Das Jahr der Hexen - Alexis Henderson - E-Book + Hörbuch

Das Jahr der Hexen Hörbuch

Alexis Henderson

3,0

Beschreibung

Ein atemberaubender Roman über eine junge Frau, die in einer unerbittlich puritanischen Gesellschaft lebt und dunkle Kräfte in sich entdeckt. In Bethel ist das Wort des Propheten Gesetz. Allein Immanuelles bloße Existenz durch die Liebe ihrer Mutter zu einem Fremden ist Gotteslästerung. So wie alle anderen Frauen in der Siedlung führt Immanuelle ein Leben der Unterwerfung und absoluten Hingabe. Doch dann betritt sie die verbotenen Dunklen Wälder, die Bethel umgeben. Sie werden von den Geistern von vier Hexen heimgesucht. Diese machen Immanuelle ein außergewöhnliches Geschenk: Das Tagebuch ihrer verstorbenen Mutter ... Fasziniert von den geheimnisvollen Aufzeichnungen, fällt es Immanuelle schwer zu verstehen, weshalb sich ihre Mutter mit den mächtigen Hexen verbündete. Bis sie die grausame Wahrheit über den Heiligen Krieg des ersten Propheten erfährt, bei dem unzählige Frauen und Mädchen missbraucht, gefoltert und verbrannt wurden. Louisa Morgan: »Eine finstere, dramatische Geschichte über Unterdrückung und Rebellion, Ideologie und Moral. Die komplexe, hinreißende Hauptfigur ist in einem Albtraum à la ›The Handmaid's Tale - Der Report der Magd‹ gefangen.« Rena Barron: »Erschütternd und atemberaubend ... Erzählkunst vom Feinsten.« Amanda Lovelace: »Eine brutale Geschichte über Religion, Hexerei und Patriarchat. Die perfekte Lektüre für Fans von ›The Handmaid's Tale - Der Report der Magd‹.« O, The Oprah Magazine: »Das Jahr der Hexen erzählt eine universelle, zeitlose Geschichte über die Macht der Frauen.« Shea Ernshaw: »Eine vollendet beklemmende, feministische Geschichte, die den Leser packt und nicht mehr loslässt.« The Washington Post: »Entstaubt die alte puritanische Geschichte, um sich mit Fragen des Rassismus und Sexismus zu befassen.«

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Zeit:14 Std. 17 min

Veröffentlichungsjahr: 2021

Sprecher:Fanny Bechert

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Aus dem Amerikanischen von Susanne Picard

Impressum

Die amerikanische Originalausgabe The Year of the Witching

erschien 2020 im Verlag ACE.

Copyright © 2020 by Alexis Henderson

Copyright © dieser Ausgabe 2021 by Festa Verlag, Leipzig

Alle Rechte vorbehalten, auch die der vollständigen oder

auszugsweisen Reproduktion, gleich welcher Form.

Titelbild: Larry Rostant

Alle Rechte vorbehalten

eISBN 978-3-86552-912-1

www.Festa-Verlag.de

Für meine Mutter,

der ich alles verdanke

Die Hure Babylon

Sie kam als Steißgeburt zur Welt, mitten in der Nacht. Die Hebamme Martha war gezwungen, sie an den Knöcheln zu packen und aus dem Mutterleib zu zerren. Schließlich rutschte sie doch noch widerstandslos aus dem Schoß, fiel schlaff in Marthas Arme und blieb vollkommen reglos wie ein Stein dort liegen.

Die Tochter der Hebamme stieß ein Stöhnen aus, das aus ihrem Bauch hervorzuquellen schien. Sie packte die Falten des Nachthemds, dessen Saum schwarz von Blut war, machte aber keinerlei Anstalten, nach ihrem Kind zu greifen. Stattdessen wandte sie den Kopf ab, presste die Wange auf die Tischplatte und starrte quer durch die Küche zum Fenster über der Spüle hin, in die Wälder hinein.

»Ihren Namen«, forderte sie. Ihre Augen glänzten im Mondlicht. »Sag mir ihren Namen.«

Die Hebamme nahm die Kleine, schnitt die Nabelschnur durch und wickelte sie dann in ein Stück Sackleinwand. Das Kind lag kalt an ihrer Brust und sie hätte es für tot gehalten, wäre da nicht der Name gewesen, der am hinteren Teil ihrer Zunge zerrte, mit einem Geschmack, der so bitter war wie Galle und doch so süß wie Wein. Aber sie wollte ihn noch nicht aussprechen. Zumindest nicht laut.

Mit letzter Kraft drehte die junge Frau auf dem Tisch sich zu ihr um. »Den Namen. Ich will den Namen hören.«

»Immanuelle«, stieß die Hebamme schließlich hervor. Es klang wie ein Fluch. »Man wird sie Immanuelle rufen.«

Bei diesen Worten begann das Mädchen auf dem Tisch zu lächeln. Die blauen Lippen zogen sich in die Breite, spannten sich. Dann lachte sie. Es war ein hässlicher und gurgelnder Laut, der durch die Küche und in den Flur hinaus hallte, wo der Rest der Familie saß und lauschte.

»Ein Fluch«, flüsterte sie und lächelte immer noch in sich hinein. »Ein kleiner Fluch, genau wie sie meinte. Wie sie es mir erzählte.«

Die Hebamme drückte das Kind an sich und spannte ihre Finger an, um ihr Zittern zu unterdrücken. Sie starrte auf ihre Tochter hinab, die erschöpft mit einer dunklen Pfütze zwischen den Beinen auf dem Tisch lag. »Genau wie wer dir erzählt hat?«

»Die Frau in den Wäldern«, flüsterte die Sterbende. Sie atmete kaum noch.

»Die Hexe. Die Dämonin. Die Hure Babylon.«

Teil I: BLUT

Kapitel 1

Vom Licht kam der Vater.

Aus dem Dunkel die Mutter.

Das ist sowohl der Anfang als auch das Ende.

Die heiligen Schriften

Immanuelle Moore kniete am Fuß des Altars. Die Handflächen hatte sie zum Gebet zusammengelegt, den Mund leicht geöffnet. Über ihr ragte der Prophet in seinen schwarzen Samtroben auf. Sein Schädel war bis auf wenige Stoppeln rasiert, die blutigen Hände hatte er ausgebreitet.

Sie riskierte einen kurzen Blick zu ihm hinauf und folgte dabei der langen, zackigen Narbe, die vom Kopf bis auf die Schulter lief. Dabei dachte sie an ihre Mutter.

Mit einer geschmeidigen Bewegung wandte der Prophet sich von ihr ab. Seine Gewänder rauschten leise, als er sich dem Altar zuwandte, wo ein durch einen Bauchschnitt geopfertes Lamm lag. Er legte eine Hand auf den Kopf des Lamms und ließ seine Finger tief in die Wunde gleiten. Als er sich wieder zu Immanuelle umdrehte, rann Blut an seinem Handgelenk hinab und verschwand in den Tiefen des Gewandärmels. Ein paar Tropfen fielen auf die bereits fleckigen Steinfliesen unter seinen Füßen. Er bemalte sie mit dem Blut, mit warmen und festen Fingern, und folgte dabei den Kurven ihres Mundes vom höchsten Punkt ihrer Oberlippe bis zu ihrem Kinn. Dort verharrte er einen Augenblick, als wollte er noch einmal Luft holen. Als er sprach, klang seine Stimme rau und abgehackt. »Das Blut der Herde.«

Immanuelle leckte das Blut fort, es schmeckte salzig und nach Eisen, als sie sich aufrichtete. »Ehre sei dem Vater.«

Auf dem Weg zurück zu ihrer Kirchenbank bemühte sie sich, dem Lamm keinen Blick zu schenken. Es stammte aus der Herde ihres Großvaters, sie hatte es am gestrigen Abend als Opfer hergebracht, als die Kathedrale leer und dunkel gewesen war. Sie war nicht dabei gewesen, als es geschlachtet wurde, sie hatte eine Entschuldigung vorgebracht und sich nach draußen geschlichen, lange bevor die Apostel ihre heiligen Dolche erhoben. Aber sie hatte alles gehört, die Gebete und das Murmeln. Diese hatten die Schreie des Lamms übertönt, die klangen wie die eines Neugeborenen.

Immanuelle beobachtete, wie der Rest ihrer Familie zum Altar schritt, einer nach dem anderen wie in einer Prozession, und wie jeder der Reihe nach das Blut empfing. Ihre Schwester Glory war die Erste, sie ging in die Knie und folgte dem Propheten mit einem Lächeln. Glorys Mutter Anna, die jüngere der beiden Moore-Ehefrauen, nahm die Segnung hastig entgegen und hielt sich dabei wie eine Glucke in der Nähe ihrer zweiten Tochter Honor, die sich das Blut von den Lippen leckte, als wäre es Honig. Zuletzt kam Martha, Abrams erste Frau und Immanuelles Großmutter. Sie nahm die Segnung des Propheten mit erhobenen Armen entgegen, mit zitternden Fingern, ihr Körper vom Licht des Vaters ergriffen.

Immanuelle wünschte, sie könnte so empfinden wie ihre Großmutter, aber wie sie da so in der Kirchenbank saß, war alles, was sie fühlte, die Restwärme des Lammbluts auf ihren Lippen und das unablässige Dröhnen ihres eigenen Herzschlags. Keine Engel hatten sich auf ihrer Schulter niedergelassen. Kein Geistwesen und auch kein Gott regte sich in ihr.

Als die anderen Gemeindemitglieder wieder Platz genommen hatten, hob der Prophet die Arme zu den Dachsparren empor und begann zu beten.

»Vater, wir treten vor Dich als Diener und Deine Jünger, die Dein Werk vollenden wollen.«

Rasch senkte Immanuelle das Haupt und schloss fest die Augen.

»Unter uns gibt es die, die dem Glauben unserer Ahnen fern sind. Die die Hand des Vaters nicht spüren und taub sind für Seinen Ruf. Für sie bitte ich um Seine Gnade. Ich bitte darum, dass sie keinen Trost finden mögen in der Dunkelheit der Mutter, sondern im Licht des Vaters.«

Bei diesen Worten hob Immanuelle vorsichtig ein Augenlid. Er hatte die Augen trotz des Gebets weit geöffnet. Für einen Augenblick hätte sie schwören können, dass der Prophet sie direkt ansah. Dass sein Blick zwischen den Häuptern und zitternden Schultern der anderen hindurch genau auf sie gerichtet war. Dieser Blick fing den ihren ein, dann wandte er sich rasch ab. »Das Königreich des Vaters komme!«

»Jetzt und für immerdar«, intonierte die Herde des Propheten.

Immanuelle lag am Flussufer, Schulter an Schulter mit ihrer Freundin Leah. Beide waren trunken von der Hitze der mittäglichen Sonne. Einige Meter entfernt hatte der Rest der Gemeinde sich versammelt. Für die meisten war die Schlachtung des Sabbat-Tages bereits zu einer entfernten Erinnerung geworden. Alles war friedlich und die Gemeinde zufrieden mit diesem Zustand.

Neben Immanuelle drehte Leah sich nun auf den Rücken, um in die prallen weißen Wolken hinaufblicken zu können, die über ihnen hingen. Sie war wunderhübsch in ihrem himmelblauen Chiffonkleid, dessen Rock sich sanft im Wind bauschte. »Das ist ein guter Tag«, sagte sie und lächelte, als die Brise sich auch in ihren Haaren verfing.

In den Schriften und Geschichten, den bunten Glasfenstern der Kathedrale oder den Bildern, die dort an den steinernen Mauern hingen, sahen die Engel immer aus wie Leah: mit goldenem Haar, blauen Augen, immer edel in Seide und Satin gekleidet, mit vollen Wangen und einer Haut, die so blass war wie die Perlen, die man aus dem Fluss fischen konnte.

Was Mädchen wie Immanuelle anging, die aus den Vororten stammten, einen dunklen Teint hatten, rabenschwarze Locken und Wangenknochen, die vorsprangen, als wären sie aus Stein gemeißelt … Nun, solche Mädchen erwähnten die Schriften nicht. Niemals. Es gab keine Statuen oder Gemälde mit Figuren darauf, die so aussahen wie sie, keine Gedichte, die über sie geschrieben wurden, und keine Legenden, die man um sie herum gewoben hatte. Sie blieben unerwähnt und unbekannt.

Immanuelle versuchte, diese Gedanken zu verdrängen, sie wollte nicht eifersüchtig auf die Freundin sein. Wenn jemand in dieser Welt verdiente, geliebt und bewundert zu werden, dann war das Leah. Leah mit ihrer Geduld und Tugendhaftigkeit. Leah, die, als alle anderen Kinder in der Schule Immanuelle als »Kind der Sünde« hänselten, quer über den Schulhof marschiert war, sie fest an die Hand genommen und ihr die Tränen mit dem Ärmel abgewischt hatte.

Leah, ihre Freundin. Die einzige, die sie hatte.

Und Leah hatte recht. Es war ein guter Tag. Es hätte ein beinahe perfekter Tag sein können, wenn da nicht die Tatsache gewesen wäre, dass es einer der letzten dieser Art war, einer der letzten Sabbat-Tage, die sie zusammen verbringen würden.

Seit Jahren hatten sich die beiden an jedem Sabbat nach dem Ende des Gottesdienstes getroffen. Im Winter hatten sie sich in eine leere Kirchenbank ganz hinten in der Kathedrale verdrückt und sich die Zeit mit Klatsch vertrieben. Aber in den warmen Jahreszeiten brachte Leah oft einen großen Picknickkorb voller Kuchen und Gebäck aus der Familienbäckerei mit. An guten Tagen gab es eine Auswahl von Plätzchen und Weißbrot, von Scones und Keksen, und an den allerbesten Tagen das Stück einer Honigwabe oder etwas Marmelade dazu. Zusammen suchten sie sich einen Platz am Flussufer und aßen und schwatzten und kicherten, bis ihre Familien nach ihnen zu suchen begannen. So hatten sie es immer gehalten, als wären diese langen Nachmittage in den Flussauen sowohl der Anfang als auch das Ende ihrer eigenen kleinen Welt. Aber wie die meisten guten Dinge, die Immanuelle kannte, würden diese Nachmittage mit ihrer eigenen kleinen Tradition nicht andauern. In zwei Wochen würde Leah den Propheten heiraten. Nach diesem Tag würde sie, nachdem sie erst einmal beschnitten worden war, nicht länger Immanuelles Gefährtin sein, sondern die des Propheten.

»Ich werde Tage wie diesen vermissen«, brach Leah das Schweigen. »Ich werde das Gebäck vermissen, den Sabbat und auch die Zeit, die ich hier mit dir verbringe.«

Immanuelle zuckte mit den Schultern und zupfte an ein paar Grashalmen. Ihr Blick wanderte den mit Schilfgras gesäumten Flusslauf entlang, der sich weiter durch die Heidelandschaft wand, bis er sich schließlich im fernen Wald verlor, verschlungen von den Schatten dort. Wie das Wasser so durch die Flussauen und Weidenbäume gluckerte, weckte es in ihr den Wunsch, aufzustehen und ihm zu folgen. »Gute Dinge enden eben.«

»Nichts endet«, korrigierte Leah. »Es ist ein Anfang. Wir werden eben einfach erwachsen.«

»Erwachsen?«, grummelte Immanuelle. »Ich blute ja noch nicht einmal.«

Das entsprach der Wahrheit. Sie war beinahe 17 Jahre alt und hatte noch niemals geblutet. Alle anderen Mädchen in ihrem Alter waren bereits so weit, schon seit Jahren, aber nicht Immanuelle. Martha war schon vor Monaten kurz davor gewesen, sie für unfruchtbar zu erklären. Sie sollte wohl nicht bluten, keine Ehefrau werden, keine Kinder bekommen. Sie würde so bleiben, wie sie jetzt war, alle anderen würden erwachsen werden, sie überholen und hinter sich zurücklassen. So wie Leah es in ein paar Wochen tun würde. Das war alles nur eine Frage der Zeit.

»Du wirst schon eines Tages bluten«, verkündete Leah jetzt mit fester Stimme, als müsste sie es nur bestimmt genug sagen, um es wahr werden zu lassen. »Warte noch ab. Das wird wie eine Krankheit vorübergehen.«

»Das ist keine Krankheit«, widersprach Immanuelle. Immer noch schmeckte sie den salzigen Geschmack des Lammbluts auf den Lippen. »Es sind meine Sünden.«

Allerdings war Immanuelle nicht sicher, um welche Sünde es sich handelte. Sie war zu oft vom Weg des Glaubens abgewichen, hatte heimlich gelesen, die heiligen Gebote gebrochen oder vergessen, ihre Abendgebete zu sprechen, und war eingeschlafen, ohne gesegnet zu sein.

Vielleicht hatte sie sich morgens auf den Weiden zu oft in Tagträumen verloren, wenn sie auf die Schafherden hätte achtgeben müssen. Oder vielleicht war sie nicht dankbar genug gewesen, wenn man ihr zum Abendbrot eine Schüssel kalten Haferschleim in die Hand gedrückt hatte. Eines wusste Immanuelle aber immerhin: Sie hatte zu viele Sünden begangen, um sie zählen zu können. Es war kein Wunder, dass sie des Blutsegens, den der Vater allen Frauen spendete, nie teilhaftig geworden war.

Wenn Leah von den vielen Sünden Immanuelles wusste, dann erwähnte sie sie nicht. Stattdessen winkte sie mit einer kurzen Handbewegung ab. »Sünden kann man vergeben. Wenn unser guter Vater im Himmel es so will, dann wirst du auch bluten. Und sobald du es tust, wird ein Mann dich erkennen. Dann wirst du ihm gehören und er dir. Und dann wird alles so sein, wie es sein sollte.«

Immanuelle erwiderte nichts darauf. Blinzelnd, um sich vor der Sonne zu schützen, ließ sie den Blick über die Wiese zum Propheten schweifen, der dort inmitten seiner Ehefrauen stand und sowohl ihnen als auch seinen Kindern seinen Segen und seinen Rat bot. Alle Frauen trugen identische Kleider aus einem stumpfgelben Stoff, der Farbe von Narzissenblüten. Sie alle trugen das heilige Siegel, einen achtzackigen Stern, den man ihnen zwischen die Augenbrauen geritzt hatte. Alle Frauen von Bethel wurden an ihrem Hochzeitstag so markiert.

»Ich kümmere mich lieber um meine Schafe«, erklärte Immanuelle schließlich.

»Und was wird aus dir, wenn du alt bist?«, wollte Leah wissen. »Was dann?«

»Dann bin ich eine alte Schafhirtin«, gab Immanuelle zurück. »Ich werde eine alte Schachtel sein, die Schafe hütet.«

Leah lachte. Es war ein lauter, aber hübscher Klang, der die Blicke zu ihnen herüberschweifen ließ. Das war ganz typisch für sie.

»Und was, wenn ein Mann dich um deine Hand bittet?«

Immanuelle schmunzelte. »Kein guter Mann, der noch alle sieben Sinne beisammenhat, würde etwas mit mir zu tun haben wollen.«

»Unfug.«

Immanuelles Blick schweifte hinüber zu einer Gruppe junger Männer und Frauen in ihrem Alter. Vielleicht etwas älter. Sie sah sie lachen und flirten und wie sie sich selbst in Szene setzten. Die Jungen warfen sich in die Brust, die Mädchen planschten im flachen Wasser des Flussufers und hatten die Rocksäume hoch über die Knie gezogen, um sie dem fließenden Wasser zu entziehen und so den Unterströmungen zu entkommen, aus Furcht vor den Teuflischen, die in den Tiefen des Flusses lauerten.

»Du weißt, dass ich dich immer noch besuchen werde«, sagte Leah, als ob sie spürte, was Immanuelle befürchtete. »Du wirst mich an den Sabbat-Tagen treffen, und nach meiner Klausur werde ich dich auf den Weiden besuchen. Jede Woche, wenn ich kann.«

Immanuelle widmete ihre Aufmerksamkeit jetzt dem Weidenkorb, der vor ihnen stand. Sie nahm sich ein großes Stück Brot heraus und strich frisch gestampfte Butter und einen Klecks blutrote Himbeermarmelade darauf. Sie biss kräftig hinein und sprach dann mit vollem Mund. »Der heilige Bezirk ist weit weg von der Heide.«

»Ich werde schon eine Möglichkeit finden.«

»Es wird doch nicht dasselbe sein«, gab Immanuelle zurück. Den Worten mangelte es an Großzügigkeit, was sie unwillkürlich dazu brachte, sich selbst dafür zu hassen.

Leah zog den Kopf ein wenig ein und senkte ihn mit verletztem Blick. Sie drehte den Ring, den sie an der Rechten trug, mit dem Daumen um den Finger herum. Das war eine nervöse Geste, die sie sich in den Tagen nach ihrer Verlobung angewöhnt hatte. Der Ring war sehr hübsch, ein goldenes Band mit einer kleinen Perle aus dem Fluss. Wahrscheinlich war er ein Erbstück, das von Frauen früherer Propheten auf Leah gekommen war.

»Es wird schon reichen«, erwiderte Leah, aber es klang seltsam hohl. Dann, so als wollte sie sich selbst überzeugen, fügte sie noch hinzu: »Es wird reichen müssen. Selbst wenn ich die Straßen auf dem Pferd des Propheten selbst hinabreiten müsste, werde ich es irgendwie schaffen, dich zu treffen. Ich werde nicht zulassen, dass sich etwas ändert. Ich schwör’s.«

Immanuelle wollte ihr glauben, aber sie war zu gut darin, Lügen als solche zu erkennen, und wusste, dass da irgendein falscher Unterton in Leahs Stimme mitschwang. Doch sie erwähnte das nicht. Nichts Gutes würde dabei herauskommen, Leah war an den Propheten gebunden, und das war immer so gewesen, seit er vor zwei Sommern einen einzigen Blick auf sie geworfen hatte. Der Ring, den sie trug, war nur ein Platzhalter, ein in Gold geschmiedetes Versprechen. Zu angemessener Zeit würde dieses Versprechen in einem Samen, den er in sie setzte, Gestalt annehmen. Leah würde ein Kind gebären, der Prophet würde wieder seinen Samen einpflanzen und wieder und wieder. Das tat er mit all seinen Frauen, solange sie jung genug waren, die Früchte seiner Lenden zur Welt zu bringen.

»Leah!«

Immanuelle hob den Blick und erkannte, dass die jungen Leute, die am Flussufer herumgealbert hatten, winkten und näher herankamen. Es waren vier. Zwei Mädchen, eine hübsche Blonde, die Immanuelle nur von knappen Begrüßungen auf dem Schulkorridor kannte, und Judith Chambers, die neueste Gemahlin des Propheten. Dann waren da die Jungen. Peter, der mit seinen breiten Ochsenschultern wie ein Bauernknecht aussah und auch etwa so intelligent war. Er war der Sohn des ersten Apostels. Neben ihm ging blinzelnd, weil er in die Sonne sah, Ezra, der Sohn und Nachfolger des Propheten.

Ezra war groß und dunkelhaarig und besaß kohlschwarze Augen. Er war recht hübsch, beinahe zu hübsch, und zog die Blicke selbst der tugendhaftesten Ehefrauen und Töchter auf sich. Auch wenn er kaum älter als 19 war, trug er schon einen der Dolche der Apostel an einer Kette um den Hals. Eine Ehre, die die meisten Männer in Bethel trotz aller Bemühungen ein Leben lang nicht erreichten.

Das blonde Mädchen, Hope, das Leah angesprochen hatte, ergriff zuerst das Wort. »Ihr beiden seht wirklich so aus, als würdet ihr den Tag genießen.«

Leah hob eine Hand an die Augen, um den Blick gegen die Sonne abzuschirmen, und lächelte. »Wollt ihr euch zu uns setzen?«

Immanuelle fluchte innerlich, als die vier sich neben sie ins Gras setzten. Der Ochse, Peter, begann den Inhalt des Korbs zu durchwühlen und bediente sich kräftig an Brot und Marmelade. Hope drängte sich zwischen Immanuelle und Leah und begann sofort, den neuesten Tratsch zu erzählen, über ein Mädchen, das man doch wahrhaftig an den Pranger auf dem Marktplatz stellen würde, weil es einen armen ansässigen Farmer zum Ehebruch verführt hatte. Ezra beanspruchte den Platz gegenüber von Immanuelle. Judith setzte sich so dicht neben ihn, dass sich ihre Schultern berührten.

Das Geschwätz ging weiter und Immanuelle versuchte nach Kräften, sich selbst klein und unscheinbar zu machen. Sie wünschte sich, sie wäre unsichtbar. Im Gegensatz zu Leah fühlte sie sich in Gesellschaft nie ganz wohl. Im Vergleich zur Eleganz und dem Charme Hopes, Leahs und Judiths, so glaubte sie, wirkte sie so langweilig wie eine der mit Maiskörnern ausgestopften Puppen ihrer Schwester.

Auf der anderen Seite des Picknickkorbs saß Ezra und schwieg. Sein Zeremoniendolch glitzerte in der Sonne. Er wirkte geistesabwesend, beinahe gelangweilt. Er gab sich nicht einmal die Mühe, ab und an mit einem Nicken zu bestätigen, dass er der Unterhaltung noch folgte. Sein Blick schweifte über die in der Ferne liegenden Felder der Ebene, von Osten nach Westen und wieder zurück. Er spähte in Richtung des Horizonts, als suchte er etwas, und Immanuelle fragte sich unwillkürlich, was das sein mochte. Noch war die erste Vision nicht über Ezra gekommen. Die würde er wohl auch erst erleben, wenn das Leben seines Vaters zu einem Ende gekommen war. So war die Nachfolge geregelt, der Aufstieg eines jungen Propheten an die Macht bedeutete unweigerlich das Dahinscheiden seines Vorgängers.

Neben Ezra lutschte Judith sich ein wenig Butter von den Fingerspitzen und warf Immanuelle durch das Dickicht ihrer Wimpern einen scharfen Blick zu. Sie trug ein gelbes Kleid wie die anderen Frauen des Propheten auch, aber es war ein wenig zu knapp, um wirklich anständig zu wirken. Rock und Untergewand bauschten sich um ihre Beine, das Mieder war eng geschnürt, grub sich in ihre Taille und betonte ihre Hüften, die sich unter den Falten ihrer Unterröcke abzeichneten. Das Siegel zwischen ihren Augenbrauen war immer noch rosarot und ein wenig geschwollen, aber es heilte gut.

Immanuelle erinnerte sich an den Tag, an dem Judith das erste Mal den Blutsegen empfangen hatte. Sie drei, Leah, Immanuelle und Judith, hatten draußen am Rand des Schulhofs Pilze gepflückt, als Judith plötzlich zu weinen begonnen hatte. Sie hatte den Rock ihres Kleids bis über ihre Knie gehoben und somit einen feinen Blutfaden enthüllt, der ihr rechtes Bein hinab bis in ihren Stiefel rann. Die Lehrerin hatte sie rasch beiseitegenommen, nicht ohne, wie Immanuelle trotz des Flüstertons gehört hatte, Judith zuzuraunen: »Du bist eine Frau. Jetzt bist du eine Frau.«

Und das war sie.

Judith hatte ihre Kindheit schnell und bereitwillig hinter sich gelassen. Sie hatte ihre geflochtenen Zöpfe gelöst und die Haare hochgesteckt, hatte Kittel und Schürze mit Korsett und Mieder getauscht und all das Benehmen und die Feinheiten des Frauseins auf eine Weise angenommen, dass man glauben konnte, sie wäre damit geboren.

Judith leckte sich das letzte bisschen Butter von den Fingern und beugte sich zu Immanuelle. So nahe, dass diese den süßen Duft ihres Parfüms wahrnahm. »Ist es wahr, was man über dich sagt?«

Mit dieser Frage hatte Immanuelle nicht gerechnet, auch wenn sie das nicht hätte überraschen sollen. Es war die gleiche Frage, die immer in den Augen jedes einzelnen Klatschmauls in Bethel stand. Alle tuschelten das Gleiche seit der Nacht, in der ihre Mutter den Dolch des Propheten gegen ihn eingesetzt hatte. Sie hatte ihm beinahe die Kehle aufgeschlitzt, bevor sie in die Dunklen Wälder geflohen war. Man sprach ihren Namen aus, als wäre er etwas Faules, das man irgendwie dennoch genoss.

Immanuelle gab vor, nicht zu wissen, worauf Judith anspielte.

»Kommt drauf an«, erwiderte sie. »Was sagt man denn so?«

Judith zuckte mit den Schultern und schmunzelte. »Nun, ich nehme an, wenn du es noch nicht mitbekommen hast, dann kann es auch nicht wahr sein.«

»So wird es wohl sein«, nuschelte Immanuelle zwischen zusammengepressten Zähnen hervor.

Judith legte den Kopf auf die Seite. »Du hast also keine Gabe?«, wollte sie wissen.

Immanuelle schüttelte den Kopf.

Es hatte einmal eine Zeit gegeben, in der die Gaben des Vaters nicht selten gewesen waren. Vor langer Zeit, im Zeitalter des Lichts, hatte der Vater viele mit der Macht gesegnet, Außergewöhnliches zu schaffen und Wunder zu tun. Doch seit dem heiligen Krieg und der dunklen Zeit, die darauf folgte, waren diese Gaben selten geworden. Mit jedem Jahr, das verging, wurden die, die sie empfingen, weniger, denn die Heiligen der Alten Tage wanderten ins Grab und nahmen ihre Macht mit sich. Jetzt war Martha eine der wenigen Hebammen in Bethel, die die Gabe der Namensgebung besaßen, und nur die Propheten verfügten noch über die Gabe des Zweiten Gesichts. Sogar unter den Aposteln waren nur wenige Auserwählte, welche die Macht der Einsicht hatten, die ihnen ermöglichte, die Lüge von der Wahrheit zu unterscheiden, oder Heiler waren. In Immanuelles Generation hatte nur eine Handvoll eine Gabe verliehen bekommen, Lieblinge des Vaters. Und als eine, die als Bastard geboren war, war Immanuelle alles andere als das.

»Schade«, meinte Judith und hob den Blick. »Ich hatte gehofft, dass es wenigstens etwas gäbe, das an dir bemerkenswert ist. Wenn man es so recht bedenkt …«

Immanuelle horchte auf. »Wenn man was recht bedenkt?«

Judith hob eine perfekte Braue, ein grausames Lächeln huschte über ihre Lippen. »Na ja, ich meine natürlich deine Mutter.«

Immanuelle hatte gewusst, dass ihre Mutter früher oder später zur Sprache kommen würde. Das war immer der Fall. Aber etwas an der Art, auf die Judith das nun sagte, verdoppelte die erwartete Schmähung und ließ sie mehr schmerzen als sonst.

Einen langen Augenblick herrschte Stille, abgesehen vom Gluckern des Flusses und dem Summen der Wespen, die um die Wildblumen herumschwirrten. Selbst das entfernte Plappern der anderen Kirchgänger schien zu verstummen und im Rauschen der nahen Wälder, die sich in der Brise wiegten, unterzugehen. Dann …

»Weißt du«, begann Immanuelle. »Jetzt, wo ich darüber nachdenke … Ich habe tatsächlich einen Hang dazu, nackt in den Wäldern zu tanzen. Mit den Dämonen und Teufeln natürlich. Es ist zwar schwer, die Zeit dafür aufzubringen, bei all den Schafen, die ich zu hüten habe, aber wenn der Vollmond aufgeht, dann gebe ich mein Bestes.« Sie lächelte Judith freundlich zu. »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm, nehme ich an.«

Eine Pause entstand, in der jemand scharf die Luft einsog. Leah runzelte die Stirn, als die Gruppe wieder vollkommen still wurde und schwieg.

Zum ersten Mal, seit der Sohn des Propheten, Ezra, Platz genommen hatte, wandte er nun seinen Blick vom Horizont ab und richtete ihn direkt auf Immanuelle.

In diesem Augenblick wusste sie, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Einen dummen Fehler voller Sünde, der im Zorn begangen worden war, einen Fehler, für den sie zweifellos mit einem Tadel oder Prügeln bestraft werden würde. Vielleicht auch mit einem Tag am Pranger auf dem Markt.

Doch dann verzogen sich sehr zu ihrer Überraschung Ezras Lippen zu einem schiefen Grinsen. Er begann zu lachen. Es war kein gemeines Lachen, sondern ein lautes, fröhliches, das tief aus dem Bauch zu kommen schien. Seine Schultern schüttelten sich, das schwarze Haar fiel ihm in die Augen. Nach einem Augenblick schloss Peter sich ihm mit einem bellenden Lachen an, das über den Kirchhof hallte und die Blicke derer auf sich zog, die im Schatten der Kathedrale standen. Das ließ Ezra nun umso lauter lachen. Nach einigen Sekunden schlossen sich Leah und Hope ihnen an, bis endlich auch Immanuelle ein kleines Lächeln wagte. Bevor es jemandem in der Runde wirklich klar war, lachten sie alle zusammen wie eine Gruppe Freunde, die sich schon ewig kannten.

Alle außer Judith, die nur wenig mehr zustande brachte als ein kurzes, indigniertes Hüsteln, während sie sich erhob. Sie packte Ezra am Arm und zog ihn mit sich. Er drehte sich im Aufstehen noch einmal zu Immanuelle um und warf ihr dieses schiefe Lächeln zu, das für ihn so typisch war.

»Bis zum nächsten Sabbat«, rief er über die Schulter, als Judith ihn wieder zur Kathedrale drängte, fort von Immanuelle. Doch bevor er im hohen Gras verschwand, über das der Wind hinwegstrich, hielt er noch einmal inne und wandte sich zu ihr um. Etwas flackerte in seinen Augen auf.

In diesem Augenblick hätte Immanuelle schwören können, dass er bis auf den Grund ihrer Seele geblickt hatte.

Kapitel 2

Denn der Vater ist gütig,

und seine Güte währet immerdar.

Er lächelt herab aus dem Himmel,

um seine Herde mit seinem Segen zu bedenken,

damit sie Frieden finde in seinem Licht.

Die heiligen Schriften

An diesem Abend versammelten sich die Moores zu ihrem traditionellen Sabbat-Abendmahl. Martha rührte in einem dampfenden Kessel mit Hühnereintopf, der an einem eisernen Haken über dem prasselnden Herdfeuer hing, und wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn. Während sie am Herd stand, hatte Anna beide Hände im Brotteig versenkt und verknetete Leinsamen und gehackte Walnüsse darin. Dazu sang sie Kirchenlieder. Immanuelle huschte zwischen beiden hin und her, erledigte verschiedene Aufgaben und versuchte ihr Bestes, eine Hilfe zu sein. Sie war ungeschickt, was Küchenarbeiten anging, tat aber, was sie konnte, um die, die diese Arbeiten besser beherrschten, zu unterstützen.

Die immer fröhliche Anna war die Erste, die das Schweigen brach. »Es war ein schöner Gottesdienst heute Morgen, nicht wahr?«

Immanuelle setzte einen Zinnteller am oberen Ende des Tisches ab, vor den leeren Stuhl ihres Großvaters. »Das war es wirklich.«

Martha erwiderte nichts.

Anna vergrub aufs Neue ihre Hände im Brotteig. »Als der Prophet sprach, verging mir der Atem. Mein Herz blieb beinahe stehen. Dieser Mann ist wahrlich ein Jünger des Vaters. Mehr als andere Propheten. Wir haben Glück, dass er uns führt.«

Immanuelle legte einen Löffel neben Marthas Teller und einen anderen neben Honors Schale, ein kleines, hölzernes Ding, das sie selbst vor ein paar Sommern geschnitzt und poliert hatte. Damals war das Kind selbst nicht größer als eine kleine Elritze in Annas Schoß gewesen. Für Annas Älteste, Glory, hatte Immanuelle den Messinglöffel bestimmt, den sie am liebsten mochte, eine Antiquität, die Martha vor Jahren einem wandernden Händler abgekauft hatte.

Glory besaß wie ihre Mutter einen Hang zu schönen Dingen: Bändern und Spitze und Süßigkeiten und anderen schönen und angenehmen Dingen, die die Moores sich nicht leisten konnten. Aber Immanuelle versuchte nach Kräften und wann immer es ihr möglich war, das Mädchen mit kleinen Geschenken zu verwöhnen. Es gab so wenige wirklich schöne Dinge im Haus. Die meisten der Schätze und schönen Kleinigkeiten waren im tiefsten Winter verkauft worden, um die schlechte Ernte und das Vieh auszugleichen, das man im letzten Sommer an die Seuche verloren hatte. Wenn es nach Immanuelle ging, sollte Glory wenigstens den Löffel haben, eine Winzigkeit, um das Fehlen jeglichen Glanzes in ihrer aller Leben auszugleichen.

Als das Essen fertig war, trug Martha den Kessel mit dem Eintopf zum Tisch und setzte ihn mit einem hörbaren Knall ab, der durch das ganze Haus hallte. Prompt eilten Honor und Glory ins Esszimmer, begierig darauf, sich zu setzen und zu essen. Die Frauen nahmen als Nächste Platz, Immanuelles Großmutter Martha auf dem Stuhl am Fußende des Tisches, wie es Sitte war, Anna, die zweite Frau von Immanuelles Großvater, auf einem leeren Stuhl neben dem ihres Mannes, der ebenfalls leer war.

Nach ein paar langen Augenblicken war das Ächzen von Türangeln zu hören, da sich eine Tür öffnete, und dann das mühsame Schlurfen von Schritten, mit denen Abram die Treppen herunterkam. Ihr Großvater hatte einen schlechten Tag, das konnte Immanuelle an seinen Schritten hören und daran, wie er seinen steifen Fuß über die knarrenden Dielenbretter zog, während er auf den Tisch zukam. Wieder einmal hatte er sie alle nicht in die Kirche begleitet. Es war das dritte Mal in diesem Monat, dass er einen Sabbat hatte ausfallen lassen.

Vor langer Zeit war Abram einmal ein Apostel gewesen. Und ein mächtiger noch dazu. Er war die rechte Hand von Simon Chambers gewesen, einem Propheten, der vor dem jetzigen, Grant Chambers, auserwählt und ordiniert worden war. In dieser Funktion hatte Abram einen der sieben Höfe im heiligen Bezirk besessen und vom Vater die Gabe der Einsicht verliehen bekommen. Mit 19 hatte er Martha geheiratet. Beide waren einander ebenbürtig, sowohl vom Alter als auch vom Rang her, dennoch hatte der Vater sie lange Zeit nicht mit Kindern gesegnet. Nach Jahren vergeblicher Hoffnung hatten Abram und Martha nur Miriam empfangen. Danach folgte eine Reihe von Totgeburten, alles Söhne. Viele behaupteten später, dass Miriams Geburt die Kinder verdammt habe, die nach ihr gekommen seien, und sagten, dass allein schon ihre bloße Existenz ein Fluch für den guten Namen des Hauses Moore gewesen sei.

Aufgrund von Miriams Verbrechen war Abram seines Titels als Apostel verlustig gegangen und mit ihm allen Landbesitzes, der damit einherging. Das Gut der Moores, das einst so groß gewesen war, dass es mit dem des Propheten konkurrieren konnte, wurde unter den anderen Aposteln und den nächsten Farmern aufgeteilt. Wie die Geier über Aas waren sie darüber hergefallen. Abram hatte nur den Bruchteil des Grund und Bodens, den er einst besessen hatte, für sich behalten können, und der lag im Schatten des berüchtigten Waldes, an den er seine Tochter verloren hatte. So lebten sie nun ihr Leben in Jämmerlichkeit und Elend und waren gezwungen, sich eine Existenz zu bewahren, die sich aus dem zusammensetzte, was die mageren Viehweiden und die unergiebigen Maisfelder des Heidelands hergaben, auf die er Anspruch erheben durfte.

Es kam angesichts der Schande, die Miriams Sturz aus der Gnade des Vaters bedeutet hatte, nicht weniger als einem Wunder gleich, dass Anna sich einverstanden erklärt hatte, Abram vor 17 Jahren zum Altar zu folgen. Immanuelle hatte den Verdacht, ihre Loyalität zu Abram habe damit zu tun, dass Abram sie als kleines Mädchen mithilfe seiner Gabe geheilt hatte, als sie beinahe an Fieber gestorben war. Es war, als glaubte sie, sie schuldete ihm ihr Leben, und wäre fest entschlossen, diese Pflicht zu erfüllen. Vielleicht war das der Grund, warum ihre Liebe zu Abram eher der glich, mit der die Apostel den heiligen Vater verehrten, als der, mit der Mann und Frau sich zur Ehe zusammentun sollten.

Als Abram ins Esszimmer kam, begann Anna breit zu lächeln. Das tat sie immer. Aber Abram schenkte ihr keine Beachtung, während er über die Schwelle humpelte. Er hielt inne, um zu Atem zu kommen, und umklammerte dabei die Lehne eines kaputten Stuhls. Die rechte Seite seines Körpers schien verkrampft, die Fingerknöchel so verdreht, dass sie aussahen, als brächen sie gleich, sein Arm war angewinkelt und an die Brust gezogen, als trüge er ihn in einer unsichtbaren Schlinge. Er hinkte, weil das linke Bein nach außen gestellt war; er musste sich an der Wand festhalten, um sich durch die Küche zu seinem Platz am Kopfende des Tisches zu schleppen.

Er machte es sich mühsam auf seinem Stuhl bequem und begann, das Abendgebet zu sprechen, doch die Worte kamen ihm nur mühsam über die Lippen. Als er geendet hatte, hob Abram mit seinem gesunden Arm den Löffel und begann zu essen. Der Rest der Familie tat es ihm nach, die Kinder löffelten gierig die Suppe, als hätten sie Sorge, dass sie verschwinden könnte, bevor sie die Gelegenheit hatten, sie aufzuessen. Die traurige Wahrheit bestand wohl darin, dass es weniger ein Hühnereintopf war als vielmehr eine wässrige Knochenbrühe mit ein paar Pastinaken, ein paar verlorenen Kohlblättern und den grausig aussehenden Stücken des klein gehackten Huhns. Trotzdem bemühte Immanuelle sich, langsam zu essen und jeden Bissen zu genießen.

Anna versuchte wieder eine freundliche Konversation in Gang zu bringen, aber ihre Versuche waren vergeblich. Martha hielt den Blick auf ihre Schüssel gesenkt, die Mädchen waren klug genug, um nicht das Wort zu ergreifen. Sie fürchteten den Zorn ihres Vaters.

Aber auch Abram sagte nicht viel. Das tat er an den Tagen, an denen es ihm so schlecht ging, ohnehin selten. Immanuelle konnte ihm den Schmerz ansehen, einst die Stimme des Propheten gewesen zu sein und nun seit dem Tod ihrer Mutter in Bethel als Außenseiter zu gelten, verflucht vom Vater für seine mangelnde Strenge. Zumindest kursierten solche Gerüchte.

In Wirklichkeit wusste Immanuelle nur wenig von dem, was mit Abram nach dem Tod ihrer Mutter geschehen war. Alles, was sie wusste, waren kleine, bösartige Anspielungen, die Martha hin und wieder von sich gab, Bruchstücke einer Geschichte, die zu übel war, als dass man sie am Stück hätte erzählen können.

Vor 17 Jahren hatte ihre Mutter Miriam, die gerade erst mit dem Propheten verlobt worden war, eine verbotene Beziehung mit einem Farmerjungen aus den Vororten begonnen. Monate später, nachdem man diese Verbindung entdeckt hatte, war dieser Farmerjunge wegen seiner Verbrechen gegen den Propheten und die Kirche auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden.

Doch Miriam hatte man verschont, der Prophet hatte sie aufgrund ihrer Verlobung mit ihm begnadigt.

Dann, in der Nacht vor ihrer Hochzeit, hatte Miriam, verrückt vor Trauer und im fieberhaften Wunsch, den Tod ihres Geliebten zu rächen, sich in den Schlafraum des Propheten geschlichen, während er schlief, und versucht, ihm die Kehle mit seinem eigenen heiligen Dolch aufzuschlitzen. Aber der Prophet war erwacht und hatte sie und den Angriff abwehren können.

Noch bevor die Wachen des Propheten sie hatten ergreifen können, war Miriam in die Dunklen Wälder geflohen, die Heimat Liliths und ihres Hexenzirkels, wo sie dann spurlos verschwunden war. Miriam hatte später behauptet, dass sie die schweren Wintermonate allein in einer Hütte mitten in der Wildnis verbracht habe. Aber angesichts der Kälte des damaligen Winters und der Tatsache, dass man diese Hütte nie gefunden hatte, glaubte niemand in Bethel ihre Geschichte.

Monate vergingen, ohne dass ein Lebenszeichen von Miriam gefunden worden wäre. Dann, in einer Nacht, mitten in einem heftigen Schneesturm, war sie aus den Dunklen Wäldern wiederaufgetaucht, hochschwanger mit der sündigen Leibesfrucht ihres Geliebten, der auf dem Scheiterhaufen gestorben war. Nur Tage nach ihrer Rückkehr brachte Miriam Immanuelle zur Welt.

Während seine Tochter sich bei den Wehen die Seele aus dem Leib schrie, traf Abram ein Schlag, so schwer, dass seine Glieder seither verdreht und seine Knochen und Muskeln verzerrt waren. Seine Kraft und seine aufrechte Gestalt waren ihm seither genommen, ebenso seine heiligen Gaben. Miriam kämpfte und gebar und glitt dann schließlich ins Jenseits. Beinahe wäre es ihm genauso ergangen. Es war ein Wunder, dass der Vater ihn errettet und dem Abgrund des Todes noch einmal entrissen hatte.

Doch Abram hatte für Miriams Sünden gelitten und würde auch weiterhin leiden, bis er eines Tages starb. Vielleicht hätte er weniger gelitten, wenn er die Kraft besessen hätte, Immanuelle für die Sünden ihrer Mutter ebenfalls zu verbannen. Oder Miriam nicht wieder aufgenommen hätte, als sie schwanger aus dem Wald zurückgekehrt war. Möglicherweise wäre er dann wieder in die Gunst des Propheten aufgenommen worden.

Aber das hatte er nicht getan. Und dafür war Immanuelle ihm dankbar.

»Du gehst … morgen auf … den Markt«, wandte Abram sich nun an sie. Es bereitete ihm Mühe, die Worte hervorzubringen. Jede Silbe bedeutete für ihn einen Kampf. »Verkauf den … schwarzen Jährling.«

»Ich werde mein Bestes tun«, versprach Immanuelle mit einem Nicken. Wenn er entschlossen war, den Jährling zu verkaufen, dann hatten sie es bitter nötig. Ein schlechter Monat lag hinter ihnen, ein schlechter Monat am Ende von vielen. Sie brauchten dringend Geld. Abrams Krankheit hatte sich nach einem schlimmen Fieber im Winter verschlechtert, die teuren Medikamente hatten die Familie beinahe ruiniert. Es war notwendig, dass Immanuelle das Ihre dazu beitrug, die Last zu verringern. Das taten sie alle.

Jeder im Haushalt der Moores hatte seine Aufgabe oder gar ein Handwerk, das er betrieb. Martha war eine Hebamme, die mit der Stimme des Vaters gesegnet war, durch die sie die Namen aus den Himmeln auf die Neugeborenen herabrufen konnte. Anna nähte mit so sanfter Hand und genauem Blick, dass sie sogar die feinste Spitze ausbessern konnte. Abram, der einst ein Zimmermann gewesen war, war in den Jahren, nachdem ihn der Schlag getroffen hatte, dazu übergegangen, kleine Figuren zu schnitzen, die sie manchmal auf dem Markt verkauften. Selbst Glory, die trotz ihrer gerade einmal zwölf Jahre eine talentierte Künstlerin war, malte kleine Porträts auf Holzreste, die sie ihren Freunden in der Schule verkaufte. Honor, die zu jung war, um ein Handwerk auszuüben, half, so gut sie konnte, auf der Farm aus.

Dann war da Immanuelle, eine Hirtin, die sich mithilfe eines gemieteten Knechts um eine Schafherde kümmerte. Jeden Morgen, außer an Sabbat-Tagen oder wenn Martha sie, was selten vorkam, bei einer besonders schwierigen Geburt benötigte, wanderte Immanuelle hinaus auf die Weide zu ihren Schafen. Den Hirtenstab in der Hand trieb sie ihre Herde auf die westliche Koppel, wo die Tiere dann meist im Schatten der Dunklen Wälder den Tag mit Grasen verbrachten.

Die Dunklen Wälder hatten auf Immanuelle schon immer eine seltsame Anziehungskraft ausgeübt. Immer wenn sie sich in ihrer Nähe aufhielt, spürte sie ein Kribbeln in sich, es war, als sängen die Dunklen Wälder ein Lied, das nur sie hören konnte. Als wollten sie sie zu sich locken.

Aber dieser Versuchung hatte Immanuelle nie nachgegeben.

An Markttagen suchte Immanuelle eine Auswahl verschiedener Waren zusammen, darunter Wolle und Fleisch, oder auch einen Widder, um sie in der Stadt zu verkaufen. Sie verbrachte dann den ganzen Tag dort und handelte, bis sie alles verkauft hatte. Mit ein wenig Glück kehrte sie nach dem Sonnenuntergang nach Hause zurück und hatte genug Kupfergeld in der Tasche, um sie alle über die kommende Woche zu bringen. Wenn nicht, dann blieb die Familie hungrig und die nötigen Dinge und die Heiler, die Abram brauchte, konnten nicht bezahlt werden.

Abram zwang sich, noch etwas von dem Eintopf zu essen. Es kostete ihn Mühe. »Verkauf ihn … zu einem guten Preis. Nimm nicht … weniger, als … als er wert ist.«

Immanuelle nickte. »Ich werde mich früh auf den Weg machen. Wenn ich den Pfad durch die Dunklen Wälder nehme, bin ich früher als die anderen Marktverkäufer da.«

Die Geschäftigkeit am Tisch verebbte. Nur noch das Klappern der Löffel auf den Tellern war zu hören. Sogar Honor wusste, dass sie jetzt den Mund halten musste, obwohl sie noch so jung war. Schließlich herrschte bis auf das rhythmische Tropfen der Wasserpumpe in der Küchenecke Schweigen am Tisch.

Aus Marthas Wangen war jegliche Farbe gewichen. Ihre Lippen waren blutleer, als sie sagte: »Du gehst niemals in diese Wälder, hörst du? In ihnen wohnt das Böse.«

Immanuelle runzelte die Stirn. Ihrer Ansicht nach war Sünde keine Krankheit, mit der man sich ansteckte, wenn man ihr zu nahe kam. Und sie war nicht sicher, ob sie all die Legenden über die Übel glauben konnte, die sich um das Innere des Waldes rankten. Tatsächlich war sich Immanuelle nicht einmal sicher, was sie glaubte, aber sie war ganz sicher, dass eine Abkürzung durch den Wald wohl kaum Auswirkungen haben würde.

Und doch. Ein Streit würde nichts bringen und sie wusste, dass sie gegen die Willenskraft ihrer Großmutter nicht gewinnen konnte. Martha hatte ein Herz aus Eisen und die Art von felsenfestem Glauben, der Steine zum Erzittern hätte bringen können.

Und so biss Immanuelle sich auf die Zunge, senkte den Kopf und ergab sich in den Gehorsam.

In dieser Nacht träumte Immanuelle von Dämonen: ein Mädchen mit weit offen stehendem Mund und den vergilbten Reißzähnen eines Kojoten. Eine Frau mit den Schwingen einer Motte, die einen aufgehenden Mond anheulte. Sie wachte früh am Morgen auf, das Echo des Heulens noch im Ohr. Der Klang hallte von den Wänden ihres Schädels wider.

Mit aufgequollenen Augen und trunken vor Müdigkeit zog Immanuelle sich mit ungeschickten Fingern an und versuchte die wirren Bilder der Walddämonen aus ihren Gedanken zu verdrängen. Sie schloss die lange Knopfleiste ihres Kleides und bereitete sich auf einen Tag auf dem Markt vor.

Sie schlüpfte aus dem Haus, in dem alles noch schlief, und ging mit raschen Schritten in Richtung der Schafweide. So begann für sie fast jeder Tag: Sie kümmerte sich von der Morgendämmerung an um ihre Schafe. Wenn sie, was selten genug vorkam, verhindert war – wie damals, als sie vor ein paar Sommern eine Woche lang Keuchhusten gehabt hatte –, wurde diese Aufgabe von einem Mietknecht übernommen, der Josiah Clark hieß.

Immanuelle stellte fest, dass sich ihre Herde im Osten der Koppeln zusammengefunden hatte, direkt im Schatten der Dunklen Wälder. Krähen hockten in den Zweigen der Eichen und Birken, aus denen der Wald bestand, der an die Koppel grenzte, auch wenn sie zurzeit keine Laute von sich gaben. Die Stille war genauso präsent wie der Nebel, der über dem Gras lag, und wurde nur von dem Kinderlied gestört, das Immanuelle sang. Es klang wie ein Trauerlied und warf in den Hügelausläufern um die Wiesen herum Echos.

Es war auch kein normales Kinderlied wie die Volkslieder oder Kinderreime, die Mütter oft ihren Kindern vorsingen, sondern eher die veränderte Wiedergabe eines alten Trauerliedes aus dem Kirchengesangbuch, das sie einmal bei einer Beerdigung gehört hatte. Die Melodie klang über die Weiden, und als ihre Herde sie hörte, begann sie, sich nach Osten zu bewegen wie eine Welle, die über die Hügel hinwegrollte. In nur wenigen Augenblicken waren sie bei ihr, blökten und hoppelten glücklich um sie herum oder drängten sich an sie. Doch der Jährling, der Widder Judas, hielt Abstand, die Hufe fest auf den Boden gepresst und mit hängendem Kopf. Trotz seines noch jungen Alters war er ein stämmiger und Furcht einflößender Schafbock mit einem zerzausten schwarzen Fell und zwei beachtlichen Hornpaaren, von denen das erste wie ein paar Dolche aus seinem Scheitel hervorwuchs und das zweite sich bis hinter die Ohren und dann wieder nach vorn bis zu seinem kantigen Kiefer bog.

»Judas!«, rief Immanuelle über das leise Sausen des Windes im Gras zu ihm hin. »Komm schon, es ist Zeit, zusammen auf den Markt zu gehen.«

Der Widder scharrte mit den Hufen im Dreck, die Augen zu Schlitzen zusammengezogen. Er kam langsam auf sie zu, die anderen Schafe machten ihm schleunigst Platz. Die Lämmchen fielen dabei vor Hast fast über ihre Hufe. Nur ein paar Schritte vor Immanuelle blieb Judas stehen und legte den Kopf leicht auf die Seite, sodass er sie durch die Spirale seines Horns beobachten konnte.

»Wir gehen auf den Markt.« Sie hob die Leine, die sie mitgebracht hatte, sodass er sie sehen konnte. Die Schlaufe hing kurz über dem Boden. »Ich muss dich anbinden.«

Der Widder rührte sich nicht.

Immanuelle ließ sich auf ein Knie nieder, führte ihm die Schlinge achtsam am Knoten über seine Hörner und zog dann das Seil fester, um die Schlinge zuzuziehen. Der Widder wehrte sich dagegen, keilte aus, bockte, warf seinen Kopf herum und scharrte heftig mit den Hufen auf der Erde. Doch sie gab nicht nach, stemmte ihrerseits die Beine in den Boden und packte fester zu. Judas zerrte in die andere Richtung und kämpfte weiter gegen sie an.

»Ruhig!«, sagte sie leise und ließ ihre Stimme dabei nicht lauter werden als ein Murmeln. »Ganz ruhig, mein Guter!«

Der Widder warf ein letztes Mal den Kopf zurück und schnaubte so heftig, dass ihm eine Dampfwolke aus den Nüstern quoll, die in der kalten Morgenluft so dick wirkte wie Pfeifenrauch.

»Jetzt komm schon, du alter Brummbär.« Sie zerrte ihn mit einem weiteren Ruck der Führungsleine voran. »Wir müssen dich auf den Markt bringen.«

Der Weg durch die Heidelandschaft war lang, und obwohl der Morgen zuerst recht kalt gewesen war, schien die Sonne bald heiß vom Himmel herab. Schweiß rann Immanuelle schon über den Rücken, während sie dem gewundenen Pfad in die Stadt folgte. Wenn sie statt des langen Weges um den Wald herum die Abkürzung hindurch genommen hätte, hätte sie die Stadt im Handumdrehen erreicht, doch sie hatte Martha versprochen, dass sie sich vom Wald fernhielte, und war entschlossen, ihr Wort zu halten.

Also trottete Immanuelle weiter den langen Pfad am Waldrand entlang. Der Rucksack, den sie auf dem Rücken trug, wurde immer schwerer, je länger sie ging. Ihre Füße in den Stiefeln taten schon bald weh, waren sie doch eine und eine halbe Größe zu klein für sie. Sie zwickten an den Fersen oft so sehr, dass sie sich immer wieder Blasen lief. Oft schien ihr, dass alles, was sie besaß, entweder zu klein oder zu groß war, als passte sie selbst nicht in die Welt, in die sie hineingeboren worden war.

Auf halbem Wege zum Markt legte Immanuelle eine Pause ein, um zu frühstücken. Sie fand ein kühles Plätzchen im Schatten einer Birke und kramte ein wenig in ihrem Rucksack herum, bis sie den Käse und das ziegelharte braune Brot fand, das Anna am Abend zuvor gebacken hatte. Sie aß rasch und warf die Brotrinde Judas hin, der danach schnappte und dabei wieder an der Führungsleine zerrte; so heftig, dass sie ihn an den Hörnern packen musste, um ihn am Durchbrennen zu hindern.

Im Inneren der Dunklen Wälder regte sich etwas. Der Wald schien sie beinahe zu rufen, als der Wind durch die Äste strich. Es klang wie ein Wispern in einer geheimen Sprache.

Den Legenden und den heiligen Schriften zufolge waren die Dunklen Wälder wie alle verfluchten und verdorbenen Dinge auf dieser Welt von der Dunklen Mutter geschaffen und bevölkert worden, der Göttin aller Höllen. Während der Gute Vater die Welt mit Licht und Flamme schuf, dem Staub der Erde den Atem schenkte, rief jene all Ihre Übel aus den Schatten, gebar Legionen von Bestien und Dämonen, verkrüppelte Kreaturen und allerlei kriechendes Getier, das sich in der Zwischenwelt zwischen dem Reich der Lebenden und dem der Toten tummelte.

Aus dieser Zwischenwelt, aus den Tiefen des Verfluchten Waldes, waren die ersten Hexen gekommen: Lilith, Delilah und die beiden Liebenden Jael und Mercy. Die Unheiligen Vier (so nannte man sie später) fanden einen Platz unter den Gründern und ersten Einwohnern Bethels, die sie als Flüchtlinge aufnahmen und ihnen Obdach boten. Die Frauen nahmen sich Ehemänner und bekamen Kinder, sie lebten in der Herde des Vaters als Verbündete, als Freunde. Aber obwohl die vier Hexen die Gestalt von menschlichen Frauen angenommen hatten, waren ihre Seelen doch nach dem Ebenbild ihrer Mutter geschaffen, und genau wie jene versuchten sie, die Schöpfung des Guten Vaters zu zerstören, Sein Licht mit ihrer Dunkelheit und ihren Schatten zu löschen.

Die vier Hexen pflanzten die Saat der Zwietracht in die Herzen der guten Männer von Bethel, führten sie in Versuchung und lockten ihre Seelen auf falsche Pfade. Die Wurzeln ihres Verrats reichten tief in die Gemeinschaft hinein, und es dauerte nicht lange, bis die Herrschaft über das Land in ihre Hände übergegangen war. Nur der Gnade des Vaters war es zu verdanken, dass ein junger Mann namens David Ford, der erste Prophet, eine Armee tapferer, heiliger Kreuzritter um sich versammelte, um die vier Hexen mit Feuer zu bekämpfen und in einer blutigen Schlacht zu besiegen, indem er ihre Seelen wieder in den Verfluchten Wald verbannte, aus dem sie gekommen waren.

Aber die Kraft der Hexen und die Macht der dunklen Göttin, der sie dienten, blieben auch lange nach dem Ende des heiligen Krieges unter ihnen erhalten. Selbst jetzt gingen noch Geister in den Dunklen Wäldern um und hungerten nach den Seelen derer, die es wagten, ihr Reich zu betreten.

Zumindest lauteten so die Legenden.

Nachdem Immanuelle ihr Frühstück beendet hatte, erhob sie sich, um ihre Wanderung durch die Heide am Waldrand fortzusetzen. Der Hauptpfad schlängelte sich nun näher an die Dunklen Wälder heran, sodass sie die Wegmarken erkennen konnte, die den Waldrand kennzeichneten. Gebinde von Wildblumen, kleine Opfergaben und Tribute, sogar ein Paar winziger Kinderschuhe hingen an den Schnürsenkeln von einem Pfahl herab, so als hätte jemand geglaubt, dass das Kind, dem sie gehörten, eines Tages doch wieder zwischen den Bäumen hervorkäme, um sie für sich zu beanspruchen. All diese Gegenstände gehörten denen, die in die Dunklen Wälder gegangen und nie wieder zurückgekehrt waren. Denn was der Wald einmal für sich nahm, kam nur sehr selten wieder zurück.

Immanuelle und ihre Mutter waren da eine Ausnahme. Ein Wunder, wie manche sagten. Aber in ihren schwächsten Augenblicken, wenn der Wind durch die Kiefern strich und die Krähen ihr Lied sangen, fühlte sich Immanuelle, als hätten die Dunklen Wälder irgendwie noch Macht über sie, als riefe der Wald sie nach Hause.

Immanuelle schauderte. Doch dann schritt sie weiter aus, an den Hütten und Scheunen und wogenden Maisfeldern vorbei, immer dem Fluss folgend. Über ihr zogen Wolken über die Sonne hin, die Luft wurde stickig und schwül. Schließlich mündete die weite Heidelandschaft in die entschieden engeren und gepflasterten Straßen von Amas, der kleinen Hauptstadt im Herzen Bethels. Hier wichen die Scheunen und Bauernhäuser kleinen Hütten aus Stein, Stadthäusern mit schiefergedeckten Dächern und steinernen Gebäuden mit bunten Glasfenstern, die in der mittäglichen Sonne leuchteten und funkelten. In der Ferne war über den Dächern das größte Gebäude in ganz Bethel zu sehen, das nur vom Turm der Kathedrale überragt wurde. Es wurde das heilige Tor genannt – ein schmiedeeisernes Wunder, das der erste Prophet, David Ford, geschaffen hatte.

Vom Tor weg wand sich eine breite, mit Kopfstein gepflasterte Straße dahin, die von ewig brennenden Straßenlaternen gesäumt wurde und die man den Pilgerweg nannte. Bethel war eine Insel in der Wildnis und dem Wald, der es umgab, und diese Straße eine Verbindung zu den fernen Gebieten jenseits der Grenzen Bethels. Aber soweit Immanuelle wusste, war es nur den Wächtern des Propheten, den Aposteln und einigen wenigen hochstehenden Evangelisten gestattet, Bethel zu verlassen, und das auch nur zu sehr seltenen Gelegenheiten. Und niemals während Immanuelles 16-jährigen Lebens war je auch nur ein Fremder durch dieses Tor gekommen.

Manchmal fragte sich Immanuelle, ob die Städte jenseits des Landes Bethel vielleicht nicht mehr waren als Mythen. Oder vielleicht hatte der sich ständig ausbreitende Wald sie vollkommen verschlungen, wie es vielleicht auch mit Bethel geschehen würde, sollte das Licht des Vaters das Dunkel nicht auch weiterhin fernhalten. Aber Immanuelle wusste auch, dass diese Überlegungen weit über ihren eigenen Horizont gingen. Die Komplexität der Welt hinter dem heiligen Tor überließ man besser den Aposteln und dem Propheten, die immerhin das Wissen und die Einsicht besaßen, die es dazu brauchte.

Immanuelle packte die Leine, an der sie Judas führte, noch einmal fester und bahnte sich einen Weg durch die immer dichter werdende Menge der Marktbesucher. Wie üblich war der ganze Platz mit Marktständen unterschiedlichster Art besetzt. Es gab Kerzenzieher und einen Metzger, auf dessen Auslagen fliegenumschwärmte Fleischstücke auf schmelzenden Eisklötzen lagen. Neben dem Metzger befand sich ein Stoffhändler, der Tuchballen feilbot: Samt, Brokate, Wolltücher und weiche Seide. Als Immanuelle am Zelt des Parfümhändlers vorbeikam, stieg ihr der Duft feiner Öle in die Nase, die man aus Blüten und Myrrhen gewonnen hatte.

Der Uhrmacher hatte seinen Stand direkt vor seinem Häuschen aufgebaut. Auf einem langen Eichentisch bot er seine Stand- und Taschenuhren den feineren Herren an, deren Kleidung darauf schließen ließ, dass sie sich diese Ware leisten konnten. Nur ein paar Schritte weiter hatte ein Schuhladen Lederstiefel ausgestellt, deren Schnallen kunstvoller gearbeitet waren als alles, was Immanuelle selbst je besessen hatte. Kunstvoller wahrscheinlich als alles, was sie je besitzen würde.

Aber sie hielt sich nicht lange bei diesem Gedanken auf. Demonstrativ hielt sie den Kopf hocherhoben, ging geradewegs die Hauptstraße entlang und wurde nicht einmal langsamer, um die Waren zu begutachten. Judas trottete mit klappernden Hufen über das Kopfsteinpflaster neben ihr dahin. Seine Ohren drehten sich immer wieder den Geräuschen nach, er schnaubte hier und da, während er den Anblick und die Laute des Marktes in sich aufnahm. Manchmal versuchte er, hier- oder dorthin auszubüxen, aber Immanuelle hielt ihn an der kurzen Leine, so kurz, dass er niemals weiter als einen Schritt von ihr entfernt war.

Hin und wieder saßen am Straßenrand zusammengekauert ein paar Bettler, die Schüsseln und Becher für die Münzen hochhielten, die sie von den wenigen ihnen wohlgesinnten Passanten zu erbetteln hofften. Es handelte sich um Bettler aus den Vororten Bethels, viele gingen barfuß. Doch beinahe alle Marktgänger ignorierten die Bettler. Die aus den Vororten waren immerhin Verbannte, die man als die niederen, vom Vater nicht begünstigten Kinder betrachtete. Ein paar der radikaleren Gemeindemitglieder waren gar der Ansicht, dass schon ihr Aussehen eine Strafe sei, und behaupteten, dass das glänzende Ebenholzschwarz ihrer Haut ein äußeres Zeichen ihrer inneren Verbundenheit mit der Dunklen Mutter sei, der sie ähnlich sähen.

Es gab viele Geschichten darüber, wie die aus den Vororten zuerst nach Bethel gekommen waren, aber allgemein war man sich einig, dass es sich um die Nachfahren von Flüchtlingen handelte, die in den alten Tagen hierher geflohen waren. Es gab viele Gerüchte darüber, warum sie geflohen waren. Einige behaupteten, dass es eine Dürre gegeben habe, bei der die Welt draußen zu Asche verbrannt sei. Andere erzählten Geschichten darüber, dass es Feuer und Schwefel geregnet habe. Wieder andere waren sicher, dass ein gieriges Meer ihr Heimatland verschlungen habe, eine Flut, die so hoch gestiegen sei, dass sie selbst Berge unter sich begrub und die Bewohner des Landes zwang, in die Wälder zu fliehen.

Ein Heiliger namens Abdiah hatte zu dieser Zeit die Kirche regiert, er sagte, dass der Vater diese Flüchtlinge für ihre Verbundenheit mit der Mutter bestraft habe. Er behauptete, dass die Plagen, die sie aus ihrer Heimat vertrieben hätten, eine Art göttlicher Rache seien. Sein Urteil lautete, dass des Vaters Wille sie in die Vororte Bethels gelenkt habe, um ihnen die Möglichkeit zu geben, durch den Dienst an der Kirche auf den rechten Pfad zur Heiligkeit des eigenen Seins zu gelangen. Und so öffnete Bethel auf Geheiß Abdiahs das erste Mal in seiner jahrhundertealten Geschichte sein Tor für Außenstehende.

Um das zu verhindern, was Abdiah die Ausbreitung von Lug und Trug nannte, wurden die Außenstehenden auf eine Siedlung am südlichen Rand Bethels beschränkt. Dort wurden ihnen Diener des Vaters zugeteilt, die die heiligen Schriften unter ihnen verbreiten und die Heiden eine Seele nach der anderen in Gläubige verwandeln sollten. Später nannte man das die Große Evangelisierung. In den folgenden Jahrzehnten passten sich die Außenstehenden den Sitten und Gebräuchen in Bethel an. Sie nahmen den Glauben an, die Sprache und versahen weiter ihren Dienst an der Kirche. Mit jeder Generation wandten die in den Vororten sich weiter von ihrer eigenen Geschichte ab, bis sie beinahe ganz zu Bethel gehörten. Aber Immanuelle war klar, dass man sie nicht so behandelte. Sie selbst wurde nicht so behandelt.

Ganz egal, ob in den meisten Vorortlern heutzutage das Blut von Siedlern Bethels floss oder ob sie im heiligen Krieg gegen die Armeen Liliths gekämpft hatten, ob man es nun teilte oder vergoss: Blut schien nie so viel zu bedeuten wie das Aussehen. Und so viele Jahrhunderte vergangen sein mochten, was sie auch für die Gemeinschaft Bethels und sein Wohlergehen getan hatten – die in den Vororten würden immer als Außenseiter behandelt werden.

An diesem Tag drückten sich rund ein Dutzend Bettler auf der Hauptstraße herum. Als Immanuelle sich ihnen näherte, wandten sie sich ihr zu, so wie sie es immer taten, auch wenn keiner von ihnen ihr seine Schüsseln oder Becher entgegenhielt. Oder sie mit etwas anderem bedachte als einem kalten Starren. Stattdessen schienen sie sie zu mustern. Es war ein Gesichtsausdruck, den sie als Mischung aus Neugier und Verachtung beschrieben hätte.

Sie machte ihnen keine Vorwürfe.

Äußerlich teilte sie ihre Merkmale, dunkle Haut, eine scharfe Nase, große schwarze Augen, doch sie war keine von ihnen. Nicht wirklich. Sie hatte nie das Leben in Armut jenseits des Heidelands gekannt oder war die Pfade dort entlanggegangen und hatte auch nie die Verwandten getroffen, die es dort sicher geben musste. So wie die Dinge lagen, konnten die, die hier an den Straßenrändern kauerten, sehr wohl mit ihr verwandt sein. Verwandte ihres Vaters, Onkel vielleicht oder Vettern, aber sie suchte nicht nach ihnen, und umgekehrt war es nicht anders.

Immanuelle ging etwas schneller in Richtung des Viehmarkts und hielt den Blick dabei auf ihre Schuhe gesenkt, als könnte sie so den lauernden Blicken der Bettler aus den Vororten ausweichen. Sie hatte den Viehmarkt beinahe erreicht, als sie den schönsten Stand von allen erblickte: den Stand des Buchhändlers.

Im Vergleich zu den anderen Läden, die alle gemalte Schilder besaßen und ihre Waren sorgfältig ausstellten, war dieser Stand nichts Besonderes. Das Zelt war klein, nur ein großes Stück Leinen über drei hölzernen Stangen. Darunter befanden sich fünf Regale, jedes größer als Immanuelle selbst und vollgestopft mit Büchern. Echten Büchern, nicht den dekorativen Folianten und Gesangbüchern, die auf dem Kaminsims im Heim der Moores standen und die nie jemand berührte oder gar las. Das hier waren Bücher über Botanik oder Medizin, Bücher mit Gedichten und überliefertem Wissen, Atlanten sowie Chroniken Bethels und der Siedlungen jenseits der Grenzen, sogar kleine Broschüren, aus denen man Dinge wie Grammatik oder Arithmetik lernen konnte. Es war ein Wunder, dass die Wache des Propheten all diese Bücher erlaubt hatte.

Nachdem sie Judas an einen nahen Laternenpfahl gebunden hatte, huschte Immanuelle an den Stand. Obwohl sie wusste, dass sie eigentlich ohne Umwege zum Viehmarkt hätte gehen müssen, gönnte sie sich die Pause hier, öffnete die Bücher, sog den Duft ihrer Einbände ein und ließ die Finger über die Seiten gleiten. Auch wenn sie die Schule wie alle Mädchen mit zwölf Jahren verlassen hatte, denn so wollten es die heiligen Gebote des Propheten, war Immanuelle eine eifrige Leserin. Um genau zu sein, war Lesen eines der wenigen Dinge, die sie ihrer eigenen Meinung nach richtig gut konnte, eines der wenigen Dinge, auf die sie stolz war. Manchmal dachte sie, wenn sie überhaupt eine Gabe hätte, dann wäre es diese. Bücher waren für sie das, was der Glaube für Martha war, sie fühlte sich dem Vater nie näher als in den Augenblicken, in denen sie sich am Buchstand befand und die Geschichten eines Fremden las, den sie nie kennengelernt hatte.

Das erste Buch, das sie auswählte, war dick und in blassgraues Leinen gebunden. Es hatte keinen Titel, nur das Wort Elegie war in goldenen Lettern auf den Buchrücken geprägt. Immanuelle öffnete es und las die ersten Zeilen eines Gedichts, das einen Sturm besang, der über den Ozean fegte. Sie hatte den Ozean nie gesehen oder jemanden gekannt, der ihn erblickt hatte, aber als sie die Verse halblaut vor sich hin murmelte, konnte sie das Rauschen der Wellen hören, das Salz der Gischt auf den Lippen schmecken und spüren, wie der Wind ihre Locken zerzauste.

»Da bist du ja wieder.« Immanuelle sah auf und stellte fest, dass der Besitzer des Stands, Tobis, sie beobachtete. Neben ihm stand zu ihrer Überraschung Ezra, der Sohn des Propheten, der sich am Tag zuvor zu ihr und Leah ans Flussufer gesetzt hatte.