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In einer kleinen Stadt lebt Sondra mit Ihrer Mutter. Sie haben nur wenig Geld und leben von den Körben, die die Mutter macht und die das nette Mädchen dann im nahen Hafen verkauft. Dort sieht Sondra immer viele fremdartige Menschen und Waren aus fernen Ländern. Sie träumt davon zumindest eines dieser Länder mal zu besuchen. Eines Tages hört Sondra die eigenartige Geschichte vom Schloss des guten Grafen Tartorski. Es ist einfach irgendwann verschwunden und wo einst das Schloss war, steht heute nur noch ein großer, geheimnisvoller Wald, aus dem noch nie jemand zurückgekehrt ist. Von Neugier und dem steten Wunsch getrieben, immer anderen Menschen helfen zu wollen, macht sich die Kleine auf, um das Geheimnis des Schlosses zu ergründen. In der Nacht büxt Sondra aus und begibt sich auf eine gefahrvolle Reise in den großen Wald. Sie taucht dabei immer tiefer in eine phantastische Welt voller Wunder ein und kommt durch viele fremdartige Länder. In manchen Ländern ist das Leben zu schwer, in anderen zu leicht. Aber immer findet Sondra die richtige Lösung und verhilft allen zu einem gerechten Leben. Vieles, was das Mädchen nur aus Märchen und Sagen kannte wird hier zur Realität. Sie wird Zeuge, wie die Sterne im Perlmuttfluss baden und strahlend schön wieder zum Himmel steigen. Sie trifft ein ängstliches Fledermäuschen, einen sprechenden und fliegenden Fisch, edle und starke Ritter, böse Hexen und Zauberer und noch viele andere, eigenartige Leute. Sondra muss zahlreiche Prüfungen bestehen und vielen Leuten auf ihrem Weg helfen. Dabei lernt sie viel Gutes und viel Böses kennen. Sie gewinnt neue Freunde und löst schwierige Rätsel. Aber auch die Erwachsenen lernen viel von dem kleinen Mädchen: Mut, Gerechtigkeit und dass es wichtig ist, andere mit Respekt zu behandeln. Am Ende kommt die Kleine hinter das Geheimnis des verschwundenen Schlosses und sie muss sich ihrer größten Prüfung stellen, um alles wieder ins Lot zu bringen und zu ihrer Mutter zurückkehren zu können.
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Seitenzahl: 77
Veröffentlichungsjahr: 2017
von Nataliya Lanova-Prelle
Es lebte einmal in einer alten wunderschönen Stadt ein kleines nettes Mädchen namens Sondra. Sondra war höflich und gut erzogen, sie war bei allen beliebt und jeder freute sich, sie zu sehen. Sie mochten es, wenn auf ihrem schönen Puppengesicht ein strahlendes Lächeln erschien, denn dieses Lächeln schenkte jedem Menschen Wärme.
Sondra wohnte zusammen mit ihrer Mutter in einem alten Steinhaus am Rande der Stadt. Es gab niemanden, der für die beiden sorgte, also waren sie gezwungen sich selbst um das tägliche Brot zu kümmern. Sie flochten Körbe und Sondra verkaufte sie im kleinen Hafen. Die Mutter blieb zu Hause und bereitete derweil das Abendessen vor. Fast jeden Tag kam Sondra zum belebten Hafen, wo man allerlei Kram verkaufte, wo angereiste Schauspieler oder Zirkusleute tanzten und sangen, wo reich und bunt angezogene Damen und Herren spazierten. Sondra genoss all diese Pracht, die Seltsamkeiten aus Übersee, die merkwürdigen Leute und wunderlichen Spiele. Aber am meisten lockte sie hierher die geheimnisvolle Weite des Meeres. Jedes Mal starrte sie in die blaue Ferne, dorthin, wo das Wasser an den Himmel grenzte. „Was gibt es dort, hinter dem Horizont?“ fragte sie sich oft. „Sicher gibt es irgendwo andere Länder, die bestimmt wunderschön und interessant und vielleicht auch fremdartig sind, denn woher sonst kommen all diese Leute, die verschiedene unbekannte Sprachen sprechen? Wie gut wäre es mindestens eines der Länder besuchen zu können...“, dachte dann Sondra.
Nachdem sie alle Körbe verkauft hatte, verließ sie den kleinen Hafen und ging nach Hause, zu ihrer Mutter, die mit dem Abendessen auf sie wartete. Ihr Weg führte Sondra enge, krumme Straßen entlang, die einer Schlange ähnelten und sie traf viele Leute, die die gutmütige Kleine freundlich grüßten.
„Unser liebes kleines Fräulein, sie sind so schön heute“, riefen sie ihr nach.
„Liebe Sondra, ein wunderbarer Tag ist heute, nicht wahr?“ fragten die anderen.
„Ja, das stimmt“, antwortete ihnen das Mädchen.
Die Stadt brodelte, die Leute liefen hin und her, begegneten einander und gingen wieder auseinander. Sie verabredeten sich, besprachen wichtige und nicht so wichtige Angelegenheiten, diskutierten miteinander. Eines dieser Gespräche hörte Sondra ganz zufällig. Sie ging gerade an zwei Alten vorbei, die ein Ereignis besprachen, sich stritten und dadurch die Aufmerksamkeit des Mädchens auf sich zogen:
„Hast du es gehört, Tom? Im Tartorski-Wald sind wieder Leute verschwunden, und zwar gestern“, murmelte der Greis mit einem grauen Bart.
„Was heißt: Verschwunden? Nichts und niemand kann verschwinden so mir nichts, dir nichts“, antwortete der andere.
„Das glaubst du! Sie waren zu zweit. Sie sind hineingegangen und nicht zurückgekehrt. Und das passiert nicht zum ersten Mal. Hast du es früher wirklich nicht gehört und glaubst du es jetzt auch nicht?“
„Leeres Geschwätz! Wenn sie wirklich nicht zurückgekommen sind, so gibt es andere Gründe dafür: Sie wollten einfach nicht zurückkommen, weil es ihnen dort besser gefiel. Oder Wölfe haben sie gefressen.“
„Es ist allen bekannt“, sagte der Mann mit dem Bart, „dass es im Tartorski-Wald keinen einzigen Wolf gibt.“
„Und woher weiß man das? Wer konnte darüber berichten, wenn keiner aus dem Wald zurückgekommen ist?“ fragte der zweite Mann.
„Das weiß ich nicht mehr. So hat man es erzählt, als ich noch ein Kind war.“
Auf einmal verlor Sondra das Interesse an diesem Gespräch und ging weiter. Unterwegs sah sie eine wunderbare Schaukel. Früher gab es sie hier nicht, das hieß, dass sie erst neulich hier errichtet wurde. Die Schaukel, die unter einem alten Baum angebracht war, war sehr bequem und mit schönen, bunten und zarten Blumen geschmückt.
Sondra schaukelte und das Schönste war, dass man beim Aufschwung das weite Meer und die fernen Berge, die weißen Segel am blauen Himmel und die zauberhaften Wolken sehen konnte. Das Mädchen schaukelte hoch und nieder und träumte von fremden Ländern, von unbekannten Tieren, guten und schrecklichen, von rätselhaften Leuten mit ihren Geheimnissen und ihrem Edelmut.
Sie träumte und träumte und träumte... Und die Zeit verging. Plötzlich wachte sie auf, als sie schon den Sonnenuntergang in milden rosa und gelben Farben sah. Ja, die Sonne wollte jetzt schlafen. Sondra sprang von der Schaukel und rannte nach Hause.
„Sondra, meine Liebe, wo bist du so lange gewesen?“ tadelte die Mutter.
„Mami, verzeih mir, bitte. Ich weiß, ich bin schuld, aber du weißt ja auch, wie zerstreut ich manchmal bin. Es tut mir leid, dass ich so unaufmerksam bin, aber ich verspreche, in Zukunft vernünftiger zu sein.
„Es wäre gut“, erwiderte ihre Mutter mit leichtem Misstrauen. „So, und jetzt lass uns zu Abend essen, zu Bett gehen und dann schlafen. Morgen kommt ein neuer Tag mit neuen Sorgen, Überraschungen und Entdeckungen. Entdeckungen magst du gerne, nicht wahr?
„Ja, Mami, sehr gerne.“
Während die Mutter den Tisch deckte, vertiefte sich Sondra in Gedanken und wog sich in einem wunderbaren Traum. Sie sah so geheimnisvoll aus, dass ihre Mutter nach ihren Gedanken fragte:
„Sag mal, Mädchen, woran denkst du? Hast du etwas Neues gesehen, dass du jetzt versuchst zu begreifen?“
„Ja, Mami, du hast Recht. Heute Mittag habe ich zufällig ein Gespräch gehört. Zwei Alte haben sich über etwas Wunderbares, Interessantes und Geheimnisvolles unterhalten. Sie haben über Menschen gesprochen, die im Tartorski-Wald verschwunden sind. Das ist sehr seltsam und macht mir sogar etwas Angst. Mami, hast du irgendetwas über diesen Wald gehört?“
„Oh! Diese Geschichte ist sehr eigenartig. Ich habe sie von meiner Oma gehört. Sie hat erzählt, dass früher statt des Tartorski-Waldes ein altes Schloss von unsagbarer Schönheit stand. Dieses Schloss gehörte früher dem Grafen Tartorski. Das war ein wunderbar lustiger Ort, wo sich viele interessante Leute versammelten. Aber eines Tages ist das Schloss verschwunden und an diesem Ort ist binnen einer Nacht ein dichter Wald gewachsen. Die Leute haben diesen Wald zum Andenken an den gutmütigen, lustigen Grafen `Tartorski-Wald´ genannt. Viele konnten sich mit dieser Missetat nicht abfinden und deshalb begaben sie sich in den Wald, um nach dem Grafen Tartorski und seinem wunderbaren Schloss zu suchen. Aber keiner von ihnen ist je zurückgekehrt. Liebe Sondra, vergiss nicht: Man kommt aus diesem Walde nicht zurück. Auf keinen Fall darfst du hineingehen. Ich verbiete dir in den Wald hineinzugehen. Niemals wird es jemandem gelingen, das Geheimnis zu enthüllen und noch viele mutige Männer werden das Los der Verschwundenen teilen, ohne die schrecklichen Rätsel des Tartorski-Waldes gelöst zu haben. So war es, so ist es und so soll es auch bleiben. Du, die Neugierigste der Neugierigen, hast du mich gut verstanden?“
„Ja, Mami, ich vergesse deine Worte nicht. Danke schön für die Erzählung.“
„Also gut, und jetzt iss dein Abendbrot auf, bring deine Puppen zu Bett und geh schlafen. Dann siehst du die wunderbarsten Träume, die du mir dann morgen früh erzählen kannst. Schlaf gut!“
Sondra machte alles, was ihre Mutter wünschte: Sie trank warme Milch mit Honig, fütterte ihre Puppen und brachte sie zu Bett. Dann kam die Mutter, küsste Sondra, die sofort einschlief.
„Eigenartig“, wunderte sich die Mutter, „normalerweise wühlt sie sich noch lange im Bett. Doch heute musste sie wirklich müde sein, denn sie ist im Nu eingeschlafen.“
Ungeachtet der Mutters Bitte, machte sich das achtjährige Mädchen Sondra auf den Weg. Sie nahm nur einen kleinen Korb mit etwas Essen mit. Um die Mutter nicht zu wecken, beschmierte Sondra den Riegel und die Türbänder mit Öl, damit sie nicht quietschten und verließ das Haus. Der runde Mond, so grell und schneeweiß, zeigte ihr mit seinem hellen, starken Licht den unbekannten Weg. Der Strahl glitt über wildes Gebüsch und über die Kronen des Waldes. Die Blätter rauschten im leichten Wind, als ob sie etwas Geheimnisvolles mitteilen möchten, etwas, was nur ihnen bekannt war. Aber das Mädchen konnte sie nicht verstehen – ihre Sprache war ihm unbekannt.
„Ach, wie schön wäre es auch andere Sprachen zu verstehen. Ich verstehe überhaupt nicht, was mir diese dünnen Blätter zu erzählen versuchen“, dachte Sondra und ging langsam weiter.