlachtfeld von Kurus in der Ganges-Ebene nahe dem heutigen Delhi Gott in Erscheinung von Krishna zu seinem Schüler Prinz Arjuna sagt:

„Oh Arjuna, vollbringe all deine Handlungen, wobei du dich in den Yoga vertiefst, jede Anhänglichkeit (an die Früchte deines Handelns) vermeidest und angesichts von Erfolg und Misserfolg gleichmütig bleibst. Dieser geistige Gleichmut wird Yoga genannt.“ (II.48)

Sieh mal einer an. Yoga wurde vom „Erfinder“ als Geisteshaltung geschaffen, nicht als Konkurrenz zum Bodenturnen. Swami Vivekananda liefert eine eingängige Definition dieser Lebenshaltung: „Lerne Konzentration und wende sie in jeder Weise an.“ Aha. Beziehungsweise: Au weia.

Wenn „dieser geistige Gleichmut“ Yoga ist, was ist dann das, was auf Yogamatten häufig geturnt wird? Von Gleichmut kann da keine Rede sein. Genauso wenig von der Vermeidung jeder Anhänglichkeit an die Früchte des Handelns: Wer einen Zentimeter weiterkommt, hat gewonnen. Jede, die nach links zur Nachbarin schielt, ob diese es vielleicht besser mache, könnte im Sinne der Gründerväter praktisch gleich die Matte aufrollen und duschen gehen: So war das nie gedacht. Blinder Eifer, „Disziplin“, Nachturnen, abgeschaltete Gehirne und Gefühle, Neid, Frust, Ehrgeiz und Leistungsstress, Verbiegen auf Biegen und Brechen – was bringt uns das letztendlich?

YOGA-GEHEIMNIS

STRESS, FRUST UND LEISTUNGSSTREBEN SIND

DAS GEGENTEIL VON YOGA.

Weniger ist mehr. Wer mehr aus Yoga rausholen möchte, sollte weniger machen. Reduzieren Sie es. Werfen Sie den ganzen modischen und neurotischen Zivilisationsballast über Bord. Specken Sie die Errungenschaften der sogenannten Zivilisation ab. Nur ohne diesen Zivilisationsballast erreicht der Mensch geistige Klarheit, Zufriedenheit und einen gesunden Körper. Das wussten nicht nur die Inder. Das wusste jede Hochkultur. Auch die Römer.

„Sine ira et studio“ sagte zum Beispiel Tacitus: Wer seine Sache richtig machen will, solle sie „ohne Zorn und ohne Eifer“ ausüben. Wer isst, sollte essen – und nicht zornig oder eifrig wegen irgendetwas anderem sein, das mit Essen nichts zu tun hat. Wer auf einem Bein stehen möchte, sollte auf einem Bein stehen – und sich nicht auch noch mit Frust über sein geringes Gleichgewicht oder seinen ungesunden Ehrgeiz beschäftigen.

In diesem Punkt schlägt die Buddhistische Philosophie durch: Wer sitzt, sollte sitzen – und sonst nichts. Tu es einfach. Tu es einfach. Tu es – und nicht auch noch etwas anderes nebenher. So einfach (aber nicht leicht) ist das manchmal. Wenn das so einfach ist, warum machen das dann nicht alle?

YOGA-BREMSE UNWISSENHEIT

Sollten Sie Yoga bislang leicht missverstanden haben, muss das nicht an Ihnen liegen. Oft liegt es auch an den Vorturnern. Erstaunlich viele YogatrainerInnen verstehen sich als solche. Sie machen bloß Gymnastik und sind noch stolz darauf, zum Beispiel darauf, wie beweglich sie sind. Diesen erstaunlichen Stolz geben sie an ihre Schüler weiter. Meist nicht explizit oder gar absichtlich. Die Schüler lernen es durch „Aping“, durch Nachturnen und Nachahmen; ebenfalls unbewusst. Sie denken, sie machen Yoga, dabei kopieren sie eigentlich einen Mindset: Yoga ist, wenn man sich wie ein Akrobat (oder wie die Lehrerin) verbiegen kann.

Hinter dieser Fehlprägung steckt fast nie böse Absicht. Etliche Yogalehrende wissen es schlicht nicht besser – was zugegebenermaßen schwer vorstellbar ist. Aber so ergeht es vielen Kompetenzträgern: Jeder setzt in der Ausbildung meist unbewusst seine eigenen Schwerpunkte. Da mag der oder die Lehrende noch so viel und dezidiert über Historie und Intention der Yoga- „Erfinder“, über die historische Einbettung und die philosophische Fundierung von Yoga reden – der Schüler und angehende Yogalehrer im Hörsaal turnt im Geiste dabei schon wieder Asanas runter. Pech – für seine künftigen Teilnehmenden.

Dass Menschen es nicht besser wissen, ist entschuldbar. Unentschuldbar dagegen ist der zweite Yoga-Irrtum.

YOGA-BREMSE BEQUEMLICHKEIT

Gut möglich, dass Sie inzwischen etwas ungeduldig mit den Fingern trommeln. Sie würden jetzt lieber das Dreieck (Trikonasana) turnen, als sich mit philosophischen Feinheiten auseinanderzusetzen? Sie sind in guter Gesellschaft. So geht es den meisten Übenden: Lass mich mit dem Sinn des Lebens in Ruhe, ich muss erst noch 1500 Kilokalorien verbrennen! Und dann strengen sie sich mächtig an – was einigermaßen paradox ist. Denn diese mächtige Anstrengung ist tatsächlich eine mächtige Bequemlichkeit: Es ist bequemer, sich im Asana zu verbiegen, als sich ernsthaft Gedanken darüber zu machen, warum man überhaupt Asanas turnt und dass die 1500-Kilokalorien-Asana-Fettverbrennung völlig unnötig wäre, wenn ich mir diese Gedanken erst einmal machen würde.

Das gedankenlose aber sehr bequeme Braindead-Yoga erfordert keine achtsame Auseinandersetzung mit den eigenen Gedanken, Gefühlen und vor allem den inneren Baustellen. Man turnt dabei lediglich im Sinne des Wortes gedanken-, gefühl- und nicht selten genug atemlos und mit schmerzverzerrtem Gesicht seine Übungen runter. Das ist bequemer.

YOGA-GEHEIMNIS

LIEBER ASANAS ZU TURNEN, ANSTATT DEM SINN BLINDEN NACHTURNENS NACHZUSPÜREN, IST NICHT YOGA, SONDERN ZEICHEN VON BEQUEMLICHKEIT.

Das ist genau das, was eine kollektiv im Konsumrausch vor sich selbst auf der Flucht befindliche Gesellschaft heute zu wollen meint: Bequemlichkeit, Convenience. No leaving the comfort zone for the next 50.000 miles! Viele Yogaübende wollen nicht mit allen Sinnen leben, oder gar – Gott behüte! – denken, fühlen und im eigentlichen Sinne sein. Sie wollen nachturnen. Nichts dagegen. Das kann auch Spaß machen. Aber dafür braucht man kein Yoga.

YOGA-BREMSE MODE

Vor 20 Jahren machte in Deutschland noch kaum jemand Yoga

– bis auf wenige Eingeweihte und Aufgeklärte. Heute ist Yoga in

– und das ist ein Problem: Mode.

Viele Yogaübende wollen kein erfülltes Leben haben – was okay ist. Sie wollen lediglich ein bisschen indische Gymnastik treiben, weil das gerade hip ist, weil die Mädels aus der Clique das alle machen, weil der metrosexuelle Mann von heute das machen muss, weil es zum guten Ton gehört, weil man dabei sein muss, weil man ja nicht allein durch den Park joggen kann, während alle anderen auf der Yogamatte liegen. Man macht es halt, weil’s trendy ist. Nichts dagegen, Mode ist eine buchstäblich schöne Sache. Wem das reicht, wer damit zufrieden ist. Ay, there’s the rub, wie Hamlet sagt.

Denn Zufriedenheit und Mode schließen sich gegenseitig aus. Das ist der Sinn der Mode. Würde sie Zufriedenheit stiften, würde sie sich selbst abschaffen. Dann müsste man nur eine einzige Mode mitmachen, wäre prompt zufrieden und würde die nächsten Moden sausen lassen können. Das geht natürlich nicht! Deshalb schafft Mode geradezu Unzufriedenheit. Sie lebt davon. Damit sie die nächste Kollektion, den nächsten Trend, den nächsten Hype auch noch verkaufen kann. Das ist das eine.

„You have cause– so have we all –of joy.“

Shakespeare, Der Sturm

Das andere ist: Rein psychologisch betrachtet ist eine tiefergehende, anhaltende und das Selbstwertgefühl stärkende Zufriedenheit nicht mit dem passiven Akt des Konsums, sondern nur mit allen aktiven Handlungen des Schaffens, Kreierens, der Ausübung oder des achtsamen Reflektierens erreichbar – genau das propagiert das echte Yoga. Und genau darauf verzichten die Mode-Mädchen, die des sozialen Status wegen den Yogakurs besuchen. Das macht Spaß, man ist in, man ist dabei. Und das reicht ja auch, wenn es denn reicht – aber darauf kommt es nicht an. Worauf denn? Auf Sie.