Das Kongo Komplott - Ernst-Georg Richter - E-Book

Das Kongo Komplott E-Book

Ernst-Georg Richter

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Beschreibung

In den letzten Wochen des Jahres 1884 findet in der Hauptstadt des noch jungen Deutschen Reiches die Kongo-Konferenz statt: Delegierte aller europäischen Kolonialmächte verhandeln über die letzten noch nicht aufgeteilten Gebiete in Afrika. Als ein junger belgischer Diplomat angeschossen wird, beginnen geheime Ermittlungen: Der gerade erst in Berlin angekommene Kommissar Albert Kummerow und der Offizier Joachim von Tarlenheim werden auf den Fall angesetzt. Er führt die beiden in die höchsten Kreise der Berliner Gesellschaft - und in den Zoologischen Garten.

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1. Auflage 2013

Copyright © 2013 by Lau-Verlag & Handel KG,Reinbek

Alle Rechte vorbehalten.

Umschlaggestaltung und Illustrationen: Steffen Faust, Berlin

Layout und Satz: Patrick Lau, Reinbek

ISBN 978-3-95768-129-4

www.lau-verlag.de

Ernst-Georg Richter

Das Kongo-Komplott

Historischer Kriminalroman

Die Eroberung der Erde, die meist ihre Entwendung aus den Händen derer bedeutet, die eine andere Hautfarbe oder etwas plattere Nasen haben als wir selbst, ist keine schöne Angelegenheit, wenn man sie genauer betrachtet.

Joseph Conrad, Herz der Finsternis

Inhalt

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III

Kapitel IV

Kapitel V

Kapitel VI

Kapitel VII

Kapitel VIII

Kapitel IX

Kapitel X

Kapitel XI

Kapitel XII

Kapitel XIII

Kapitel XIV

Kapitel XV

Kapitel XVI

Kapitel XVII

Kapitel XVIII

Kapitel XIX

Kapitel XX

Kapitel XXI

Kapitel XXII

Kapitel XXIII

Kapitel XXIV

Kapitel XXV

Kapitel XXVI

Kapitel XXVII

Kapitel XXVIII

Kapitel XXIX

Kapitel XXX

Kapitel XXXI

Kapitel XXXII

Kapitel XXXIII

Kapitel XXXIV

Kapitel XXXV

Kapitel XXXVI

NACHWORT

ANHANG

DANKSAGUNG

Kapitel I

Kummerow schnappte nach Luft. Eben erst war er aus dem Zug der Preußischen Ostbahn ausgestiegen, der ihn von Posen zum Schlesischen Bahnhof in Berlin gebracht hatte. Doch schon jetzt bekamen seine Lungen zu spüren, dass es sich in der deutschen Reichshauptstadt nicht so leicht durchatmen ließ wie jenseits der Oder. Kein Wunder, denn in den Gründerjahren war die größte Stadt Preußens zum wichtigen Industriestandort herangewachsen – oft genug wurden ihre Einwohner auch am Tage von einem schmutziggrauen Tuch aus Qualm eingehüllt, das sie von Luft und Licht trennte. Seit dem Krieg von 1870/71 mit dem allgemein bejubelten Sieg über den Erbfeind Frankreich und der Reichsgründung waren dreizehn Jahre vergangen. Auch Kummerow war dabeigewesen; nach seinem Abschied war er in den Polizeidienst in Posen eingetreten. Von da an hatte er sich bis zum Kommissar hochgedient, dann wurde ihm die Provinz zu eng. So hatte er um seine Versetzung nach Berlin ersucht, die ihm nach einiger Wartezeit auch genehmigt worden war.

Nun war er mit 36 Jahren zum ersten Mal dort, und seine erste Sorge in der neuen Wahlheimat galt der Beschaffung einer Droschke. Das war kein leichtes Unterfangen, denn ein paar hundert Passagiere, die gerade zusammen mit ihm angekommen waren, hatten genau das Gleiche im Sinn. Mit ihnen drängte er hinaus vor den Bahnhof und eilte direkt auf eine freie Droschke am Halteplatz zu. Er nannte dem Kutscher die Adresse »Hotel Deutsches Haus, Klosterstraße« – alte Regimentskameraden aus Posen hatten es ihm als erste Anlaufstelle empfohlen. Doch die Droschke setzte sich nicht in Bewegung.

»Die Marke, der Herr.«

»Wie bitte?«

»Ihre Kontrollmarke. Ohne die darf ich Sie nicht fahr’n.«

»Ich habe aber keine. Wo bekommt man die?«

»Da müssen Sie zum Kontrolleur am Bahnhofsausgang.«

Kummerow stieg wieder aus und mühte sich gegen den Strom der Reisenden zurück zum Bahnhofsportal, wo er erst jetzt einen der uniformierten Kontrolleure erblickte.

»Eine Droschkenmarke, bitte.«

»Erste Klasse, zweite oder Gepäckdroschke?«

Kummerow ließ sich einmal zweite geben, wandte sich um und seufzte: Gleich würde er am Ende der Warteschlange stehen. Es würde mindestens eine halbe Stunde dauern, bis er eine neue Droschke ergattern konnte.

Auf einmal hörte er aufgeregtes Rufen, Schreie und Hufgetrappel. Die Wartenden vor ihm riefen »Obacht!« und »Holla!«, sie schreckten zurück und versuchten offenbar, ein paar durchgegangenen Pferden auszuweichen. Andere Passanten liefen so schnell es ging in Richtung Bahnhof, um nicht niedergeritten zu werden. Kummerow konnte nicht mehr erkennen, sondern nur übermütiges Johlen und Hussa-Rufe aus dem Stimmengewirr heraushören. Die Mitte des Platzes am Schlesischen Bahnhof hatte sich inzwischen geleert, so dass die Urheber des Aufruhrs zu sehen waren.

Ein kleiner Trupp Garde-Ulanen preschte heran. Die offensichtlich angetrunkenen Kavalleristen benahmen sich wie bei einer Attacke. Was die Ulanen weitab von ihrer Kaserne in der Invalidenstraße zu suchen hatten, wussten nur sie allein. Fest stand nur, dass sie ihrem Übermut ausgerechnet im Osten der Innenstadt Luft machen wollten.

Ganz leer war die Mitte des Bahnhofsvorplatzes nicht. Eine junge Kinderfrau umklammerte gelähmt vor Angst die Griffstange eines Kinderwagens und traute sich keinen Schritt weiter. So neu und gut verarbeitet dieser Kinderwagen auch aussah, bot er seinem kleinen Passagier keinen Schutz gegen die herannahende Gefahr. In diesem Moment hatte einer der übermütigen Ulanen nämlich beschlossen, seine Kameraden, mit einem verwegenen Kunststück zu beeindrucken. Er ließ seinen Rappen direkt auf den Kinderwagen zugaloppieren – das Mädchen tat, was wohl jedes andere an seiner Stelle getan hätte: Es fiel in Ohnmacht. Dem Ulanen aber war das egal: Er riss kurz am Zügel, und sein Pferd sprang mit einem gewaltigen Satz über den Kinderwagen hinweg. Seine Kameraden johlten – das Wochenende fing ja ganz hervorragend an!

Solchermaßen angefeuert, wendete der tollkühne Springreiter und schickte sich an, sein Kunststück zu wiederholen. Von seinem Erfolg bestärkt, wollte er nun allerdings noch einen draufsetzen. Theatralisch zog er ein großes Taschentuch aus seiner Ulanka hervor und band es sich vor die Augen. Niemand traute sich, ihm näher zu kommen, um ihn aufzuhalten – seine Kameraden ritten mit der Hand am Säbel gleich auf jeden zu, der der immer noch ohnmächtigen Kinderfrau mit ihrem Schutzbefohlenen zu Hilfe kommen wollte. Den Rappen hatte der Ulan schon in Richtung des Kinderwagens aufgestellt – nun gab er ihm die Sporen und ritt wieder los. Noch dreißig Schritte, noch zwanzig, noch zehn – gleich musste das Pferd abspringen, sonst würde es den Wagen über den Haufen rennen.

Wer jedoch absprang, war sein Reiter – vielmehr wurde er in hohem Bogen abgeworfen. Die Menge jubelte wie auf Kommando einem Reisenden in schlichtem dunklem Mantel und Hut zu, der mit einer geschickten Körpertäuschung an den Ulanen vorbeigekommen war, sich vor dem Kinderwagen aufgestellt und seinen Koffer gerade noch rechtzeitig mit Schwung am Arm nach oben gerissen hatte. Der Rappe scheute und bäumte sich auf, und der verhinderte Kunstreiter fiel mit einem Schrei auf den Rücken. Er blieb auf dem staubigen Bahnhofsplatz liegen und stöhnte; seine Tschapka hatte er bei dem Sturz verloren. Seinen Kameraden war die Szene auf einmal unheimlich geworden, zumal immer mehr Zuschauer nach der Polizei riefen. So rissen sie ihre Pferde herum und machten sich in Richtung Breslauer Straße aus dem Staub.

Kummerow hielt sich die Schulter, die vom abrupten Hochreißen seines Koffers und auch von einigem anerkennenden Schulterklopfen schmerzte. Er sah rasch in den Kinderwagen – sein kleiner Insasse hatte offensichtlich keinen Schaden genommen. Um die Kinderfrau hatten sich inzwischen einige Helfer versammelt, doch sie schien bereits wieder zu sich zu kommen. Als Kummerow hörte, dass auch sie wohl unverletzt geblieben war, zog er sich diskret zurück und bekam nun endlich die ersehnte Droschke. Diesmal gab er pflichtschuldig die Marke ab, und prompt setzte sich das Gefährt in Bewegung. Er sah ein letztes Mal zum Bahnhofsvorplatz zurück – zwei inzwischen aufgetauchte Schutzmänner führten gerade den sich jämmerlich dahinschleppenden Ulanen ab, um ihn seinem Regiment zu überstellen.

Kummerow lehnte sich in den Sitz zurück und rieb sich weiter die Schulter. Nach der Einmündung in die Holzmarktstraße sah er zum ersten Mal das dunkle Band der Spree, auf der im schwindenden Novemberlicht noch einige Lastkähne zu erkennen waren. Die Droschke unterquerte einen Bahnbogen der noch nicht lange fertiggestellten Stadtbahn, passierte die Parochial- und die Klosterkirche und hielt schließlich in der Klosterstraße 89.

»So, der Herr, einmal sechzig für Sie und der Koffer zu fünfundzwanzig macht fünfundachtzig Pfennig. Für Sie achtzig und keinen Pfennig mehr – ich hab geseh’n, wie Sie dem Mädel geholfen haben.«

Kummerow zahlte ein wenig verblüfft den ermäßigten Fahrpreis, und mit ungewöhnlich freundlichem Gruß fuhr der Kutscher weiter. So betrat der Polizeibeamte das Hotel »Deutsches Haus«. Er hatte nicht schriftlich reserviert und war froh, ohne Weiteres ein einfaches Zimmer zu bekommen.

»Wie lange gedenken Sie zu bleiben, Herr … Kommissar?«, wollte der Empfangsdiener wissen, während er Kummerows Meldebogen fertigmachte.

»Bis ich eine feste Bleibe gefunden habe, sicherlich also ein paar Tage.«

In seinem Zimmer angekommen, zog der neue Gast die Stiefel aus und ließ sich aufs Bett fallen, das einen halbwegs stabilen Eindruck machte. Daneben hatte das Zimmer nicht mehr als eine Kommode mit Waschschüssel und einen Stuhl an Mobiliar zu bieten. Dafür äugte das preußische Dreigestirn von Kaiser, Bismarck und Moltke aus seinem Rahmen über der Kommode. Durch das geöffnete Hinterhoffenster drang das Gekeife zweier zänkischer Nachbarinnen aus dem Nebenhaus. Er seufzte und dachte bei sich: »Das also ist Berlin.«

Eine halbe preußische Meile entfernt wurde an diesem 15. November des Jahres 1884 ein Stück Weltpolitik begonnen. Nach Unstimmigkeiten über diverse Fragen Afrika betreffend hatte Reichskanzler Fürst Bismarck die von der Presse so genannte »Kongo-Konferenz« einberufen, um die wesentlichen Probleme hinsichtlich der Interessenssphären, Handelswege und Zollbedingungen im Kongobecken zu lösen. In seinem Palais an der Wilhelmstraße begrüßte der Fürst die Delegierten aus den europäischen Ländern, den Vereinigten Staaten von Amerika und dem Osmanischen Reich – Abgesandte aus Afrika waren allerdings nicht unter den Geladenen. In seiner Ansprache brachte er die Hoffnung zum Ausdruck, dass die Konferenz bestehende Streitigkeiten zum Wohle aller beilegen möge. Dann vertagte sich die Konferenz auf die kommende Woche, in der mit der eigentlichen Arbeit begonnen werden sollte. Die ersten Delegierten verabschiedeten sich bereits am frühen Nachmittag, um sich in ihren jeweiligen Hotels von der Anreise zu erholen. Andere blieben noch länger um das raumgreifende Erfrischungsbüffet versammelt, das zu einem Dreh- und Angelpunkt der Konferenz werden sollte, und bewunderten dazu die fast fünf Meter hohe Afrikakarte des Geografen Richard Kiepert. Es war bereits dunkel, als einer der letzten Kongressteilnehmer das vormalige Palais Radziwill allein in Richtung Wilhelmplatz verließ. Als er bereits einige Meter vom Portal entfernt war, krachte ein Schuss durch die abendliche Wilhelmstraße. Der Getroffene fiel zu Boden und schrie um Hilfe, dann verlor er das Bewusstsein.

Kapitel II

Am Tag nach seiner Ankunft, einem kalten Novembersonntag, an dem der Himmel schon sehr nach Schnee aussah, machte sich Albert Kummerow zur Erkundung seiner neuen Umgebung auf. Es war immerhin gute dreizehn Jahre her, dass er mitunter als Aufklärer in der Uniform seines Königs in Frankreich unterwegs gewesen war, doch wo immer er sich seitdem zum ersten Mal befand oder schlichtweg neu vorkam, lernte er als Erstes so genau wie möglich das Terrain kennen. Jetzt war Frieden, und in diesem Spätherbst sah es auch nicht nach baldigen kriegerischen Auseinandersetzungen mit anderen europäischen Mächten aus. Immerhin war die deutsche Reichshauptstadt allmählich unter die wahren Großstädte der Welt aufgestiegen – nur einer der Gründe, warum Kummerow nach über zehn Jahren erfolgreicher Polizeiarbeit seinen Dienst in Posen quittiert und um Versetzung nach Berlin gebeten hatte. Nun machte er mit Hilfe seines Baedekers die Runde durch die Innenstadtviertel, nicht zuletzt, um eine ihm angenehme Wohngegend zu finden. Die Frage war nur: wo anfangen?

Sauber, ordentlich, bescheiden, dies waren die Grundbedingungen, die Kummerow auf seiner Wohnungssuche durch den Kopf gingen. Vorerst tat es ja auch ein möbliertes Zimmer, dann würde man weitersehen. Die vornehmeren Gegenden nahe dem Tiergarten, wo Geheimräte und Ministerialbeamte wohnten, kamen für ihn ebenso wenig in Frage wie die Arbeiterviertel im Norden und Osten der Stadt, wo Polizeikommissare – allen voran diejenigen der politischen Abteilung – nur dienstlich verkehrten. So spazierte er an diesem Abend nach einer eingehenden Erkundung der Straßen zwischen dem Alexanderplatz und dem Friedrichshain zurück zum Hotel Deutsches Haus. Mit drei Mark die Nacht war es nicht zu kostspielig und lag dazu in der Nähe des Polizeipräsidiums am Molkenmarkt, wo er am Montag seinen Dienst antreten sollte.

Von der Königstraße ging er nicht direkt zurück zu seiner Logieradresse, denn er wollte im letzten Dämmerlicht noch einen Blick auf die Spree werfen. Er lief die Klosterstraße hinunter und hatte nur noch ein, zwei Ecken bis zum Fluss vor sich, als er voraus lautes Gezeter und deftige Verwünschungen hörte. Kummerow war nicht im Dienst, aber auch nicht der Mensch, solche Töne geflissentlich zu überhören. So rief er wie selbstverständlich »Halt, stehenbleiben, Polizei!« und lief auf den Lärm zu. An der Stralauer Straße bog er um die Ecke und fand sich im nächsten Moment am Boden wieder. Drei kräftige Burschen in gestreiften Hemden, womöglich Fleischergesellen, liefen lachend und grölend zur Waisenbrücke – sie hatten ihn auf ihrer Flucht einfach über den Haufen gerannt. Schon wieder hatte seine Schulter etwas abbekommen, doch der Schmerz war auszuhalten. Als sich Kummerow wieder hochgerappelt hatte, erkannte er gleich, dass eine Verfolgung zwecklos war. Was ihn verblüffte, war etwas ganz anderes. Er rieb sich die Augen, denn er glaubte, in eins seiner alten Märchenbücher zu schauen. Als kleiner Junge war er immer am meisten von den geheimnisvollen und oft hinterlistigen Zwergen beeindruckt gewesen. Hier, am Rand der Berliner Altstadt, schien nun eben solch ein Zwerg auf der Querstange einer halbhohen Straßenlaterne zu sitzen.

»Verfluchtes Lumpenpack! Der Schinder soll sie holen! Sie dort! So helfen Sie mir doch!«

Kummerow wurde seiner Verwunderung Herr und sah ein paar Meter weiter mehrere alte Holzkisten, die den Burschen zur Ausführung ihres Streiches gedient haben mussten. Er schob sie an die Laterne, kniff die Augen im grellen Licht zusammen, stieg hinauf, packte den immer noch zeternden kleinen Mann und hob ihn herunter.

»So seien Sie doch vorsichtig! Sie zerreißen mir ja den Mantel!«

Behutsam setzte Kummerow den Wütenden wieder auf festen Boden. Wie schon am Vortag fühlte er ein deutliches Stechen in der Schulter.

»Mein Hut! Dort, mein Hut!«

Fünf Schritte weiter lag der Zylinder des Mannes, der halb so hoch wie sein Besitzer selbst sein musste. Kummerow klopfte ihn vorsichtig ab und reichte ihn dem Fremden, der ihn schnell an sich riss.

»Das werden die mir büßen! Ins Zuchthaus werd’ ich sie sperren lassen! Ich habe beste Beziehungen bei Hofe!«

Inzwischen hatten sich Kummerows Augen nach dem Blick in die Laterne wieder an das Halbdunkel gewöhnt. Vor ihm stand ein älterer Herr, der gerade einmal viereinhalb Fuß messen mochte, und dessen großer, weitgehend kahler Schädel nicht zum Rest seines Körpers passte. Die weiße Bartkrause und der funkelnde Blick durch rundliche Brillengläser gaben ihm etwas Komisches und Tragisches zugleich. Kummerow spürte die ohnmächtige Wut des Mannes gegenüber einer Welt, in die er hineingeboren schien, damit sie sich über ihn lustig machen konnte. Obwohl er sich noch kaum in der Stadt auskannte, wollte er sich darum freundlich zeigen.

»Wohnen Sie in der Nähe, mein Herr? Ich bin zwar erst seit Kurzem hier und kann ein Viertel Berlins noch nicht vom anderen unterscheiden, aber ich kann anbieten, Sie nach Hause zu begleiten.«

»Tut nicht Not. Ist auch zu weit. Rufen Sie mir eine Droschke. Am Molkenmarkt müssten welche sein.«

Als die beiden ungleichen Männer dort angelangt waren, schien es Kummerow angezeigt, sich vorzustellen.

»Gestatten, Kriminalkommissar Kummerow. Wir passieren gerade meine zukünftige Dienststelle.«

Der Angesprochene blickte zu ihm hinauf und hob die Brauen.

»So? Sie sind Polizeibeamter? Na, da habe ich ja Glück gehabt!«

Am Halteplatz war keine Droschke zu sehen, aber langsames Hufgetrappel von der Spandauer Straße her ließ vermuten, dass sich das eigenartige Zusammentreffen seinem Ende zuneigte. Kummerow winkte dem Kutscher, als er in Sichtweite kam, und öffnete seiner neuen Bekanntschaft eine Minute darauf den Schlag. Wegen seiner Verwunderung über das Geschehene war ihm nicht aufgefallen, dass er noch kein Wort des Dankes erhalten hatte. Aus dem Fenster der bereits geschlossenen Wagentür steckte jedoch der kleine Mann, dessen Zorn langsam zu verrauchen schien, Kopf und Arm und reichte ihm eine Karte.

»Suchen Sie mich auf!« Und zum Kutscher gewandt befahl er: »Zum Tiergarten hin!«

Mittlerweile war es so dunkel geworden, dass Kummerow wieder zu einer Laterne treten musste, um die Karte entziffern zu können. Er las:

Prof. A. MenzelSigismundstr. 3Berlin-Thiergarten

Der Name sagte ihm nichts. Kummerow fragte sich, ob er der Einbestellung Folge leisten sollte – wie eine freundliche Einladung hatte sie jedenfalls nicht geklungen. Wieder beim »Deutschen Haus« angekommen, merkte er, wie hungrig er war. Er ließ sich einen Teller mit kaltem Fleisch und eingelegtem Gemüse auf sein Zimmer bringen und spülte sein Abendessen mit einem Bier der nahe gelegenen Bötzow-Brauerei hinunter. Als er sich in sein hartes Hotelbett gelegt und die Augen geschlossen hatte, gingen ihm die Eindrücke seines ersten Wochenendes im Kopf herum. Er schlief ein, aber sie verfolgten ihn noch im Traum. Zusammen mit unzähligen anderen Soldaten wurde er aus einem Eisenbahnwaggon auf einen riesigen Platz ausgespuckt. Ein Dienstmädchen in Ulanenuniform schob einen Kinderwagen genau auf ihn zu und salutierte. Als er hineinsah, lag da aber kein Kleinkind, sondern der eigenartige kleine Mann mit dem großen Kopf. Er wollte ihm eine Rassel geben, aber der Kleine blitzte ihn wütend an und schrie. Dann riss das Mädchen den Kinderwagen weg und schob ihn auf ein riesiges rotes Märchenbuch zu. Dort kletterte der Kleine aus dem Wagen und krabbelte in das Buch hinein, wo er zwischen den Seiten 70 und 71 verschwand.

Kapitel III

Am Montagmorgen machte sich Kummerow zeitig zu seinem neuen Arbeitsplatz auf. Weit hatte er es nicht: Das Polizeipräsidium lag kaum zehn Minuten von seinem Hotel in der Klosterstraße entfernt. Von außen machte die Häuserfront am Molkenmarkt einen düsteren Eindruck, was auch daran lag, dass sich hier die trostlosen Verliese der Stadtvogtei befanden. Wie vor seiner Abreise schriftlich angewiesen, meldete er sich um neun Uhr im Zentralbüro, wo dessen Vorsteher Polizeirat Caspar ihn schon erwartete.

»Kummerow, nicht wahr? Willkommen, willkommen. Hoffe, Sie haben ohne Probleme zu uns gefunden. Schon Quartier bezogen?«

»Bedaure, noch wohne ich im ›Deutschen Haus‹ in der Klosterstraße.«

»So? Ordentlich, der Laden? Habe da in der Gegend nur was vom ›König von Portugal‹ gehört. Lasse Ihnen später ein paar Adressen geben, wo Sie sich nach einer Wohnung umtun können.«

Lesen Sie weiter in der vollständigen Ausgabe!

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