Das Mädchen von Treppi - Paul Heyse - E-Book

Das Mädchen von Treppi E-Book

Paul Heyse

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Beschreibung

Neue Deutsche Rechtschreibung Paul Johann Ludwig von Heyse (15.03.1830–02.04.1914) war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Übersetzer. Neben vielen Gedichten schuf er rund 180 Novellen, acht Romane und 68 Dramen. Heyse ist bekannt für die "Breite seiner Produktion". Der einflussreiche Münchner "Dichterfürst" unterhielt zahlreiche – nicht nur literarische – Freundschaften und war auch als Gastgeber über die Grenzen seiner Münchner Heimat hinaus berühmt. 1890 glaubte Theodor Fontane, dass Heyse seiner Ära den Namen "geben würde und ein Heysesches Zeitalter" dem Goethes folgen würde. Als erster deutscher Belletristikautor erhielt Heyse 1910 den Nobelpreis für Literatur. Null Papier Verlag

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Seitenzahl: 69

Veröffentlichungsjahr: 2025

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Paul Heyse

Das Mädchen von Treppi

Novelle

Paul Heyse

Das Mädchen von Treppi

Novelle

Veröffentlicht im Null Papier Verlag, 2024Klosterstr. 34 · D-40211 Düsseldorf · [email protected] 2. Auflage, ISBN 978-3-962811-25-9

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Das Mädchen von Treppi

(1855)

Auf der Höhe des Apen­nin, wo er sich zwi­schen To­s­ka­na und dem nörd­li­chen Teil des Kir­chen­staats hin­zieht, liegt ein ein­sa­mes Hir­ten­dorf, Trep­pi ge­nannt. Die Pfa­de, die hin­auf­füh­ren, sind für Wa­gen un­zu­gäng­lich. Vie­le Stun­den wei­ter nach Sü­den in großem Um­weg über­schrei­tet die Stra­ße der Pos­ten und Vet­tu­ri­ne1 das Ge­bir­ge. Trep­pi vor­über zie­hen nur Bau­ern, die mit den Hir­ten zu han­deln ha­ben, sel­ten ein Ma­ler oder ein land­stra­ßen­scheu­er Fuß­wan­de­rer, und in den Näch­ten die Schmugg­ler mit ih­ren Saum­tie­ren, die das öde Dorf, wo sie kur­ze Rast ma­chen, auf noch viel raue­ren Fels­we­gen zu er­rei­chen wis­sen, als alle an­dern.

Es war erst ge­gen die Mit­te Ok­t­obers, eine Zeit, wo die Näch­te in die­ser Höhe noch von großer Klar­heit zu sein pfle­gen. Heu­te aber hat­te sich nach dem son­nen­hei­ßen Tage ein fei­ner Ne­bel aus den Schluch­ten her­auf­ge­wälzt und brei­te­te sich lang­sam über die edel ge­form­ten nack­ten Fels­zü­ge des Hoch­lan­des. Es moch­te ge­gen neun Uhr abends sein. In den zer­streu­ten nied­ri­gen Stein­hüt­ten, die über Tag nur von den äl­tes­ten Wei­bern und jüngs­ten Kin­dern be­wacht wer­den, glom­men nur noch schwa­che Feu­er­schei­ne. Um die Her­de, über de­nen die großen Kes­sel wank­ten, la­gen die Hir­ten mit ih­ren Fa­mi­li­en und schlie­fen; die Hun­de hat­ten sich in die Asche ge­streckt; eine schlaflo­se Groß­mut­ter saß wohl noch auf ei­nem Hau­fen Fel­le und be­weg­te me­cha­nisch die Spin­del hin und her, Ge­be­te mur­melnd, oder ein un­ru­hig schla­fen­des Kind im Kor­be schau­kelnd. Die Nacht­luft zog feucht und herbst­lich durch die hand­großen Lücken in der Mau­er, und der Rauch der ru­hig aus­bren­nen­den Herd­flam­me, der jetzt vom Ne­bel ge­drängt wur­de, schlug schwer­fäl­lig zu­rück und floss an der De­cke der Hüt­te hin, ohne dass es der Al­ten be­schwer­lich ward. Her­nach schlief auch sie mit of­fe­nen Au­gen, so­viel sie konn­te.

Nur in ei­nem Hau­se war noch Be­we­gung. Es hat­te auch nur ein Stock­werk wie die an­dern; aber die Stei­ne wa­ren bes­ser ge­fugt, die Tür brei­ter und hö­her, und an das wei­te Vier­eck, das die ei­gent­li­che Woh­nung aus­mach­te, lehn­ten sich man­cher­lei Schup­pen, an­ge­bau­te Kam­mern, Stäl­le und ein gut ge­mau­er­ter Back­ofen. Vor der Haus­tür stand ein Trupp be­la­de­ner Pfer­de, de­nen ein Bursch eben die ge­leer­ten Krip­pen weg­riss, wäh­rend sechs bis sie­ben be­waff­ne­te Män­ner aus dem Hau­se tra­ten, in den Ne­bel hin­aus, und ei­lig ihre Tie­re rüs­te­ten. Ein ur­al­ter Hund, der ne­ben der Tür lag, be­weg­te nur leicht den Schweif, als sie auf­bra­chen. Dann er­hob er sich müde von der Erde und ging lang­sam in das In­ne­re der Hüt­te, wo das Feu­er noch hell brann­te. Am Her­de stand sei­ne Her­rin, dem Feu­er zu­ge­wen­det, die statt­li­che Ge­stalt re­gungs­los, die Arme an den Hüf­ten her­ab­hän­gend. Als der Hund mit der Schnau­ze sanft ge­gen ihre Hand rühr­te, wand­te sie sich, als schre­cke sie aus Träu­men auf. »Fuo­co«, sag­te sie, »mein ar­mes Tier, geh schla­fen, du bist krank!« – Der Hund win­sel­te und be­weg­te den Schweif dank­bar. Dann kroch er auf ein al­tes Fell ne­ben dem Herd und streck­te sich hus­tend und win­selnd nie­der.

In­des­sen wa­ren auch ei­ni­ge Knech­te her­ein­ge­kom­men und hat­ten sich um den großen Tisch an die Schüs­sel ge­setzt, wel­che die ab­zie­hen­den Schmugg­ler so­eben ver­las­sen hat­ten. Eine alte Magd füll­te sie aus dem großen Kes­sel von neu­em mit Po­len­ta, und setz­te sich nun eben­falls mit ih­rem Löf­fel zu den an­dern. Wäh­rend sie aßen, wur­de kein Wort laut; die Flam­me knis­ter­te, der Hund stöhn­te hei­ser aus dem Schlaf, das ernst­haf­te Mäd­chen saß auf den Stein­plat­ten des Her­des, ließ das Schüs­sel­chen mit der Po­len­ta, das ihr die Magd be­son­ders hin­ge­stellt hat­te, un­be­rührt und sah in der Hal­le um­her, ohne Ge­dan­ken in sich ver­sun­ken. Vor der Tür stand der Ne­bel jetzt schon wie eine wei­ße Wand. Aber zu­gleich ging der hal­be Mond eben hin­ter dem Rand des Fel­sens in die Höhe.

Da kam es wie Huf­schlag und Men­schentrit­te die Stra­ße her­auf. – »Pie­tro!« rief die jun­ge Haus­her­rin mit ru­hig er­in­nern­dem Ton. Ein lan­ger Bursch stand au­gen­blick­lich vom Tisch auf und ver­schwand im Ne­bel.

Man hör­te jetzt die Schrit­te und Stim­men nä­her, end­lich hielt das Pferd am Hau­se. Noch eine Wei­le, dann er­schie­nen drei Män­ner un­ter der Tür und tra­ten mit kur­z­em Gruß ein. Pie­tro nä­her­te sich dem Mäd­chen, das teil­nahms­los in die Flam­me sah. »Es sind zwei von Por­ret­ta«, sag­te er ihr, »Ohne Wa­ren; sie füh­ren einen Si­gno­re über die Ber­ge, der sei­ne Päs­se nicht in Ord­nung hat.«

»Nina!« rief das Mäd­chen. Die alte Magd stand auf und kam an den Herd.

»Das ist’s nicht al­lein, dass sie es­sen wol­len, Pa­dro­na«, fuhr der Bursch fort. »Ob der Herr ein La­ger ha­ben kann für die Nacht. Er will nicht wei­ter vor Ta­ge­s­an­bruch.«

»Mach ihm eine Streu in der Kam­mer.« Pie­tro nick­te und ging wie­der an den Tisch.

Die drei hat­ten Platz ge­nom­men, ohne dass die Knech­te sie ei­ner be­son­dern Auf­merk­sam­keit wür­dig­ten. Es wa­ren zwei Con­trab­ban­die­ri,2 wohl­be­waff­net, die Ja­cken leicht über­ge­wor­fen, die Hüte tief über die Stirn ge­drückt. Sie nick­ten den an­dern zu wie gu­ten Be­kann­ten, und nach­dem sie ih­rem Beglei­ter einen gu­ten Platz ein­ge­räumt hat­ten, schlu­gen sie das Kreuz und aßen.

Der Si­gno­re, der mit ih­nen ge­kom­men, aß nicht. Er nahm den Hut von der ho­hen Stirn, strich mit der Hand durchs Haar und ließ die Au­gen über den Ort und die Ge­sell­schaft schwei­fen. An den Wän­den las er die mit Koh­le ge­mal­ten, from­men Sprü­che, sah im Win­kel das Ma­don­nen­bild mit dem Lämp­chen, da­ne­ben die Hüh­ner, die auf der Stan­ge schlie­fen, dann die Mais­kol­ben, die, auf Schnü­re ge­reiht, an der De­cke hin­gen, ein Brett mit Krü­gen und Korb­fla­schen, über­ein­an­der­ge­schich­te­te Fel­le und Kör­be. Das Mäd­chen am Herd fes­sel­te end­lich sei­ne un­ru­hi­gen Au­gen. Das dunkle Pro­fil zeich­ne­te sich streng und schön ge­gen das fla­ckern­de Rot des Herd­feu­ers, ein großes Nest schwar­zer Flech­ten lag tief auf dem Na­cken, die Hän­de hat­te sie in­ein­an­der ver­schränkt auf das eine Knie ge­legt, wäh­rend der an­de­re Fuß auf dem Fels­bo­den des Ge­machs ruh­te. Wie alt sie sein moch­te, konn­te er nicht er­ra­ten. Doch sah er an ih­rem Ge­ba­ren, dass sie die Wir­tin des Hau­ses war.

»Habt Ihr Wein im Hau­se, Pa­dro­na?« frag­te er end­lich. Er hat­te die­se Wor­te kaum ge­sagt, als das Mäd­chen wie vom Blitz ge­streift em­por­fuhr und auf­recht ne­ben dem Her­de stand, mit bei­den Ar­men sich auf die Plat­ten stüt­zend. In dem­sel­ben Au­gen­blick fuhr der Hund aus dem Schla­fe auf. Ein wil­des Mur­ren brach aus sei­ner keu­chen­den Brust vor. Der Frem­de sah plötz­lich vier fun­keln­de Au­gen auf sich ge­rich­tet.

»Darf man nicht fra­gen, ob Ihr Wein im Hau­se habt, Pa­dro­na?« wie­der­hol­te er jetzt. Noch aber hat­te er das letz­te Wort nicht ge­en­det, als der Hund in un­er­klär­li­cher Wut laut heu­lend auf ihn zu­sprang, ihm den Man­tel mit den Zäh­nen von der Schul­ter riss und von neu­em ge­gen ihn los­ge­sprun­gen wäre, wenn nicht ein schar­fer Ruf sei­ner Her­rin ihn ge­bän­digt hät­te.

»Zu­rück, Fuo­co, zu­rück! Frie­de, Frie­de!« – Der Hund stand mit­ten im Zim­mer, hef­tig mit dem Schwei­fe schla­gend, den Frem­den un­ver­wandt im Auge. – »Schließ ihn in den Stall, Pie­tro!« sag­te das Mäd­chen halb­laut. Sie stand noch im­mer wie er­starrt am Her­de und wie­der­hol­te den Be­fehl, als Pie­tro zau­der­te. Denn seit lan­gen Jah­ren war der nächt­li­che Platz des al­ten Tiers ne­ben dem Her­de ge­we­sen. Die Knech­te flüs­ter­ten un­ter­ein­an­der, der Hund folg­te wi­der­wil­lig, und sein Heu­len und Win­seln drang schau­er­lich von drau­ßen her­ein, bis es vor Er­schöp­fung nach­zu­las­sen schi­en.