Die Gesellschaft der unfreiwilligen Träumer - José Eduardo Agualusa - E-Book

Die Gesellschaft der unfreiwilligen Träumer E-Book

José Eduardo Agualusa

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Beschreibung

Der angolanische Journalist Daniel Benchimol, frisch und unschön geschieden, träumt immer wieder von einer aparten, eleganten Frau, dann findet er eine Kamera und entdeckt Fotos, auf denen eben diese Frau zu sehen ist, die Künstlerin Moira, die sich mit der Darstellung von Träumen beschäftigt. Sie lernen sich kennen und lieben.
Benchimols Freund, der ehemalige Guerillero und Hotelier Hossi, kann selbst nicht mehr träumen, taucht aber regelmäßig in den Träumen anderer auf, was sogar den kubanischen Geheimdienst auf den Plan ruft, der ihn zeitweilig entführt. Benchimols Tochter Lúcia schließlich träumt von einer freien Gesellschaft, demonstriert mit ihren Freunden gegen die autoritäre Regierung, wandert ins Gefängnis und geht in den Hungerstreik. Ihr Vater setzt alles in Bewegung, um sie zu befreien. In diesem wunderbar poetisch geschriebenen, rebellischen, aber auch komischen Roman geht es um die Sprengkraft, das Geheimnis und den Zauber von Träumen, die kollektiv geträumt, sogar ein Regime zum Abtreten zwingen können. Es geht um private, politische und utopische Träume und um die traumhaft verschlungene, rätselhafte Realität des Lebens selbst. Ein Fest des Erzählens.

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José Eduardo Agualusa

Die Gesellschaft der unfreiwilligen Träumer

Roman

Aus dem Portugiesischen von Michael Kegler

C.H.Beck

Über das Buch

Der angolanische Journalist Daniel Benchimol, frisch und unschön geschieden, träumt immer wieder von einer aparten, eleganten Frau, dann findet er eine Kamera und entdeckt Fotos, auf denen eben diese Frau zu sehen ist, die Künstlerin Moira, die sich mit der Darstellung von Träumen beschäftigt. Sie lernen sich kennen und lieben.

Benchimols Freund, der ehemalige Guerillero und Hotelier Hossi, kann selbst nicht mehr träumen, taucht aber regelmäßig in den Träumen anderer auf, was sogar den kubanischen Geheimdienst auf den Plan ruft, der ihn zeitweilig entführt. Benchimols Tochter Lúcia schließlich träumt von einer freien Gesellschaft, demonstriert mit ihren Freunden gegen die autoritäre Regierung, wandert ins Gefängnis und geht in den Hungerstreik. Ihr Vater setzt alles in Bewegung, um sie zu befreien. In diesem wunderbar poetisch geschriebenen, rebellischen, aber auch komischen Roman geht es um die Sprengkraft, das Geheimnis und den Zauber von Träumen, die kollektiv geträumt, sogar ein Regime zum Abtreten zwingen können. Es geht um private, politische und utopische Träume und um die traumhaft verschlungene, rätselhafte Realität des Lebens selbst. Ein Fest des Erzählens.

Über den Autor

José Eduardo Agualusa, 1960 in Huambo/Angola geboren, studierte Agrar- und Forstwirtschaft in Lissabon. Seine Gedichte, Erzählungen und Romane wurden in zahlreiche Sprachen übersetzt und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Auf Deutsch erschien zuletzt bei C.H.Beck 2017 „Eine Theorie des Vergessens“. Der Roman stand auf der Shortlist des International Man Booker Prize und gewann 2017 den renommierten Dublin Award. Agualusa lebt als Schriftsteller und Journalist in Portugal und Mosambik.

Inhalt

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Epilog

Einige Daten zur Geschichte Angolas

Glossar

Dieser und all meine Träume für Yara.

Für Patrícia Reis und Sidarta Ribeiro.

Für Laurinda Gouveia, Rosa Conde, Luaty Beirão, Domingos da Cruz, Nito Alves, Mbanza Hamza, José Hata, Samussuko Tchikunde, Inocêncio Brito, Sedrick de Carvalho, Albano Bingo, Fernando Matias, Nelson Dibango, Arante Kivuvu Lopes, Nuno Álvaro Dala, Benedito Jeremias, Osvaldo Caholo und alle jugendlichen Träumer Angolas.

«Das Seiende verursacht mir Asthma.»

E. M. CIORAN

«Vergessen wir nie, dass Träumen ein Sich-Suchen ist.»

BERNARDO SOARES/FERNANDO PESSOA

Karten

1

Ich wachte früh auf. Durch das schmale Fenster sah ich längliche, schwarze Vögel ziehen. Ich hatte von ihnen geträumt. Als wären sie nun aus dem Traum in den Himmel geflohen, ein feuchtes Blatt Seidenpapier, dunkelblau und mit bitteren, stockigen Rändern.

Ich stand auf und ging runter zum Strand, barfuß und in Unterhosen. Die ganze Gegend war menschenleer. Nur den Mann, der mich aus einem dunkelgrünen Schaukelstuhl heraus beobachtete, sah ich nicht, während die Sonne die Hügel erklomm. Gleich würde die Luft sich mit Licht füllen. Winzige Wellen kräuselten sich hintereinander zu zierlichen Schaumrändern. Hinter mir ragten die Klippen auf. Auf den Klippen erhoben sich wie stachelige Kathedralen Kakteen, und dahinter begann nun wie rasend der Himmel zu brennen.

Ich ging ins Wasser und schwamm, langsam, mit kräftigen Zügen. Es gibt Leute, die schwimmen aus reiner Freude, andere, um sich fit zu halten. Ich schwimme, um besser nachdenken zu können. Oft muss ich an einen Vers der mosambikanischen Dichterin Glória de Sant’Anna denken: «Im Wasser bin ich genau.»

Am Vortag war ich geschieden worden. Der Anruf hatte mich in der Redaktion des O Pensamento Angolano erreicht, als ich gerade an einem Interview arbeitete, das ich mit einem Piloten geführt hatte. Der Pilot, Domingos Perpétuo Nascimento, früher Militärflieger, in der Sowjetunion ausgebildet, hatte in Mavinga gekämpft und in dieser größten Schlacht auf afrikanischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg eine MiG-21 gesteuert. Später hatte ihn die Guerilla bei einem Überfall auf einen zivilen Konvoi zwischen Luanda und Benguela entführt, und er war zu ihnen übergelaufen. Nach dem Krieg war er zu einer angolanischen Luftfahrtgesellschaft gegangen. Vor ein paar Tagen hatte er auf der Flugzeugtoilette eine Tüte gefunden, mit einer Million Dollar darin, und zur Polizei gebracht. Eine gute Geschichte. Die Art von Geschichten, auf die ich mich spezialisiert habe. Ich war so vertieft in das Interview, dass ich das Telefon erst einmal klingeln ließ. Es hörte kurz auf und klingelte dann weiter. Schließlich nahm ich das Gespräch an. Ich erkannte Lucrécia sofort an der rauen Stimme und am Befehlston:

«Wo bist du?»

«In der Redaktion …»

«Und warum nicht im Gericht? Der Termin ist in fünfzehn Minuten.»

Ich wisse nichts von einem Termin, antwortete ich. Man hatte mir nichts gesagt. Lucrécias Stimme wurde um eine Spur lauter: «Sie haben dir eine Vorladung geschickt. Allerdings an die falsche Adresse. Ich habe das selbst erst vor Kurzem gemerkt. Ich hatte mir das falsch aufgeschrieben. Jedenfalls ist die Verhandlung in zehn Minuten.»

Lucrécia hatte ich einst auf einem Fest kennengelernt. Als ich sie sah, wusste ich, dass ich sie heiraten würde. Einem Freund schwärmte ich vor, wie perfekt sie sei, «schade nur, dass sie ihr Haar glättet». Die ganze Zeit über, die wir verheiratet waren, gelang es mir nie, sie zu überreden, ihre Locken einmal natürlich auf die Schultern fallen zu lassen. «Dann sehe ich aus wie ein Raubtier», sagte sie immer.

Im September 1992 kamen wir zusammen, zur Zeit der ersten Parlamentswahlen. Damals zog Euphorie durch die Straßen, Arm in Arm mit der Gewalt. Ich verbrachte die Zeit auf Kundgebungen, Feiern und mit Reisen ins Hinterland, endlosen Diskussionen in Kneipen, auf Terrassen und Hinterhöfen. Wer schlafen ging, wusste, Angola stand kurz vor dem Ende, und beim Aufwachen war man fest davon überzeugt, am Beginn eines endlosen Friedens zu stehen. Dann ging der Krieg wieder los, schlimmer als je zuvor, und wir heirateten. Ich leitete damals das Feuilleton des Jornal de Angola, schrieb Rezensionen, führte Interviews mit Schriftstellern, Musikern, Filmleuten. Meine Arbeit machte mir Spaß. Lucrécia hatte in London Innenarchitektur studiert und brauchte für ihre Tätigkeit nicht so viel Zeit.

Ihr Vater, Homero Dias da Cruz, war auf wundersame Weise zu Geld gekommen, am Ende des Einparteiensystems und der Zentralwirtschaft, als Begriffe wie «proletarischer Internationalismus» und «revolutionäre, demokratische Diktatur» noch in aller Munde waren und «Kapitalakkumulation» noch kein Euphemismus für Korruption.

Nach seinem Jurastudium 1973 im portugiesischen Coimbra war er gleich nach der Unabhängigkeit Direktor eines wichtigen Staatsunternehmens geworden, hatte 1990, schon reich und im Zentralkomitee der Partei, den staatlichen Sektor verlassen und eine Firma für Bergbauconsulting gegründet. Er ist ein harscher, kurz angebundener Mann, oft nicht sehr freundlich zu seinen Angestellten und Partnern, aber als Ehemann aufmerksam und ein zärtlicher Vater. Bis heute besteht er darauf, sich um seine Kinder zu kümmern, die alle schon weit über vierzig sind. Uns schenkte er damals eine Wohnung in Maianga, wo es uns gut ging. Der Krieg konnte uns wenig anhaben.

Lucrécia wurde schwanger, an einem herrlichen, sonnigen Märzmorgen kam unsere Tochter in einer Londoner Privatklinik auf die Welt, und wir nannten sie Lúcia. Sie wurde ein fröhliches, gesundes Kind, das schon früh eine glühende Leidenschaft für Singvögel entwickelte, wie sie Homero in seinem Garten in einer riesigen Voliere hielt: Dutzende Fliegenschnäpper, Schmetterlingsfinken, Diamantpfäffchen, Prachtfinken und Kanarienvögel in lärmendem Durcheinander. Stundenlang klammerte Lúcia sich an die Gitter des Käfigs und versuchte, sich mit den Vögeln zu unterhalten. Noch bevor sie ein Wort sprechen konnte, beherrschte sie schon den Gesang eines jeden Einzelnen. Ich glaubte jahrelang, dass mein Vater sie deswegen scherzhaft Karinguiri genannt hatte, nach einem Singvogel aus Benguela. Ihr Spitzname blieb es jedenfalls.

Die Probleme zwischen mir und Lucrécia begannen erst, als ich anfing, als Korrespondent einer portugiesischen Zeitung auch über Politik und Gesellschaft zu schreiben. Nicht, dass sie etwas dagegen gehabt hätte, sie interessierte sich nicht für Politik. Es war Homero, dem es nicht gefiel.

«Man wäscht seine schmutzige Wäsche zu Hause», erklärte er mir. «Es gefällt mir nicht, dass du in einer Zeitung im Ausland schlecht über dein Land redest.»

Ich versuchte, ihm klarzumachen, dass Land und Regierung nicht eins seien und die Regierung zu kritisieren gewiss keine Missachtung Angolas und der Angolaner, im Gegenteil, ich kritisierte die Regierung, weil ich von einem besseren Land träumte. Doch Homero wischte meine Ausführungen ärgerlich weg: «Du hast es nicht nötig, für diese Zeitung zu schreiben. Was zahlen sie?»

«Tausend Dollar im Monat.»

«Tausend Dollar? Eintausend? Das alles für läppische eintausend Dollar? Ich gebe dir zehntausend, und du hörst auf damit. Ihr habt ein Kind. Du musst dich um deine Familie kümmern.»

Ich schaute ihn entgeistert an und lehnte sein Angebot ab. Ein paar Tage später rief mich João Aquilino in sein Büro, der Direktor des Jornal de Angola, dem klar war, dass jeder in der Redaktion ihn verachtete. Sein Spitzname war Maulwurf, was genau auf ihn passte: ein schmächtiger Typ, leicht gebeugt und mit kleinen, zusammengekniffenen Augen, an dessen schmieriger, derber Erscheinung auch der teuerste Anzug nichts ändern konnte. Er war Direktor nicht wegen journalistischer Qualitäten geworden, denn er besaß keine, sondern aufgrund seiner Vergangenheit als beflissener Parteigänger. Und der erklärte mir nun mit seiner säuselnden Stimme, dass meine Tätigkeit für ein ausländisches Organ ein Verstoß gegen die Regeln des Hauses sei. Die Zeitung bestehe auf Exklusivität, also dürfe ich entweder nicht mehr für die Portugiesen schreiben, oder er sei gezwungen, mich zu entlassen. Als ich ihn darauf hinwies, dass etliche andere Journalisten, sogar der Chefredakteur, ebenfalls für Blätter im Ausland schrieben und die Zeitung, wenn sie etwas dagegen habe, nur besser bezahlen müsse, erhob er sich, ging mit hinter dem Rücken verschränkten Armen um seinen Schreibtisch herum, baute sich vor mir auf, stellte sich auf die Zehenspitzen und sagte: «Wissen Sie, warum Sie nicht längst schon entlassen sind? Allein aus Respekt vor ihrem Herrn Schwiegervater. Ihre Unverschämtheit bin ich leid. Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind? Sie halten sich wohl für was Besseres, nur weil Sie im Ausland studiert und ein paar Bücher auf Englisch gelesen haben. Ich warne Sie: Noch ein einziger Text in irgendeiner Zeitung der Kolonialmacht, und Sie fliegen raus.»

Ich trat zwei Schritte zurück, drehte mich um, wollte gehen, doch als ich bereits an der Tür war, überkam mich der Benchimol-Dämon, wie ich ihn nenne. Ich schloss die Tür wieder, ging mit ausgestrecktem Zeigefinger auf den Maulwurf zu und sagte: «Und das ist Ihnen nicht einmal peinlich?»

Der arme Mann sprang erschrocken zurück: «Bitte?»

«Sie sind doch nicht einmal Journalist! Sie sind ein Gedankenspitzel, ein politischer Kommissar in den Diensten der Diktatur!»

«Und Sie sind entlassen! Gefeuert! Packen Sie Ihre Sachen und gehen Sie!»

Unter dem Beifall der halben Redaktion (die andere Hälfte tat so, als hätte sie nichts mitbekommen) ging ich. Als ich am Abend Lucrécia davon erzählte, gab es Streit. Noch wütender war aber mein Schwiegervater. Er rief mich an und erklärte mir außer sich, mein Verhalten sei eine Schande für die gesamte Familie. Zwei Wochen später stand er bei einem Familienessen aus seinem Sessel am Kopfende des Tisches auf und brüllte: «Ich habe es satt, deine Artikel in dieser portugiesischen Zeitung zu lesen, in denen du gegen Angola und die Angolaner hetzt und unser Land in den Dreck ziehst. Ich werde das Schmierenblatt kaufen, und du wirst dort keine einzige Zeile mehr schreiben!»

Ein Cousin von Lucrécia, der in Lissabon aufgewachsen und erst nach der Uni zurück nach Angola gekommen war, wollte mir beispringen: «Beruhige dich, Onkel. Daniel darf doch schreiben, was er will, genauso wie du das Recht hast, dich darüber zu ärgern. Wir leben in einer Demokratie, und in einer Demokratie ist es gut, wenn es unterschiedliche Ansichten gibt.»

«Und du halt die Klappe!», befahl Homero. «Du bist noch nicht einmal richtig hier und schon redest du von Demokratie? Gott hat die Löwen erschaffen und die Gazellen, und er hat die Gazellen erschaffen, damit sie vom Löwen gefressen werden. Selbst Gott ist kein Demokrat.»

Bleiernes Schweigen legte sich über die Tischrunde. Ich stand auf und ging. Zwei Wochen später wurde die portugiesische Zeitung gekauft, niemand wusste, von wem, und der Chefredakteur rief mich an und erklärte, es täte ihm leid, dass er mich jetzt nicht mehr beschäftigen könne.

«Wir sind jetzt im Besitz einer angolanischen Firma. Ich darf dir nicht sagen, von wem. Sie haben sich verpflichtet, sich nicht in die Redaktionsarbeit einzumischen, nur deinen Kopf haben sie verlangt. Versuche uns zu verstehen, bitte. Ich habe Familie, ich darf meine Anstellung nicht riskieren.»

Lucrécia stellte sich auf die Seite ihres Vaters. Und ich war der Feind.

«Du magst meine Familie nicht», sagte sie. «Und du gibst dir auch nicht die geringste Mühe, dich zu integrieren. Wer meine Familie nicht mag, mag auch mich nicht.»

Ich telefonierte mit allen möglichen Zeitungen und Zeitschriften in Luanda und fragte nach Arbeit, aber es gab keine. Also blieb ich zu Hause, las Bücher und surfte im Internet, schaute mir Filme im Fernsehen an und spielte mit meiner kleinen Tochter. Wenn Lucrécia von der Arbeit nach Hause kam, fing der Streit an. Es waren schreckliche Monate. Oft wachte ich weinend auf. Ich nahm endlose Tauchbäder in schlammigem Wasser, und es war, als würde ich in meiner eigenen Nacht untergehen. Eines Abends schaute mein Freund Armando Carlos herein und rettete mich, riss mich aus meiner Lethargie: «Zieh dich an. Pack deine Koffer und komm.»

«Wohin denn?»

«Zu mir. Hier kannst du nicht länger bleiben.»

Armando Carlos lebte direkt gegenüber auf der anderen Straßenseite. Die Wohnung im vierten Stock eines verfallenen Hauses hatte er vor drei Jahren von einer Tante geerbt, die kinderlos und unverheiratet gestorben war. Der Fußboden aus abgetretenen Dielen war locker, und einige Bretter hätten längst ausgetauscht werden müssen. Von den Wänden blätterte die Farbe ab, wobei das Limonengrün der obersten Schicht gut zu dem verblassten Gelb passte, das darunter zum Vorschein kam. Der Gesamteindruck war nicht der von Verfall, sondern eher der einer ermatteten Pracht, sicher auch wegen des herrlichen Lichts, das sich ungehindert durch riesige Fenster ohne Vorhänge über die Wände verbreitete. Es gab ein großes Wohnzimmer, eine Küche und drei Schlafzimmer, zwei davon mit eigenem Bad. Wahrscheinlich erschien mir die Wohnung auch deshalb so riesig, weil es keinerlei Möbel gab. So gut wie nichts außer drei Matratzen, eine in jedem Zimmer, und ein paar Büchern.

«Die Möbel habe ich alle verschenkt. Auch die Platten und Bücher. Und fast alle Kleidung», erklärte Armando, als er mich durch die Wohnung führte. «Zwei Hemden habe ich noch, zwei Hosen, zwei Paar Socken, zwei Unterhosen und ein Paar Schuhe. Mehr brauche ich nicht. Besitz frisst zu viel Energie. All das zusammenzuhalten, was man besitzt, braucht nur unnötig Kraft, nutzt die Seele ab und zerstört sie. Einfach genießen ist besser. Ich will nicht das Segelboot, ich will reisen; ich will nur das Lied, nicht die Schallplatte. Kannst du mir folgen?»

Über so viel Begeisterung musste ich lachen: «Ich glaube schon. Ich verstehe.»

«Ich leide geradezu an dem Drang, nichts zu haben. Mein größter Wunsch ist, immer weniger zu besitzen. Wer nichts mehr hat, hat für alles, was wichtig ist, umso mehr Zeit.»

«Ist das Buddhismus?»

«Nein. Faulheit.»

«Faulheit? Mir kommt es sehr mühselig vor, gerade in einem Land, in dem alle doch immer nur mehr haben wollen.»

Armando überlegte kurz: «Das mag sein. Aber ich bin nicht nur faul, sondern auch ehrgeizig. Wenn ich unbedingt nichts mehr haben will, tue ich alles dafür.»

Seine Dreadlocks waren damals noch nicht so weiß, wie sie heute sind, sondern unter die schwarzen mischten sich nur einzelne graue Strähnen zu einem silbernen Ganzen, was im Kontrast zu seiner schimmernden dunklen Haut sehr gut aussah. Wir gingen in die Küche, den einzigen möblierten Raum in der Wohnung, und er machte uns Rührei mit Käse und Schinken.

«Ich weiß nicht, wo mir der Kopf stand, als ich mich in diese Frau verliebt habe», gestand ich nach dem dritten Bier.

Armando lachte: «Verliebtheit ist ein Moment der Verwirrung. Wer aus Liebe heiratet, sollte für unzurechnungsfähig und die Ehe damit für ungültig erklärt werden.»

«Kein schlechter Gedanke», gestand ich.

«Man sollte Leuten das Heiraten ausschließlich im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte erlauben. Man darf ja auch nicht betrunken fahren. Heiraten dagegen schon. Oder verliebt, was dasselbe ist. Eine Ehe ist auch nicht viel anders als Autofahren. Einmal nicht aufgepasst, und schon gibt es Verletzte, und am gefährdetsten sind die Kinder. Mit klarem Kopf würden die Leute nur aus Vernunftgründen heiraten wie meine Eltern.»

«Deine Eltern haben nur aus Vernunftgründen geheiratet?»

«Selbstverständlich. Und sie sind bis heute zusammen.»

Ich blieb jahrelang bei Armando wohnen, schrieb Theaterstücke und verdingte mich als technischer Übersetzer für alle möglichen Unternehmen. Armando ist Schauspieler. Er leitet eine kleine, sehr engagierte Theatergruppe namens Mukishi, die von Institutionen aus dem Norden unterstützt wird und zu Themen wie Menschenrechte oder Gesundheit arbeitet. Viel Geld war nur selten im Haus. Aber nachdem ich die Philosophie meines Freundes angenommen hatte, merkte ich, dass ich tatsächlich mit so gut wie nichts leben und trotzdem zufrieden sein konnte. Ich glaube, ich war nie so glücklich wie damals. Die Zeit verging. Vor drei oder vier Jahren bekam ich dann eine Stelle als Redakteur einer Onlinezeitung, ein unabhängiges Projekt, das mir Spaß machte. Ich mietete mir eine Wohnung in Talatona, kaufte mir eine Katze, die ich Baltazar nannte, und begann wieder ein einigermaßen geregeltes Leben. Und da kam Lucrécias Anruf. Sie hatte eine neue Beziehung mit einem Unternehmer begonnen, den ich noch von der Schule kannte, und wollte nun wieder heiraten. Also bat sie mich um die Scheidung. Ich willigte ein. Trotzdem und aus Gründen, die ich nicht verstehen konnte, ging sie damit vor Gericht.

Sie hatte angerufen und mich zur Verhandlung zitiert. Als ich dort war, hatte sie einen Rechtsanwalt dabei, der manchmal zum Essen bei ihrem Vater gewesen war.

«Hast du keinen Anwalt?», fragte sie mich.

Sie wusste genau, dass ich keinen hatte.

Dann war ich geschieden und pleite und ging nicht mehr zurück in die Redaktion, sondern setzte mich in mein Auto und fuhr nach Cabo Ledo. Unterwegs nahm mir ein Kleinbus die Vorfahrt, kam direkt auf mich zu, instinktiv riss ich das Lenkrad herum, der Kleinbus holperte über den Bürgersteig und knallte frontal gegen einen riesigen Kaktus. Ich hielt an und stieg aus, um zu sehen, ob jemand verletzt war, zum Glück war nichts weiter passiert, nur die Fahrgäste brüllten den Fahrer an. Ich fuhr weiter. Nach einer Stunde nahm ich den Fuß vom Gas, bog links in einen Sandweg ein und parkte schließlich im Schatten eines Mangobaums. Am Strand aufgereiht standen sieben Bungalows mit Palmdach, jeder in einer andern Farbe: Rot, orange, gelb, grün, blau, indigo, violett. An einem der Bungalows hing ein Schild mit der Aufschrift ‹Hotel Arco-Íris› – Hotel Regenbogen. Das war die Rezeption. Ich trat ein, grüßte den Inhaber, einen sehr mageren Typen mit eingefallenem Gesicht, schütteren, wirren Haaren und lebhaften Rabenaugen und fragte nach einem Zimmer für eine Nacht. Ich war nicht das erste Mal dort, kannte den Inhaber schon, jedenfalls seinen Namen, Hossi Apolónio Kaley, aber wir hatten noch nie mehr als zwei oder drei Worte miteinander gewechselt. Hossi kratzte sich mit seinen schmutzigen Fingernägeln über den rauen Bart: «Haben Sie kein Gepäck?»

Ich überhörte die Frage, nahm ihm den Schlüssel ab und ging zum blauen Bungalow, der so hässlich und eng war wie die anderen. Innen drängten sich ein Eisenbett, ein Stuhl, ein Fernseher und eine Minibar. Ich öffnete sie. Sie war leer. Der Fernseher ließ sich nicht einschalten. Dann zog ich mein Hemd aus, legte es sorgsam über einen Stuhl, zog die Schuhe und die Socken aus, die Hose, legte mich aufs Bett und schlief ein.

«Eine Frau ist ein Weg für sich», fiel mir beim Schwimmen ein, als hörte ich es jemand anderen sagen. Dieser andere machte kurz Pause und fuhr fort: «In jeder Frau steckt der Anbeginn einer Welt.»

«Von wegen Anbeginn. Höchstens der Teufel!», erwiderte ich der Person, die aus mir sprach. «Jede Frau ist eine Falle. Das schon eher.»

Schimpfen, und sei es nur in Gedanken und beim Schwimmen, erleichtert die Seele. Ich sah rechts neben mir etwas im Wasser treiben. Ein Fotoapparat, wasserdicht, gelb wie eine Mango. Meine erste, wütende Reaktion war, ihn weit wegzuschleudern. Die Zerstörung der Meere ärgert mich und macht mich traurig. Ich war einmal zwei Monate auf der Rainbow Warrior (damals war ich vierundzwanzig), kurz bevor das Schiff in Neuseeland im Hafen von Auckland vom französischen Geheimdienst versenkt wurde. Ein Freund von mir, der portugiesische Fotograf Fernando Fernandes, kam damals bei diesem Terroranschlag ums Leben. Das hat mich sehr mitgenommen, und ich gab den Aktivismus im Umweltschutz auf, nicht aber meine Ideale.

Vielleicht funktionierte die Kamera ja noch. Und ich könnte sie wenigstens aus dem Wasser holen. Also hängte ich sie mir ans rechte Handgelenk, immerhin hatte sie eine Schlaufe, und schwamm weiter, nun aber zurück zum Strand. Am Abend nahm ich aus Neugier die Speicherkarte heraus, steckte sie in meinen Computer und lud mir die Fotos herunter. Was ich sah, jagte mir einen Schrecken ein. Es war unmöglich, doch es war da. Bis um vier Uhr morgens sah ich mir jedes einzelne Bild ganz genau an, völlig im Bann dieser plötzlichen Offenbarung, die mich auf so besondere Weise erreicht hatte, dachte darüber nach, was das alles wohl zu bedeuten hatte, und grübelte über die Rätsel der Meeresströmungen und des eigenen Schicksals nach.

2

Man stelle sich ein Amphitheater vor. Ein Raum, der abschüssig auf eine Bühne aus dunklem, gebohnertem Holz zuläuft, rechts und links ein schwerer tiefroter Vorhang. Eine Frau am Klavier, nackt, um sie herum flattern Wellensittiche.

Ich sitze, ebenfalls völlig nackt, in einer der hinteren Reihen ganz oben, und in meinen Augen sind Tränen, während ich dem Konzert lausche. Ich kenne die Pianistin nicht, aber ich weiß alles über sie. Ein alter Mann links von mir in einer strahlenden Admiralsuniform flüstert: «Diese Frau ist ein Schwindel!»

Ich muss mich beherrschen, um ihn nicht zu schlagen. In meinem ganzen Leben habe ich nie so eine schöne Musik gehört. Und ich empfinde eine tiefe Bewunderung für die Frau. Ich weiß, dass sie im Gefängnis war, gefoltert worden ist, einen Tumor und einen grausamen, gewalttätigen Ehemann überlebt hat, der ihr die musikalische Laufbahn verbieten wollte. Erst als sie Witwe wird, beginnt sie, wieder Klavier zu spielen, gründet eine neuheidnische Kirche für Frauen, den ‹Culto da Deusa›, und lässt sich bei ihren Auftritten von Tieren begleiten, von Wellensittichen wie jetzt, aber auch von Hunden oder sogar Wölfen. Manchmal schießt sie zum Entsetzen der Veranstalter aus einer geladenen Pistole scharf in die Luft.

Ein Traum. Der, aus dem ich erwacht war, an dem Tag, als ich geschieden wurde. Teile daraus fielen mir wieder ein, als ich am Morgen danach mit der Kamera am Handgelenk zurück zum Strand schwamm. Die dunkle Bühne, die nackte Frau, ihre schlaffen, faltigen Brüste. Ich träume nicht selten von Leuten, die ich nicht kenne. Manchmal ihr ganzes Leben, von der Geburt bis zum Tod. Nach dem Konzert ging ich zur Bühne hinab, um mich der Frau vorzustellen. Sie umarmte mich zärtlich. Und sagte: «Es geht alles vorbei, lieber Freund. Mit der Zeit legt sich Rost über alles. Alles, was glänzt, alles, was heute noch Flamme ist, wird zu Asche und vergeht.»

«Aber es ist doch schon alles fast Asche», hatte ich ihr geantwortet. «Man hat meine Vergangenheit angezündet.»

Beim Aufwachen hatte dieser Dialog keinerlei Sinn ergeben, später, nachdem ich bei Gericht gewesen war und es Abend wurde, durchaus. Manchmal träume ich Verse. Oder Interviews. Jonas Savimbi, der Anführer der Guerillabewegung UNITA, ist mir viermal begegnet. Zweimal in wachem Zustand und zweimal im Traum. Muammar al-Gaddafi habe ich nur einmal im Traum interviewt. Er erzählte mir von seinen entsetzlichen letzten Tagen, wie er in verlassenen Häusern hatte übernachten müssen auf der Flucht vor seinen Verfolgern und bei dem Versuch, sich zu seinem Geburtsort durchzuschlagen. Wie seine Kolonne von Flugzeugen bombardiert worden war und er sich aus seinem Fahrzeug in ein Abwasserrohr hatte flüchten müssen. Als ich ihn interviewte, steckte er in diesem Abwasserrohr, eng an die Zementwand gepresst, in einem Kakihemd, auf dem Kopf eine schwarze Mütze. Als ich aufwachte, schaltete ich den Fernseher ein, und da war er, ohne die Mütze, mit zerzaustem Haar, übernächtigt und mit blutüberströmtem Gesicht, und versuchte sich mit matten Bewegungen gegen die Schläge seiner Verfolger zu wehren. «Gott ist groß! Gott ist groß!», schrien die Mörder. Er tat mir leid. Und Gott erst recht.

Bei den Interviews, die ich im Traum geführt habe, waren die Interviewten oft wirklicher und vor allem geistreicher als im Wachzustand. Andere dagegen sprachen in seltsamen Sprachen, die ich nur bruchstückhaft erraten konnte. Julio Cortázar zum Beispiel, ein Schriftsteller, mit dem ich mich nicht einmal besonders auskenne, erschien mir in Gestalt einer riesigen, sehr alten Zeder mit knorrigem Stamm und gekräuselten Nadeln. Auf meine Fragen antwortete er, indem er die Wolken am Himmel umherschob. Sie waren eine Art Alphabet und der Himmel für ihn eine leere Seite. Ich erinnere mich noch gut an diesen Traum, weil in Cortázars Schatten, in einem Korbstuhl, sehr gerade und abwesend, die Frau mit den Haaren wie Zuckerwatte gesessen hatte. Die Frau mit den Haaren wie Zuckerwatte erschien mir im Traum regelmäßig. Eine sehr große Frau, elegant und in Tücher gekleidet wie unsere Bessanganas. Ihr Gesicht länglich, kantig, aufsehenerregend, nicht unbedingt schön, und die Haare eine kupferfarbene, weich überbordende Mähne. Als Cortázar endlich die Wolken in Ruhe ließ, sagte die Frau mit den Haaren wie Zuckerwatte:

«Ich kannte mal einen Mann, der vom Meer geträumt wurde.»

3

«31. Mai 2016

Ich sitze gern früh auf der Veranda vor meinem Bungalow und warte darauf, dass die Sonne aufgeht. Auch heute saß ich dort ganz unbekümmert, als ich auf einmal Daniel Benchimol an den Strand kommen sah, nur in Unterhose. Ich wunderte mich, dass er sich so in aller Öffentlichkeit zeigte, auch wenn sonst niemand am Strand war.

Er ging ins Wasser und schwamm hinaus. Immer zielstrebig geradeaus, als wollte er nie mehr zurückkommen. Ich überlegte mir, dass er in dieser Geschwindigkeit immer geradeaus schwimmend in weniger als einhundert Tagen in Recife, Brasilien, ankommen würde.

Er war schon siebenmal hier im Hotel. Immer allein. Als ich ihn heute, am Dienstag, hier ankommen sah, wunderte ich mich, weil er kein Gepäck dabeihatte, nur eine schmale Tasche. Wochentags, wenn keine Ferien sind, kommen nur selten Gäste. Er nahm wortlos die Schlüssel, sagte nicht einmal Danke, dabei ist er sonst immer so höflich. Distanziert, aber höflich. Irgendwas muss ihm die Laune verdorben haben.

Ich interessiere mich immer für meine Gäste. Zum Beispiel mag ich Tolentino, den alten Portugiesen mit seinen grauen Haaren, dem weißen Bart, der noch gut in Form ist, stramm und wirklich sympathisch. Jeden Monat hat er eine neue Freundin, trippelt heran wie ein Sambatänzer und flüstert mir zu: ‹Die Liebe meines Lebens›, und die junge Frau in seinem Arm lächelt verlegen. Sie sind immer sehr jung und sehr groß und sehr schlank und geschmeidig.

Oft kommt auch ein früherer Minister mit seiner Ehefrau, beide sehr dick, beide sehr überheblich. Sie beschweren sich, weil kein Klopapier da ist, weil die Klimaanlage nicht funktioniert, weil Moskitos im Zimmer sind, weil das Fleisch zäh ist. Der Koch spuckt ihnen gern in die Suppe, und ich tue so, als bemerke ich das nicht, und ich muss gestehen, dass ich selbst manchmal Lust dazu hätte. Ich muss gestehen, dass ich es schon getan habe.

Sehr gern mag ich das junge Paar, er fast schwarz, sie nicht ganz weiß, die aussehen wie aus einem Spielfilm der Fünfzigerjahre. Er ist stets gut gekleidet, manchmal in Jackett und Krawatte, sie trägt weite Röcke und fröhlich gemusterte Blusen.

Ich stelle Nachforschungen über alle an. Ein Laster, das mir von früher geblieben ist. Tolentino de Castro ist Rechtsanwalt, in den Sechzigerjahren nach Angola gekommen und hat zuerst in Benguela gelebt, dann in Luanda. Dort befreundete er sich mit dem Komponisten Liceu Vieira Dias und anderen wichtigen Leuten aus dem Kulturleben der Stadt und der Unabhängigkeitsbewegung. Nach der Unabhängigkeit arbeitete er viele Jahre lang als Berater im Justizministerium und hat nun seine eigene Kanzlei. Heute vertritt er einige der größten Vermögen im Land. Er selbst ist reich, aber bescheiden geblieben. Einen Gutteil seiner Einnahmen steckt er in eine Stiftung für Straßenkinder. Sogar auf Bäume erstreckt sich seine Wohltätigkeit. Seit etwa zehn Jahren kauft er Baobabs, die in Gefahr sind. Natürlich nicht die Bäume selbst, sondern die Grundstücke, auf denen sie stehen und auf denen ihre Besitzer bauen wollen. Mittlerweile besitzt er zwei Dutzend oder mehr kleine Parzellen zwischen abscheulichen Hochhäusern und hohen Mauern. Und darauf immer Baobabs. Einmal zeigte er mir einen dieser Bäume, ein riesiges Exemplar, den man schon zu fällen begonnen hatte, als er ihn rettete. Erst gab er den Arbeitern Geld, damit sie die Maschinen abstellten, dann ging er den Besitzer des Grundstücks suchen. In die Kerbe, die bereits in den Stamm geschlagen war, passt ein ganzer Mensch. Tolentino streckte sich darin aus, um es mir vorzuführen. ‹Manchmal komme ich abends hierher›, sagte er, ‹und lege mich hinein, um zu schlafen.›

Ich fragte, warum er das tue.