Das Museum der unerfüllten Versprechen - Elizabeth Buchan - E-Book

Das Museum der unerfüllten Versprechen E-Book

Elizabeth Buchan

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Beschreibung

In ihrem neuen Roman erzählt Elizabeth Buchan von einem besonderen Ort voller Wunder und Traurigkeit, Hoffnung und Verlust: »Das Museum der unerfüllten Versprechen«. Auf zwei Zeitebenen und in zwei atmosphärischen Städten – das Paris der Gegenwart und Prag in den 80er-Jahren – entfaltet sich die Geschichte einer zarten und zugleich gefährlichen Liebe und einer bewegenden inneren Reise.   Mitten in Paris befindet sich ein außergewöhnliches Museum, das Museum der unerfüllten Versprechen. Jedes seiner Ausstellungsstücke – eine leere Keksdose, ein Zugticket, ein Babyschuh – steht für einen Moment voller Trauer und Verrat. Doch wer hier einen Gegenstand abgibt, macht sich damit frei von den Dämonen der Vergangenheit. Auch Laure, die Besitzerin des Museums, hofft auf diesen befreienden Effekt. Unter den Exponaten sind Zeugnisse ihrer eigenen Jugend. Sie führen ins Prag des Jahres 1985, wo Laure als Au-pair gearbeitet hat. Als sie sich in einen rebellischen jungen Musiker verliebt, hat das schreckliche Konsequenzen. Denn das Leben hinter dem Eisernen Vorhang ist kompliziert – und Gefahr lauert überall.  »Eine Perle von einem Buch – elegant geschrieben und wunderschön!« Marian Keyes

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Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover & Impressum

Zitat

Österreich

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Danksagung

Zitat

»Mit der Zeit wurde mir bewusst, dass eszweierlei Arten von Freiheit gab,die innere und die äußere.«

Ivan Klíma, Moje šílené století

3

Das Büro oben im Haus war sehr klein. Vermutlich war hier früher einmal die Unterkunft der Dienstmädchen gewesen, und auf diese mochten die Räume palastartig gewirkt haben, aber für Laure stellte es ein immer größeres Problem dar, wie sie darin den bürokratischen Bedarf des Museums unterbringen sollte.

Eine Lösung hatte darin bestanden, die Wände zu streichen, inklusive des angrenzenden noch kleineren Raumes, der für Besprechungen genutzt wurde, und zwar in einem kaiserlichen Chinagelb, das sie – warum auch immer – geräumiger erscheinen ließ. Eine weitere Taktik war, ein drakonisches Maß an Sauberkeit einzuhalten.

Es war neun Uhr. Nic saß bereits an seinem Schreibtisch. Er war Engländer; seit nunmehr achtzehn Monaten auf dem Posten, zweisprachig, ungebunden, ehrgeizig, wollte er es in der Kunstverwaltung unbedingt zu etwas zu bringen und gehörte der Generation an, die davon ausging, dass sie überall in Europa leben konnte, als wäre nichts dabei. »Es ist einfach, mal hier, mal da zu leben«, sagte er. »Das machen viele von uns.«

Natürlich, die Generation Nic machte das so. Für sie war Europa eine Erweiterung ihres Heimatreviers. Und sie hatte das genauso empfunden.

Grüßend hob er eine Hand. »Klopf, klopf.«

»Wer da?«

»Toby.«

»Welcher Toby?«

»Toby or not Toby.«

Sie spielten das Spiel, wer den schlimmsten Witz aus dem Internet anschleppen konnte.

Sie dachte an Nos Arts en France und drückte sich die Daumen. »Was, wenn ich dir sage, dass du nicht mehr besser wirst?«

Nics Augen wurden groß. »Aber alles, was ich weiß, habe ich von dir gelernt.« Drohend hielt er einen Finger hoch. »Sag mir, dass ich unverzichtbar geworden bin.«

»Bist du«, antwortete sie ehrlich.

Er war zwar erst Ende zwanzig, besaß aber eine ungewöhnliche Fähigkeit, Menschen zu durchschauen. Nic dabei zu beobachten, wie er sich aus einer verzwickten Lage herausmanövrierte, war Anschauungsunterricht in Lebenskunde. Würde man sie dazu drängen, würde sie zugeben, dass sie von ihm gelernt hatte und dafür dankbar war. Liebe konnte einen völlig überraschend treffen und tat das auch, aber – und auch das war eine Überraschung – mit Zuneigung verhielt es sich genauso.

»Habe ich etwa Rasierschaum am Kinn?«, fragte er.

»Nein, warum?«

»Weil du mich so anstarrst.«

Sie lächelte. »Nur weil ich dich so mag.«

»Irgendjemand muss den Job ja machen.«

Nic begriff, worum es in ihrem Museum ging. Er verstand, dass die Gegenstände etwas zu sagen hatten. Als sie ihn das erste Mal durch die Räume geführt hatte, hatte sie zugesehen, wie ihm dieses Verständnis langsam gedämmert war.

Den Morgenkaffee für diesen Tag hatte Nic in einen Thermobecher gefüllt und zusammen mit Laures Terminplan auf ihrem Schreibtisch platziert. Sie setzte sich, stellte ihre Tasche unter dem Tisch ab und gab »Tierarzt, Canal Saint-Martin« bei Google ein. Sekunden später hatte sie den Telefonhörer in der Hand und vereinbarte einen Termin.

»Ich wusste gar nicht, dass du eine Katze hast«, sagte Nic.

»Habe ich auch nicht.«

Ungläubig sah er sie an. »Du musst den Terminplan noch absegnen.«

Sie warf einen Blick darauf. Für den Vormittag war ein Interview mit einer freien Journalistin eingetragen. »Himmel.«

Der intelligente Nic war ein Experte darin geworden, Laures Reaktionen vorherzusehen. »Ich habe es so eingerichtet, dass es vor dem Mittagessen erledigt ist. Bis du deine frites aufspießt, wird alles vorbei sein.«

»Frites!« Sie sah auf. Er lächelte. Widerwillig grinste sie. »Wer ist es?«

»Sie sagt, sie hätte Spitzenkontakte, die sich ihren Pitch ansehen würden.«

Laure rollte mit den Augen. »In einem früheren Leben muss ich wirklich schrecklich gesündigt haben.«

Wenn er nett drauf war, dann zeigte Nic sich manchmal nachgiebig. Dann wieder konnte er es durchaus mit Caligula oder Stalin aufnehmen. »Es wird schon nicht so schlimm werden, und du musst es machen. Am Telefon klingt sie ganz gut, außerdem habe ich sie überprüft. Sie hat unter anderem Artikel im New York Times Magazine veröffentlicht.« Er fügte hinzu: »Sie ist jung. Arbeitet sich hoch.«

»Das sind die Schlimmsten.«

»Sind sie das, ja?« Er beobachtete ihren Gesichtsausdruck. »Und das kommt von der Frau, die sich weigert preiszugeben, ob sie Orangenmarmelade oder Konfitüre zum Frühstück bevorzugt.«

Sie stieß ein verlegenes Lachen aus. »Mag sein.«

Xavier hatte das immer für krankhaft gehalten.

Bei früheren Gelegenheiten hatte Nic gesagt, dass es verständlich sei, aber – auch wenn er das nicht laut aussprechen würde –, sein »verständlich« bedeutete eigentlich kurzsichtig.

»Wenn du dieses Risiko eingehst, dann würde das Museum von einem großen Artikel in einer auflagenreichen Zeitschrift profitieren.« Nic zeigte Raffinesse und brachte die Argumente aufsteigend vor. »Diese selbstherrlichen Museumsdirektoren müssten dich dann wahrnehmen, Laure.«

»Es ist mir egal, wenn sie das nicht tun.«

»Denk an Gianni aus Rom.«

»Der war einmalig.« Gianni Rovere, der italienische Journalist, war zuvorkommend und humorvoll gewesen und hatte Laure die Höflichkeit erwiesen, über ihre Antworten nachzudenken, bevor er mit der nächsten Frage weitermachte.

»Manche könnten diesen Ort hier als negativ bewerten«, hatte er gegen Ende des Interviews angemerkt.

»Nein«, hatte Laure widersprochen. »Das Museum bietet einen Ort, wo man neu anfangen kann.«

Nics letzter Hieb: »Die Leitung von Maison de Grasse wäre begeistert. Das ist die Art Publicity, die sie davon überzeugen wird, dass sie die richtige Entscheidung getroffen haben.«

Ihm lagen die Interessen des Museums am Herzen, und sie vertraute ihm. »Wenn ich das mache, habe ich dann bis Weihnachten Ruhe?«

Nic lächelte, und die Sonne ging auf.

Am Vormittag führte er die Journalistin in Laures Büro. Laure sah auf und runzelte die Stirn. »Oh«, sagte sie. »Wir kennen uns schon.« Sie nahm die Visitenkarte zur Hand, die das Mädchen ihr gegeben und die sie in den Ablagekorb gelegt hatte. »May Williams?«

Ohne die Sonnenbrille war zu sehen, dass May Williams überraschend blaugraue Augen hatte – ein Blick daraus, und Nic schien in Trance zu verfallen. Heute trug sie eine Skinny Jeans, ein eng anliegendes T-Shirt und angesagte Turnschuhe, wirkte aber etwas nervös. »Ich möchte wirklich unbedingt über das Museum schreiben.« Bei genauerer Betrachtung waren dunkle Schatten unter ihren aufsehenerregenden Augen zu erkennen. »Das könnte ein wichtiger Artikel sein.«

Ihre Ernsthaftigkeit war entwaffnend und half dabei, Laures Verärgerung über die Taktik, mit der sie an das Interview gekommen war, abzumildern. Sie warf einen Blick zu Nic, der aus seiner Trance erwachte, und sagte: »Kaffee, denke ich mal.«

Das Mädchen holte einen Stapel Blätter aus dem schwarzen Rucksack. »Ich dachte, Sie würden sich gern ansehen, was ich bereits gemacht habe.« Ihr Tonfall war sachlich, aber die Hand, mit der sie die Unterlagen vor Laure ausbreitete, hatte abgekaute Fingernägel und erzählte eine eigene Geschichte. »Ich verspreche, es ist keine schlampige Arbeit.«

Laure blätterte ein paar Artikel durch. Was sie sah, ließ auf ein helles Köpfchen und einen subversiven Schreibstil schließen.

O Gott, dachte sie. Ich will sie nicht an dieser Sache dranhaben.

Als der Kaffee kam, schnupperte May daran und schloss für einen Moment die Augen. Sie nahm einen Schluck und hatte danach einen kleinen Milchbart auf der Oberlippe. »Ich habe mich in französischen Kaffee verliebt.«

»Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen zeigen, wo man den besten bekommt«, sagte Nic.

May lächelte ihn an.

Nic hatte also nicht gelogen, als er Laure versicherte, er hätte sie unter die Lupe genommen. Am Telefon hatten sie über mehr als nur über das Interview geredet.

»Ich führe Sie herum, dann bekommen Sie ein Gefühl für diesen Ort, bevor Sie mich interviewen«, sagte Laure, und May sprang auf und griff nach der Kaffeetasse. »Lassen Sie den Kaffee bitte hier. Wir müssen sehr darauf achten, dass keine Missgeschicke passieren.«

»Klar.« May trank den Kaffee aus und tupfte sich danach die Oberlippe ab. Mit einem Mal schien ihr ganzer Körper wacher zu sein. »Sollen wir loslegen?«

Laure führte sie nach unten zur Kasse, wo Chantal die Souvenirbestände prüfte und von ihrem Tablet aufsah, als sie kamen. »Wir brauchen mehr Kühlschrankmagneten mit den Handschellen«, sagte sie auf Französisch. »Davon können wir gar nicht genug haben. Das hier ist der letzte.« Sie hielt ihn hoch. Auf dem Magnet war ein Bild mit flauschigen Tigerplüsch-Handschellen, darunter stand: »Sie versprachen das Paradies.«

Laure übersetzte, und May lachte. Dann führte Laure sie in den ersten Raum, wo sie fragte: »Sie sind zweisprachig, oder? Wie kommt das?«

»Meine Mutter ist Französin. Mein Vater Engländer.«

Während ihrer Museumsführung mit Laure sagte May wenig, sie fragte nur, wie viele Räume es gebe. »Drei auf diesem Stockwerk, vier darüber, insgesamt also sieben, und dann noch die Büros. Es ist schwierig, weil die Räume alle unterschiedlich groß sind und es uns überall an Platz mangelt. Der größte Raum war vermutlich einmal ein Empfangssalon, der kleinste könnte unserer Meinung nach eine Toilette gewesen sein. Die meisten Böden sind noch original. Das erkennt man an der Breite der Dielen.« Sie fuhr fort: »Von Ihrem letzten Besuch werden Sie wissen, dass man hier anfängt und dann den Pfeilen sens de visite durch die drei nächsten Räume folgt. Danach die Treppe hoch. Durch die Räume im oberen Stock und dann über die Haupttreppe wieder nach unten, die etwas knifflig ist, weil sie so eng ist. Aber daran lässt sich nichts ändern.«

May schlenderte ein wenig herum. »Es ist sehr heimelig und stimmungsvoll, vielleicht etwas verstörend, aber eindeutig heimelig.«

»Die Gegenstände stellen etwas anderes als ›heimelig‹ dar«, ließ Laure säuerlich verlauten.

Unvermittelt blieb May stehen. »Himmel. Ich habe diese Regel, mir die überholten Ausdrücke von zu Hause zu verkneifen, aber dieser ist mir durchgerutscht.« Man sah ihr eine leichte Panik an. »Ich will damit nicht sagen, dass das Museum kitschig ist.«

»Zu Hause?«

»Alabama.« Sie zog eine Grimasse. »Mint Juleps, Pastete, Jim Crow.« Sie gestikulierte mit beiden Händen. »Wahnsinn. Leiden. Hitze. All das.«

May Williams war froh, noch einmal davongekommen zu sein.

»Also eine Flüchtende?«

May gab einen unverbindlichen Laut von sich und warf einen Blick in die größte Vitrine. »Ein Zugticket? Was ist das für eine Sprache?«

Ein kurzer Moment verstrich, ehe Laure antwortete. »Tschechisch.«

»Ach ja, ich glaube, es wurde für das Interview mit dem italienischen Journalisten fotografiert, nicht wahr? Das hat zu etwas Wirbel in der Tschechischen Republik geführt, weil sie dort leicht nervös werden, wenn man sie an die schlechten Tage unter kommunistischer Herrschaft erinnert.«

Laure wandte sich ab. »Ja, das hat es, glaube ich.«

Im zweiten Raum standen drei Vitrinen. May zeigte auf die erste. »Ich wollte Sie fragen, was es mit der Streichholzschachtel auf sich hat.«

»Wenn Sie ganz genau hinsehen, werden Sie darin einen Milchzahn entdecken. Der siebenjährige Jamie hat ihn hergebracht.«

»Ein Kind?«