Das Lachen des Geckos - José Eduardo Agualusa - E-Book

Das Lachen des Geckos E-Book

José Eduardo Agualusa

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Beschreibung

Félix Ventura geht einer ungewöhnlichen Tätigkeit nach: Er handelt mit erfundenen Vergangenheiten. Seine Kunden sind Minister, Landbesitzer und Generäle. Was sie brauchen, ist eine glanzvolle und doch wohldokumentierte Vergangenheit. Ventura erstellt neue Stammbäume, besorgt Fotografien von illustren Vorfahren und erfindet glückliche Erinnerungen. Doch eines Nachts kommt ein Fremder in sein Haus. Der Auftrag: eine neue Identität. Venturas Schöpfung fesselt den Fremden so sehr, dass er sich auf die Suche nach den Figuren seiner gekauften Vergangenheit begibt. Dieser preisgekrönte Roman von berückender Sprachkraft reist durch die wechselnden Landschaften von Erinnerung und Geschichte, in eine Welt, in der die Wahrheit sich von einem Moment zum anderen verändert.

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Seitenzahl: 174

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Über dieses Buch

Félix Ventura geht einer ungewöhnlichen Tätigkeit nach: Er handelt mit erfundenen Vergangenheiten. Er erstellt neue Stammbäume, besorgt Fotografien von illustren Vorfahren und erfindet glückliche Erinnerungen. Ein Kunde ist von Venturas Schöpfung so fasziniert, dass er sich auf die Suche nach den Figuren seiner gekauften Vergangenheit begibt.

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José Eduardo Agualusa (*1960 in Angola) veröffentlicht Gedichte, Erzählungen und Romane. Er wurde u. a. mit dem International Dublin Literary Award, dem Independent Foreign Fiction Prize und dem Prémio Nacional de Cultura e Artes ausgezeichnet. Er lebt in Portugal, Angola und Brasilien.

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Michael Kegler wurde 1967 in Gießen geboren und hat einen Teil seiner Kindheit in Liberia und Brasilien verbracht. Er arbeitete als Buchhändler und Journalist und übersetzt seit Ende der Neunzigerjahre aus dem Portugiesischen. 2014 erhielt er den Straelener Übersetzerpreis.

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Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Taschenbuch, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

José Eduardo Agualusa

Das Lachen des Geckos

Roman

Aus dem Portugiesischen von Michael Kegler

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

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Impressum

Dieses E-Book enthält als Bonusmaterial im Anhang 1 Dokument

Die Originalausgabe erschien 2004 im Gryphus Verlag, Rio de Janeiro.

Die deutsche Erstausgabe erschien 2008 im A1 Verlag, München.

Die Übersetzung aus dem Portugiesischen wurde mit Mitteln des Auswärtigen Amtes unterstützt durch die Gesellschaft zur Förderung der Literatur aus Afrika, Asien und Lateinamerika e. V. (litprom).

Originaltitel: O Vendedor de Passados

© by José Eduardo Agualusa, 2004

Diese Ausgabe erscheint mit freundlicher Genehmigung der Literarischen Agentur Mertin, Inh. Nicole Witt e. K., Frankfurt am Main

© by Unionsverlag, Zürich 2020

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Aliaksandr Mazurkevich (Alamy Stock Foto)

Umschlaggestaltung: Sven Schrape

ISBN 978-3-293-31019-3

Diese E-Book-Ausgabe ist optimiert für EPUB-Lesegeräte

Produziert mit der Software transpect (le-tex, Leipzig)

Version vom 02.07.2020, 12:52h

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Über dieses Buch

Titelseite

Impressum

Unsere Angebote für Sie

Inhaltsverzeichnis

DAS LACHEN DES GECKOS

Ein kleiner nächtlicher Gott

Das Haus

Der Fremde

Ein Boot voller Stimmen

Traum Nr. 1

Alba

Die Geburtsstunde von José Buchmann

Traum Nr. 2

Ein Diorama

Philosophie eines Geckos

Illusionen

Beim ersten Tod war ich noch nicht tot

Traum Nr. 3

Windspiele

Traum Nr. 4

Ich, Eulálio

Es fällt Regen auf die Kindheit

Zwischen Leben und Büchern

Die kleine Welt

Der Skorpion

Der Minister

Die Früchte der schweren Jahre

Traum Nr. 5

Wirkliche Personen

Antiklimax

Unbedeutende Leben

Edmundo Barata dos Reis

Die Liebe, ein Verbrechen

Der Schrei der Bougainvillea

Der Maskierte

Traum Nr. 6

Félix Ventura beginnt ein Tagebuch

Worterklärungen

Mehr über dieses Buch

Über José Eduardo Agualusa

José Eduardo Agualusa: »Das Fantastische ist Teil der angolanischen Realität.«

Über Michael Kegler

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Wenn ich noch einmal zur Welt kommen müsste, würde ich mir etwas ganz anderes aussuchen.Ich wäre gerne Norweger. Vielleicht auch Perser. Uruguayer nicht, denn das käme mir vor,als zöge ich in ein anderes Stadtviertel um.

JORGE LUÍS BORGES

Ein kleiner nächtlicher Gott

Ich bin in diesem Haus geboren und aufgewachsen. War nie woanders. Wenn es Abend wird, schmiege ich meinen Körper an das kristallene Glas der Fenster und betrachte den Himmel. Es macht mir Freude, die hoch auflodernden Flammen zu sehen, die galoppierenden Wolken und darauf die Engel, Legionen von ihnen, wie sie Funken aus ihren Haaren schütteln und ihre riesigen flammenden Flügel bewegen. Es ist ein immergleiches Schauspiel. Doch ich komme jeden Abend hierher und erfreue mich daran, und es bewegt mich, als sähe ich es zum allerersten Mal. Vergangene Woche kam Félix Ventura früher als sonst und ertappte mich, wie ich lachte, als dort draußen, im aufgewühlten Blau, sich eine riesige Wolke im Kreis drehte, wie ein Hund, der versucht, ein Feuer zu löschen, das ihm den Schwanz versengt.

»Ai, ich kann es nicht glauben! Du lachst?«

Dass die Kreatur staunte, ärgerte mich. Ich bekam Angst, doch ich rührte keinen einzigen Muskel. Der Albino nahm seine Sonnenbrille ab, verstaute sie in der Innentasche seiner Jacke, zog die Jacke aus, langsam und melancholisch, und hängte sie sorgsam über eine Stuhllehne. Er suchte eine Langspielplatte heraus und legte sie auf den alten Plattenspieler. »Acalanto para um Rio«, von Dora, der Grille, einer brasilianischen Sängerin, die, so nehme ich an, irgendwann in den Siebzigern einmal bekannt gewesen ist. Ich nehme es an, wegen des Plattencovers. Es zeigt eine Frau im Bikini, schwarz, schön, mit großen Schmetterlingsflügeln auf dem Rücken. »Dora, die Grille – ›Acalanto para um Rio‹ – der Superhit der Saison«. Ihre Stimme brennt in der Luft. Schon seit Wochen ist sie der Soundtrack der Abenddämmerung. Den Text kann ich auswendig.

Nichts vergeht, nichts geht vorüber

Die Vergangenheit ist

ein schlafender Fluss und die Erinnerung

ist eine wechselvolle Lüge.

Es schläft im Fluss alles Wasser

und in meinem Schoß schläft die Zeit

schläft

und es schläft jede Pein die Ängste

sie schlafen allein.

Nichts vergeht, nichts geht vorüber

Die Vergangenheit ist

ein Fluss, der schläft

tot sieht er aus und atmet nicht mehr

wecke ihn auf und er fließt

munter einher.

Félix wartete, bis mit dem verlöschenden Licht auch die letzten Noten des Pianos verklungen waren. Dann drehte er fast lautlos eines der Sofas um, sodass es zum Fenster zeigte. Er setzte sich endlich, streckte die Beine aus und seufzte: »Potzblitz! Soso? Eure Niedrigkeit lachen?! Großartige Neuigkeiten …«

Er wirkte niedergeschlagen. Sein Gesicht kam näher, und ich konnte seine rotgeränderten Pupillen erkennen. Sein Hauch umhüllte meinen Körper. Eine säuerliche Hitze.

»Eine sehr schlechte Haut hast du. Wahrscheinlich sind wir verwandt.«

Das hatte ich erwartet. Hätte ich sprechen können, wäre ich ausfallend geworden. Doch mein Stimmapparat erlaubt mir höchstens zu lachen. Also versuchte ich, ihm ein grimmiges Lachen entgegenzuschleudern, einen Ton, der ihn einschüchtern, fortscheuchen würde, doch ich brachte nichts als ein mattes Gurgeln heraus. Bis letzte Woche hat mich der Albino noch völlig ignoriert. Seitdem, seit er mich hat lachen hören, kommt er immer früher nach Hause. Geht in die Küche, kehrt mit einem Glas Papayasaft zurück, setzt sich auf das Sofa und teilt mit mir das Schauspiel des Sonnenuntergangs. Wir unterhalten uns. Oder besser, er spricht, und ich höre zu. Manchmal lache ich, und das genügt ihm. Uns verbindet bereits, glaubt er, eine Art Freundschaft. An Samstagabenden, wenn auch nicht immer, kommt der Albino Hand in Hand mit einem Mädchen. Es sind stets schlanke Mädchen, hoch gewachsen und gelenkig, mit feinen Beinen wie Störche. Manche haben Angst, wenn sie hereinkommen, sitzen auf der äußersten Stuhlkante, weichen seinem Blick aus und schaffen es nicht, ihre Abscheu zu verbergen. Sie trinken eine Limonade in kleinen Schlucken, danach ziehen sie sich schweigend aus und warten dann auf dem Rücken liegend auf ihn, die Arme über ihren Brüsten verschränkt. Andere sind weniger ängstlich und wagen sich alleine durch das Haus, bewundern die glänzenden Silberbestecke, die edlen Möbel, doch auch sie kehren schnell in den Salon zurück, erschrocken von den Stapeln von Büchern in allen Zimmern und Fluren, vor allem aber von den strengen Blicken der Herren mit hohen Hüten und Monokel, von dem spöttischen Blick der Bessanganas aus Luanda und Benguela, dem staunenden Blick der portugiesischen Marine-Offiziere in Gala-Uniform, dem strahlenden Blick eines kongolesischen Prinzen aus dem 19. Jahrhundert und dem herausfordernden Blick eines berühmten schwarzen nordamerikanischen Schriftstellers, die zwischen vergoldeten Rahmen für die Ewigkeit posieren. Dann suchen sie in den Regalen nach einer Schallplatte.

»Hast du kein Cuduro, Onkel?«

Und da der Albino keine Cuduro-Musik hat, und auch kein Kizomba, weder Banda Maravilha noch Paulo Flores, die zurzeit die großen Erfolge sind, wählen sie schließlich eine mit auffälligem Cover, unweigerlich mit kubanischen Rhythmen. Sie tanzen, malen kleine Schritte auf den Holzboden und öffnen dabei, nach und nach, einen Knopf nach dem anderen. Ihre makellose Haut, sehr schwarz, feucht und glänzend, hebt sich ab von der des Albinos, die trocken ist und rau, rosa. Ich sehe alles. In diesem Haus bin ich wie ein kleiner nächtlicher Gott. Am Tag schlafe ich.

Das Haus

Das Haus lebt. Es atmet. Ich höre es die ganze Nacht flüstern. Die dicken Wände aus Lehmziegeln und Holz sind immer kühl, selbst wenn am hellen Mittag die Sonne die Vögel zum Verstummen bringt, die Bäume geißelt, den Asphalt aufweicht. Ich gleite an ihnen entlang wie eine Milbe auf der Haut ihres Wirtstieres. Wenn ich sie umarme, spüre ich ein Herz schlagen. Vielleicht meines. Vielleicht das des Hauses. Es spielt keine Rolle. Es tut mir gut. Gibt mir Sicherheit. Die alte Esperança bringt manchmal einen ihrer kleinen Enkel mit. Trägt ihn auf dem Rücken, sicher in ein Tuch verschnürt, wie es seit Jahrhunderten im Land üblich ist. So verrichtet sie ihre Arbeit: kehrt den Boden, staubt die Bücher ab, kocht, wäscht Wäsche, bügelt. Das Baby, den Kopf an ihren Rücken geschmiegt, spürt ihr Herz und die Wärme, glaubt sich wieder im Uterus der Mutter und schläft. Zu dem Haus habe ich ein ähnliches Verhältnis. Wenn es Abend wird, das sagte ich bereits, halte ich mich im Wohnzimmer auf, ganz nah an der Fensterscheibe, und sehe der Sonne beim Untergehen zu. Wenn es Nacht wird, streife ich durch die verschiedenen Zimmer. Das Wohnzimmer geht zum Garten hinaus, der schmal ist und recht vernachlässigt und dessen einziger Reiz zwei herrliche Königspalmen sind, sehr hoch, sehr hochmütig, die, an jedem Ende des Gartens eine, das Haus bewachen. Das Wohnzimmer hat einen Durchgang zur Bibliothek. Von dort führt eine breite Tür in den Korridor. Der Korridor ist ein langer Tunnel, feucht und dunkel, über den man das Schlafzimmer erreicht, das Esszimmer und die Küche. Dieser Teil des Hauses ist dem Nutzgarten zugewandt. Das Morgenlicht liebkost die Wände, grün, großzügig und gedämpft durch die hohen Zweige des Avocadobaums. Am Ende des Korridors, vom Wohnzimmer aus links, steigt eine kleine Treppe mit Mühe über drei brüchige Stufen empor. Diese führt in eine Art Mansarde, die der Albino nur selten nutzt. Sie ist vollgestellt mit Bücherkisten. Auch ich gehe nicht oft hinein. Fledermäuse schlafen dort an den Wänden, mit dem Kopf nach unten und in ihre schwarzen Mäntel gehüllt. Ich weiß nicht, ob Geckos auf dem Speiseplan der Fledermäuse stehen. Es ist mir auch lieber, es nicht zu wissen. Aus demselben Grund – Angst – erforsche ich auch den Garten nicht. Aus den Fenstern der Küche, des Esszimmers oder aus Félix’ Zimmer beobachte ich, wie das Gras wild zwischen den Rosenstöcken wuchert. Ein riesiger Avocadobaum erhebt sich dicht belaubt in der Mitte des Gartens. Dann sind da noch zwei hohe Mispelbäume, beladen mit Früchten, und ein gutes Dutzend Papayastauden. Félix glaubt an die belebende Kraft der Papaya. Eine hohe Mauer umschließt den Garten. Oben auf der Mauer sind Glasscherben in allen erdenklichen Farben, eingelassen in Zement. Von hier, wo ich sitze, sehen sie wie Zähne aus. Doch das grimmige Bauwerk verhindert nicht, dass ab und zu Kinder über die Mauer klettern, um Avocados, Mispeln oder Papayas zu stehlen. Sie legen ein Brett auf die Mauer und ziehen dann den Körper nach. Ein viel zu riskantes Unternehmen für so geringen Ertrag, scheint mir. Doch vielleicht tun sie es auch nicht wegen der Früchte. Ich glaube, sie tun es wegen des Risikos selbst. Vielleicht schmeckt Risiko für sie später nach reifen Mispeln. Nehmen wir an, einer von ihnen wird Minenräumer, wenn er erwachsen ist. In diesem Land fehlt es nicht an Arbeit für Minenräumer. Erst gestern sah ich im Fernsehen eine Reportage über die Räumung von Minen. Ein Aktivist einer Nichtregierungsorganisation klagte, dass es keine genauen Zahlen gebe. Niemand weiß genau, wie viele Minen im Boden von Angola vergraben wurden. Zwischen zehn und zwanzig Millionen. Wahrscheinlich gibt es mehr Minen als Angolaner. Nehmen wir also an, eines dieser Kinder wird Minenräumer. Immer wenn er sich über ein Minenfeld tastet, wird ihm der ferne Geschmack einer Mispel in den Mund steigen. Eines Tages wird er mit der unvermeidlichen Frage konfrontiert, die ein ausländischer Journalist ihm mit einer Mischung aus Neugier und Schaudern stellen wird: »An was denken Sie, wenn Sie eine Mine entschärfen?«

Und das Kind, das noch immer in ihm steckt, wird mit einem Lächeln erwidern: »An Mispeln, Papa.«

Die alte Esperança glaubt, erst Mauern machen Diebe. Ich hörte, wie sie es zu Félix sagte.

Der Albino schaute sie an und entgegnete heiter: »Schau an, ich habe eine Anarchistin im Haus. Irgendwann ertappe ich sie dabei, wie sie Bakunin liest!«

Sagte es und beachtete sie nicht weiter. Sie hat nie Bakunin gelesen, natürlich nicht; besser gesagt, sie hat noch nie ein Buch gelesen, sie kann nämlich kaum lesen. Und doch lerne ich viel von ihr über das Leben im Allgemeinen und in unserem Land, das Leben im Zustand der Trunkenheit also, wenn ich zuhöre, wie sie mit sich selbst redet, manchmal süß murmelnd wie ein Gesang, manchmal laut, als würde sie schimpfen, während sie das Haus aufräumt. Die alte Esperança ist überzeugt davon, dass sie nie sterben wird. Im Jahr neunzehnhundertundzweiundneunzig überlebte sie ein Massaker. Sie war zu Besuch im Haus eines Oppositionspolitikers, um einen Brief ihres jüngsten Sohnes abzuholen, der in Huambo diente, als plötzlich und von allen Seiten eine heftige Schießerei ausbrach. Sie wollte fort von dort, zurück in ihren Musseque, aber man ließ sie nicht.

»Das wäre Wahnsinn, alte Frau, tun Sie einfach so, als würde es regnen. Das geht vorbei.«

Aber es ging nicht vorbei. Die Schießerei wurde wie ein Unwetter immer stärker, immer dichter, und breitete sich in Richtung des Hauses aus. Félix erzählte mir, was an jenem Nachmittag passiert ist:

»Eine wilde Horde, eine Bande schwer bewaffneter Aufrührer, sturzbetrunken, stürmte das Haus und verprügelte alle, die sich darin befanden. Der Anführer fragte die Alte nach ihrem Namen. Sie sagte Esperança Job Sapalo, mein Herr, und er lachte. Spottete, Esperança, die Hoffnung, stirbt zuletzt. Sie stellten den Politiker und seine Familie im Garten in einer Reihe auf und erschossen sie. Als die alte Esperança an die Reihe kommen sollte, waren keine Kugeln mehr da. Dein Glück ist, brüllte der Kommandant, die Logistik. Die Logistik wird immer unser Problem sein. Und dann schickte er sie nach Hause. Nun glaubt sie, sie sei immun gegen den Tod. Vielleicht ist sie es.«

Ich halte das nicht für unmöglich. Esperança Job Sapalo hat ein feines Netz von Falten im Gesicht, ihr Haar ist weiß, doch ihr Körper wirkt kräftig und ihre Bewegungen sind sicher und präzise. Für mich ist sie die Säule, die dieses ganze Haus stützt.

Der Fremde

Beim Abendessen studiert Félix Ventura die Zeitungen, blättert sie aufmerksam durch, und wenn ihn ein Artikel interessiert, streicht er ihn in Lila mit einem Füllfederhalter an. Nach dem Essen schneidet er ihn sorgfältig aus und verstaut ihn in einem Ordner. In einem der Regale der Bibliothek stehen Dutzende von diesen Ordnern. In einem anderen schlummern Hunderte von Videokassetten. Félix nimmt gerne Nachrichtensendungen auf, wichtige politische Ereignisse, alles, was ihm eines Tages nützlich sein kann. Die Kassetten sind alphabetisch sortiert, nach den Namen der Persönlichkeit oder dem Ereignis, um das es geht. Sein Abendessen beschränkt sich auf ein Schüsselchen Caldo Verde, eine Spezialität der alten Esperança, einen Pfefferminztee, eine dicke Scheibe Papaya mit Zitronensaft und einem Tropfen Portwein. In seinem Zimmer, vor dem Zubettgehen, zieht er sich seinen Pyjama so umständlich an, dass ich jedes Mal warte, ob er sich nicht auch noch eine dunkle Krawatte um den Hals bindet.

An diesem Abend störte ihn der schrille Ton der Türklingel bei der Suppe. Das ärgerte ihn. Er faltete die Zeitung zusammen, stand mühsam auf und ging öffnen. Ich sah, wie ein hoch gewachsener Mann hereinkam, distinguiert, mit Adlernase, auffälligen Gesichtszügen und einem üppigen, mit Pomade gezwirbelten Schnurrbart, wie man ihn schon seit über einem Jahrhundert nicht mehr trägt. Seine Augen waren klein und glänzend und schienen sofort von allem Besitz zu ergreifen. Er trug einen blauen, altmodisch geschnittenen Anzug, der ihm allerdings gut stand, und hielt in der linken Hand eine lederne Aktentasche. Das Wohnzimmer verdunkelte sich. Als sei die Nacht oder etwas, das noch düsterer war als die Nacht, mit ihm hereingekommen. Er zog eine Visitenkarte hervor und las laut: »Félix Ventura. Schenken Sie Ihren Kindern eine bessere Vergangenheit.« Er lachte. Ein trauriges Lachen, aber sympathisch: »Sie selbst, nehme ich an? Ein Freund gab mir diese Karte.«

Sein Akzent ließ nicht erkennen, woher er kam. Der Mann sprach sanft und mit einer Reihe unterschiedlicher Betonungen, einer leicht slawisch anmutenden Härte, gewürzt vom Honig des brasilianischen Portugiesisch.

Félix Ventura stutzte. »Wer sind Sie?«

Der Fremde schloss die Tür, durchquerte das Wohnzimmer, die Hände auf dem Rücken, und hielt für einen längeren Moment vor dem schönen Ölgemälde, einem Porträt von Frederick Douglass, inne. Schließlich ließ er sich auf einen der Sessel nieder und lud den Albino mit eleganter Geste ein, es ihm gleichzutun. Als sei er der Herr im Haus. Gemeinsame Freunde, sagte er, und seine Stimme wurde noch sanfter, hätten ihm diese Adresse gegeben. Sie hätten ihm von einem Mann berichtet, der mit Erinnerungen handelt, Vergangenheit verkauft, heimlich, wie andere Kokain schmuggelten. Félix musterte ihn misstrauisch. Alles an dem Fremden irritierte ihn – seine sanfte und doch bestimmte Art, der altmodische Schnurrbart. Er nahm im majestätischen Korbstuhl in der gegenüberliegenden Ecke des Zimmers Platz, als befürchtete er, von der Sanftheit des anderen kontaminiert zu werden. »Darf ich erfahren, wer Sie sind?«

Auch diesmal kam keine Antwort. Der Fremde bat rauchen zu dürfen. Aus seiner Jackentasche holte er eine silberne Dose hervor, öffnete sie und drehte sich eine Zigarette. Dabei wanderten seine Augen unruhig hin und her, beiläufig, aber aufmerksam wie bei einem Huhn, das im Sand scharrt. Er wartete, bis sich der Rauch ausgebreitet hatte und ihn vollkommen einhüllte. Dann lächelte er unerwartet strahlend. »Aber verraten Sie mir doch, mein Lieber, wer Ihre Kunden sind?«

Félix Ventura kapitulierte. Es sei, sagte er, eine ganz neue Bevölkerungsschicht, die seine Dienste in Anspruch nehme. Die neue Bourgeoisie. Unternehmer, Minister, Landbesitzer, Diamantenhändler, Generäle, Leute also mit gesicherter Zukunft. Doch fehlt ihnen eine gute Vergangenheit, edle Vorfahren, Pergamente. Kurzum: ein Name, der nach Klasse klingt und Kultur. Er verkauft ihnen Vergangenheit. Nagelneu. Entwirft Stammbäume. Verschafft ihnen Fotografien von Großeltern und Urgroßeltern, Gentlemen aus gutem Haus, edle Damen aus vergangenen Zeiten. Die Unternehmer, Minister, sie wünschten sich diese Damen dort drüben als Tanten, fuhr er fort und zeigte auf die Porträts an den Wänden – betagte Trägerinnen edler Tücher, echte Bessanganas –, gern hätten sie einen Großvater vom Schlag eines Machado de Assis, Cruz e Sousa, Alexandre Dumas, und er erfüllte ihnen gegen Geld diesen bescheidenen Wunsch.